Mittwoch, 30. Dezember 2020

Buchrezension: Rachel Joyce - Miss Bensons Reise

Inhalt:

Margery Benson hat einen großen Traum: den goldenen Käfer in Neukaledonien zu finden, den ihr Vater ihr einst in einem Naturkundebuch gezeigt hat. Doch dieser Traum ist über die Jahre hin genauso verdorrt wie Margery selbst. Bis an einem grauen Londoner Morgen mit einem Schlag alles anders wird.
Kurz darauf findet sich Margery auf einem Dampfer nach Australien wieder, an ihrer Seite die junge Enid Pretty. Die plapperhafte Sexbombe ist nicht gerade das, was sich Margery als seriöse Begleitung auf ihrer Expedition vorgestellt hat. Doch auch Enid hat ein Geheimnis und hegt einen Traum. Zusammen begeben sich die beiden ungleichen Frauen in ein Abenteuer, das die kühnsten Erwartungen übertrifft.

Rezension:

Margery Benson ist 1950 Lehrerein an einer Londoner Schule. Als alternde, übergewichtige Jungfrau nehmen die Schüler sie nicht ernst und nach einer beleidigenden Karikatur gibt Margery auf. Sie beschließt, ihren Kindheitstraum zu verfolgen und den goldenen Käfer zu finden, den ihr Vater ihr kurz vor seinem Tod in einem Naturkundebuch gezeigt hat. Der Käfer soll in Neukaledonien beheimatet sein und Margery bereitet alles für eine Expedition dahin vor. Die Suche nach einer Assistentin ist  nicht leicht und so muss sie sich am Ende mit der schrillen Enid Pretty begnügen, die von wissenschaftlicher Arbeit keine Ahnung hat. 
So unterschiedlich die beiden auch sind, so gut ergänzen sie sich und finden gemeinsam den Weg nach Kaledonien, wo sie sich durch den Regenwald schlagen. Auf ihrer Reise werden sie zu Freundinnen, aber kann jede von ihnen auch das finden, was sie tatsächlich sucht?

"Miss Bensons Reise" ist ein abenteuerlicher Roman, der die beschwerliche Reise von zwei Britinnen 1950/1951 beschreibt, die sich mutig, aber auch etwas unbedarft, in den Südpazifik wagen. Auf ihrem Weg müssen sie einige Hindernisse umschiffen, wobei Enid bei der Problemlösung kreativ ist und es mit Recht und Gesetz nicht so genau nimmt. So sind es viele glückliche Umstände, die die beiden begleiten, was ich in der Gesamtheit etwas zu übertrieben und realitätsfremd fand. 
Dennoch ist es schön zu lesen, wie die beiden unterschiedlichen Frauen sich annähern und über sich hinauswachsen und auf ihrer Reise zu Freundinnen werden. Beide haben eine Vergangenheit, die nicht einfach ist und sind traumatisiert, weshalb die Reise auch eine Chance für sie ist, die Sorgen und Probleme aus der Heimat zu überwinden und neu anzufangen. Die Suche nach dem goldenen Käfer, von dem überhaupt nicht sicher ist, dass es ihn gibt, ist symbolisch. Es ist für beide eine Suche nach Glück und eine Reise zu sich selbst. 

"Du darfst nie wieder aufgeben. [...] Was uns zugestoßen ist, macht nicht das aus, was wir sind. Wir können sein, was wir sein möchten." (Enid zu Margery). 

Auch wenn die Expedition von vielen glücklichen Umständen begleitet und mir an mancher Stelle zu übertrieben und gewollt humorvoll dargestellt war, hatte sie durch den Verfolger durchaus spannende Momente zu bieten und auch Enid war ein Charakter, er auf den zweiten Blick ganz anders war, als gedacht. Die Geschichte ist unterhaltsam und überrascht durch so manche Wende. Es geht um Enttäuschungen, die man erlebt, um unerfüllte Liebe und Kriegstraumata, Vor allem ist sie aber eine Hommage an die Freundschaft und den Mut, an sich selbst zu glauben und seine Träume zu leben. 

"Das Besondere an Freundschaft ist, dass ,an diese Art Liebe nicht für jeden haben kann, dem man begegnet. Für eine echte Freundschaft muss man sich Zeit nehmen. Und man muss bereit sein, die ganze Strecke mitzugehen." 

Doch so nett die Geschichte auch war, sie hatte ihre Längen. Zudem haben mir der Showdown und das brutale Ende nicht gefallen und passten meiner Meinung auch nicht zu der sonst so motivierenden Botschaft des Romans. Der Erzählstrang um den Verfolger war mir zu unausgereift. Einerseits hatte der Kriegstraumatisierte nur eine untergeordnete Rolle und wirkte wie ein lästiges Anhängsel an der Geschichte, andererseits trug er doch entscheidend zu dem enttäuschenden Ende bei. 



Montag, 28. Dezember 2020

Buchrezension: Max Seeck - Hexenjäger (Jessica-Niemi-Reihe, Band 1)

Inhalt: 

Der Mörder geht nach einem perfiden Plan vor: Detailgetreu stellt er die Morde einer Bestseller-Trilogie nach. Und die sind äußerst brutal und erinnern an mittelalterliche Foltermethoden. Die Opfer – allesamt Frauen. Ist ein Fan der Trilogie durchgedreht? Kommissarin Jessica Niemi und ihr Team ermitteln unter Hochdruck, doch der Mörder ist ihnen immer einen Schritt voraus. Die Ermittler tappen im Dunkeln, bis ihnen klar wird, dass die Opfer Jessica Niemi erschreckend ähnlich sehen. 

Rezension: 

In der Hauptstadtregion Helsinkis ereignen sich mehrere Morde, bei denen der Täter offenbar die Verbrechen einer Bestseller-Trilogie nachstellt. Das erste Opfer, das vergiftet aufgefunden wird, ist die Frau des Autors Roger Koponen. 
Das Ermittlungsteam um Kriminaloberkommissar Erne Mikson und Kriminalhauptmeisterin Jessica Niemi ist dem Täter auf der Spur, der ihm jedoch stets einen Schritt voraus ist. An zwei Tatorten hat Jessica sogar Kontakt zum Täter, wie sich anschließend herausstellt, weshalb sie befürchtet, dass der Täter ein persönliches Spiel mit ihr treibt. Auch sehen die weiblichen Opfer ihr sehr ähnlich...

"Hexenjäger" ist der Auftakt einer Buchreihe um die finnische Ermittlerin Jessica Niemi. Sie trägt ein Geheimnis, das sie nicht einmal mit ihren engsten Kollegen teilen kann. Auch der Leser tappt dabei im Dunkeln, bis durch Erinnerungen und Rückblenden allmählich mehr aus der Vergangenheit Jessicas bekannt wird. Dazu werden die Kapitel, die von der Aufklärung der Verbrechen des Serienmörders handeln, immer wieder unterbrochen, was die Spannung steigert und vermuten lässt, dass Jessicas Vergangenheit und die aktuellen Morde in einem Zusammenhang stehen müssen. 

Die Kapitel sind kurz und sorgen für ein hohes Tempo. Der ereignisreiche Plot handelt an nur zwei Tagen. 
Durch den Fokus auf die Kriminalarbeit und die Ermittlungen ist "Hexenjäger" eher ein Krimi mit Thrillerelementen als ein klassischer Thriller, was für mich jedoch nicht negativ ist. Der Fall ist raffiniert konstruiert und voller überraschender Wendungen. Das Ende dagegen ist lückenhaft und wirkt, als ob noch ein entscheidendes Kapitel fehle. Mir wurden nicht alle Fragen beantwortet, das Motiv des Täters erschließt sich nicht. Dennoch hat mir der abwechslungsreiche und spannende Fall bis zum Ende gut gefallen, weshalb ich gerne weitere Thriller aus der Buchreihe lesen möchte. 




    

Samstag, 26. Dezember 2020

Buchrezension: Elisabeth Steinkellner - Papierklavier

Inhalt: 

Maia, 16, pendelt zwischen Schule, Teilzeitjob und ihrer Rolle als Ersatzmutter für ihre jüngeren Schwestern. Als eines von drei Kindern, jedes von einem anderen Vater, wird sie schon mal schief angesehen, lässt sich aber keineswegs unterbuttern. Schnoddrig, selbstbewusst und mit zwei besten Freundinnen an ihrer Seite geht sie durchs Leben, kämpft manchmal gegen ihre eigenen Kilos, meist aber gegen zu starre Schönheitsnormen. Sie steht zu sich und hält zu ihren Freundinnen – komme, was da wolle. Und trotz vieler Verpflichtungen und mancher Niederlagen erobert sie sich mutig ein Stück vom Glück. Ihre Gefühle schreibt sie hier nieder, mit Bildern, die da einspringen, wo Maia keine Worte findet. Der Stil ist sowohl frei als auch witzig, einfühlsam und verletzlich – genau wie Maia selbst. 

Rezension: 

Maia ist eine 16-jährige Schülerin, die nebenbei im "Saftladen", einer Saftbar für Smoothies, arbeitet. Ihre Mutter ist alleinerziehend und für Maias Empfinden aufgrund ihres eigenen Jobs viel zu selten für sie und ihre beiden Halbschwestern da. Als die Nachbarin stirbt, die für die drei Mädchen als Ersatz-Oma fungierte und Maias jüngerer Schwester Ruth Klavierunterricht erteilte, ist die Trauer groß. Ruth klimpert fortan auf einem Papierklavier und Maia übernimmt eine Extraschicht, damit sich die kleine Familie Klavierstunden leisten kann.

Das Buch ist eine Mischung aus Roman und Comic, denn es ist auf jeder Seite voller Illustrationen, die Maia in ihr Tagebuch kritzelt.

Die Geschichte ist nur kurz, schildert aber sehr realistisch den Lebensalltag einer Teenagerin, die sich neben finanziellen Sorgen mit Problem wie ihrem Übergewicht oder Suche nach Anerkennung und Glück herumschlagen muss. 
Text und Bilder passen dabei perfekt zusammen und illustrieren Maias Gefühlswelt. Sie ist zunächst unsicher und nachdenklich und fragt sich, was Glück eigentlich bedeutet.

"Entweder du hoffst auf das ganz große Glück, das plötzlich und schwallartig in Badewannenmengen auf dich herabfällt (ohne zu wissen, ob es jemals kommt), oder du sammelst tagtäglich die kleinen Dosen Alltagsglück, die oft nicht mehr als einen Fingerhut füllen, aber alle zusammen mit der Zeit zu einem kleinen See anwachsen, in den du kopfüber springen kannst."

Es ist ein Buch für Mädchen in Maias Alter, das Mut macht und dass es nicht schlimm ist, anders zu sein. Es handelt von (eigener) Wertschätzung und Toleranz und dass Äußerlichkeiten keine Rolle spielen sollten. Es ist ein kurzes Buch, das mit wenigen Worten viel sagt. 


Freitag, 25. Dezember 2020

Buchrezension: Holly Martin - Winterliebe in Sandcastle Bay

Inhalt:

Seit einem Jahr kümmert sich Isla Rosewood hingebungsvoll um Elliot, den Sohn ihres verstorbenen Bruders. Auch sein Patenonkel Leo Jackson ist jeden Tag für den Jungen da. Warum Leo und Isla nicht einfach heiraten, kann Elliot überhaupt nicht verstehen. Auch wenn sie es nicht zugeben wollen, die beiden lieben sich doch! Aber so einfach ist das nicht: Isla und Leo leiden noch unter Verletzungen aus der Vergangenheit und haben Angst, sich auf eine neue Beziehung einzulassen.
Als Elliots Mutter Sadie plötzlich vor der Tür steht, müssen sie jedoch die Karten auf den Tisch legen, wenn sie das beschützen wollen, was ihnen wichtig ist. Wird es für die kleine Familie an Weihnachten ein Happy End geben? 

Rezension: 

Isla kümmert sich seit dem Tod ihres Bruder Matthew vor einem Jahr um seinen fünfjährigen Sohn Elliot. Isla liebt ihn über alles und möchte ihm nicht nur ein Zuhause geben, sondern ihn auch adoptieren. An ihrer Seite ist Leo, ein Freund ihres Bruders und Patenonkel von Elliot. Isla und Leo sind mehr als nur Freunde und haben vor vier Jahren bereits eine Nacht miteinander verbracht. Leo möchte Isla sogar heiraten, um mit ihr und Elliot eine richtige Familie zu sein. Doch die beiden stehen ihrem Glück selbst im Weg. Leo denkt, nicht gut genug für Isla zu sein und Isla benötigt eine aufrichtige Liebeserklärung, um seinen Antrag anzunehmen. 
Als sie sich auch mit der Unterstützung von Freunden und Familie endlich näher kommen, taucht plötzlich Sadie, Elliots leibliche Mutter, in Sandcastle Bay auf und verlangt nach ihrem Erbe. 

"Winterliebe in Sandcastle Bay" ist Band 3 einer Romanreihe, kann aber ohne Probleme ohne Kenntnis der beiden Vorgängerromane gelesen werden. 
Von dem Roman hatte ich mir aufgrund des Covers und Klappentextes eine romantische, weihnachtliche Geschichte versprochen. Tatsächlich handelt der Roman rund um Halloween und die Weihnachtszeit spielt überhaupt keine Rolle. Lediglich das letzte Kapitel handelt an Weihnachten. 
Die Geschichte ist schnell erzählt: er liebt sie, sie liebt ihn und der ganze Ort spricht davon, aber sie selbst drehen sich gedanklich im Kreis und um einander. Gerade zu Beginn ist das Buch durch wiederholtes Lamentieren denkbar langweilig, bis endlich Sadie erscheint und für ein wenig Abwechslung sorgt. Ihr Auftritt wird aber schnell zur Farce, als sie sich Leos Onkel als Rechtsanwalt nimmt, der alles andere möchte, als ihr zu ihrem Recht verhelfen. Trotz des Dramas verspürt man als Leser insofern keine Sorge, dass Isla das von Matthew geerbte Haus oder gar das Sorgerecht für Elliot verlieren könnte. 
Die peinlichen Situationen, in die Elliot seine Zieheltern durch sein Geplapper über nackte Tatsachen immer wieder bringt, wirken viel zu aufgesetzt lassen die Ernsthaftigkeit der Geschichte in den Hintergrund treten. 
Neben dem völlig realitätsfremden Handeln der Protagonisten in Bezug auf den Erbstreit oder Sorgerechtskampf, ist die Liebesgeschichte wenig romantisch und rein auf da körperliche Intimitäten bezogen. Es passt eben einfach gut, dass Tante und Patenonkel sich anziehend finden und deshalb prädestiniert für eine Hochzeit sind. 

"Winterliebe in Sandcastle Bay" ist deshalb am ehesten geeignet für Fans der Reihe, die sich auf ein Wiedersehen mit den Bewohnern von Sandcastle Bay freuen, aber keinen großen Anspruch an eine glaubwürdige, berührende Liebes- oder Familiengeschichte haben. 


Mittwoch, 23. Dezember 2020

Buchrezension: Pam Jenoff - Die Frauen von Paris

Buchrezension: 

Manhattan, 1946: Die junge Witwe Grace Healey gerät an einen Koffer mit einem Dutzend Fotografien junger Frauen, jede von ihnen auffallend attraktiv. Schon bald findet Grace heraus, dass alle zwölf Frauen während des Krieges von England ins besetzte Frankreich geschickt wurden, um die Landung der Alliierten vorzubereiten – und keine von ihnen ist zurückgekehrt. Beim Versuch, das Rätsel ihres Verbleibs zu lösen, stößt Grace auf eine tragische Geschichte von Mut, Liebe und Verrat.
London, 1943: Die alleinerziehende Marie ist verzweifelt, weil sie nicht weiß, wie sie ihre kleine Tochter vor den Bombenangriffen der Deutschen schützen soll – zu kostspielig ist die Unterbringung des Kindes auf dem Land. Dann macht ihr der britische Militärgeheimdienst ein Angebot: Weil die männlichen Agenten im besetzten Frankreich zu schnell enttarnt werden, sollen zum ersten Mal in der Geschichte Frauen als Spione eingesetzt werden. Und zunächst scheint der Plan aufzugehen: Es gelingt Marie, ein Funkgerät zum Résistance-Netzwerk des charismatischen Vesper zu bringen. Doch schon bald wird ihr klar, dass es einen Verräter in ihren Reihen geben muss. 

Rezension:

Grace Healey hat während des Zweiten Weltkriegs ihren Ehemann verloren. 1946 findet sie auf dem Weg zur Arbeit in New York einen herrenlosen Koffer unter einer Bank. Sie öffnet ihn aus Neugier und findet darin Fotos von zwölf jungen Frauen. Als sie Polizeisirenen hört, steckt sie die Fotos reflexartig ein und erfährt später, dass der Koffer einer Eleanor Trigg gehörte, einer Britin, die an dem Morgen in Manhattan bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Sie hat für die Special Operations Executive (SOE) gearbeitet, einer nachrichtendienstlichen Spezialeinheit der Briten, die gezielt Agentinnen und Agenten anwarb und führte. Bei den zwölf Frauen handelt es sich um Agentinnen, die in das von Deutschen besetze Europa entsandt worden waren und als verschwunden gelte. Berührt von ihrem Mut möchte Grace herausfinden, was aus den Frauen geworden ist und ob ein Teil von ihnen überlebt hat. 

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen, während des Zweiten Weltkriegs in den Jahren 1943/1944 und knapp ein Jahr nach der Kapitulation Deutschalands im Jahr 1946 und wird aus der Perspektive von drei Frauen, der verwitweten Grace, der Agentenführerin Eleanor und der Funkerin Marie, die in dem besetzten Frankreich für die SOE arbeitet, geschildert. 

Der Beginn mit dem Auffinden des ominösen Koffers, der Rekrutierung von Marie, ihrer Ausbildung und ihrer Ankunft in Frankreich ist spannend geschildert. Maries Tätigkeit als Renée Demare ist dann allerdings nur sehr kurz geschildert und von einigen glücklichen Zufällen geprägt. Auch ist nicht so ganz glaubhaft, warum sie sich als Mutter einer kleinen Tochter derart in Gefahr begibt. Ähnliches gilt für Grace, deren Motivation mehr über die Fotos herauszufinden, nicht ganz nachvollziehbar ist. 
Sieht man aber über die etwas lückenhaften Schilderungen und die fragwürdigen Beweggründe der Frauen hinweg, ist es eine lebendig geschriebene Geschichte mit sympathischen Heldinnen, die schnell zu lesen ist. Sie ist inspiriert von Vera Atkins, die als britische Nachrichtendienstoffizierin die SOE F-Sektion leitete und gleichzeitig eine Erinnerung an die Agentinnen, die ihren Einsatz mit ihrem Leben bezahlten. 
Es ist eine Geschichte, die sich ganz den Frauen widmet, die sich auf mutige Weise dem Kampf gegen die Deutschen und für ein freies Europa einsetzten. Der Roman handelt aber nicht nur von Tapferkeit, sondern auch von Freundschaft, Zusammenhalt und der Suche nach Gerechtigkeit. 
Um dem Roman mehr Tiefgang zu geben, die Charaktere lebensechter und die Tätigkeit der heldenhaften Agenten und Agentinnen noch detaillierter zu beschreiben, hätte der Roman für meinen Geschmack gerne noch mehr Seiten haben können. 



Montag, 21. Dezember 2020

Buchrezension: Sylvia Deloy - Auch die große Liebe fängt mal klein an

Inhalt: 

Schweren Herzens muss Marie ihr kleines, feines Restaurant schließen. Um die Schulden zu bezahlen, heuert sie in einem Brauhaus an. Dort trifft sie zu ihrem Schreck auf ihren Verflossenen Anton, ebenfalls Koch. Und der ist darüber alles andere als begeistert. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen, denn das "Petite Pauline" soll wiedereröffnet werden. Ausgerechnet im Chaos der trubeligen Gastronomieküche erglimmt die alte Flamme wieder. Aber soll Marie sich erneut auf Anton einlassen? 

Rezension:

Marie ist 30 Jahre alt, hat ihre Mutter früh verloren und auch ihr Vater ist vor Kurzem gestorben. Liebevoll kümmert sie sich um ihren altersdementen Opa, der in einem Altersheim wohnt und hat dem Familienbetrieb, dass auf Enten spezialisierte Restaurant "Petite Pauline" als Küchenchefin und Restaurantleiterin übernommen. Von der Verantwortung überfordert, türmen sich die Rechnungen und auch die Gäste bleiben langsam aus. Marie muss sich eingestehen, dass sie bankrott ist und schweren Herzens das Vermächtnis ihres Vaters und Großvaters schließen. Ihr Vorsatz ist es jedoch, das Restaurant wieder zu eröffnen. Bis es so weit ist, arbeitet sie als Köchin in dem Brauhaus "Sankt Josef", wo sie ausgerechnet ihrem Exfreund Anton in der Küche begegnet. Dort fliegen zwischen ihnen die Fetzen und schon bald beginnen auch die Funken wieder zu sprühen. 

"Auch die große Liebe fängt mal klein an" ist ein Wohlfühlroman, der zur Sommerzeit in Köln spielt und einfach, aber auch sehr kurzweilig zu lesen ist. 
Marie hat ihre Familie früh verloren, aber viele Freunde und liebe Angestellte, die wie eine große Familie für sie sind. Diese heimelige Gefühl von Zusammenhalt und Rückhalt, von Freundschaft und Nachbarschaftlichkeit, ist sehr anschaulich dargestellt und spürbar. 
Die Figuren sind individuell, wenn auch etwas klischeehaft in Form des überdrehten schwulen Freundes, der aufgeräumten besten Freundin und ihrer nölenden pubertierenden Tochter oder dem anstrengenden, verwirrten Opa. Alle haben ihr Herz jedoch auf dem rechten Fleck und begleiten Marie, die sich von vernunftgesteuerten und verbissenen Frau zu einer verantwortungsvollen Frau entwickelt, die Ratschläge annimmt und lernt, loszulassen und mehr auf ihr Herz zu hören und ihrem Bauchgefühl zu vertrauen. 

Es ist ein kurzweiliger Roman über Freundschaft, Zusammenhalt und Liebe, der zwar wenige Überraschungen enthält, aber (kölschen) Charme hat und mit einer Liebesgeschichte überzeugt, die sich realitätsnah nur ganz zaghaft und gemächlich entwickelt, wenn nach einer Enttäuschung erst wieder neu Vertrauen aufgebaut werden muss. Die Symbolkraft von Opas alter Liebe, die er auch nach 52 Jahren nicht vergessen konnte, unterstützt dabei Maries Entscheidungsfindung und auch beruflich findet sie den Mut, mit Unterstützung ihren eigenen Weg zu gehen. 



Samstag, 19. Dezember 2020

Buchrezension: Kate Morton - Die Tochter des Uhrmachers

Inhalt: 

Birchwood Manor 1862: Der talentierte Edward Radcliffe lädt Künstlerfreunde in sein Landhaus am Ufer der Themse ein. Doch der verheißungsvolle Sommer endet in einer Tragödie – eine Frau verschwindet, eine andere stirbt.
Über hundertfünfzig Jahre später entdeckt Elodie Winslow, eine junge Archivarin aus London, die Sepiafotografie einer atemberaubend schönen Frau und die Zeichnung eines Hauses an einer Flussbiegung. Warum kommt Elodie das Haus so bekannt vor? Und wird die faszinierende Frau auf dem Foto ihr Geheimnis jemals preisgeben? 

Rezension: 

Elodie Winslow arbeitet in einem Archiv in London und entdeckt im Sommer 2017 in einer Aktentasche, die durch einen Zufall gefunden wurde, die Fotografie einer jungen Frau und das Bild eines Hauses, das sie spontan an eine Geschichte erinnert, die ihre verstorbene Mutter, eine berühmte Cellistin, ihr als Kind erzählt hat. Elodie möchte herausfinden, wer die hübsche Frau auf dem Bild ist, bei der es sich vermutlich um die Muse des Malers Edward Radcliffe handelt, der das Haus gezeichnet hat, denn sie spürt, dass das Anwesen auch etwas mit ihrer eigenen Familie zu tun hat. Es ist eine Vermutung, in der sie sich bestätigt fühlt, als sie mit ihrem Onkel darüber spricht, der jedoch beharrlich schweigt.  

"Die Tochter des Uhrmachers" ist ein Roman, der auf mehreren Zeitebenen handelt, wobei die Gegenwart von Elodie handelt, die mit den Vorbereitungen für ihre Hochzeit beschäftigt sein sollte, sich stattdessen aber lieber in die Arbeit im Archiv stürzt, um den Zusammenhang zwischen dem Bild des Hauses und ihrer eigenen Familiengeschichte aufzudecken. 

In der Vergangenheit wird der Roman ab 1862 geschildert, wobei große Zeitsprünge erfolgen und zudem die Perspektiven in jedem Abschnitt wechseln. Ein roter Faden ist nur die Geisterstimme einer Frau, die in Birchwood Manor, dem gezeichneten Anwesen, spukt. 

In der Regel finde ich bei solchen zweigeteilten historischen Romanen die Vergangenheit interessanter und spannender als die Erzählstränge der Gegenwart, aber hier empfand ich die Vergangenheit so zusammengestückelt und lückenhaft und derart überladen von Personen aus deren Sicht die Geschichte weitergesponnen wird, dass ich immer wieder den Überblick verloren habe, wie diese Person mit denen in den Abschnitten davor zusammenhing. Durch den steten Wechsel ist es aus nicht gelungen, den Personen nahe zu kommen oder ihre Rolle in dem Roman zu erkennen. 
Dankbarer ist der Erzählstrang der Gegenwart, wobei der mir wiederum zu sehr konstruiert war und die geplante Hochzeit fehl am Platz wirkte. 

Ich fand den Roman in weiten Teilen zäh und langatmig. Während ich den Aufhänger um den Maler, seiner geheimnisvollen Muse, seiner verstorbenen Verlobten und den gestohlenen Edelstein ganz interessant fand und auch die Recherchen von Elodie diesbezüglich hätten spannend sein können, fand ich den elendlangen Mittelteil, bei dem der Bezug zu den Ereignissen 1862 und Elodies Suche in der Gegenwart viel zu weit weg war, ermüdend zu lesen. Einziger Bezugspunkt war Birchwood Manor als Landhaus des Künstlers Radcliffe, das im Laufe der Jahre Unterkunft für andere Personen bot und auch als Internat sowie zuletzt als Museum fungierte. 
Es ist ein Roman, durch den ich mich durchgequält habe und auf einen Aha-Effekt am Ende hoffte. Die Geschichte in der Vergangenheit war mir jedoch zu zusammenhanglos, distanziert und undurchschaubar und der Impuls, der die wesentlich kürzere Geschichte in der Gegenwart auslöste, zu weit hergeholt. 



Freitag, 18. Dezember 2020

Buchrezension: John Green - Das Schicksal ist ein mieser Verräter

Inhalt:

"Krebsbücher sind doof", sagt die 16-jährige Hazel, die selbst Krebs hat. Sie will auf gar keinen Fall bemitleidet werden und kann mit Selbsthilfegruppen nichts anfangen. Bis sie in einer Gruppe auf den intelligenten, gut aussehenden und umwerfend schlagfertigen Gus trifft. Der geht offensiv mit seiner Krankheit um. Hazel und Gus diskutieren Bücher, hören Musik, sehen Filme und verlieben sich ineinander - trotz ihrer Handicaps und Unerfahrenheit. Gus macht Hazels großen Traum wahr: Gemeinsam fliegen sie nach Amsterdam, um dort Peter van Houten zu treffen, den Autor von Hazels absolutem Lieblingsbuch.

Rezension:  

Hazel Grace ist sechzehn Jahre alt und lebt seit drei Jahren mit Krebs. Es ist ein Wunder, dass sie überhaupt noch auf der Welt ist, denn die Diagnose Schilddrüsenkrebs war niederschmetternd. Sie geht seitdem auch nicht mehr zur Schule, weshalb sich ihr Kosmos auf ihre Eltern und auf die Krebs-Selbsthilfegruppe beschränkt. Dort lernt sie den ein Jahr älteren Augustus kennen, der Knochenkrebs ein Bein verloren hat. Sie mag seinen intelligenten Humor und seine schrägen Eigenarten, möchte aber nicht, dass er sich in sie verliebt, da er sie nur verlieren wird können. Doch die beiden verbringen immer mehr Zeit miteinander und Augustus erfüllt Hazel ihren Herzenswunsch, den Autor Peter van Houten in Amsterdam zu treffen. Denn sie möchte endlich eine Antwort darauf, wie ihr Lieblingsroman, der so offen endete, für die Protagonisten ausgegangen ist. 

"Das Schicksal ist ein mieser Verräter" ist ein hochgelobter Bestseller, der auch bereits verfilmt wurde. Es ist ein Jugendbuch, dass von Krebs und der Aussicht auf den Tod handelt, aber trotz aller Traurigkeit nicht deprimierend zu lesen ist. Hazel Grace und Augustus sind Jugendliche, die nicht jammern oder mit ihrem Schicksal hadern, sondern kämpfen und trotz der Toten aus der Selbsthilfegruppe, die sie schon überlebt haben und der düsteren Prognose in Bezug auf Hazel Pläne haben, Fragen stellen und das beste aus ihren Leben herausholen möchten. 
Hazels Wunsch, zu wissen, welches Ende sich der Autor Peter van Houten für ihren Lieblingsroman vorgestellt hat, ist verständlich, wenn man bedenkt, dass darin ein Mädchen an Krebs stirbt. Hazel liebt ihre Eltern und möchte nicht, dass sie verzweifeln, wenn sie selbst stirbt. Mit dem Buch hegt sie die Hoffnung nachzuempfinden, wie sich ihre Eltern mit dem Tod ihrer einzigen Tochter umgehen werden. 
Das Buch enthält eine schöne, hoffnungsvolle Botschaft, das Leben bis zum bitteren Ende auszukosten, beschönigt jedoch nichts. Die Einschränkungen, Schmerzen, körperliche und seelische Qualen, die der Krebs für die Betroffenen, aber auch die Angehörigen mit sich bringt, sind schonungslos geschildert. Das Buch ist diesbezüglich lebensnah und empathisch geschrieben. Vor allem in Hazel konnte man sich gut hineinversetzen und ihre Sorgen nachvollziehen. 
Weniger überzeugen konnte mich die Liebesgeschichte von Hazel und Augustus. Mir waren die Liebesbekundungen für unerfahrene Teenager zu dick aufgetragen. Eine rein freundschaftliche Beziehung hätte mir auch aufgrund der kurzen Zeit, die sich kannten, bevor sie ein Paar wurden, besser gefallen. 



Mittwoch, 16. Dezember 2020

Buchrezension: Melanie Metzenthin - Mehr als die Erinnerung

Inhalt:

Gut Mohlenberg, 1920: In der Einrichtung für psychisch kranke Menschen kümmert die junge Medizinerin Friederike von Aalen sich liebevoll um die Patienten. Einer von ihnen ist Friederikes Mann Bernhard, der nach einer Hirnverletzung im Krieg ihre besondere Zuwendung braucht. Der schneidige Leutnant von einst erinnert sich an vieles nicht, aber mit seiner Frau verbindet ihn noch immer eine tiefe Liebe.
Da geschehen in der Gegend kurz hintereinander zwei grausame Morde. Man ist schnell bei der Hand mit den Verdächtigungen: Es muss einer der "Geisteskranken von Mohlenberg" gewesen sein! Doch Friederike würde für ihre Patienten die Hand ins Feuer legen und stellt heimlich eigene Nachforschungen an. Was weiß Walter Pietsch, der Mann mit den schlimmen Verbrennungen, den sie vor Kurzem erst eingestellt haben? Und welche Rolle spielt der hochintelligente, aber kühle Dr. Weiß? Zu spät begreift Friederike, dass sie mit ihren Fragen sich selbst und die Menschen in ihrer Nähe in große Gefahr gebracht hat. 

Rezension: 

Friederike von Aalen hat Medizin studiert, bis ihr Ehemann Bernhard 1917 in Frankreich während des Krieges schwer am Kopf verletzt wurde. Seitdem hat der ehemalige Leutnant nicht nur mit Erinnerungslücken zu kämpfen, auch sein naives Verhalten erinnert an das Betragen eines fünfjährigen Kindes, weshalb sich Friederike in der Klinik für psychisch kranke Menschen ihres Vaters um ihn kümmert. 
Kurz nachdem Friederike einen neuen Arbeiter auf Gut Mohlenberg angestellt hat, geschehen zwei grausame Morde, bei denen die Opfer verstümmelt aufgefunden werden. Bald ist ein Schuldiger unter den Patienten gefunden, aber Friederike mag dies nicht glauben und stellt eigenmächtig Nachforschungen an. Dabei deckt sie auf, dass der neue Mitarbeiter, der angestellte Psychiater Dr. Weiß und ihr Ehemann sich aus Frankreich kennen, dies jedoch bisher verschwiegen haben. Friederike fragt sich, welches Geheimnis die drei verbindet und ob es einen Zusammenhang mit den Mordfällen geben könnte. 

"Mehr als die Erinnerung" ist ein historischer Roman, der anschaulich schildert, wie in den 1920er-Jahren mit psychisch kranken Menschen umgegangen wurde. Dabei ist Friederikes Vater ein Pionier, der seine Patienten auf einem norddeutschen Gut behandelt, wo sie bestimmte Aufgaben übernehmen müssen, sich jedoch frei bewegen können. In anderen Kliniken wie der Heil- und Pflegeanstalt in Langenhagen bei Hannover, die Friederike besucht, werden die "Irren" weggesperrt und fragwürdigen bis zu menschenverachtenden und lebensgefährlichen Therapien unterzogen. 

Durch die beiden Morde, die sich in dem nahe gelegenen Dorf ereignen, entwickelt sich das Buch zu einem Spannungsroman mit Krimielementen. Friederike vertraut auf die Unschuld der friedfertigen Patienten, die sie zum Teil schon ihr Leben lang kennt und verdächtigt stattdessen ihren neunen Angestellten Walter Pietsch, der etwas zu verbergen zu haben scheint. Nach und nach deckt sie nicht nur seine Vergangenheit auf, sondern auch die von Dr. Weiß und findet dabei auch eine mögliche Erklärung für die Morde und Verstümmelung der Leichen. 

Der Roman ist durch die Schilderung von Klinikalltag, Friederikes Nachforschungen und Rückblenden in das Jahr 1917 abwechslungsreich geschildert. Friederike ist eine liebenswürdige, engagierte junge Frau, die sich für Schwache einsetzt und sich nicht in das klassische Rollenbild einer Frau zur damaligen Zeit pressen lässt. Die Liebe zu ihrem Mann ist sehr idealisiert dargestellt und konnte mich deshalb weniger überzeugen, stellt aber auch nur einen Randaspekt des darüber hinaus authentischen Romans dar. 



Montag, 14. Dezember 2020

Buchrezension: David Nicholls - Sweet Sorrow

Inhalt: 

Charlie Lewis hält sich für den durchschnittlichsten Typen überhaupt. Bis er Fran Fisher trifft. Sie ist selbstbewusst, redet klug über Musik und Bücher, nur ihretwegen schließt Charlie sich der wahrscheinlich uncoolsten Theatergruppe Englands an. Bei den Proben zu Romeo und Julia verlieben sie sich ineinander, und einen Sommer lang sieht es so aus, als würde ihre Liebe ewig halten. Fast zwanzig Jahre später ist Charlie im Begriff, seine Freundin Niamh zu heiraten, als er zu einem Ehemaligentreffen der Theatergruppe eingeladen wird. Was wohl aus Fran geworden ist? Ein großer Roman über den einen Sommer, der alles verändert. 

Rezension: 

Charlie Lewis ist sechzehn Jahre alt, als seine Eltern sich trennen und seine Mutter mit seiner jüngeren Schwester Billie zu ihrem neuen Lebensgefährten zieht. Charlie bleibt gegen seinen Willen bei seinem Vater, der seit dem Konkurs seines Plattenladens depressiv ist und sich nach dem Auszug seiner Frau noch weiter zurückgezogen hat. Im Sommer nach seinem Schulabschluss sind die Aussichten auf einen Collegeplatz schlecht und Charlie nimmt auch aufgrund der finanziellen Lage stundenweise einen Job in einer Tankstelle an. Den Rest seiner Freizeit kann er nicht in dem traurigen Haus bei seinem Vater verbringen, hängt stattdessen draußen herum, wo ihm zufällig Fran Fisher begegnet. Diese probt gerade mit ihrer Theatergruppe. Charlie ist fasziniert von Fran und um sie wiederzusehen, schließt er sich widerwillig der Gruppe an und übernimmt die Rolle des Benvolio in Shakespeares "Romeo und Julia". 
Zwanzig Jahre später steht Charlie kurz vor seiner Hochzeit mit Niamh, als diese ihn immer wieder nach seiner ersten Liebe fragt. 

Aufgrund des Klappentextes bin ich davon ausgegangen, dass das Buch von dem erwachsenen Charlie handelt, der zweifelt, ob es die richtige Entscheidung ist, seine Verlobte zu heiraten, als er an seine erste Liebe zurückdenkt. Tatsächlich handelt das Buch aber von dem jugendlichen Charlie, der nach der Schule in den Tag hineinlebt, enttäuscht von der Trennung seiner Eltern ist und aufgrund der prekären finanziellen Situation die Kunden der Tankstelle betrügt. Als er Fran kennenlernt, ist er nur noch auf sie fixiert und nimmt an den Theaterproben teil, um sie zu sehen. Diese Anbahnung zieht sich so unfassbar lange über 300 Seiten hinweg, dass ich mehrfach geneigt war, das Buch abzubrechen. Nicht nur, weil Charlies hilflose Verliebtheit so langatmig in Szene gesetzt wurde, sondern weil auch keinerlei Romantik oder Emotionen spürbar waren. Ihre Beziehung dauert weder lang, noch ist sie intensiv, sondern eine banale Teenagerliebe, was die Geschichte in der Gegenwart schon fast absurd macht. 
Sie spielte aber ohnehin fast keine Rolle und wurde auf wenigen Seiten auf kurze Dialoge zwischen Charlie und Niamh beschränkt, die beide fremd blieben. Wie sich die beiden kennenlernten und warum Niamh wiederholt nach Charlies erster Liebe fragt, erschließt sich nicht. 

"Sweet Sorrow" habe ich mehr als Jugendbuch über einen Loser empfunden, der am Ende doch noch die Kurve kriegt, aber keine erwachsene Liebesgeschichte mit einer Entscheidung zwischen zwei Frauen, wie ich sie eigentlich erwartet hatte. Wer sich also darauf einlässt, ein Buch über die Probleme eines Heranwachsenden zu lesen und dabei keinen Wert auf große Gefühle legt, wird an "Sweet Sorrow" Gefallen finden. 



Samstag, 12. Dezember 2020

Buchrezension: Katrin Bongard - Love on Paper

Inhalt:

Maya arbeitet als Volontärin in einem Verlag und träumt von einer literarischen Entdeckung. Doch ihre tägliche Arbeit ist alles andere als aufregend. Bis ihre Leidenschaft durch ein ungewöhnliches Manuskript über eine große dramatische Liebe wieder erwacht. Als man das Buch im Verlag nicht herausbringen will, gibt sie nicht auf. Sie will herauszufinden, wer den Text geschrieben hat. Sie ahnt nicht, dass alles was sie gelesen hat, wahr ist und sie schon bald ein Teil der Liebesgeschichte sein wird.

Rezension: 

Maya hat ihr Studium der Literaturwissenschaften abgebrochen und arbeitet als Volontärin bei einem Verlag in Berlin, wo sie für die erste Sichtung von Manuskripten zuständig ist. Nachdem ihre Mutter an Krebs verstorben ist, liest sie ein Manuskript, das von einer tragischen Liebesgeschichte handelt und sie sehr berührt. Als der Verlag das Manuskript ablehnt, tritt sie selbst in Kontakt mit der Einsenderin, die es jedoch heimlich für ihren Bruder Simon eingereicht hatte, dessen Freundin gestorben ist. Vorsichtig versucht Maya an den verschlossenen jungen Mann heranzutreten und verliebt sich in ihn, als er sich ihr langsam öffnet. Dabei schafft sie es nicht, ihm rechtzeitig zu erklären, dass sie seine Geschichte kennt und stößt ihn damit vor den Kopf.

"Love on Paper" ist eine Geschichte über Liebe, Freundschaft und Trauer, über Träume und Wünsche an das Leben, die lebensnah und empathisch geschildert ist. Die Charaktere sind authentisch, so herrlich normal und aus dem Leben gegriffen. In Maya, die um ihre Mutter trauert, Verantwortung für ihren jüngeren Bruder hat und davon träumt, ihren eigenen Verlag zu gründen, kann man sich sehr gut hineinversetzen. Mayas Begeisterung für Literatur, für Bücher von Scott Fitzgerald oder Jane Austen, ist spürbar und regt an, selbst einmal einen Klassiker zu lesen. Da ist es auch nachvollziehbar, dass sie mit Simon, der zwar Koch gelernt hat und im Restaurant seiner Eltern arbeitet, aber Hemingway-Fan ist, auf einer Wellenlänge ist, auch wenn sie beide aufgrund ihrer Trauer erst zurückhaltend aufeinander reagieren. 

Diese behutsame Annäherung ist genauso schön zu lesen, wie die glaubhaft dargestellte Leidenschaft für Literatur und die Sorgen und Probleme einer Familie, die von sich der Mutter und Ehefrau verlassen fühlt, trauert und sich neu sortieren muss. 
Es ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die vielschichtig und emotional ist, aber ganz ohne Kitsch auskommt und die trotz der jugendlichen Protagonisten nicht nur für junge Leser*innen, die sich für Bücher und alles darum herum - Verlagswesen, Literaturkreise - interessieren, sehr zu empfehlen ist.  





Freitag, 11. Dezember 2020

Buchrezension: Helen Fields - Die perfekte Sünde

Inhalt: 

Am Stadtrand von Edinburgh wird die Leiche von Zoey Cole gefunden. Sie wurde entführt, festgehalten und dann ermordet. Bei der Obduktion wird klar, dass der Täter ihr zwei Hautstücke entfernt hat. DI Luc Callanach und seine Chefin DCI Ava Turner nehmen die Ermittlungen auf, doch der Täter hat kaum Spuren hinterlassen. Dann verschwindet eine weitere Frau, und ihr Baby wird zurückgelassen in einer Seitenstraße gefunden. Im Kinderwagen liegt eine Puppe — genäht aus der Haut von Zoey Cole. 

Rezension: 

An einer Landstraße bei Edinburgh wird die Leiche einer jungen Frau aufgefunden, die noch am Leben grausam verstümmelt worden war. Am Bauch und am Rücken fehlen ihr größere Hautstücke, die als Puppe zusammengenäht wenige Tage später in einem Kinderwagen aufgefunden werden. Die Mutter des Kindes ist verschwunden und vermutlich vom selben Täter entführt worden. Detective Chief Inspector Ava Turner und Detective Inspector Luc Callanach nehmen die Ermittlungen auf, während in Edinburgh drogenabhängige Obdachlose schwer verletzt und mit einem Messer gebrandmarkt werden. 

"Die perfekte Sünde" ist Band 4 einer Reihe, kann jedoch unabhängig von den Vorgängern gelesen werden, auch wenn die Hintergründe zu den Ermittlern fehlen. 
Das Buch beginnt mit dem sterbenden ersten Opfer und baut damit von Anfang an Spannung, gepaart mit einem Entsetzen über die brutale Vorgehendweise des Täters auf. Das Auffinden der aus Haut genähten Puppe zusammen mit einer religiösen Botschaft weist daraufhin, dass der Täter sein Opfer in Szene setzen und für ein unlauteres Verhalten bestrafen möchte. Auch die Obdachlosen scheinen für ihr schmutziges Leben auf der Straße und ihre Drogensucht mit den Messerangriffen bestraft zu werden, so dass fraglich ist, ob die beiden Tathergänge in einem Zusammenhang stehen könnten. 
Die Ermittlungen unter Zeitdruck sind nervenaufreibend, denn es gilt weitere Opfer zu verhindern. Die Herangehensweise der Kriminalpolizei ist dabei authentisch geschildert. Es ist sowohl spannend zu erfahren, was das Motiv des Täters ist, als auch wie dieser letztlich entlarvt wird. Doch je mehr Opfer es gibt, desto mehr Spuren hinterlässt der pedantisch vorgehende Psychopath, der offenbar das mangelnde Einhalten von Anstand und Moral seiner Opfer anprangert. 

Sowohl der Aufbau des Thrillers als auch die Ermittlungen in den Fällen der ermordeten Frauen und den verletzten Obdachlosen sind fesselnd und lassen einen das Buch kaum aus der Hand legen. Gefallen haben mir aber auch die Ermittler selbst, ihre Zusammenarbeit und das Zusammenspiel in der Dienststelle. Es sind alles individuelle Protagonisten, die durch vorangegangene Fällen gezeichnet sind, so dass ich es schade fand, dass mir die Hintergründe zu ihnen fehlten. Ihr Umgang mit einander wird aber dennoch verständlich und entlockt trotz der grausamen Taten, die es aufzuklären gilt, zumal ein Schmunzeln beim Leser hervor, wenn es menschelt. So regen nicht nur der raffinierte Fallkomplex, sondern auch die originellen Figuren dazu an, die älteren Bände der Reihe zu lesen. 


 
 

Mittwoch, 9. Dezember 2020

Buchrezension: Emily Barr - Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden

Inhalt:

Flora Banks Leben ist wie ein tausendteiliges Puzzle in allen Farben des Regenbogens. Jeden Tag muss sie es erneut zusammensetzen. Sie muss sich daran erinnern, wer sie ist und was los ist. Manchmal stündlich. Nichts, was seit ihrem 10. Geburtstag passiert ist, bleibt ihr im Gedächtnis. Doch auf einmal ist da diese eine Erinnerung in ihrem Kopf. Und sie bleibt, verschwindet nicht wie die anderen Details aus ihrem Leben. Es ist die Erinnerung daran, wie sie nachts am Strand einen Jungen geküsst hat. Bewaffnet mit Handy, Briefen von ihrem Bruder aus Paris, einem prallgefüllten Notizbuch und tausenden von Zettelchen macht sich Flora Banks auf eine Reise, die sie letztendlich zu sich selbst führt. Denn zum ersten Mal in ihrem Leben kann sie jetzt entscheiden, wer sie wirklich sein will. 

Rezension: 

Flora Banks ist 17 Jahre alt, hat aufgrund einer Erkrankung im Alter von zehn Jahren ihr Erinnerungsvermögen verloren und behilft sich mit Notizbüchern, Zetteln und kurzen handschriftlichen Botschaften auf ihrer Hand, um den Alltag zu bewältigen. Als sie den Freund ihrer besten Freundin Paige küsst, setzt eine Veränderung ein. Sie kann sich an Drake und ihren ersten Kuss erinnern. Doch Drake ist abgereist, um ein Studium in Spitzbergen zu beginnen. Als ihre Eltern kurzfristig nach Paris fahren, um Floras kranken Bruder Jacob zu besuchen, nutzt Flora die Gelegenheit der Freiheit und macht sich auf den Weg zu Drake an den Nordpol. 

"Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden" klingt nach einer süßen Coming-of-Age-Geschichte, ist allerdings sehr anstrengend zu lesen. Der Roman tritt bis zur Abreise von Flora lange auf der Stelle, da sie sich im Gegensatz zum Leser eben nicht an Dinge aus ihrem Kurzzeitgedächtnis erinnern kann und deshalb fortlaufend Gedanken und Tätigkeiten wiederholt beschrieben werden. Das ist sehr ermüdend zu lesen. 
Zudem irritiert die Liebesgeschichte, die sich zwischen Flora und Drake anbahnt. Flora ist sehr kindlich und hat aufgrund ihres Erinnerungsverlusts den Verstand einer 10-Jährigen und verhält sich auch so. Sie ist im Alltag völlig hilflos und auf die Unterstützung anderer angewiesen, wobei man sich fragen muss, ob sie nicht bewusst klein gehalten wird. Dass sich ein 19-Jähriger aus dem heiteren Himmel in sie verliebt und gleich sehr deutliche Worte findet, hat mich abgeschreckt und mich das Buch fast zur Seite legen lassen. 
Eine Wende kommt zwar spät, aber sie kommt und lässt die gesamte Geschichte in einem ganz anderen Licht dastehen. Viele Fragen, die ich hatte, lösten sich damit auf und ließen die etwas märchenhaft beschriebene Handlung doch noch realistisch anmuten. 

Es ist wider Erwarten eine traurige Familiengeschichte über Schuldgefühle und Verlustängste. Aus Floras Perspektive geschildert, ist sie sehr lange verwirrend und verstörend bis eine Wendung für Klarheit sorgt. Bis dahin ist Durchhaltevermögen verlangt, wobei die positiven Botschaften des Roman, dass einerseits nicht alle Menschen gleich sind, man Toleranz üben muss und auf der anderen Seite sich trauen sollte, mutig seinen eigenen Weg zu gehen, von Anbeginn deutlich zu erkennen sind. 



Montag, 7. Dezember 2020

Buchrezension: Anne Fortier - Julia

Inhalt: 

Ein altes Buch lockt die junge Amerikanerin Julia nach Italien: es ist die Urfassung des Romeo-und-Julia-Stoffes und es handelt von den verfeindeten Familien Tolomei und Salimbeni in Siena. Völlig überrascht stößt Julia auch auf die Warnung ihrer verstorbenen Mutter: bis heute liege ein Fluch auf den Familien – und damit auch auf ihr. Denn ihr wahrer Name ist Giulietta Tolomei. Auf der Suche nach ihrem Erbe spürt Julia, dass sie beobachtet und verfolgt wird. Während Siena dem Palio entgegenfiebert, gerät sie in höchste Gefahr. Wird der Fluch der Vergangenheit auch ihr zum Schicksal? 

Rezension: 

Nach dem Tod ihrer Tante Rose, die überraschend Julias Zwillingsschwester Janice ihr gesamtes Erbe hinterlassen hat, begibt sich Julia zurück in ihre Geburtsland Italien, wo Julia dem Nachlass von Tante Rose zufolge den Schatz ihrer früh verstorbenen Mutter Diane finden soll. Auf dem Weg nach Siena begegnet Julia, die unter ihren Geburtsnamen Giulietta Tomolei reist, Eva Maria Salimbeni, die die Vorfahren von Julia und die damit verbundenen Familienfehden kennt. In einem Schließfach ihrer Mutter findet Julia mehrere Bücher und Schriften, die die Geschichte von Romeo und Julia aus verschiedenen Epochen enthalten, darunter auch die Urfassung aus dem Jahr 1340, die William Shakespeare 200 Jahre später adaptierte. Auf der Suche nach dem Erbe ihrer Mutter und ihren eigenen Wurzeln fühlt sich Julia in Siena zunehmend verfolgt und bedroht. Schutz erhofft sie sich von Eva Marias Patensohn, Alessandro Santini. Durch seine Unterstützung werden die alten Familienfehden wieder angefacht und offenbar scheint sich die Rome-und-Julia-Geschichte damit zu wiederholen. 

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen. In der Vergangenheit im Jahr 1340 verlieben sich Giulietta Tolomei und Romeo Marescotti ineinander. Ein Heiratsantrag Romeos wird jedoch von Giuliettas Vater abgelehnt und das Drama nimmt seinen Lauf...
In der Gegenwart begleitet man Julia auf der Suche nach dem Schatz ihrer Mutter, die dabei die Geschichte des tragischen Liebespaares liest. Durch die verwandtschaftlichen Beziehungen sind beide Erzählstränge eng miteinander verknüpft. Dabei wird offenbar, dass ein Fluch auf den beiden italienischen Familien zu liegen scheint. Die Liebesgeschichte von Giulietta Tolomei und ihrem Romeo endete tragisch und auch Julias Eltern sind früh verstorben. Droht Julia nun das gleiche Schicksal oder kann sie den Fluch brechen?

"Julia" ist eine Mischung aus Familiendrama, Liebesgeschichte, Krimimalroman und Historienepos. Durch die anschauliche Beschreibung der Stadt und ihrer historischen Orte fühlt man sich bildlich nach Siena versetzt und taucht in die Atmosphäre buchstäblich ein. 
Während der Erzählstrang in der Vergangenheit - eine klassische romantische Liebesgeschichte - emotional mehr fesselt, ist die Geschichte in der Gegenwart aufgrund der spürbaren Bedrohung Julias und ihrer rätselhaften Suche nach dem Schatz ihrer Mutter spannender konstruiert. 

Die Parallelen zwischen Gegenwart und Vergangenheit wirken dabei allerdings etwas zu gewollt, die Figuren zumal ein wenig klischeehaft dargestellt, was aber wiederum zum historischen Hintergrund passend ist.
Es ist nicht ganz einfach, den Überblick über alle handelnden Akteure in Gegenwart und Vergangenheit zu behalten, da keine tiefer gehende Charakterdarstellung erfolgt. Selbst Romeo und Julia wirken wie ihre Nachfahren etwas blass. Die Geschichte kann deshalb auch nicht durchgehend fesseln. Durch die Detailverliebtheit und die unbedingte Verknüpfung von historischen Fakten mit einer fiktiven Geschichte treten unweigerlich Längen auf, bei der insbesondere die Romantik der Liebesgeschichte in der Gegenwart auf der Strecke bleibt. 



Rätselhafte Suche nach der wahren Geschichte Romeos und Julias - sehr langatmig Umsetzung eines interessanten Plots

Samstag, 5. Dezember 2020

Buchrezension: Pierre Lemaitre - Drei Tage und ein Leben

Inhalt:

Ende Dezember 1999 verschwindet im nordfranzösischen Ort Beauval ein sechsjähriger Junge. Eine groß angelegte Suchaktion wird gestartet, Nachbarn und Freunde durchkämmen den angrenzenden Wald nach Spuren des vermissten Rémi. Doch am dritten Tag fegt ein Jahrhundertsturm über das kleine Dorf hinweg und zwingt die Einwohner zurück in ihre Häuser. Während dieser drei Tage bangt der zwölfjährige Antoine darum, entdeckt zu werden. Denn nur er weiß, was an jenem Tag wirklich geschah. 

Rezension: 

Einen Tag vor Heiligabend tötet der 12-jährige Antoine Courtin in der französischen Kleinstadt Beauval in einem Moment der Wut und Raserei den sechsjährigen Nachbarsjungen Rémi D. Geschockt über seine Tat versteckt er die Leiche notdürftig und schweigt. Während der ganze Ort nach dem vermissten Kind sucht, begeht Antoine eine Verzweiflungstat, die jedoch scheitert. Die Suche wird aufgrund des Sturmtiefs Lothar unterbrochen und die Schäden in der Stadt und den umliegenden Wäldern sind so massiv, dass sämtliche Spuren verwischt werden. Antoine muss mit der Schuld leben, bis die Vergangenheit ihn zwölf Jahre später einzuholen droht. 

Der Roman beginnt dramatisch mit der folgenschweren Tat und handelt anschließend von den Auswirkungen auf den Ort, aber insbesondere auf Antoine. Antoine ist an und für sich ein in sich gekehrter Junge, aber in dem Moment als er voller Wut und Verzweiflung ist, entwickelt er so viele Aggressionen, dass der hilflose Rémi seine Schläge nicht überlebt. Antoine quält sich mit einem schlechten Gewissen und kann mit niemandem über seine Tat sprechen. Einerseits hat man Mitleid mit dem Jungen, der erst zwölf Jahre alt ist, unüberlegt gehandelt hat und sich noch weiter zurückzieht, andererseits möchte man ihn zur Rechenschaft ziehen, da er weniger aus Reue sondern vielmehr aus Angst vor Bestrafung und den Konsequenzen für ihn und seiner Mutter mit einem schlechten Gewissen hadert.

Es ist eine tragische Geschichte über zwei Jungen - Opfer und Täter - die aus der Perspektive von Antoine und damit sehr eindringlich geschrieben ist und bei der man bis zum Ende zittert (und hofft), dass die Wahrheit ans Licht kommt. 
Neben den Ereignissen an den drei Tagen Ende 1999 handelt der Roman zwölf und 16 Jahre später und zeigt, wie Antoine noch als Erwachsener mit dem Folgen seiner Tat zu kämpfen hat und dass dieses Ereignis sein Leben bestimmt und einschränkt. Auch wenn das Ende vielleicht nicht ganz befriedigend ist, hat Antoine für sich eine eigene Art der Bestrafung gefunden. 



Freitag, 4. Dezember 2020

Buchrezension: Lars Kepler - Der Spiegelmann (Joona Linna, 8)

Inhalt: 

Eine Schülerin verschwindet auf dem Heimweg spurlos. Jahre später wird sie auf einem Spielplatz mitten in Stockholm ermordet aufgefunden. Das Mädchen hängt an einem Klettergerüst. Wer tut so etwas? Kommissar Joona Linna ist von der Kaltblütigkeit des Täters alarmiert. Ein ungewöhnlicher Mord, eine Hinrichtung. Eine Machtdemonstration.
Das Mädchen ist wahrscheinlich nicht das einzige Opfer. Als es gelingt, einen Mann aufzuspüren, der den Mord gesehen haben muss, ist der Zeuge nicht in der Lage, darüber zu sprechen. So traumatisch sind offenbar seine Erinnerungen. Jonna Linna bittet Erik Maria Bark, den Hypnotiseur, um Hilfe. 

Rezension: 

Auf einem Spielplatz in Stockholm wird ein Mädchen ermordet aufgefunden. Der Mord hat den Anschein einer Hinrichtung, offenbar wollte der Täter seine Macht demonstrieren. Joona Linna erkennt in dem Opfer Jenny Lind, ein Mädchen, das vor fünf Jahren verschwunden war. Mit Hilfe von Überwachungskameras stellt die Polizei zudem fest, dass es einen Augenzeugen gegeben hat, der den Mord beobachtet und den Täter gesehen haben muss. Der Zeuge kann sich jedoch an nichts erinnern. Er selbst wurde erst kürzlich aus einer psychiatrischen Klinik entlassen, wo er zur Behandlung einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung war. Jonna Linna versucht auf dem Weg der Hypnose den Mann zum sprechen zu bringen. 

"Der Spiegelmann" ist Band 8 der Reihe um den Kriminalkommissar Joona Linna und das erste Buch, das ich von dem Autorenduo Lars Kepler gelesen habe. Der Hintergrund zur Joona und seinen Kollegen fehlte mir, war aber zum Verständnis dieses Falles nicht zwingend erforderlich. 
Der Thriller baut auf drei Handlungssträngen auf: die persönliche Situation des Ehepaares Pamela und Martin, die vor fünf Jahren ihre Tochter bzw. Stieftochter bei einem Angelunfall verloren haben, woraufhin sich Martin, der bereits in der Kindheit ein Trauma erlitten hatte, in eine psychiatrische Klinik begeben hatte, die Ermittlungen im Fall des Serienmordes, denn aufgrund einer Brandmarkung des Opfers Jenny wird auf weitere Opfer geschlossen und die Situation der entführten Mädchen. 
Der Anfang ist aufregend und spannend und auch am Ende nimmt der Roman wieder ein wenig an Fahrt auf, der große Mittelteil ist jedoch zäh und beschränkt sich fast ausschließlich auf die Beschreibung diverser Gewaltszenen und Auseinandersetzungen von Polizei und Eingreiftruppen mit ihren schwer bewaffneten Gegnern, die sich über mehrere Seiten hinziehen. Ich lese blutige Thriller nicht ungern, aber in diesem Fall gingen die ausufernden Beschreibungen zur Demonstration der Brutalität und Gewalttätigkeit des Täters auf Kosten der Spannung. Ohne Weiteres wäre es möglich gewesen, hunderte von Seiten zu überblättern, denn zur Lösung des Falls trugen diese Szenen nicht bei. 
Die Konstruktion des Thriller und wie die drei Handlungsstränge zusammengeführt werden, ist sicherlich gelungen, aber Gewalt und Brutalität reichen für einen guten Thriller nicht aus. Schon gar nicht, wenn die Spannung darunter leidet. Auch die Auflösung des Falles um einen Serienmörder, der offenbar seit Jahren schalten und walten konnte, ist wenig raffiniert, sondern fast schon schablonenartig auf beliebige Psychothriller anwendbar. 

Mittwoch, 2. Dezember 2020

Buchrezension: James Patterson, Brendan DuBois - Die Frau des Präsidenten

Inhalt: 

Der US-Präsident hat eine Affäre. Als der Skandal mitten im Wahlkampf öffentlich wird, stehen Präsident Tucker und sein Regierungsstab im Kreuzfeuer. Um wiedergewählt zu werden, braucht der Staatschef die First Lady an seiner Seite. Grace Tucker aber hat nicht vor, weiter die Vorzeigegattin für ihren untreuen Ehemann zu spielen. Zutiefst verletzt verlässt sie Washington – und verschwindet spurlos. Secret-Service-Agentin Sally Grissom soll die First Lady aufspüren und zurückbringen. Doch ist diese freiwillig untergetaucht? Oder befindet sich die Frau des Präsidenten in viel größerer Gefahr als gedacht?

Rezension:

Als öffentlich bekannt wird, dass vier Wochen vor den Präsidenschaftswahlen der amtierende Präsident Harrison Tucker eine Affäre mit einer Lobbyistin hat, verschwindet die First Lady spurlos. Der Secret Service hat seine Schutzbefohlene verloren und niemand weiß, ob die Ehefrau des Präsidentin sich auf eigene Faust zurückgezogen hat oder ob sie Opfer eines Verbrechens geworden ist. Secret Service-Agentin Sally Grissom wird persönlich engagiert, um die First Lady, möglichst ohne Aufsehen zu erregen, zu finden und nach Washington zurückzubringen, um eine Versöhnung mit dem Präsidenten zu inszenieren und den Wahlkampf zu retten. 

"Die Frau des Präsidenten" ist ein Politthriller, der mit einem Skandal beginnt und sich nach dem Verschwinden der First Lady zu einem Machtspiel und einem klassischen Kampf Gut gegen Böse entwickelt. Der Verlauf des Romans ist dynamisch und rasant, mehrere Wendungen und kurze Kapitel mit Mini-Cliffhangern am Ende sorgen für Spannung, auch wenn die Geschichte aufgrund der wechselnden Perspektiven sehr durchschaubar ist. Die Charaktere, Helden wie Bösewichte, sind stereotyp und die unterschiedlichen Sichtweisen, die die Taten der Figuren offenbaren, verraten zu viel, so dass sich der Thriller all zu leicht liest. Der Präsident ist dabei erschreckend schwach, sein Personalstab zieht egoistisch seine eigenen Fäden, während starke Frauen wahren Heldenmut beweisen.  

Der Roman handelt von Machterhalt, Intrigen und Verrat, ist interessant zu lesen, aber aus dem Plot hätte man durchaus mehr machen können. So ist die Geschichte unterhaltsam, aber ohne großen Anspruch und für einen Politthriller fehlte auch der entscheidende Nervenkitzel. Täter und Opfer sind fast schon langweilig offensichtlich, während am Ende schleierhaft bleibt, warum der Täter so drastisch vorgeht. 



Montag, 30. November 2020

Buchrezension: Anna Basener - Die juten Sitten: Goldene Zwanziger. Dreckige Wahrheiten

Inhalt: 

Berlin, 1927: Die achtjährige Hedi wächst im berüchtigten Bordell »Ritze« auf. Ihre Großmutter Minna, die das zwielichtige Etablissement betreibt, die strenge Domina Natalia und die bildschöne Hure Colette sind die einzige Familie, die Hedi je kannte. Von ihnen lernt sie alles, was sie fürs Leben braucht.
Drei Jahrzehnte später ist Hedi eine gefeierte Hollywood-Diva – und eine zum Tode verurteilte Mörderin. Kurz vor ihrer Hinrichtung erzählt sie einem Journalisten der New York Times die ganze ungeschminkte Wahrheit über ihr Leben. Eine Wahrheit, die sie unsterblich machen wird.

Rezension:

Hedwig Hallig wächst im Berliner Scheunenviertel im Bordell "Ritze" auf, das von ihrer Großmutter Minna betrieben wird. 1927 ist Hedwig acht Jahre alt, ihrem Alter jedoch weit voraus. Im engen Kontakt mit der russischen Domina Natalia und der französischen Edelprostituierten Colette, die für sie die Familie ersetzen, bekommt sie mehr mit als für Kinderaugen und -ohren geeignet ist. Sie fühlt sich anderen Kindern überlegen, hat eine große Klappe und genießt die Extravaganz des Etablissements. Auch der neu erlassene Paragraph zur Verhinderung von Unzucht und Kuppelei, der einen Aufenthalt Minderjähriger in einem Bordell untersagt, kann aufgrund der raffinierten Frauen nicht verhindern, dass Hedwig in eine Kinderheim muss.
1954 sitzt die Schauspieldiva Hedi Belle in Los Angeles wegen Mordes im Gefängnis. Sie ist zum Tode verurteilt, möchte sich vor ihrer Hinrichtung aber noch Gehör verschaffen, um unvergessen zu bleiben. In Gesprächen mit dem amerikanischen Journalisten Noah Goldenblatt, der in Erfahrung bringen möchte, warum sie Louis Mercier getötet hat, erzählt sie unverblümt ihre Lebensgeschichte. 

Der Roman handelt 1954 von den Besuchen Noahs bei Hedi im Gefängnis. In Rückblenden erfährt man aus der Perspektive der 35-jährigen Hedi, was sich Ende des Jahres 1927 in Berlin ereignet hat und wie sie ihre Kindheit in dem berüchtigten Berliner Bordell empfunden hat. 
Das Leben der Prostituierten, Sexarbeiter und Stricher wird dabei offen und unverhohlen geschildert. Wie schon als Kind, nimmt auch die lebensältere Hollywood-Diva Hedi kein Blatt vor den Mund und genießt es sichtlich, den etwas unbedarften New Yorker Journalisten bewusst zu schockieren. Die Sprache ist dem Milieu entsprechend derb, wenn beschrieben wird, welche Vielzahl an Frauen und Männern - egal ob jung oder alt, ob im Bordell oder auf der Straße - gezwungen war, ihren Körper für Freier oder reiche ältere Damen zu verkaufen.
Es geht jedoch um mehr als nur Sado-Maso-Spiele und (schmutzigen) Sex. Auch wenn sich gerade die Frauen taff und unabhängig zeigen, spielen auch ihre Gefühle und Träume eine nicht unerhebliche Rolle. Die kindliche Sicht der achtjährigen Hedi, die sich vor nichts ekelt oder ängstigt, verleiht dem Roman, der viele traurige und ausweglose Schicksale beschreibt, eine gewisse Leichtigkeit. Auch die Berliner Schnauze und die plakative vulgäre Sprache machen die Schilderungen von Gewalt, Lügen, Bestechung, Geldgier, Einsamkeit und dem puren Kampf ums Überleben erträglicher. 

Der Einblick in ein anderes Milieu, als man es sonst von Geschichten der Goldenen Zwanziger kennt, ist unterhaltsam und wirkt aufgrund der vielfältigen und authentisch gezeichneten Charaktere echt. Zunächst wirken die Personen unnahbar, da sie schon von Berufswegen niemanden emotional an sich heranlassen und aufgrund ihrer zahlreichen Ecken und Kanten nicht wirklich sympathisch. Man bewundert die Figuren allerdings für ihre Ausdauer und Kraft oder im negativen Sinn für ihre Abgestumpftheit. Ein Blick hinter die Fassade zeigt jedoch im weiteren Verlauf, dass hinter den harten Schalen ein weicher Kern steckt. Gerade Minna macht der Bezeichnung Puffmutter mit ihrer Fürsorge alle Ehre. 
Der Handlungsstrang im Jahr 1954 erzeugt dagegen Spannung durch das ungewisse Schicksal Hedis und des Mordes, den sie bis aus zum Schluss unbekannten Gründen begangen haben soll. Hedi ist ein Mensch, der keine Kindheit hatte und nun auch keine Zukunft mehr. Sie hungert nach Aufmerksamkeit, will Geschichte schreiben und mit einem Buch über sich selbst unsterblich werden. 
Schillernd, skandalös und provokant - "Die juten Sitten" ist ein Roman, der von der Verruchtheit und den starken, aber dennoch verletzlichen weiblichen Figuren lebt. 



Samstag, 28. November 2020

Buchrezension: Emma Martin - Liebesbriefe für Fortgeschrittene

Inhalt:

Nach fast zwanzig Jahren ist die Ehe von Paulina und Markus so prickelnd wie Champagner vom Vortag. Wie hat es nur so weit kommen können? Um sich über ihre Gefühle klar zu werden, beginnt Paulina einen Brief an Markus, den er eigentlich nie lesen soll. Aber dann ist ihr Mann weg und sie findet seine Antwort am nächsten Tag im Briefkasten. "Triff mich dort, wo wir zuletzt so richtig glücklich waren, dann hat unsere Ehe vielleicht noch eine Chance. Ich warte auf dich. Jeden Abend um acht." Wenn Paulina nur wüsste, welchen Ort Markus meint. 

Rezension:

Paulina und Markus kennen sich seit 20 Jahren, sind verheiratet und haben zwei Kinder im Teenageralter. Während Paulina die Familie managt und in Teilzeit die Social Media Präsenz eines Feinkostgeschäfts pflegt, praktiziert Markus als Herzspezialist. Paulina fühlt sich von Markus nicht mehr richtig wahrgenommen und vermisst die traute Zweisamkeit von früher. Sie schwelgt in Erinnerungen und denkt darüber nach, wie sie sich im Jahr 2000 auf Sizilien kennengelernt haben und an die erste Verliebtheit. Von ihrer besten Freundin Ida erhält sie den Ratschlag, einen Brief an ihren Mann zu schreiben, in dem sie sich alles von der Seele schreibt, diesen jedoch nicht abschicken soll. Markus findet den Brief und verschwindet, um über die Situation nachzudenken. Er hinterlässt Paulina nur die Nachricht, dass er jeden Abend um acht Uhr dort wartet, wo er zuletzt richtig glücklich mit Paulina war. Mit wechselnden Gefühlen zwischen Wut und Sorge grübelt Paulina die nächsten Tage darüber, welcher Ort dies gewesen sein könnte, wartet auf dem Sofa, sucht ihren Stammitaliener auf oder versucht es im Kino, bis ihr Zweifel kommen, ob sie beide überhaupt noch dasselbe Glücksempfinden haben. 

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive von Paulina geschrieben, in deren Situation als berufstätige Frau und Familienmanagerin sich gut hineinversetzen kann. Die Ehe leidet sichtlich unter dem Alltag und offenbar sind sowohl Paulina als auch Markus unzufrieden damit, haben aber nie offen darüber gesprochen. Der Brief von Paulina ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, wenn sie ihre Ehe retten wollen, sorgt aber erst einmal für noch mehr Unsicherheit und Verwirrung. 
Die Geschichte ist realitätsnah geschildert, denn wie häufig ertappt man sich in Langzeitbeziehungen selbst dabei, dass man den Partner als zu selbstverständlich nimmt, sich lange nicht mehr so viel Mühe gibt wie in der verliebten Anfangszeit und die Liebe vom Alltag erdrückt wird. 
Der Roman handelt vor allem von Paulinas Gedanken und der Frage, ob Markus etwas passiert sein könnte und wo sie ihn treffen soll. Von Markus selbst erfährt man wenig. Seine Reaktion auf Paulinas Brief fand ich nicht nur überzogen, sondern auch nicht ganz realistisch, da sie zu seinem bisherigen Verhalten einfach nicht passen wollte. 

Es ist ein Roman, der ein Problem behandelt, das im Kern sicher nicht wenige (Ehe-)paare betrifft und zum Nachdenken anregt. Die persönliche Liebesgeschichte von Paulina und Markus konnte mich dabei allerdings weniger überzeugen. Selbst die Schilderungen ihrer ersten Verliebtheit berührten mich nicht. Wie bei Paulina und Markus in der Beziehung dominiert auch im Buch der Alltag mit Kindererziehung, Ansprüche im Beruf und Pflege von Freundschaften, so dass der Roman sicher nett zu lesen ist, aber zu wenig Überraschendes und keine Spannungsmomente enthält und letztlich auch zu oberflächlich blieb. 
Enttäuscht war ich aber insbesondere vom Ende, das mir nach der Beziehungspause einfach zu simpel war, ohne dass es zu einer richtigen Aussprache oder Problemlösungsstrategie gekommen ist. Es blieb bei Worthülsen und dem Vorsatz, nicht in alte Muster zu verfallen.