Samstag, 29. Februar 2020

Buchrezension: Ross Welford - Der Hund, der die Welt rettet

Inhalt:

„Mein Hund heißt Mister Masch, weil er ein Mischling ist. Eine echte Promenadenmischung. Er stinkt fürchterlich und frisst wirklich alles, was ihm unter die Schnauze kommt. Er ist nicht mal besonders clever. Aber ich liebe ihn abgöttisch … und er wird die Welt retten, ob ihr’s glaubt oder nicht."
Scheinbar zufällig freundet sich die elfjährige Georgie, stets in Begleitung ihres Hundes Mister Masch, mit einer exzentrischen Wissenschaftlerin an, die eine spannende Erfindung gemacht hat: eine Virtual-Reality-Brille, durch die man eine völlig realistische 3D-Version der Zukunft sehen kann. Und Georgie darf sie testen!
Doch plötzlich bricht in der Stadt eine tödliche Krankheit aus und bedroht alle Hunde. Bald wird auch Georgies geliebter Mister Masch krank! Den beiden bleibt nur eine Wahl: Eine Reise in die Zukunft soll alle Hunde der Erde retten. Und vielleicht sogar die gesamte Menschheit. 

Rezension: 

Die elfjährige Georgie arbeitet als Freiwillige im Tierheim Sankt Bello, wo sie sich besonders um ihren Lieblingshund Mister Masch kümmert, eine Promenadenmischung, die aufgrund der Allergie von Georgies Stiefmutter Jessica nicht bei ihr zu Hause leben kann. 
Beim Strandspaziergang mit den Hunden und ihrem besten Freund Ramzy lernt Georgie die Wissenschaftlerin Dr. Pretorius kennen, die die Kinder in ihr Labor einlädt, um eine Virtual-Realitiy-Brille zu testen. 
Als eine Hunde-Ebola-Seuche ausbricht und das Virus wenig später auch Menschen infiziert, wird von der Regierung beschlossen, alle Hunde vorbeugend einzuschläfern, um das Virus einzudämmen. Georgie, die sich eine Mitschuld an der Ausbreitung des Virus gibt, weil sie sich im Tierheim nicht an die Hygienevorschriften gehalten hat, kann nicht zulassen, dass Mister Masch getötet wird, entwickelt eine Idee. Sie möchte mit Hilfe von Dr. Pretorius Experiment in die Zukunft reisen, um das Heilmittel gegen die Seuche zu holen. Zusammen mit Ramzy stürzt die sich in das Abenteuer ihres Lebens. 

"Der Hund, der die Welt rettet" ist ein Buch für Kinder ab zehn Jahren. Es ist aus der Perspektive der Heldin Georgie geschrieben, die sich kindlich naiv und beherzt für die Rettung des besten Freund des Menschen und letztlich für die gesamte Welt einsetzt. 

Die Geschichte wird humorvoll, abwechslungsreich und durch viele Mini-Cliffhanger am Ende der kurzen Kapitel spannend erzählt. Auch ohne Kind zu sein, befindet man sich durch den bildhaften Schreibstil sofort inmitten der lebendigen Science-Fiktion-Geschichte und fiebert mit den beiden Kindern mit. 

Es ist ein fantastisches Abenteuer über Tierliebe, Freundschaft, Engagement und Mut, das trotz der lebensbedrohlichen Ausgangslage und vieler toter Hunde warmherzig geschrieben ist. Es macht Spaß, die beiden sympathischen und mutigen Kinder zu begleiten und zu sehen, wie sie ohne die Erwachsenen eine eigene Idee entwickeln, die Welt von der Seuche zu befreien. Neben der ideenreichen, mitreißenden Geschichte gefiel mir vor allem auch der Wortwitz des Autors - Sprachspiele, die für Kinder nicht so augenscheinlich sein dürften. 
Fazit: ein turbulentes Buch für Groß und Klein.



Freitag, 28. Februar 2020

Buchrezension: Alaitz Extremera Leceaga - Die Töchter der Villa Soledad

Inhalt:

1927, Basondo im Baskenland: Estrella und ihre Zwillingsschwester Alma führen ein privilegiertes Leben in der Villa Soledad. Sie wachsen mit rauschenden Festen und großem Luxus auf, doch sie leiden unter ihrem herrischen Vater, ihrer Rivalität untereinander und dem Fluch, dass eine von ihnen an ihrem fünfzehnten Geburtstag sterben wird. Als der Tag kommt und sich ihr Schicksal erfüllt, bleibt eine der Schwestern übrig. Gebrandmarkt von ihrem Schicksal wird sie zu einer furchtlosen Frau, die alles tun wird, um ihr Erbe, ihren Stolz und ihr geliebtes Land in Basondo zu schützen. 

Rezension:

Die beiden Zwillingsschwestern Estrella und Alma führen als Töchter des Marquis von Zuloaga ein gut situiertes und behütetes Leben in der Villa Soledad im spanischen Baskenland, bis sich ihre Großmutter 1927 von den Klippen in das Kantabrische Meer stürzt. 
Von der Großmutter haben die Mädchen magische Fähigkeiten geerbt, die sie vor anderen geheimhalten. Durch ihre Zauberei und das Spiel mit der Natur werden sie mit einem Fluch belegt, der dafür sorgt, dass nur eine von beiden ihren 15. Geburtstag überleben wird. 
Bis dahin ist das Leben der Schwestern von Konkurrenzdenken, Neid und Eifersucht geprägt - Eigenschaften, die dazu führen, dass die Prophezeiung eintritt. 
Die überlebende Estrella, die sich stets im Schatten von Alma gefühlt hat, wird von der Familie verstoßen, gelangt auf ein Mädcheninternat in England, bis sie mit knapp 18 Jahren den kalifornischen Ranch-Besitzer Mason Campbell heiratet, um nicht mittellos zu sein. 
Als die Ranch drei Jahre nach der Ankunft von Estrella in Amerika wegen der miserablen Geschäftsführer ihres Ehemanns vor dem Ruin steht, setzt sie erstmalig wieder ihre Fähigkeiten ein, um die Ranch zu retten und ihren Besitz zu verteidigen. Dabei bedenkt sie erneut nicht, welche Folgen ihre Magie und Manipulation der Schöpfung für Natur und Menschen haben wird. Ein Spiel mit dem Feuer, das sie letztlich wieder zurück nach Spanien bringen wird, wo sie den Familienbesitz, die Eisenmine in Basondo, wieder in Betrieb nehmen möchte. 

"Die Töchter der Villa Soledad" ist ein epischer Roman über eine junge Frau, die in einer Umgebung aufwächst, die von der Willkür und Macht der Männer geprägt ist und die sich ohne Rücksicht auf Verluste über alle Konventionen hinwegsetzt und ihren eigenen Weg geht, auch wenn der mit Verlust und viel Schmerz verbunden ist. 

Cover und Titel suggerieren eine historische Familiensaga mit dem Fokus auf zwei privilegierten Mädchen, ist jedoch eher ein Drama mit Mystery-Elementen, das man dem magischen Realismus zuordnen kann. Die Magie und die daraus resultierende Manipulation der Natur wirkt sich auf das Leben von Estrella in großem Umfang aus und hat einen wesentlichen Anteil an der Geschichte. Estrella ist dabei keine liebenswürdige Protagonistin. Ihr Charakter ist bestimmt von Eifersucht, Neid und Rachegedanken und sie stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Sie spielt mit der Natur und kämpft entschieden gegen ihr Schicksal. 

Gespannt verfolgt man die Katastrophen, die sich anbahnen und die Folgen für Estrella und die Familie Zuloaga. Dabei überzeugt der Roman mit einer düsteren bis gruseligen, magischen Atmosphäre und einem anschaulichen historischen Setting, geprägt von der einzigartigen Kulisse in den Wäldern von Basondo und der kargen Landschaft in Kalifornischen und den historischen Ereignissen der Wirtschaftskrise, des spanischen Bürgerkriegs und den Auswirkungen von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg. 

Es ist ein Roman über Eifersucht, Macht und Ehrgeiz mit Fantasy- und Mystikelementen, der den Weg einer starken und unbeugsamen Frau beschreibt, deren bewegendes Schicksal berührt, auch wenn man nicht mit all ihren Entscheidungen einverstanden sein kann und ihre gewissenlose und kaltherzige Art den Leser vor den Kopf stößt. 



Mittwoch, 26. Februar 2020

Buchrezension: Peter Zantingh - Nach Mattias

Inhalt:

Amber singt bei einem Konzert gegen ihren Schmerz an; Quentin läuft Kilometer um Kilometer, um der Erinnerung zu entkommen, und Kristianne möchte die wahre Geschichte ihres Sohnes erzählen. Diese Leben und das von fünf weiteren Menschen überkreuzen sich durch Mattias’ unerwartetes Verschwinden auf schicksalhafte Weise. Wie Puzzlesteine fügen sich ihre Geschichten zu einem Abbild von Mattias und werden trotz aller Trauer zu Zeugen seiner Begeisterungsfähigkeit und seines unbeugsamen Mutes, sich dem Leben jeden Tag vorbehaltlos hinzugeben. 

Rezension: 

Mattias ist Mitte 30, als er überraschend ums Leben kommt. Mehr erfährt man zunächst nicht über den Toten. 
Acht Personen, die entweder mit Mattias verwandt oder auf unterschiedliche Art und Weise bekannt waren, versuchen seinen Tod zu verarbeiten und blicken dabei mitunter auf das zurück, was sie mit Mattias verband. 
Da ist Amber, die Freundin von Mattias, die genauso wenig wie die Großeltern Riet und Hendrik und die Mutter Kristianne begreifen kann, dass Mattias so früh aus dem Leben geschieden ist. Sie trauern und müssen sich damit abfinden, ein Leben ohne den geliebten Menschen weiterzuführen. 
Quentin, ein enger Freund von Mattias, fühlte sich nur von ihm verstanden und versucht sich durch das Laufen von seiner Trauer abzulenken. Issam kannte Mattias nur über einen virtuellen Kontakt durch ein gemeinsames Hobby. Doch auch er vermisst Mattias und geht sogar zu seiner Beerdigung. 
Drei weitere Personen zählen zu dem Beziehungsgeflecht, auch wenn sie Mattias nicht persönlich kannten. Insbesondere durch die scheinbar Unbeteiligte Tirra erfährt der Leser auf welche tragische Weise Mattias ums Leben kam. 

Ich empfand den Roman eher wie eine Sammlung von Kurzgeschichten, die Episoden aus den Leben einzelner Personen schildern, die jeder auf seine Art mit einem jüngst Verstorbenen verbunden sind. Dabei blieb mir Mattias jedoch völlig fremd. Bis auf einzelne wenige Aspekte aus seinem Leben erfährt man über die Angehörigen und Freunde sehr wenig über ihn als Person. Vielmehr hatte ich das Gefühl, dass sich die Hinterbliebenen aus Schmerz scheuen, sich überhaupt an Mattias zu erinnern. Die Intension des Autors, der am Ende selbst durch ein Interview zu Wort kommt, erreichte mich leider nicht. 





Montag, 24. Februar 2020

Buhrezension: Lisa Jewell - Weil niemand sie sah

Inhalt: 

Ellie Mack war fünfzehn. Klug, gewitzt, der Liebling ihrer Mutter. Sie hatte ihr ganzes Leben noch vor sich. Bis sie von einem Tag auf den anderen spurlos verschwand. Zehn Jahre sind seitdem vergangen, doch insgeheim hat Laurel nie die Hoffnung aufgegeben, ihre Tochter irgendwann wiederzufinden. Ihr eigenes Glück ist nebensächlich geworden. Dann lernt sie einen Mann kennen, in den sie sich Hals über Kopf verliebt. Was ihr jedoch wirklich den Atem raubt, ist die Begegnung mit seiner neunjährigen Tochter – denn diese ist Ellie wie aus dem Gesicht geschnitten. All die unbeantworteten Fragen sind mit einem Mal wieder da: Was geschah damals mit Ellie? Und gibt es jemanden, der endlich Licht ins Dunkel bringen kann? 

Rezension: 

Mit 15 Jahren verschwindet die strebsame und hübsche Ellie Mack, Liebling ihrer Mutter Laurel, spurlos. Laurel glaubt nicht daran, dass ihre Tochter eine Ausreißerin sein soll wie Polizei und Medien es darstellen und gibt die Hoffnung auf ein Wiedersehen nicht auf. Die Familie zerbricht an dem Verlust der Tochter und jüngsten Schwester. 
Zehn Jahre später lernt Laurel den charmanten und charismatischen Floyd Dunn in einem Café kennen und beginnt nach all den Jahren wieder aktiv am Leben teilzuhaben. Floyds jüngste Tochter, die neunjährige Poppy, ein frühreifes und altkluges Mädchen, erinnert sie optisch an Ellie. Als sich dann auch noch herausstellt, dass Poppys Mutter Ellies Mathe-Nachhilfelehrerin Noelle Donnely ist, die ebenfalls verschwunden ist, stellt sich Laurel abermals die Frage, was vor zehn Jahren geschehen ist. 

Der Roman wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und wechselt dabei immer wieder von der Gegenwart in die Vergangenheit. Er beginnt spannend und fesselt durch das zunächst ungewisse Schicksal um Ellie. Die Spannung flacht allerdings etwas, als sich die Hintergründe für das Verschwinden der Fünfzehnjährigen abzeichnen und sich für den Leser immer mehr Details offenbaren, was sich in der Vergangenheit ereignet hat. 
Dennoch fesselt der Roman durch die Abgründe, die sich auftun und die Charaktere, die facettenreich und mitunter verstörend sind. Insbesondere die kleine Poppy ist irritierend, wirkt mit ihren neun Jahren künstlich und grotesk erwachsen. 

"Weil niemand sie sah" ist eine Mischung aus Psychothriller und Familiendrama, dass - obwohl der Täter frühzeitig bekannt ist - eine Sogwirkung entfaltet. Der Roman schockiert durch die Hintergründe der Tat und die Ich-Perspektive des Täters, die man mit Entsetzen liest. Dabei ist es rückwirkend traurig zu sehen, wie die Familie an dem Drama zerbrach und die Beziehungen untereinander nie wieder dieselben wurden, auch wenn das Ende in eine positive Richtung deutet. Die Geschichte ist einerseits bizarr und gruselig, dabei jedoch nicht abwegig. Andererseits ist sie emotional und aufreibend zu erkennen, wie einfach ein Mensch aus dem sozialen Mensch fallen kann, um so eine Tat zu realisieren. 



Samstag, 22. Februar 2020

Buchrezension: Gudrún Eva Mínervudóttir - Unter Engeln

Inhalt: 

Die 13-jährige Alma ist überzeugt davon, dass ihr Jesus erschienen ist. Sie will fortan den „Weg der Liebe“ gehen und alle davon überzeugen. Ihre Eltern, die eigentlich gedacht haben, sie hätten ihre Tochter im Geist der Freiheit erzogen, wissen sich nicht mehr zu helfen und schicken sie zur Psychologin. Doch Alma lässt sich nicht beirren und geht weiter ihren Weg. Je entschlossener sie ist, desto unsicherer werden ihre Eltern, die plötzlich gezwungen sind, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren. 

Rezension: 

Im Urlaub in Spanien erscheint der 13-jährigen Alma in Cádiz Jesus, als sie ihre Eltern aus den Augen verloren hat. Sie verspürt keine Angst, als er mit ihr durch die Stadt geht und sie am Strand zurücklässt, wo ihre Familie sie finden soll. 
Seit diesem Erlebnis ist Alma vom Glauben an Gott und den Messias überzeugt, auch wenn Religion in ihrem Leben bisher keine große Rolle spielte. Ihre Eltern Jórunn und Pétur machen sich Sorgen, insbesondere da Alma sich mit der festen Überzeugung Jesus begegnet zu sein, von anderen abgrenzt und sich durch ihren unbedingten Vorsatz der Nächstenliebe sogar in Gefahr bringt. Sie bringen Alma zu einer Psychologin nach Reykjavik, die eine Familientherapie empfiehlt und auch mit den Eltern Einzelgespräche führt. 
Alma lässt sich durch nichts beirren, bleibt standhaft und verwundert mit ihrem festen Glauben sogar den Pfarrer. 

"Unter Engeln" ist ein Roman über ein besonderes Mädchen, das wie durch ein Wunder zum Glauben findet und damit die gesamte Umgebung um sich herum, ihre Eltern, Geschwister, Freunde, Mitschüler und sogar den Pfarrer irritiert. 
Alma sieht sich nicht als eine von Gott Auserwählte oder gar als Prophetin, die eine Botschaft zu verkünden hat. Sie möchte einfach nur einen gottgefälligen Weg gehen und hat dabei ein offenes Herz für alle Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen. 

Die Jesus-Erscheinung ist jedoch nur der Aufhänger für den Roman. Er erzählt damit eine Geschichte über eine Familie in einer kleinen Gemeinde auf Island, die zwar harmonisch zusammenzuleben scheint, in der es aber ungelöste Konflikte gibt, die durch die Familientherapie zutage treten. 
Der Roman zeigt die Konsequenzen auf, wenn jemand plötzlich aus dem Rahmen fällt und sich mit Gegenwind und Intoleranz konfrontiert sieht. Er gibt einen interessanten Einblick in eine spannende Familie und überzeugt durch seine individuellen Charaktere, vor allem in der starken Persönlichkeit der jungen Alma. 
Der Roman endet etwas beliebig ohne zu einem runden Abschluss zu kommen und lässt den Leser mit seiner eigenen Interpretation der Geschehnisse zurück. 




Freitag, 21. Februar 2020

Buchrezension: Lena Wolf - Ein Sommer auf Sylt

Inhalt: 

Drei Schwestern, ein Haus am Meer und ein Sommer, der seinen Namen verdient
Eigentlich bräuchte Julia dringend eine Auszeit. Aber die Reise nach Sylt entpuppt sich als wenig erholsam. Denn mit Julia sitzen auch ihre Mutter und zwei Tanten im Autozug auf die Insel.
Die drei Schwestern sind vollkommen zerstritten und lassen keine Gelegenheit aus, den anderen auf die Füße zu treten. Vor allem streiten sie darüber, was mit dem Haus auf Sylt geschehen soll, in dem sie früher unbeschwerte Familienurlaube verbracht haben.
Zunächst kommen die Frauen aber in einer Pension unter. Und hier zeigt Sylt sich endlich von seiner besten Seite. Zumal der Besitzer sehr charmant ist und Julia anbietet, ihr die Schönheit der Insel zu zeigen. Doch damit fangen Julias Probleme erst an. 


Rezension: 

Julia erbt überraschend von ihrem verstorbenen Vater ein Friesenhaus auf Sylt. Um ihr Erbe in Augenschein zu nehmen und einen Verkauf möglichst zügig abzuwickeln, reist sie nach Sylt und hat dabei ihre Mutter Beate sowie deren zwei Schwestern Christiane und Annegret im Schlepptau. Vor Ort stellen sie fest, dass das Haus bewohnt ist - von der Geliebten des Vaters. Julia ist entsetzt, war doch diese Frau der Anlass für die Trennung ihrer Eltern, die sich jedoch nie scheiden ließen. 

Tante Christiane ist bereit, Julia das Haus für eine stolze Summe abzukaufen, doch Julias in Hamburg verbliebener Freund und Geschäftspartner, der zusammen mit Julia eine GmbH gründen möchte, übt Druck auf Julia auf, sich an einen Immobilienmakler zu wenden. Das in den 1950er-Jahren gebaute und von Julias Vater fortkaufen sanierte und renovierte Haus ist tatsächlich deutlich mehr Wert, als das Angebot der Tante. 

Während Julias Mutter und Tanten den Urlaub auf Sylt genießen, abends dem Alkohol frönen und sich anzunähern scheinen, setzt sich Julia ab und lernt dabei den Besitzer der Pension näher kennen, in der sie wohnen. Mats Christensen ist geborener Sylter und kann Julia, die bisher eine regelrechte Abneigung gegen die Insel hatte, für die Schönheit Sylts und die Vorzüge des Insellebens die Augen öffnen. 

Julias Überzeugungen geraten ins Wanken. Die Zukunftspläne ihres Freundes scheinen sich nicht mit ihren zu decken, zudem fühlt sie sich zunehmend von Mats angezogen und sich letztlich unsicher, ob sie das Friesenhaus überhaupt noch verkaufen möchte, nachdem ihr Vater es offenbar allein für sie so liebevoll instand gehalten hat. 

"Ein Sommer auf Sylt" erzählt eine Geschichte über einen Neuanfang, ist aber gleichzeitig eine Liebeserklärung an die Insel Sylt, die sehr ausführlich mit ihren Ortschaften und touristischen Attraktionen beschrieben wird. 

Die Geschichte über eine junge, mehr oder weniger glücklich liierte Frau, die zum Antritt eines Erbes einen Ortswechsel vornimmt, ein Familiengeheimnis aufdeckt und sich dabei nicht nur in den neuen Ort, sondern auch einen attraktiven Bewohner verliebt, ist nichts Neues und leider hat auch "Ein Sommer auf Sylt" wenig Überraschendes zu bieten. Mit der Ankunft auf der Insel zeichnet sich ab, wie der Roman verlaufen und letztlich enden wird, was ich schade fand. Gerade der Konflikt zwischen Julia und ihren Eltern, aber auch die Entzweiung der Schwestern sowie die Rolle des Friesenhauses in der Vergangenheit hätten Potenzial für eine tiefer gehende und spannendere Geschichte gehabt. Leider werden Beate und ihre Schwestern zu Statisten, die alleine für eine Auflockerung durch ihre Kabbeleien sorgen. 

Der Roman ist trotz Vorhersehbarkeit kurzweilig geschrieben, liest sich leicht und versetzt den Leser sehr anschaulich auf die größte nordfriesische Insel. Er ist damit perfekt für Leserinnen,die Sylt kennen und lieben oder schon immer einmal dorthin reisen wollten.



Mittwoch, 19. Februar 2020

Buchrezension: Alexandra Cedrino - Die Galerie am Potsdamer Platz

Inhalt: 

Berlin, 1930: Die junge Kunststudentin Alice zieht nach dem Tod ihrer Mutter in die Hauptstadt. Sie sucht Anschluss an ihre Familie, einstmals angesehene Kunsthändler, die sie nie kennengelernt hat, trifft aber zunächst nur auf kalte Ablehnung. In der pulsierenden Kunstszene Berlins fühlt sie sich dennoch sofort zu Hause und entdeckt bald ihr Talent als Fotografin. Und sie verliebt sich in den Deutsch-Iren John. Trotz der Widerstände ihrer Großmutter plant sie gemeinsam mit ihren Onkeln, die einst legendäre Galerie der Familie am Potsdamer Platz wiederzueröffnen. Dabei begegnet sie dem Kunstkenner Erik, Erbe einer spektakulären Kunstsammlung. Doch ist er wirklich daran interessiert, ihr zu helfen? Es sind unruhige Zeiten, und der Aufstieg der Nationalsozialisten droht bald ihre Liebe, die Galerie und ihre gesamte Familie in den Abgrund zu reißen. 

Rezension: 

Nach dem Tod ihrer Mutter begibt sich Alice im Oktober 1930 von Wien nach Berlin, um ihre Familie aufzusuchen, die sie bislang nicht kannte. Ihre Mutter Anna hatte sich nach einem Streit mit Alices Großmutter Helena von allen distanziert. Während Helena abweisend auf das plötzliche Erscheinen von Alice reagiert und sie als "Kuckuckskind" bezeichnet, wird sie von ihren beiden Onkeln Johann und Ludwig und Tante Rosa warmherziger aufgenommen. 
Alice bleibt in Berlin, verliebt sich in den Deutsch-Iren John und entdeckt ihr Talent als Fotografin. Gemeinsam mit ihren Onkeln eröffnen sie die Galerie Waldmann wieder, wobei Alice die Bilder der Kunstsammlung fotografiert und katalogisiert. 
Die Zeiten in Berlin werden rauer, SA und SS ziehen durch die Straßen und die Nationalsozialisten, die eine Gefahr für die freie Kunst sind, erstarken. Alice gerät in einen ganz persönlichen Konflikt mit dem Kunstsammler Erik Wolfferts, der ein bekennender Nationalsozialist ist und sich Alice ungehemmt nähert. 

"Die Galerie am Potsdamer Platz" ist der Auftakt der "Galeristinnen-Trilogie" um die Galerie der Familie Waldmann der Berliner Kunsthändlerszene. 
Im Verlauf des Romans spielt die Kunst und die titelgebende Galerie nur eine untergeordnete Rolle und auch der Konflikt zwischen Großmutter Helena und ihrer Tochter Anna, der zu einer andauernden Entzweiung der Familie geführt hat, bleibt nur an der Oberfläche. Der Grund dafür ist jedoch weitaus weniger spektakulär als die tatsächliche Offenbarung des Familiengeheimnisses. 
Die Charaktere bleiben auf Distanz, ihre Motive und ihre Empfindungen nicht greifbar und auch die turbulente politische Situation in Berlin wird wenig anschaulich dargestellt. Die schillernde Kunstszene, das historische Flair Berlins und die zunehmende Bedrohung durch die Nationalsozialisten werden allenfalls angerissen, aber nicht weiter vertieft. 
Nach dem Kennenlernen von John und der anfänglichen Verliebtheit vermisste ich einen roten Faden in der Handlung, die mich weder packen noch emotional bewegen konnte. 
Nach einem guten Start und viel Potenzial für eine mitreißende Geschichte, wirkte der Roman über weite Strecken langweilig und leblos, verlor sich in Allgemeinplätzen und der andauernden Beschreibung von Whiskey-Trinken oder dem Rauchen von Zigarren und Zigaretten. Damit konnte mich "Die Galerie am Potsdamer Platz" nicht neugierig auf die folgenden beiden Bände der "Galeristinnen-Trilogie" machen. 



Montag, 17. Februar 2020

Buchrezension: Lily Graham - Die Insel der Leuchttürme

Inhalt: 

Ein altes Haus im warmen, mediterranen Licht auf einer balearischen Insel. Ein Ort, von der Zeit vergessen, der von lange vergangenen Sommern, sonnengeküssten Erinnerungen und einem schrecklichen Verrat erzählt. 
Ihr verstorbener Mann James hinterlässt Charlotte ein unerwartetes Geschenk auf Formentera: das wunderschöne alte Haus mit dem klingenden Namen Marisal, das einst ihrer Großmutter gehörte. Als Charlotte dorthin reist, kommt sie der verborgenen Geschichte ihrer Familie, die eng mit dem dunklen Geheimnis der Insel verwoben ist, auf die Spur. Und sie erfährt von einer verhängnisvollen Liebe, die viele Leben in Gefahr brachte und von zwei Schwestern, die ein tragischer Verlust entzweite. 

Rezension:

Charlotte Woolf ist 45 Jahre alt, als ihr Mann an Krebs stirbt. Als sein Erbe hinterlässt er ihr ein Haus auf Formentera, das er heimlich gekauft hat. Es ist das Haus von Charlottes Vorfahren, das zuletzt ihre Großmutter Alba bewohnte. 

Der Tod von James hat Charlotte schwer getroffen. Als ihre 19-jährige Tochter ihr Studium wieder aufnimmt und Wodka Charlottes bester Freund zu werden droht, beschließt sie, nach Formentera zu reisen und eine Woche für sich auf der kleinen balearischen Insel zu verbringen. Vor Ort findet sie einen Brief von James, in welchem er ihr mitteilt, dass die Schwester ihrer Großmutter noch auf der Insel lebt. 
Charlotte wusste bisher überhaupt nicht, dass ihre Großmutter noch Verwandte auf Formentera hat. im Gespräch mit ihrer Großtante Maria erfährt Charlotte mehr über die Wurzeln ihrer Familie, die bis auf den Anfang des 18. Jahrhunderts zurückzuverfolgen sind. Dabei erhält sie nicht nur Kenntnisse über die Leben ihrer Vorfahren, die sie überraschen, sondern auch Details über die Geschichte der Insel, über Flucht, Vertreibung und Leugnung der eigenen Herkunft. 

"Die Insel der Leuchttürme" handelt auf der kleinsten Insel der Balearen, die vom Tourismus noch nicht überlaufen ist. Charlotte bezieht die alte Villa Marisal und bleibt länger als die vorgesehene Woche der Regeneration, als sie durch ihre Großtante mehr über die Herkunft ihrer Familie erfährt. 
Die Aufdeckung eines Familiengeheimnisses und die Erzählungen über ihre Vorfahren lenken sie von der Trauer über ihren verstorbenen Mann ab. Auch als Leser taucht man in die Geschichte der Familie Alvarez ein, die beispielhaft für viele Familien auf Formentera ist, die sich bewusst auf der kleinsten Insel niedergelassen haben, um dort Schutz vor der Inquisition zu suchen. Die Autorin vermischt dabei historische Fakten mit einer fiktiven Geschichte. 

Der Roman, der zunächst von Trauer und Trauerbewältigung handelt, überrascht durch den Erzählstrang in der Vergangenheit, der von zwei unterschiedlichen Schwestern auf Formentera Anfang des 18. Jahrhunderts handelt und einer verbotenen Liebe, die das Leben der ganzen Familie gefährdete und die beiden Schwestern zu entzweien drohte. 

Während in der Gegenwart Charlotte, abgelenkt durch die Aufdeckung der überraschenden Vergangenheit, wieder neuen Lebensmut fasst, die Villa Marisal renoviert und einen Neuanfang wagt, schildert die Vergangenheit ein spannendes Familiendrama, das eng mit der Geschichte der balearischen Inseln und dem Kampf um Freiheit und Religion verbunden ist. 

Cover und Titel des Romans suggerieren eine sommerlich-leichte Inselgeschichte, er bietet aber letztlich viel mehr und wartet mit interessanten Details über die spanische Geschichte auf, die mir bisher nicht bewusst waren. Dabei bewegt der Roman durch die packenden Schicksale der Frauen und ihre Geschichte, die von Liebe, Verlust und Geheimnissen erzählt und Auswirkungen bis in die Gegenwart hat. Am Ende ging es mir jedoch ein wenig zu schnell, die Probleme in beiden Erzählsträngen lösten sich zu abrupt in Wohlgefallen auf.   



Samstag, 15. Februar 2020

Buchrezension: Katrin Bongard - Es war die Nachtigall

Inhalt: 

Ökoaktivisten gegen Jäger, Weltoffenheit gegen Tradition, zwei unversöhnliche Lager und eine große Liebe. Die 16-jährige Marie kämpft mit einer Gruppe von Freunden für den Tierschutz und gegen den Klimawandel. Sie will etwas verändern. Bei einem Konzert ihrer Lieblingsband trifft sie ausgerechnet auf Ludwig von Brockdorff, einen leidenschaftlichen Jäger. Obwohl beide vom ersten Moment an eine starke Verbindung zueinander spüren, prallen zwei gegensätzliche Welten frontal aufeinander. Können eine selbstbestimmte Umweltaktivistin und ein traditionsbewusster junger Jäger zusammen sein, trotz aller Vorurteile und der Hindernisse, die die gegnerischen Familien und das Umfeld bedeuten?

Rezension: 

Die Schülerin Marie kommt aus einer Familie, die sich vegan ernährt und sich für Umwelt- und Tierschutz stark macht. Sie ist so geprägt und setzt sich auch selbst mit vollem Engagement und Herzblut für eine bessere Welt ein. Als Aktivistin bei einer Jugendgruppe von Greenpeace nimmt sie regelmäßig an Aktionen teil, schreckt aber auch nicht vor illegalen Aktivitäten zurück, die bereits eine Vorstrafe zur Folge hatten. 
Ludwig stammt aus einer Familie traditioneller Jäger und hat selbst gerade den Jagdschein bestanden. Er hat Respekt vor den Tieren, tötet nicht aus Leidenschaft für das Jagen, sondern um die Natur zu schützen, wie er es gelernt hat. Er mag den Wald und die Rituale um das Jagen, bekommt aber nach dem ersten Abschuss eines Rehbocks Zweifel, ob der Mensch tatsächlich über Leben und Tod von anderen Lebewesen entscheiden darf. 
Bei einem Konzert in Berlin lernt er Marie kennen. Die beiden sind sofort auf einer Wellenlänge, bevor sie mehr über einander erfahren können. Trotz aller Gegensätze und negativer Kommentare von Freunden verbringen sie immer mehr Zeit miteinander und verlieben sich hemmungslos - wie Romeo und Julia ohne Rücksicht auf ihre Herkunft. 

"Es war die Nachtigall" ist eine Liebesgeschichte in Anlehnung an Shakespeares Klassiker und schon mit dem Prolog wird klar, dass diese Liebe tragisch enden wird. 
Es ist ein Jugendroman, der nicht nur von einer gegensätzlichen Liebe handelt, sondern auch Themen wie Trauer, soziales Engagement, Umweltschutz, Zukunftsängste und Abgrenzung umfasst - wichtige und aktuelle Themen, die die Menschen bewegen, so dass das Buch auch für Erwachsene lesenswert ist. 

Der Roman ist abwechselnd aus der Perspektive von Marie bzw. Ludwig geschrieben, was es dem Leser ermöglicht, beide Welten kennenzulernen und beide Personen, ihr Handeln und Fühlen nachzuvollziehen. 
Auch wenn die Gegensätze Umweltaktivistin - Jäger auf den ersten Blick sehr plakativ sind und konstruiert wirken könnten, ist es keine Geschichte voller Klischees und Stereotypen. Hier ist nichts Schwarz-Weiß dargestellt, jeder Charaktere ist vielschichtig und ihre Reaktionen nicht vorhersehbar. Die Autorin schafft es, die Geschichte fast wertfrei zu erzählen, verteufelt weder Jäger als Mörder, noch feiert sie Umweltaktivisten als Helden oder wirft Veganern Militanz vor. 
Mit dem Buch kann sich jeder seine eigene Meinung bilden und es macht nachdenklich über das eigene Engagement für die Zukunft unserer Erde. Dabei berührt das Buch mit einer Liebesgeschichte, die sich an keine Grenzen oder Regeln hält. 



Freitag, 14. Februar 2020

Buchrezension: Stephanie Butland - Fünfzehn Arten eines Wunders

Inhalt: 

Seit ihrer Geburt leidet die 27-jährige Ailsa an einer Herzkrankheit, die sie beinahe getötet hätte. Gerade noch rechtzeitig hat sie nun ein Spenderherz erhalten. Eigentlich wäre es also höchste Zeit, sich endlich kopfüber in dieses Abenteuer namens Leben zu stürzen – doch Ailsa weiß einfach nicht, wie. Wie entscheidet man, welchen Beruf man ergreifen will? Oder auch nur, welches neue Hobby?
Jetzt, wo es um so viel mehr geht als nur um den nächsten Tag, hat Ailsa vor allem eines: Angst. Also lässt sie die Follower des Blogs, den sie im Krankenhaus geführt hat, die Entscheidungen für sie treffen. Dabei ist Ailsas neues Herz nicht nur stark, es ist auch mutig. Sie müsste ihm einfach nur zuhören. Denn da draußen wartet jemand darauf, dass Ailsa den Mut findet, ihr neues Herz zu verschenken. 


Rezension:

Ailsa leidet an einem angeborenen Herzfehler und wird nach langem Bangen im Oktober 2017 erfolgreich ein Spenderherz transplantiert. Mit 28 Jahren beginnt für sie ein zweites Leben, was sie zunächst jedoch überfordert. Ihre Mutter Hayley würde sie nach wie vor am liebsten in Watte packen, aber Ailsa beginnt sich abzunabeln, möchte endlich alleine wohnen und ihr erstes eigenes Geld verdienen. Unterstützung bei ihren Entscheidungen sucht sie sich bei den Followern ihres "BlueHeart" Blogs, indem sie ihre Community regelmäßig mit Zukunftsfragen konfrontiert und abstimmen lässt. 
Bei einer Radiosendung zum Thema Transplantation lernt sie den Schauspieler Seb kennen, dem auf einem Auge Hornhaut transplantiert wurde. Ailsa freundet sich mit ihm an und unterstützt ihn bei den Proben für das Theaterstück "Romeo und Julia". Es kommt zu zarten Annäherungsversuchen, aber Ailsa ist sich unsicher, ob auch er für sie, die sich als Folge der Nebenwirkungen ihrer Immunsuppressiva unattraktiv und zu pummelig findet, mehr empfinden könnte. 

"Fünfzehn Arten eines Wunders" ist ein Roman über eine junge Frau, die nach einem langen körperlichen und seelischen Leidensweg ein Spenderherz erhält und damit ein neues Leben beginnen kann. 
Der Roman ist durch die Wahl verschiedener stilistischer Formate sehr abwechslungsreich geschrieben, verwirrt dadurch aber nicht. Der Roman setzt den Fokus auf die Handlung nach der Operation und blickt durch kurze Rückblenden auch auf Episoden der Vergangenheit zurück. Zudem wird die Geschichte durch die Blog-Einträge, Abstimmungen und E-Mails zwischen Ailsa und Seb sowie Interviews und Zeitungsartikel aufgelockert. 

Es ist ein berührender Roman mit einem ernsten Thema, der aufgrund der Bonmots, witzigen Dialoge und Ailsas smarter und selbstironischer Art jedoch sehr amüsant zu lesen ist. Ailsa nimmt sich selbst nicht so ernst und zeigt auch auf ihrem Blog, wer sie ist - mit all ihren Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten. Der Roman ist warmherzig geschrieben, was den einnehmenden und sympathischen Charakter der Ailsa, die absolut authentisch wirkt, noch unterstreicht. Das Thema Organspende wird dabei ganz leichtfüßig mit einer romantischen Liebesgeschichte verpackt, die vielleicht vorhersehbar, aber deshalb nicht langweilig ist. 
Der Roman bleibt trotz aller Leichtigkeit nicht oberflächlich. Trotz aller positiver Folgen eines neuen Spenderherzens wird bewegend und nachvollziehbar dargestellt, wie Ailsa dennoch Momente hat, in denen sie mit ihrem Schicksal hadert: Muss sie für alles dankbar sein oder stets glücklich sein, nur weil sie überlebt bzw. ihr Leben verlängert hat oder darf sie nicht auch trotzdem Wut und Trauer empfinden?

"Fünfzehn Arten eines Wunders" zeigt die Entwicklung einer verunsicherten Frau, die ein bisher stark eingeschränktes Leben führen musste, zu einer Frau mit mehr Selbstbewusstsein, die lernt, nicht mehr nur von einem Moment zum nächsten zu leben, sondern sich ernsthaft mit ihrer Zukunft zu beschäftigen, da sie auf ihr Herz "Apple" vertrauen kann, das kräftig schlägt. 
Unweigerlich regt der Roman mit der einnehmenden Geschichte zum Nachdenken über Organspende an, so dass sich jeder Leser zumindest (erneut) mit der Frage auseinandersetzen sollte, sich einen Organspendeausweis zu besorgen, um im Ernstfall ein Menschenleben retten und Angehörigen eine Entscheidung abnehmen zu können. 


Mittwoch, 12. Februar 2020

Buchrezension: Sarah Archer - The Plus One - Sie baut sich Mr. Right einfach selbst

Inhalt: 

Kelly ist neunundzwanzig, Roboteringenieurin, brillant, ehrgeizig – und Dauersingle. Als die Hochzeit ihrer Schwester bevorsteht und Kelly wieder einmal am Katzentisch zu enden droht, schreitet sie zur Tat und baut sich ihren Traummann einfach selbst! Ethan ist groß, gut aussehend, charmant und witzig. Und er versteht Kelly wie kein Zweiter auf dieser Welt. Kein Wunder, schließlich hat sie ihn ja höchstpersönlich programmiert. Doch dann passiert etwas, das Kelly nie für möglich gehalten hätte: Sie verliebt sich in Ethan, den Roboter.

Rezension: 

Kelly ist Ingenieurin im Silicon Valley und arbeitet derzeit an einem Roboter, dem "Confibot", der zukünftig in der medizinischen Pflege der Menschen eingesetzt werden soll. Es handelt sich um eine Art Wettbewerb um Investoren für das beste Gerät. Kelly sollte dazu mit einem Psychologen zusammenarbeiten, mit dem sie sich jedoch überworfen hat, nachdem dieser ihr mangelnde soziale Kompetenzen vorgeworfen hat. 

Ihre Familie schätzt Kelly zudem als unfähig ein, einen Partner zu finden und festzuhalten, was Kelly insbesondere bei den Vorbereitungen zur Hochzeit ihrer jüngeren Schwester Clara zu spüren bekommt. Um weitere Kuppelversuche zu vermeiden, erfindet sie kurzerhand "Ethan" und baut sich einen Roboter nach ihren Vorstellungen eines perfekten Mannes. Auch wenn Ethan am Anfang noch etwas steif wirkt, kann er Kellys Familie und sogar ihre Kollegen als Mensch überzeugen. Kelly gewöhnt sich in den Wochen vor der Hochzeit an Ethan, fühlt sich an seiner Seite immer wohler und verliebt sich in ihn, so dass sie es nicht schafft, als sein Zweck nach der Hochzeit erreicht ist, ihr verselbstständigtes Experiment zu zerstören. 

Kelly ist eine intelligente, junge Frau und erfolgreich in ihrem Beruf, vermisst jedoch die Anerkennung ihrer Familie. Sie fühlt sich vor allem neben ihrer Schwester nur als "zweite Wahl" und leidet darunter, von ihrer Mutter sorgenvoll als alternde Jungfer behandelt zu werden. Durch die Konstruktion von Ethan entflieht sie dem Druck ihrer Familie, verstrickt sich jedoch in Lügen und gefährdet damit die Beziehung zu ihrer besten Freundin Priya. 
Kelly agiert für eine kompetente Wissenschaftlerin sehr blauäugig und fühlt sich nur noch mit Ethan an ihrer Seite werthaltig und vollständig, als sie registriert, wie gut er bei anderen Menschen ankommt. Ihr ganzes Selbstbewusstsein scheint sie an Ethan festzumachen. 

Ich fand es schade und zu übertrieben, dass Kelly in ein so antiquiertes weibliches Rollenbild gepresst wurde und hätte mir von dem Roman lieber eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema Künstliche Intelligenz, ihren Gefahren und Vorteilen für die Menschen, gewünscht. Stattdessen beschränkt sich die Geschichte sehr lange auf Kellys Komplexe und ihr trauriges Liebesleben. Ethans Eigenschaft als Roboter findet kaum Erwähnung, bei ihm hätte es sich auch um einen erfundenen Freund oder engagierten Schauspieler handeln können, wie man es aus anderen Romanen bereits kennt. Auch Kellys Arbeit an Confibot rückt durch den Fokus auf ihr Privatleben völlig in den Hintergrund und kommt erst spät zur Geltung. 

Die Geschichte verschenkt damit einiges an Potential und ist über weite Strecken nicht mehr als eine amerikanische Liebesgeschichte um eine junge Frau ohne Selbstbewusstsein, die trotz ihres beruflichen Erfolgs vergeblich versucht, bei anderen Liebe und Anerkennung zu finden. 
Die Illusion eines Liebe, die sich Kelly aufbaut und das zunehmende Abdriften in eine Traumwelt, hätte als psychologisches Problem aufgegriffen werden können, eine kritische Auseinandersetzung mit der Problematik von zwischenmenschlichen Beziehungen in einer zunehmend schnelllebigeren und technisierten Welt, findet nicht statt. 
"The Plus One" ist zwar kurzweilig geschrieben, dient aber trotz der vielversprechenden Grundidee nur der oberflächlichen Unterhaltung und bleibt damit hinter den Erwartungen zurück. 



Montag, 10. Februar 2020

Buchrezension: Kathryn Croft - Während du schläfst

Inhalt: 

Ohne jede Erinnerung an die Nacht zuvor erwacht Tara in einem fremden Bett. Neben ihr liegt ihr freundlicher Nachbar Lee – mit einem Messer in der Brust. Hat sie ihn ermordet? Zum Glück hat sie kein Blut an den Händen. Tara schafft es, in ihr Haus zurück zu schleichen und die harmlose Nachbarin zu spielen. Doch dann gerät ausgerechnet ihre Tochter in Verdacht, eine geheime Affäre mit dem Nachbarn gehabt zu haben. 

Rezension: 

Tara wacht eines Morgens neben ihrem Nachbarn auf, der erstochen in seinem Bett liegt. Sie hat kaum noch eine Erinnerung an den Abend und kann sich nicht erklären, wie sie mit Lee, den sie nur flüchtig kannte, im Bett gelandet sein könnte. Eigentlich wollte sie seine Ehefrau besuchen, die aber dann nicht zu Hause gewesen war. Tara hat keine Blutspuren an ihrem Körper und geht deshalb davon aus, dass sie Lee nicht ermordet haben kann und flüchtet aus dem Haus. 

Tara kann mit niemandem darüber sprechen, dass sie neben dem Täter die letzte Person war, die Lee noch lebend gesehen hat, bis Zeugen behaupten, sie aus dem Haus kommend gesehen zu haben. 
Doch Tara ist nicht die einzige, die etwas zu verbergen hat. Ihr Mann Noah war an dem Abend entgegen seiner Aussage nicht geschäftlich in New York, sondern hat sich mit seiner ehemaligen Geliebten in einem Hotel getroffen. und dann wird ihre Tochter Rosie auch noch beschuldigt, ein Verhältnis mit dem deutlich älteren Nachbarn gehabt zu haben und gerät unter dringenden Tatverdacht. 

"Während du schläfst" ist ein Thriller, der aus der Perspektive von Tara geschrieben ist, so dass man als Leser nur einen eindimensionalen Blick auf das Geschehen hat. Weder ihr noch allen anderen Personen in der Nachbarschaft kann man trauen. Jeder scheint ein Geheimnis zu verbergen oder sich in Lügen zu verstricken. Als Täter kommt grundsätzlich jeder in Betracht, wobei über das Motiv - aller Wahrscheinlichkeit nach eine Beziehungstat - nur spekuliert werden kann. 

Mit Spannung wartet man auf die Auflösung, darauf was passiert ist, während Tara schlief. Dabei sind es vor allem die Abgründe der Personen, die fesseln und die brüchigen Beziehungen, die sie zu einander pflegen. Insbesondere Rosie ist ein schwieriger Teenager, die sich wahnhaft Beziehungen zu Männern zu wünschen scheint und ihren Eltern seit Längerem Sorgen bereitet. Dabei steht Tara in Bezug auf den Mordverdacht solidarisch hinter ihrer Tochter, die sich dafür zunächst wenig dankbar zeigt. 
So stehen auch nicht wie in einem Kriminalroman die Aufklärung des Mordes durch einen Ermittler im Vordergrund, sondern das Netz aus Lügen, Intrigen und Verdächtigungen sowie die psychische Verfassung der potentiellen Täter und der Zwiespalt aus Mutterliebe und den Indizien, die gegen Rosie sprechen. 

"Während du schläfst" ist ein solider Psychothriller mit einer mysteriösen Ausgangslage, der ohne Übertreibungen auskommt und den Spannungsbogen zwar lang streckt, aber bis zum Ende aufrecht erhalten kann, auch wenn manche Nebenstränge wie Taras Stalker oder ihre Beziehung zu Detective Hunt keinen Mehrwert für die Handlung hatten. 



Samstag, 8. Februar 2020

Buchrezension: Rebekka Knoll - Blaue Nächte

Inhalt: 

Deutschland in den Sechzigern: Lotte und Emil sind noch Kinder, als sie sich ineinander verlieben. Doch als Lottes Familie fortzieht, verlieren sie sich aus den Augen. Jahre später begegnen sie sich im Tanzlokal Blue Nights wieder. Zwischen eng umschlungenen Paaren in Bluejeans und Minikleidern versprechen sie sich, dass sie sich genau hier wiederfinden werden, sollten sich ihre Wege je erneut trennen. 
Fünfzig Jahre später jobbt die junge Milena im Blue Nights. Eines Abends begehrt ein alter Mann verzweifelt Einlass: Er behauptet, dass auf der Tanzfläche jemand auf ihn warte. Milena weist ihn ab, doch seine Bitte lässt sie nicht los. Sie taucht ein in die Vergangenheit des Blue Nights – und stößt auf eine bewegende Liebesgeschichte. 

Rezension:

Milena arbeitet vertretungsweise im "Blue Nights", dem Klub ihrer Mutter, die nach einem Unfall im Krankenhaus liegt. Milena führt eigentlich das Antiquariat ihres Großvaters weiter und ist kein Nachtmensch und ärgert sich nicht gern mit den angetrunkenen Gästen herum. Als sie sich fragt, warum ihre Mutter den Klub nach dem Tod ihres Mannes nicht verkauft hat, empfiehlt sie Milena die Lektüre von "Blaue Nächte", ein schmales Büchlein, das Emil für Lotte geschrieben hat. Milena taucht in diese Liebesgeschichte ein, die in den 1960er-Jahren handelt und mitunter von den Tanzabenden von Emil und Lotte im "Blue Nights" erzählt. Dabei beginnt Milena selbst in Erinnerungen an ihre große Liebe zu schwelgen, an die Liebe zu Paul, die inzwischen schon zehn Jahre vorbei ist. 

Der Roman ist eine literarische Zeitreise in die 1960er-Jahre, geprägt von der Musik der Beatles und der Petards, von Beatmusik und Rock und von der Rebellion der "Gammler" gegen die Elterngeneration. Emil und Lotte haben bereits als Kinder geheiratet, sich durch den Umzug von Lotte mit ihren Eltern jedoch aus den Augen verloren und erst als junge Erwachsene im "Blue Nights" wieder gefunden. Beide waren dann bereits mit anderen Partnern verbunden, konnten ihre erste Liebe aber nie vergessen und haben sich das Versprechen gegeben, in ferner Zukunft noch eine letzte Nacht im "Blue Nights" zu tanzen. 
Die Abschnitte von Emil und Lotte lesen sich wie ein nicht endender Liebesbrief von Emil an seine große Liebe Lotte. Die Sehnsucht und Tragik einer andauernden Suche nach der Geliebten ist auf jeder Seite spürbar. 
Daneben berührt aber auch Milenas Liebesgeschichte und ihr sehnsüchtiges Warten auf Paul. Durch den Glauben an die eine große Liebe und die unglückliche Sehnsucht danach sind beide Zeitebenen aufgrund der ähnlich parallelen Handlung eng miteinander verknüpft. Beide Geschichten handeln von Träumen, von Reue und verpassten Chancen, aber auch von der Hoffnung auf eine (letzte) Begegnung. Dabei stellt sich aber auch die Frage, ob der andere noch wie damals ist, ob es für einen Neuanfang zu spät ist und ob man ein Leben allein mit Warten vergeudet hat. Könnte man die Gegenwart wegen verklärten Erinnerungen und in dem Glauben an eine unwahrscheinliche Zukunft verpasst haben?

"Blaue Nächte" ist ein Roman über die große Liebe und die Hindernisse, die ihr entgegenstehen, der den Zeitgeist der 1960er-Jahre sehr anschaulich einfängt und der auf beiden Zeitebenen eine Liebesgeschichte erzählt. Als Leser hofft man, dass es sowohl für Emil als auch für Milena zu einem glücklichen Ende kommen möge - für Milena zehn Jahre später und für Lotte und Emil im betagten Alter. 


"Einander zu kriegen, war nicht das Problem. Viel schwerer war es, einander glücklich zu machen."

Dabei ist "Blaue Nächte" trotz aller Romantik nicht kitschig sondern bleibt auf dem Boden der Tatsachen und ist neben einem Liebesroman auch eine Geschichte über Selbsterkenntnis.  



Freitag, 7. Februar 2020

Buchrezension: Emma Rous - Die Zwillinge von Summerbourne

Inhalt:

Seraphine Mayes und ihr Bruder Danny sind Zwillinge, geboren auf dem Familienanwesen Summerbourne House an der Küste Norfolks. Noch am Tag ihrer Geburt stürzte sich ihre Mutter von den Klippen, das Au-pair-Mädchen verschwand, und düstere Gerüchte machten im Dorf die Runde.
Fünfundzwanzig Jahre sind seither vergangen. Nach dem Tod ihres Vaters kehrt Seraphine zurück nach Summerbourne, wo ihr überraschend ein Foto in die Hände fällt. Es zeigt die Familie am Tag ihrer und Dannys Geburt, doch nur ein Baby ist darauf zu sehen. Noch dazu wirkt die Mutter glücklich – nicht wie jemand, der kurz vor dem Selbstmord steht. Seraphine kommen Zweifel, dass man ihr die Wahrheit gesagt hat über die lange zurückliegenden Geschehnisse, die ihr ganzes Leben geprägt haben. Warum floh das Au-pair Laura an jenem Tag? Wo ist sie jetzt? Und vor allem: Kann sie Seraphine sagen, was damals wirklich geschah?


Rezension:

Seraphine und Danny Mayes sind Zwillinge und beide am 21. Juli 1992 auf dem Familienanwesen Summerbourne geboren. Kurz nach der Geburt hat ihre Mutter Selbstmord begangen. Es ist das zweite tragische Unglück, das sich auf dem Grundstück ereignet, nachdem zwei Jahre zuvor der Zwillingsbruder des Sohnes Edwin ums Leben gekommen war. Als nun der Vater der drei inzwischen erwachsenen Kinder 25 Jahre später bei einem Unfall überraschend ums Leben kommt und Seraphine ein Foto findet, das ihre Eltern und nur ein Baby am Tag der Geburt zeigt, stellt sie Nachforschungen an, um herauszufinden, was sich damals ereignet hat. Durch Bedrohungen wird versucht, Seraphine einzuschüchtern und von weiteren Recherchen abzuhalten, was sie aber nur noch misstrauischer über ihre eigentliche Herkunft macht. Sie kontaktiert das ehemalige Kindermädchen Laura, das sich um Edwin gekümmert hat und bei der Geburt im Sommer 1992 anwesend war. 

"Die Zwillinge von Summerbourne" ist eine spannende Mischung aus Familiendrama und Kriminalroman, der auf zwei Zeitebenen handelt und abwechselnd aus der Perspektive von Seraphine im Sommer 2017 und Laura im Zeitraum August 1991 bis Juli 1992 erzählt wird. 

Mythen und Gerüchte ranken um das Familienanwesen Summerbourne und das Schicksal, das Zwillingen dort durch Kobolde ereilen soll. 

Im Verlauf der Geschichte zweifelt Seraphine immer mehr an ihrer Herkunft, kann sich die Familienkonstellation aber nicht erklären und erhält nur widerwillig Hilfe von ihren Brüdern. Es bleibt undurchsichtig, was ihre Eltern und ihre Großmutter zu verbergen haben und warum über die Umstände der Geburt nie gesprochen wurde.  
Durch den Erzählstrang in der Vergangenheit erhält man als Leser einen Einblick in die Ereignisse seit Ankunft des Au-Pairs in Summerbourne und wie Laura in ein Netz aus Lügen eingesponnen wird.

Aufgrund der facettenreichen Charaktere und der Dramatik in der Familiendynamik ist es eine packende Lektüre, die trotz der Allgegenwart von Vertuschung und Geheimnissen lange nicht ganz einfach zu durchschauen ist. Insbesondere die Abstammung der Kinder bleibt bis zum Schluss undurchsichtig und lässt den Leser mit den Protagonisten mitfiebern. 



Mittwoch, 5. Februar 2020

Buchrezension: Liz Moore - Long Bright River

Inhalt: 

Einst waren sie unzertrennlich, seit fünf Jahren sprechen sie nicht mehr miteinander, doch die eine wacht insgeheim über die andere. Jetzt aber ist die Lage bedrohlich geworden: Mickey, Streifenpolizistin in Philadelphia, findet ihre drogenabhängige Schwester Kacey nicht mehr auf den Straßen der Blocks, die sie kontrolliert und auf denen Kacey für ihren Konsum anschaffen geht.
Gleichzeitig erschüttert eine Reihe von Morden an jungen Prostituierten die von Perspektivlosigkeit und Drogenmissbrauch geplagte Stadt. 

Rezension: 

Mickey arbeitet als Streifenpolizistin in Kensington, einem von Drogen und Prostitution geprägten Viertel Philadelphias. Ihre Mutter ist früh an einer Überdosis gestorben, weshalb sie und ihre Schwester Kacey bei ihrer Großmutter Gee aufgewachsen sind. Zeit ihres Lebens fühlte sich Mickey für ihre jüngere Schwester verantwortlich, konnte aber nicht verhindern, dass auch diese ins Drogenmilieu abdriftete. 
Seit fünf Jahren sprechen die beiden Schwestern nicht mehr miteinander, weshalb Mickey stets beruhigt war, wenn sie Kacey während ihrer Streife auf der Straße wahrgenommen hat. Als mehrere junge Prostituierte von einem unbekannten Täter getötet werden und Mickey ihre Schwester seit mehreren Wochen nicht gesehen hat, begibt sie sich auf die Suche nach ihr und gefährdet dabei sogar ihren Job als Polizistin. 

Auch wenn der Roman von einer Mordserie handelt und Mickey ein Cop ist, handelt es sich bei "Long Bright River" nicht um einen klassischen Kriminalroman. Es geht vielmehr um eine dramatische Familiengeschichte, die überwiegend in der Gegenwart von der verzweifelten Suche nach Kacey handelt. Dabei wird deutlich, wie einsam und allein Mickey mit ihrem Sohn Thomas ist. Zu ihrer Großmutter, die reichlich verbittert wirkt und ihren Cousins und Cousinen, die etwas von Kacey gehört haben könnten, hat sie keinen Kontakt oder findet keinen Zugang zu ihnen. Ihr Exfreund und Vater von Thomas ist zudem eine große Enttäuschung. 

Als alleinerziehende Mutter versucht sie die Betreuung von Thomas, ihren Beruf und die Suche nach Kacey miteinander zu vereinbaren und blickt dabei zurück in die Vergangenheit, so dass man als Leser mehr über das Verhältnis der Schwestern, aber vor allem auch über Kaceys Drogensucht und die Finanzierung durch Prostitution erfährt. 

"Long Bright River" ist ein Roman, der den Bezirk Kensington sehr drastisch darstellt und dabei auch die Polizeiarbeit nicht immer in gutem Licht dastehen lässt. Es ist ein Roman über zwei Schwestern, die sich aufgrund eines Vorfalls in der Vergangenheit, entzweit haben - ein Geheimnis, das auch Mickey von ihrer verbliebenen Familie distanziert. Der Roman weist durch die sehr ausführliche Darstellung des Drogensumpfes in Kensington zwar Längen auf und auch die Aufklärung der Serienmorde geschieht mehr beiläufig, packt den Leser aber durch die emotionale Suche nach der vermissten Schwester, die durch überraschende Wendungen und die Offenbarung von Familiengeheimnissen Spannung erzeugt.