Montag, 31. Mai 2021

Buchrezension: Hendrik Falkenberg - Tag der Wahrheit (Ein Westermann-Haberland-Krimi, 1)

Inhalt:

Zwei Leichen, ein herausgeschnittenes Herz und die Entführung hochrangiger Manager versetzen das Bundeskriminalamt in den Krisenmodus. Die Täter lassen keinen Zweifel an ihrer Kaltblütigkeit und der Bereitschaft, alles zu tun, um ihre Ziele zu erreichen. 
Für das erfahrene BKA-Ermittlerduo Laura Westermann und Steven Haberland präsentiert sich die Lage zunächst undurchsichtig. Gibt es einen persönlichen Hintergrund oder sind die Taten politisch motiviert? Wer ist noch gefährdet? Als die Drahtzieher schließlich die Masken fallen lassen und ihre Forderungen stellen, bleibt den Polizisten nur ein enges Zeitfenster, um weitere Todesopfer zu verhindern. 

Rezension: 

Zwei Leichen werden gefunden und nacheinander drei hochrangige Manager aus der Automobilbranche entführt. Gezielt wird das BKA, namentlich die Ermittler Laura Westermann und Steven Haberland, die im Referat für politische Kriminalität gegen Linksextremisten vorgehen, durch Botschaften und ein herausoperiertes Herz auf die Verbrechen aufmerksam gemacht. Eine Guerillagruppe von militanten Umweltaktivisten, die sich "Zeugen Justitias" nennt, hat die Vorstandsvorsitzenden entführt und möchte erwirken, dass das BKA endlich gegen die in ihren Augen skrupellosen und betrügerischen Umweltsünder vorgeht. 
Als die Forderungen der Entführer - intern bereits als "Grüne Armee Fraktion" bezeichnet - massiver werden, gerät das BKA zunehmend unter Druck. Die Kriminalbeamten müssen nicht nur die Entführer identifizieren sondern auch den Vorwürfen gegen die Top-Manager nachgehen, in der Hoffnung, deren Leben retten zu können. 

"Tag der Wahrheit" ist der Auftakt einer Krimireihe um die Meckenheimer BKA-Ermittler Laura Westermann und Steven Haberland. Der Krimi ist aus schnell wechselnden Perspektiven geschrieben, was es mir am Anfang etwas schwermachte, mich aufgrund der Vielzahl der Personen und Schauplätze in die Geschichte einzufinden. Als der Hintergrund der Entführung klar wird, kann man den Handlungssträngen problemlos folgen, auch wenn der Fall komplexer ist, als zunächst angenommen. Die Opfer der Entführung haben sich gleich mehrfach schuldig gemacht, weshalb selbst die Ermittler Verständnis für die Ziele der "Zeugen Justitias" aufbringen können, auch wenn ihre Mittel und Wege ohne Frage nicht nur moralisch verwerflich sind, sondern eine Art von Öko-Terrorismus darstellt, der nicht hinnehmbar ist und friedliche Klimaaktivisten verunglimpft. 

Auch wenn im Zuge der Ermittlungen ein paar Längen auftreten, sind sie authentisch geschildert. Durch den rasanten Perspektivwechsel, die Einblicke in die laufenden Ermittlungen, aber auch das Vorgehen der Entführer bieten, ist der Krimi abwechslungs- und temporeich. Durch den Bezug auf Umweltschutz und den Skandal um manipulierte Abgaswerte ist der Roman zudem aktuell und gibt dem Fall die nötige Komplexität und Tiefe. Die beiden Protagonisten der Reihe sind sympathisch und haben Potential für weitere Teile der Krimireihe, denn insbesondere Laura hat eine bewegte Vergangenheit und ein Geheimnis, das sie selbst ihrem achtzehnjährigen Sohn nicht offenbaren kann.  
Fazit: Ein spannender Politkrimi mit einem perfekt eingespielten Ermittlerduo und einer aktuellen Thematik, die jeden etwas angeht. 



Samstag, 29. Mai 2021

Buchrezension: Maren Uthaug - Hannahs Lied

Inhalt:

Ein Leuchtturm vor der Küste Norwegens - wir schreiben die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Um seine Familie vor dem finanziellen Ruin zu retten, muss Johan Marie heiraten, obwohl er Hannah liebt. Sie lassen sich auf dem Leuchtturm von Kjeungskjær nieder, Norwegens einzigem achteckigen Leuchtturm. Dort, vor der felsigen Küste im Nordatlantik, stürmt es so sehr, dass die Wellen manchmal bis zur Dachspitze reichen. Da oben sitzt Johan und fühlt sich vom Leben betrogen. Doch im Laufe der Geschichte wird es immer fraglicher, wer wen wirklich täuscht.

Rezension: 

Johan verliebt sich unsterblich in die flatterhafte Hannah, die von einem freien Leben in Amerika träumt. Johan kann Ørland jedoch aus Liebe zu seiner verwitweten Mutter nicht verlassen und bewirbt sich deshalb um die frei gewordene Stelle des Leuchtturmwärters. Aufgrund des einsamen Lebens im Leuchtturm ist es Voraussetzung, verheiratet zu sein, weshalb Johan 1920 notgedrungen die Pastorstochter Marie ehelicht, die schon bald schwanger ist. Johan denkt weiterhin an Hannah und zieht sich zurück in das Turmzimmer, während Marie immer mehr Zeit an Land in der Stadt Uthaug, zwei Seemeilen abseits des Leuchtturms, verbringt, denn auch sie hat Johan nicht aus Liebe geheiratet. 

Die Geschichte entwickelt sich zu Beginn etwas schleppend, denn Johan ist kein Sympathieträger und auch die erwartete Liebesgeschichte mit Hannah ist weniger gefühlvoll und romantisch sondern wahnhaft. Hannah ist eine Frau, die sich im Leben das nimmt, was sie braucht, sich gleichzeitig aber auch benutzen lässt. 

Die Atmosphäre des Romans ist kühl und rau und passt zu dem windigen Schauplatz im Norden, wo der Leuchtturm mehrere Monate im Jahr durch Sturm und Eis von der Zivilisation abgeschieden ist. 
Die Menschen haben deshalb keine Vorstellung, was auf dem Leuchtturm passiert, ob Johan sich tatsächlich vorschriftsmäßig um die Laterne kümmert oder lieber dem Alkohol zugeneigt ist oder wie Marie und Johan mit ihren beiden Kindern Darling und Valdemar umgehen. Während der zurückgebliebene Valdemar wie ein Tier gehalten wird, geht Darling ihren Gewaltfantasien nach, freut sich, wenn sie an Land andere Kinder quälen kann und träumt insgeheim von einem anderen Leben in Amerika. 

Der Roman ist zunächst aus der Perspektive von Johan geschildert, bevor die Geschichte aus der Sicht von Darling und von Marie erzählt wird. Auch wenn es in der Darstellung zu Wiederholungen kommt, ist diese Erzählweise keinesfalls ermüdend, denn alle drei haben sie eine ganz andere Sicht auf die Dinge und für den Leser schließen sich damit Erkenntnislücken, die die Geschichte erst interessant machen. 

"Hannahs Lied" ist ein Buch über Einsamkeit, Abhängigkeiten, Missbrauch und unerwiderte Liebe. Auch wenn die Beziehungen zwischen Mann und Frau, die hier freiwillig oder unfreiwillig, in oder außerhalb einer Ehe, eingegangen werden, im Vordergrund stehen, handelt es sich bei dem Roman nicht um eine Liebesgeschichte, sondern um eine Familientragödie, die tief in die Abgründe der menschlichen Seele blicken lässt. Feste Bindungen entstehen weniger aus Liebe sondern aus anderen praktischen Erwägungen, während die Liebe häufig nur einseitig und deshalb zum Scheitern verurteilt ist. Die Kinder, die aus so mancher Verbindung entstehen, sind die Leidtragenden, denn sie wissen häufig nicht einmal, wer ihr leiblicher Vater oder gar die leibliche Mutter ist und gehen tragischerweise von falschen Voraussetzungen aus, was fatale Folgen hat. 
Es ist eine düstere, tragische Geschichte, die den Leser durch die sukzessive Aufdeckung von Geheimnissen immer weiter fesselt, gleichzeitig in den Abgrund zieht und fassungslos darüber macht, wozu verlorene Menschen in einem Mikrokosmos fähig sind.  

Freitag, 28. Mai 2021

Buchrezension: Harriet Tyce - Lügen können töten

Inhalt:

Sadie ist kürzlich in das alte, efeubewachsene Haus ihrer verstorbenen Mutter in London gezogen. Ihre Tochter soll in der Stadt eine exklusive Schule besuchen. Diese Eliteeinrichtung ist extrem begehrt, unter den Schülern – und deren Eltern – herrscht Konkurrenz. Während Sadie versucht, ihrer Tochter die Eingewöhnung möglichst leicht zu machen, will sie gleichzeitig ihre Stelle als Anwältin in ihrer alten Kanzlei zurückbekommen. Tatsächlich hat sie die Möglichkeit, den Angeklagten in einem skandalösen, lügendurchzogenen Fall zu vertreten. Sie setzt sich für ihren Mandanten ein – fast schon zu sehr – und läuft Gefahr, ihre professionelle Distanz zu verlieren. Und auch in ihrem Privatleben durchschaut Sadie kaum noch, was Lüge und was Wahrheit ist. Doch diese Erkenntnis kommt zu spät. 

Rezension:

Nachdem Sadie Roper von ihrem Ehemann Andrew verlassen wurde, tritt sie notgedrungen das Erbe ihrer Mutter Lydia an und zieht mit ihrer zehnjährigen Tochter Robin zurück nach England in das Haus der verstorbenen Mutter. Das Erbe ist allerdings an eine Bedingung geknüpft, weshalb Sadie Bedenken hatte. Robin soll die Ashams School besuchen, auf die Sadie bereits gegangen ist. Die Schule ist elitär und vor allem die ehrgeizigen Eltern üben Druck auf die Schüler aus, treiben sie an, die Besten zu sein. 
Nach der Geburt ihrer Tochter hatte Sadie nicht mehr als Rechtsanwältin gearbeitet, möchte aber wieder in ihren Beruf zurückkehren. Mit Glück findet sie eine Anstellung als Junioranwältin in der Kanzlei, in der eine alte Freundin arbeitet, und soll dort die Verteidigung eines wegen sexuellen Missbrauchs angeklagten Lehrers unterstützen. Die Anschuldigung wiegt schwer, allerdings ist die Klägerin, eine 17-jährige Schülerin, wenig glaubwürdig. 

Das Buch besteht aus verschiedenen Handlungssträngen rund um Sadie und ihre Tochter und man ahnt zunächst nicht, wie diese zusammengehören könnten. Fraglich ist bereits Sadies Vergangenheit, das zerrissene Verhältnis zu ihrer Mutter, das seltsame Verhalten ihres Ehemanns und die fluchtartige Trennung. Zudem bereitet ihr Robin Sorge, die sich an ihrer neuen Schule unwohl fühlt und ganz offen ausgegrenzt wird. Auch Sadie hat als Berufstätige einen schweren Stand unter den Müttern. Das schon an Mobbing grenzende Verhalten der Mütter und ihrer Kinder ändert sich erst, als sie erfahren, dass Sadie früher die Schule besuchte und damit eine "von ihnen" ist. Plötzlich wird Sadie im Kreis der Mütter willkommen geheißen und kann den Einladungen kaum entfliehen. Dennoch ebbt das Konkurrenzdenken nicht ab, wobei sich der Druck auf Robins Mitschüler erhöht, denn ihre Zensuren sind tadellos. 

Ein weiterer, nur in knappen Kapiteln erzählter Handlungsstrang handelt von der verzweifelten Suche einer Mutter nach ihrer Tochter, die offenbar nach einem Wochenendausflug nicht zurückgekehrt ist. 

Nach einer anfänglich eher unerklärlichen Angst Sadies entwickelt sich die Geschichte gemächlich, die Spannung wird langsam aufgebaut, bevor man sich fragt, ob für Robin eine abstrakte oder konkrete Gefahr besteht und ob diese eher von ihrem undurchsichtigen Vater oder von den neidvollen, hysterischen Müttern ausgehen könnte. Auch ist unklar, wem Sadie wirklich trauen kann, wie ihre alte Freundin Zora einzuschätzen ist und was es mit ihren neuen Freundinnen auf sich hat. 
Unabhängig von Sadies Privatleben sorgt auch der Gerichtsprozess für Spannung, denn auch hier fällt es schwer einzuschätzen, wer vor Gericht lügt - die selbstbewusst auftretende Schülerin, die allerdings dazu neigt, sich in den Mittelpunkt zu drängen oder der verschüchterte junge Lehrer, der bei allen Schülerinnen äußerst beliebt ist. 

Ab einem gewissen Zeitpunkt ist der Aufbau des Romans durchschaubar und die kommenden Ereignisse lassen sich bereits erahnen, weshalb die Spannung sich am Ende trotz aller Dramatik nicht steigert, sondern abflacht. Auch wie die einzelnen Erzählstränge letztlich zusammengeführt werden, überzeugt nicht so ganz. Die Auflösungen und Erklärungen sind etwas kurz gegriffen und am Ende hat man das Gefühl, dass einfach zu viel auf einmal in die Geschichte gepackt wurde, so dass kein Handlungsstrang logisch und zufriedenstellend abgeschlossen wird. 

"Lügen können töten" ist ein rätselhafter Roman mit Thrillerelementen, bei dem es schwerfällt einzuschätzen, von wo die eigentliche Gefahr droht, die unterschwellig von Anbeginn vorhanden ist. Die Geschichte ist allerdings etwas überladen, weshalb die schnelle Auflösung am Ende nicht ganz befriedigend ist. 

Mittwoch, 26. Mai 2021

Buchrezension: Holly Miller - Ein letzter erster Augenblick

Inhalt:

Seit seiner Kindheit lebt Joel als Einzelgänger, der niemanden in sein Herz lässt. Nicht weil er das will – sondern weil er muss. Denn Joel hat Träume. Träume, die ihm die Zukunft der Personen zeigen, die er liebt. Oft weiß er schon Tage, Monate oder sogar Jahre im Voraus, was den Menschen um ihn herum passieren wird. Doch erzählen kann er es niemandem.
Callie träumt schon immer von den schönsten Orten dieser Welt, doch nach dem Tod ihrer besten Freundin lebt die junge Frau zurückgezogen und nimmt an den aufregenden Momenten des Lebens stets nur als stille Beobachterin teil. Das alles soll sich verändern, als sie Joel trifft und sich die beiden unsterblich ineinander verlieben. Bis Joel von Callies Zukunft träumt. 

Rezension: 

Joel ist Mitte Dreißig, hat seinen Beruf als Tierarzt aufgegeben und führt ehrenamtlich Hunde von älteren Damen aus. Er lebt zurückgezogen und versucht Menschen nicht zu nah an sich heranzulassen, denn Joe hat seit seiner Kindheit prophetische Träume. Er träumt davon, was mit Menschen passieren wird, die er liebt. Das können schöne oder neutrale Zukunftsaussichten sein, aber auch tragische Ereignisse, die er vorhersieht und besser nicht wissen wollte. 
Als er in einem Café, die studierte Ökologin Callie kennenlernt, wirft er all seine Vorsätze über den Haufen und verliebt sich in sie. Wie er ist Callie eine empfindsame Person, die sich lange nicht mehr auf eine Beziehung einlassen konnte und nach dem Tod ihrer besten Freundin gehemmt ist, ihr Leben so zu leben wie sie es möchte. Beide sind sie wie Seelenverwandte, weshalb Joel Callie sein Problem anvertraut. Trotz Joels Nervosität, Unruhe und Schlafstörungen führen sie eine innige Beziehungen, bis Joel von Callies Zukunft träumt. 

"Ein letzter erster Augenblick" ist eine berührende, fantastische Liebesgeschichte, die melancholisch anklingt, aber mich schon nach wenigen Seiten für mich eingenommen hat. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Joel und Callie geschildert, so dass man sich in beide Personen sehr gut hineinversetzen kann. Beide sind sie liebenswürdige, sympathische Menschen, die schon tragische Verluste erleiden mussten und ein Leben mit angezogener Handbremse führen. Joel kann nicht richtig arbeiten, weil er zu wenig schläft, um möglichst wenig zu träumen. Er lebt in permanenter Angst davor, Dinge über die Zukunft geliebter Menschen zu erfahren, die tragisch und katastrophal sein könnten. Callie hat das Café ihrer verstorbenen Freundin Grace übernommen, würde jedoch viel lieber in der freien Natur arbeiten und steht deshalb vor einem Gewissenskonflikt. 

Die Liebe zwischen den beiden entwickelt sich zögerlich und sanft. Diese gemächliche Annäherung ist gefühlvoll und authentisch beschrieben und passt perfekt zu den zurückhaltenden, sensiblen Charakteren. 
Als Leser spürt man die innige Liebe zwischen den beiden und die Harmonie, die zwischen ihnen herrscht. Sie können sich gegenseitig Halt geben verspüren eine innere Ruhe. Gleichzeitig spürt man jedoch, dass dies nur die Ruhe vor dem Sturm sein kann und tatsächlich ändert sich alles, als Joel von Callies Zukunft träumt. 

"Ein letzter erster Augenblick" ist eine herzzerreißende Liebesgeschichte, die von Anbeginn fesselt und den Leser tief bewegt, denn die Schicksale der Protagonisten gehen einem so nahe, dass man darauf hofft, dass sie trotz aller Prophezeiungen an ihre Liebe glauben, an ihr festhalten und nur die Gegenwart zählen lassen sollen. Zudem stimmt die Geschichte nachdenklich, ob man selbst vorbereitet sein und die Zukunft kennen wollte, ob nicht schon kleinste Entscheidungen, bestimmte Ereignisse abwenden könnten oder ob es nicht doch besser ist, unbelastet alles, was kommen mag, ohne eine Möglichkeit der Einflussnahme, anzunehmen. 

Montag, 24. Mai 2021

Buchrezension: Joséphine Nicolas - Tage mit Gatsby

Inhalt:

Mai 1924: Zelda und F. Scott Fitzgerald beschließen, ein Jahr lang der Hektik New Yorks zu entfliehen. Das rebellische Südstaatenmädchen hat sich an Scotts Seite zum glamourösen Star jeder Party entwickelt. Aber während er in Südfrankreich an ›Der große Gatsby‹ schreibt, dem Roman, der Schulden begleichen und ersehnten Weltruhm bescheren soll, fängt der lebenshungrige Flapper an, sich zu langweilen.
Und zum ersten Mal seit Langem beschäftigen Zelda Gedanken an die eigene künstlerische Selbstverwirklichung. Sie begreift, dass Scott ihr Talent für seine Bücher ausnutzt und ihre Schreibambitionen geschickt verhindert. Als junge Mutter überfordert und als Ehefrau enttäuscht, stürzt sich Zelda in den "Sommer der tausend Partys" und beginnt eine Liaison mit dem Piloten Édouard Jozan. Die Ménage-à-trois ist der Auftakt eines bühnenreifen Ehedramas, gleichzeitig befeuern Zeldas Kapriolen Scotts Kreativität – ungeniert bedient er sich an ihrer beider Leben, um seinen Jahrhundertroman über verlorene Illusionen und die große Liebe zu schreiben. Wird das schillernde Literatenpaar die Krise überstehen? 

Rezension:

Zelda und Scott Fitzgerald sind in den 1920er-Jahren das Glamourpaar in New York, das ein ausgelassenes und zügelloses Leben führt. Scott hat bereits einen Erfolg mit seinem Roman "Diesseits vom Paradies" gefeiert und möchte diesen noch übertrumpfen. Für die Zeit des Schreibens erwartet er Ruhe und die Unterstützung durch seine Ehefrau Zelda. 1924 gehen sie deshalb gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter Scottie von New York nach Südfrankreich, Während Scott Selbstzweifel plagen und er aus Geldnot immer wieder gezwungen ist, für das Schreiben von Kurzgeschichten die Arbeit an seinem Roman zu unterbrochen, langweilt sich Zelda, fühlt sich einsam, ungeliebt, unfrei und ohne sinnvolle Aufgabe nutzlos. Von Scott vernachlässigt, geht sie eine Affäre mit einem französischen Piloten ein und verliebt sich in ihn. Die ständigen Provokationen, Streitigkeiten, Eifersucht und der massive Alkoholkonsum werden zu einer Belastungsprobe für die Ehe, sind gleichzeitig aber auch eine Inspiration für Scott und seinen Roman "Der große Gatsby". 
Zeldas Ambitionen, Texte zu schreiben und zu veröffentlichen, werden von Scott niedergemacht. In seinen Augen ist er der hauptberufliche Schriftsteller und sie die Frau an seiner Seite. Dabei hat er wenig Hemmungen, schamlos aus ihren Briefen und Tagebüchern abzuschreiben und ihre Formulierungen als seine eigenen zu verwenden. Aber auch mit Zeldas Zustimmung werden ihre Texte aus der finanziellen Not teilweise unter Scotts Namen veröffentlicht, da das Honorar für männliche Autoren weitaus höher ausfällt. 

Der Roman schildert die Monate des Ehepaares Zelda und F. Scott Fitzgerald, als dieses sich eine bewusste Auszeit in Europa genommen hat, damit Scott in Ruhe an seinem Roman, in den er so große Hoffnungen für einen Welterfolg setzte, arbeiten konnte. In "Der große Gatsby" beschreibt er die Entzauberung des amerikanischen Traums. 

"Tage mit Gatsby" wird aus der Sicht der damals noch jungen Zelda erzählt, die es liebte, im Mittepunkt zu stehen, sich selbst als  moderne Frau ansah und die so gerne gleichberechtigt wie ihr Mann ihre eigenen Texte veröffentlicht sehen wollte. Ihre innere Zerrissenheit, die Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung ist spürbar. 
Sowohl Scott als auch Zelda sind auf den ersten Eindruck nicht sympathisch, denn sie neigen zu Arroganz, Dekadenz und führen ein hedonistisches Leben im Hier und Jetzt. Doch beide haben sie auch eine melancholische Seite, denn Schönheit und Erfolg sind vergänglich, weshalb sie mit Selbstzweifeln kämpfen und dem Alkohol zugeneigt sind. 

Durch die bildhaften Beschreibungen und die authentischen Dialoge werden Zelda und Scott Fitzgerald wieder lebendig. Auch kann man sich als Leser*in sehr gut in die Epoche der Roaring Twenties hineinversetzen, hat den Luxus und die ausschweifenden Partys, regelrechte Gelage, aber auch die schäbigen Hotels vor Augen. 

Das Buch ist nah an der Lebensgeschichte des Glamourpaares geschildert, wobei das "flapper girl" Zelda Fitzgerald in den Mittelpunkt gerückt wird, die sich selbst häufig nur noch als Figur wahrnahm, wenn Wirklichkeit und Fiktion sich miteinander vermischten. Nicht nur ihre Texte wurden von Scott verwendet, auch sie als Person war seine Muse, die er literarisch verarbeitete. Während Scott für sein literarisches Schaffen berühmt wurde, zeigt die Geschichte aus Zeldas Perspektive, dass Scott tatsächlich auf seine Frau und ihre Kreativität angewiesen war und er möglicherweise auch deshalb ihre Affäre mit dem französischen Piloten zuließ und niemals in eine Scheidung eingewilligt hätte. 

Diese toxische Ehe wird dramatisch und spannend erzählt und zeigt zwei schillernde Persönlichkeiten, die sich nach einer glücklichen und euphorischen Anfangszeit langsam in den Abgrund ziehen. 

Sonntag, 23. Mai 2021

Buchrezension: Katarina Schickling - Die 100 besten Eco Hacks: Tipps und Tricks für den Alltag Einfach nachhaltig leben

Inhalt:

Klimawandel, Artensterben, Ressourcenausbeutung: Wir wissen längst, dass ein Einfach-Weiter-So nicht in Frage kommt. Aber wo sollen wir angesichts der unüberschaubaren Problemlage überhaupt anfangen? Und ist es nicht viel zu kompliziert, in der Hektik des Alltags in den Umweltmodus zu schalten? Dass das Gegenteil der Fall ist, beweist Nachhaltigkeitsexpertin Katharina Schickling in diesem kompakten Ratgeber. Von genialen Upcycling-Tipps etwa für Gemüseabfälle über die Frage nach dem ökologisch korrekten Mund-Nasen-Schutz bishin zum simplen Do-It-Yourself-Reinigungsmittel finden sich darin 100 leicht umsetzbare Tipps und Tricks für alle Lebenslagen. So einfach geht nachhaltig leben! 

Rezension: 

"Die 100 besten Eco-Hacks" ist ein Ratgeber mit 100 Tipps und Tricks für den Alltag, wie man einfach nachhaltig leben kann. Das Büchlein ist in fünf große Themenkomplexe gegliedert:

1. Klimaschonend essen
2. Müll - weniger ist mehr
3. Unterwegs mit weißer Weste
4. Grüne Power
5. Konsumieren und dabei die Welt retten

Zu jedem der 100 Tipps gibt es eine kurze Erklärung bzw. Einführung und anschließend eine stichpunktartige Zusammenfassung, was jeder einzelne besser machen kann. 
Viele der Ratschläge sind altbekannt, weshalb das Buch für Leser*innen, die sich bereits Gedanken um die Umwelt machen und selbst auf einen ökologischen Fußabdruck achten, unter den 100 Eco-Hacks nicht viel Neues finden werden. Binsenweisheiten wie Mehrweg statt Einweg, Leitungswasser als Trinkwasser statt gekauftes Mineralwasser in Flaschen, saisonaler und regionaler Einkauf statt Kauf von Importware aus exotischen Ländern oder Öffentliche Verkehrsmittel statt dem eigenen Auto dürften selbst ignorante Menschen schon zu genüge gehört haben. Darüber hinaus gibt es aber selbstverständlich den ein oder anderen Kniff, über den man noch nicht nachgedacht hat und der leicht umzusetzen ist: Zum Beispiel beim Kauf von Bananen zu einzelnen Bananen zu greifen, die im Supermarkt oft liegenbleiben und dann in der Tonne landen. 
Gerade von den versprochenen "genialen Upcycling-Tipps für Gemüseabfälle über die Frage nach dem ökologisch korrekten Mund-Nasen-Schutz bishin zum simplen Do-It-Yourself-Reinigungsmittel" hatte ich mehr erwartet und mir mehr konkrete Handlungsanweisungen gewünscht. 

Der Aufbau des Buches ist jedoch klar strukturiert, die Tipps einfach und verständlich beschrieben. Wer sich mit manchen Hinweisen noch tiefer beschäftigen möchte, erhält zudem den ein oder anderen Link zu Websites, die sich der Thematik widmen. 
Am Ende ist zudem ein Glossar vorhanden, so dass man auch einfach zu bestimmten Begriffen nachblättern kann. 

Mein Fazit: "Die 100 besten Eco-Hacks" ist ein übersichtliches Buch mit 100 Tipps und Anregungen für ein nachhaltigeres Leben, das gerade für Einsteiger, die noch nicht viel von Mülltrennung oder einem umweltbewussten Konsumverhalten gehört haben, ein leicht verständlicher Ratgeber ist. Wer sich selbst schon ein wenig mit Nachhaltigkeit beschäftigt hat, wird in diesem Buch nicht viel Neues erfahren. Wer bereits das Buch "Der Konsumkompass" von Katarina Schickling gelesen hat, das fast identisch aufgebaut ist, aber noch viel mehr in die Tiefe geht, braucht "Die 100 besten Eco-Hacks" garantiert nicht und sollte ganz nach dem Prinzip weniger ist mehr ökologisch auf den Kauf verzichten. 

Samstag, 22. Mai 2021

Buchrezension: Lucia Leidenfrost - Wir verlassenen Kinder

Inhalt:

Ein abgeschiedenes Dorf. Leere Bauernhöfe. Eine aufgelassene Schule. Die Erwachsenen haben nach und nach das Dorf verlassen. Zurückgeblieben sind die Kinder. Sie empfangen Pakete und Geld. Sie kochen, putzen und pflegen die Großeltern und kleinen Geschwister. Scheinbar soll Krieg herrschen rundherum. Als auch der einzige Lehrer das Dorf verlässt, beginnen die Kinder, ihre eigenen Gesetze und Regeln aufzustellen. Was harmlos beginnt, wird rasch zu einem System aus Gewalt und Macht, dem sich alle zu unterwerfen haben. Nur Mila will sich nicht beugen und wird zur Außenseiterin, die bis zum Ende für das Gute kämpft.

Rezension:

In einem Dorf sind nur noch wenige Häuser bewohnt. Die allermeisten Erwachsenen hab es verlassen, übrig geblieben sind die Kinder und ein paar wenige Großeltern, die sich noch so gut es geht, um sie kümmern. Die Erwachsenen haben das Dorf verlassen, um in der nächsten Stadt Arbeit zu finden. Offenbar schwelt ein Konflikt, der sich zu einem Krieg ausweiten könnte. 
Die Kinder sind zunehmend auf sich alleingestellt. Die Pakete aus der Stadt und auch die Nahrungsmittel werden weniger. Die Kinder beginnen damit ihre eigenen Regeln aufzustellen, denn ohne einen geregelten Tagesablauf herrscht keine Struktur mehr. Mila, die Tochter des Bürgermeisters, der immer noch die Stellung hält, beugt sich nicht den Regeln. Sie glaubt nicht mehr daran, dass die Erwachsenen zurückkehren werden, bricht in leerstehende Häuser ein und bedient sich dort an den Utensilien. Das erzürnt die anderen Kinder und macht sie zur Außenseiterin. Mila bleibt jedoch standhaft. Ihr Traum ist es, Lehrerin zu werden und die Kinder zu unterrichten, um ihnen eine Perspektive zu geben. 

Der Roman ist aus der Sicht der Kinder - ein kollektives "Wir" - aus der Perspektive von Mila und vereinzelten Erwachsenen geschildert, die auch rückblickend von der Zeit im Dorf berichten. Dabei kommt insbesondere die Brutalität der Kinder zutage, die so erschreckend ist, dass man sich fragt, ob es nicht die Kinder gewesen sind, die die Eltern vertrieben haben. 

Das Dorf ist fiktiv und es ist nicht möglich, die Situation einer bestimmten Zeit oder einem bestimmten Ort zuzuordnen. Fakt ist nur, die Kinder wurden verlassen und je weniger Erwachsene übrig sind, desto weniger kommen die Kinder mit der Situation zurecht. Warum die Eltern das Dorf wirklich verlassen hab, ob tatsächlich irgendwo Krieg herrscht und warum sich aus der Stadt oder Regierung niemand darum kümmert, ist unklar. Auch die Rolle des Bürgermeisters, der zumindest die Funktion eines Regierenden hat, ist hinreichend unbestimmt. 

"Wir verlassenen Kinder" ist eine Dystopie, die auf wenigen Seiten in einer bildhaften, metaphorischen Sprache ein düsteres Szenario zeichnet. Da der Hintergrund des Verlassenwerdens im Dunkeln blieb, hatte ich Schwierigkeiten, Gefallen an der Geschichte zu finden. Auch fand ich schade, dass die Protagonisten, insbesondere die verbliebenen Kinder, namenlos blieben, obwohl man aufgrund der geringen Anzahl an Personen einige Charaktere hätte hervorheben und ihnen ein Gesicht geben können. So gab es nur Mila und ein anonymes "Wir". Dabei empfand ich es als unrealistisch, dass sich innerhalb des Wir keine Struktur herausbildete. Es gab keine erkennbare Gruppendynamik oder Rollen, die die Kinder typischerweise eingenommen hätten. 
Die Geschichte ist zudem weder spannend noch empathisch erzählt. Das Dorf, das im luftleeren Raum zu schweben scheint, und die Einzelschicksale bewegen nicht. Am Ende bliebt dem Leser ein enormer Interpretationsspielraum hinsichtlich der Sinnhaftigkeit dieser Parabel (?). Ich hatte mehr Fragen als Antworten. 

Freitag, 21. Mai 2021

Buchrezension: Natasha Lester - Die Farben der Frauen

Inhalt:

England, 1918: Obwohl das Tragen roten Lippenstifts noch als skandalös gilt, stellt die junge Leonora in der Apotheke ihres Vaters heimlich Kosmetika her. Als ihr Vater an der Spanischen Grippe stirbt, sucht sie ihr Glück in Amerika und lernt den charmanten Everett kennen – und lieben. Doch um diese Liebe muss sie ebenso kämpfen wie um ihren Traum von einer Kosmetikfirma, denn auch in Manhattan gibt es Widerstand gegen den Wunsch der Frauen, selbst über ihr Aussehen zu entscheiden.
New York, 1939: Alice, eine aufstrebende junge Ballerina, erhält das Angebot, das Gesicht einer Kosmetikkampagne zu werden – aber warum wollen ihre Eltern ihr das um jeden Preis verbieten? 

Rezension:

Nachdem der Große Krieg überstanden ist, erkrankt Leonora Easts Vater, in dessen Apotheke sie heimlich als verrucht geltende Kosmetik herstellt, an der Influenza und stirbt. Als Vollwaise hält Leo nichts mehr in dem Dorf in England und so nutzt sie die Gelegenheit um gemeinsam mit ihrer australischen Freundin Joan nach New York zu gehen. Sie träumt davon, dort einen eigenen Kosmetiksalon nach dem Vorbild von Elisabeth Arden zu eröffnen und allen Frauen zu ermöglichen, sich zu schminken und das Beste aus sich herauszuholen. 
Auf dem Weg nach New York trifft sie auf Kaufhaus-Erben Everett Forsyth und verliebt sich in ihn - doch dieser ist schon vergeben. 
In Manhattan arbeitet Leo hart daran, ihren Traum zu verwirklichen, auch wenn selbst die Amerikaner Rouge und Mascara noch skeptisch gegenüberstehen. Sie glaubt an ihr Talent und lässt sich von Rückschlägen nicht unterkriegen. Während Leo bald beruflich erfolgreich ist, scheint ihr in ihrem Privatleben kein Glück vergönnt zu sein. Everett, der in seinen Kaufhäusern Leos Kosmetik vertreibt, bleibt ihre große Liebe und ihre Wege werden sich auch immer wieder kreuzen. 

Die Geschichte handelt im Zeitraum von 1918 bis 1939 und ist überwiegend aus der Perspektive von Leo geschrieben. Die Beschreibungen sind bildhaft und lebendig, so dass man sehr anschaulich in die damalige Zeit versetzt wird. Leo ist eine starke Frau, die ihren Traum lebt und alles dafür gibt, diesen zu erfüllen. Die Herstellung von Kosmetik ist ihre große Leidenschaft und wichtig ist ihr, dass alle Frauen Zugang zu Schönheitsprodukten haben und diese selbstbewusst verwenden sollten. Ihr steiniger Weg zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau ist zwar ein wenig glücklich, aber authentisch beschrieben. 
Leos Privatleben ist dagegen an Dramatik nicht zu überbieten und die Situation und die Ereignisse, mit denen sie Zeit ihres Lebens konfrontiert wird, sind zum Teil wirklich haarsträubend und schaffen es durch zu viele unrealistische Zufälle, Intrigen und einer überwältigenden Anzahl an Lügen und Geheimnissen die Geschichte schon fast ins Lächerliche zu ziehen. Was hier für Aufregung und Spannung sorgt, hat die Autorin abenteuerlich gestaltet und lässt den Roman in seiner Gesamtheit arg konstruiert wirken. Schon die Liebesgeschichte zu Beginn fand ich zu abrupt und etwas fragwürdig war, warum die Liebenden so wenig für ihr Glück getan haben und am Ende so viel Zeit haben verstreichen lassen. 
Die Nebencharaktere, insbesondere die böswilligen Frauen der Upper Class, erfüllen so ziemlich jedes Klischee, sind mehr Stereotype als vielschichtig gezeichnete Persönlichkeiten. 
Ein Zeitsprung von 15 Jahren erfolgt etwas plötzlich, schließt den Kreis jedoch zum Beginn der Geschichte und macht Hoffnung darauf, dass Leo neben dem beruflichen Erfolg auch noch ihr privates Glück finden wird. 

"Die Farben der Frauen" erzählt die Geschichte einer mutigen jungen Frau, die trotz Missbilligung der Gesellschaft ihren Traum ehrgeizig verfolgt. Der Roman ist abwechslungsreich und unterhaltsam geschrieben, aber durchzogen von Melodramatik und zu vielen unrealistischen Zufällen. 

Mittwoch, 19. Mai 2021

Buchrezension: Eva Pantleon - Das Leben irgendwo dazwischen

Inhalt:

Das Leben gleicht oft einer Großbaustelle, findet Dido. Seit Lukas ihr vor Jahren das Herz gebrochen hat, fühlt sie sich wie ein Komparse im eigenen Leben.
Erst als ihr Chef, der alte Buchhändler Hans, sie um Hilfe bittet, erwacht Dido aus ihrer Lethargie. Denn auch Hans wurde einst von seiner großen Liebe verraten - und konnte sie doch nie loslassen. Dido ahnt, dass die Zeit eben nicht alle Wunden heilt, man muss es selbst tun. Und sie will Hans dabei helfen. Bei der Suche nach jener Frau taucht plötzlich Lukas an ihrer Seite auf. Und so muss auch Dido sich den eigenen Gefühlen und Verletzungen stellen.
Es wird eine abenteuerliche Reise, bei der nichts ist, wie es scheint. Und für die es großen Mut braucht, denn im Leben gibt es kein Schwarz oder Weiß. Das Leben ist irgendwo dazwischen.

Rezension: 

Dido Huntemann ist freie Journalistin in Hamburg und arbeitet zusätzlich in einem Antiquariat bei Hans Petersen, der nicht nur ihr Chef, sondern auch ein großväterlicher Freund ist. Als sie von ihrem Chefredakteur der Zeitschrift "Goldene Tage" den Auftrag erhält, die pressescheue Hamburger Lyrikerin Elisabeth Mathissen zu interviewen, wirbelt Dido mit dem Auftrag mehr Staub auf, als sie jemals für möglich gehalten hätte. Hans kennt Elisabeth von früher, hat aber seit fast 60 Jahren keinen Kontakt mehr zu der älteren Dame. Über Umwege schafft es Dido, eine Elisabeth ausfindig zu machen und versucht zwischen dem ehemaligen Paar zu vermitteln. Dabei wird sie auf eine dramatische Lebensgeschichte aufmerksam, die kein Vergleich zu ihrer eigenen ist, denn auch Dido hat nach einer unglücklichen Trennung seit acht Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrem Exfreund Lukas. Durch die Aufarbeitung der Lebens- und Liebesgeschichte der älteren Herrschaften, die Dido noch zu einer dritten Person und bis nach St. Petersburg führt, denkt sie wieder vermehrt an Lukas und fragt sich, ob sie beide vielleicht nicht doch noch eine Chance haben könnten oder ob sie dabei sind, denselben Fehler zu machen wie Hans und seine große Liebe viele Jahre zuvor. 

Der Roman handelt bereits im Jahr 2006, was sich im Verlauf der Geschichte durch die bewegte Vergangenheit der älteren Protagonisten erklärt, denn ihre gemeinsame Geschichte reicht zurück bis 1939, als sie sich verliebten, ihre Liebe jedoch durch die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs erschüttert wurde und letztlich an einem Vertrauensbruch zerbrach. Das Buch handelt insofern von zwei tragischen Liebesgeschichten zweier unterschiedlicher Generationen. Dido lebt seit der Trennung von ihrem Freund Lukas ein Leben mit angezogener Handbremse und entwickelt erst wieder den Mut sich den Verletzungen der Vergangenheit zu stellen, als sie versucht, Hans an seinem Lebensende wieder mit seiner großen Liebe zu verbinden. 

Die Geschichte handelt von der Unfähigkeit der Menschen beim Aufkommen von Schwierigkeiten mit einander zu kommunizieren, von Missverständnissen und Geheimnissen, von Fehlern und Schuld, aber auch von der Aufarbeitung der Vergangenheit, von Freundschaft, Liebe und Versöhnung. Dabei ist der Roman trotz des dauerhaften Hamburger Schietwetters und der tragischen vergangenen Erlebnisse der Protagonisten nicht melancholisch oder gar deprimierend zu lesen, sondern voller Leichtigkeit und Humor geschrieben. Es ist ein warmherziger Roman, der die Generationen untereinander verbindet, selbst wenn die einzelnen Personen nicht verwandtschaftlich miteinander verwoben sind. Er zeigt, dass die Vergangenheit niemals ganz vergangen ist, dass sie ein Leben lang nachwirken kann und dass es Mut braucht, sich den eigenen Dämonen zu stellen, um die Chance für einen Neuanfang zu haben. 

"Das Leben irgendwo dazwischen" ist ein Roman, in dem viel mehr steckt, als ich anhand des Klappentextes erwartet hatte. Er ist lebendig und unterhaltsam geschrieben, steckt voller liebenswerter Charaktere, berührt durch ihre Schicksale und sorgt durch die Zusammensetzung der einzelnen Puzzleteile bei der Aufklärung der sie trennenden Ereignisse für Spannung. Bei aller Beschäftigung mit der älteren Generation kam mir Didos eigene Geschichte und die Beziehung zu Lukas allerdings ein wenig zu kurz. 

Montag, 17. Mai 2021

Buchrezension: Julia Hofelich - Totwasser

Inhalt:

Gleich die erste Mandantin ihrer neugegründeten Kanzlei stellt die Anwältin Linn Geller vor gewaltige Probleme: Grace Riccardi ist wild entschlossen, den Mord an ihrem Ehemann zu gestehen – ein gefundenes Fressen für den Staatsanwalt. Linn findet jedoch bei genauerem Hinsehen Hinweise auf die Unschuld ihrer Mandantin. Aber warum sollte eine Unschuldige freiwillig ins Gefängnis gehen? Oder ist Grace Riccardi doch die Mörderin? Linn beginnt auf eigene Faust zu ermitteln, nicht ahnend, wie nahe sie dem Bösen kommen wird und dass sie selber von der Jägerin zur Gejagten wird. 

Rezension: 

Dr. Linn Geller wagt nach einem Unfall einen Neuanfang und gründet zusammen mit einem Partner eine Anwaltskanzlei in Stuttgart. Ihr erstes Mandat ist die Pflichtverteidigung von Grace Riccardi, ein 29-jähriges Model, das seinen Ehemann getötet haben soll. Grace möchte den Mord gestehen, doch Linn hat erhebliche Zweifel an ihrer Schuld, denn diese verstrickt sich in Widersprüche zum Tathergang. Grace bittet Linn sogar inständig darum, nicht weiter nachzuforschen, doch Linns Ehrgeiz ist geweckt. Sie geht auf Konfrontationskurs mit der Staatsanwaltschaft, hinterfragt die Ermittlungsergebnisse der Polizei und fährt sogar bis nach Cornwall, an die Klippen, wo sich der Mord ereignet haben soll. Dabei findet sie immer mehr Indizien, die für eine Unschuld ihrer Mandantin sprechen und bringt sich damit selbst in Gefahr. 

"Totwasser" ist der erste Band einer Reihe um die ambitionierte Rechtsanwältin Linn Geller, die nach einem Unfall körperlich gezeichnet ist und mit ihrer neu gegründeten Kanzlei wieder ihre Arbeit aufnimmt. 
Es ist insofern ein Krimi, der nicht wie gewohnt aus der Sicht eines Kriminalkommissars erzählt wird, sondern aus der Sicht einer Anwältin, die selbst ermittelt, um das Mögliche für ihre Mandantin herauszuholen. Mit Grace Riccardi scheint die Mörderin für Polizei und Staatsanwaltschaft gefunden, doch Linn rollt den Fall für sich noch einmal neu auf. 
Ihre Recherchen sind schwieriger als für die Ermittlungsbehörden, denn mit einer Anwältin muss keiner sprechen, der es nicht möchte und so stößt Linn auf viele Hindernisse, die die Aufklärung des Falls erschweren. Die Spannung wird bereits mit dem bedrohlichen Prolog aufgebaut und hält sich bis zum Schluss. Die Geschichte ist komplex und voller überraschender Wendungen. Es scheint kaum durchschaubar, was sich in der mutmaßlichen Mordnacht genau ereignet hat, was die Motive der immer neu aufkommenden Verdächtigen sind und wer letztlich schuldig ist. Grace ist ein wankelmütiger Charakter, der man keinen Mord zutraut und umso interessanter ist, was oder vielmehr wer sie zu einem Schuldeingeständnis gezwungen haben mag. 

Der Kriminalfall ist durch die Gespräche zwischen Anwältin und Mandantin, durch Gerichtsszenen und die Ermittlungen Linns, abwechslungsreich gestaltet. Zudem kann er durch immer neu hinzugewonnene Indizien und neue verdächtige Personen überraschen und die Spannung weiter steigern. 
Etwas enervierend sind dagegen Linns permanente Selbstzweifel, die für meinen Geschmack viel zu sehr in den Vordergrund rücken und Linn nicht immer glaubwürdig erscheinen lassen. Selbst wenn man in Betracht zieht, dass Linn nach ihrem Unfall traumatisiert ist, erklärt dies nicht unbedingt ihre Paranoia und ihr stetiges Hadern mit ihrem Aussehen, das sie gegenüber jedem Mann, der ihr begegnet, misstrauisch werden lässt. 

Band 2 ist "Nebeljagd", ein Krimi, der mit mindestens genauso vielen Wendungen aufwarten und bei dem mich die Handlung noch mehr fesseln konnte. 


Samstag, 15. Mai 2021

Buchrezension: Nina Blazon - Liebten wir

Inhalt:

Verstohlene Blicke, versteckte Gesten, die Abgründe hinter lächelnden Mündern: Fotografin Mo sieht durch ihre Linse alles. Wenn sie der Welt ohne den Filter ihrer Kamera begegnen soll, wird es kompliziert. Mit ihrer Schwester hat sie sich zerstritten, von ihrem Vater entfremdet. Umso mehr freut sich Mo auf das Familienfest ihres Freundes Leon. Doch das endet in einer Katastrophe. Mo reicht es. Gemeinsam mit Aino, Leons eigensinniger Großmutter, flieht sie nach Finnland. Eine Reise mit vielen Umwegen für die beiden grundverschiedenen Frauen. Als Mo in Helsinki Ainos geheime Lebensgeschichte entdeckt, ist sie selbst ein anderer Mensch. 

Rezension: 

Moira ist seit drei Monaten mit ihrem Freund Leon zusammen. Anlässlich des 50. Geburtstags seines Vaters möchte er Moira seiner Familie vorstellen. Als überraschend Moiras ältere Schwester Danae erscheint, zu der Moira ein mehr als nur angespanntes Verhältnis hat, endet der Familienbesuch in einer Katastrophe. Kopflos flieht Moira und wird dabei von Leons gebrechlicher 85-jähriger Großmutter Aino gezwungen, sie mitzunehmen. Diese hat einen Plan: Sie möchte ein letztes Mal nach Helsinki fahren, um eine Angelegenheit aus tiefster Vergangenheit zu klären, die ihr keine Ruhe lässt. Beide Frauen sind sich auf Anhieb nicht wirklich sympathisch, aber nun abhängig von einander und machen sich gemeinsam auf die Reise ihres Lebens. Während Aino ihre Lebensgeschichte offenbart, beginnt auch Moira ihr Leben zu reflektieren und ihre belastende Vergangenheit aufzuarbeiten.  

Der Roman ist aus der Sicht von Moira geschrieben, deren Mutter jung gestorben ist und die bei ihrer Stiefmutter aufwachsen musste. Mit ihrer älteren Schwestern und ihrem Vater hat sie sich überworfen und kein gutes Verhältnis, weshalb sie sich gewünscht hat, mit Leon endlich eine Familie zu finden. Dies scheiterte jedoch an der Bösartigkeit von Danae. Es war zu Beginn wirklich erschreckend, wie missgünstig die beiden Schwestern miteinander umgehen, welche Wut unterschwellig herrscht und dass Danae ungerührt und mutwillig Moiras Chance auf Glück zerstört. Aber auch Moira ist kein auf den ersten Eindruck sympathischer Charakter. Sie kann genauso rücksichtslos sein und Menschen verletzen und auch der Vorwurf von Leon, ihre Kamera als "Waffe" zu verwenden, erscheint gerechtfertigt. Moira ist Fotografin und hat die Fähigkeit, Menschen in prekären Situationen zu fotografieren, damit zu diskreditieren und nutzt ihr Talent schon fast gehässig aus. Auch der Umgang mit Aino, die selbst verbittert ist, kein Blatt vor den Mund nimmt und sich ganz offenbar so verhält, als hätte sie am Ende ihres Lebens angelangt, nichts mehr zu verlieren, ist teilweise verstörend. 

Gerade diese Figuren mit Ecken und Kanten und ihre schwierigen menschlichen Beziehungen machen den Roman jedoch so interessant und geben ihm die entscheidende Würze. Aino und Moira haben eine sehr harte Schale, aber auch einen weichen Kern und entdecken ihn auf der gemeinsamen Reise. Trotz gegenseitiger Abneigung, Beschimpfungen und Erpressungsversuchen sind sie sich gegenseitig eine Stütze und Moira ist sichtlich bewegt von Ainos Vergangenheit und möchte ihr helfen, ihren letzten Wunsch, die Gewissheit zu finden, was in den Wirrungen während des Zweiten Weltkriegs mit ihrer Freundin geschehen ist, zu erfüllen. Die Reise nach Finnland und der Aufenthalt in Helsinki sind beschwerlich und turbulent, aber auch von einigen glücklichen Zufällen geprägt und für meinen Geschmack etwas zu ausufernd erzählt. 

"Liebten wir" ist ein Roman, der mich durch die Sprachgewalt und die einmaligen Charaktere, die nicht gefallen wollen, begeistern konnte, der jedoch stellenweise etwas überspitzt formuliert war und die Geschichte in sich etwas straffer hätte erzählt werden können. Gelungen ist die Darstellung der finnischen Mentalität und dass der Verlauf der Geschichte zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar war. 
Wer ungewöhnliche Geschichten mag und sich von verbalen Attacken nicht abschrecken lässt, wird sich von diesem Buch trotz mancher Länge bestens unterhalten fühlen. 

Donnerstag, 13. Mai 2021

Buchrezension: Izabelle Jardin - Wunderjahre: Was wir wurden (Die Warthenberg-Saga, 2)

Inhalt:

Während Westdeutschland ein Wirtschaftswunder erlebt, ringt Constanzes Tochter Eva im tristen Osten des geteilten Nachkriegsberlins um ihren Platz im Leben. Intelligent und energisch, wie sie ist, fällt es ihr nicht leicht, sich kritiklos den Regeln des neuen Systems zu unterwerfen. Als sie am 17. Juni 1953 mitten in den Volksaufstand hineingerät, fasst sie den Entschluss: Ihre Zukunft wird im Westen liegen!
Dort lernt sie den achtzehn Jahre älteren Wilhelm kennen. Eva ist hingerissen von seinem Charme, seiner Großzügigkeit und seiner Lebenslust. Sie erlebt eine leidenschaftliche Liebe und entwickelt eine ungewöhnliche Freundschaft zu Wilhelms resoluter Mutter Agnes, die Eva dringend brauchen wird. Denn Wilhelm ist ein Mann mit Vergangenheit. 

Rezension: 

"Wunderjahre" ist nach "Libellenjahre" der zweite Band der Warthenberg-Saga und schließt an die Ereignisse des ersten Teils nahtlos an. Im Gegensatz zum Auftakt der Saga ist die Fortsetzung nicht aus der Perspektive von Constanze Rosanowski (geb. von Warthenberg), sondern ihrer Tochter Eva geschildert. 1949 ist Eva bereits 16 Jahre alt und wird mit der Tatsache konfrontiert, dass ihr tot geglaubter Vater Clemens aus dem Krieg zurückgekehrt ist. Während Constanze ihren Ehemann trotz ihrer neuen Liebe zu einem britischen Major herzlich in Empfang nimmt und sich ohne Zweifel für ihn entscheidet, hat Eva kaum eine Erinnerung an den für sie fremden Vater und kann die Entscheidung ihrer Mutter erst später nachvollziehen. Statt nach England umzuziehen, bleibt die Familie in Berlin und versucht sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Eva möchte studieren, was ihr in der neu gegründeten DDR verwehrt wird und nutzt deshalb die Chance bei einem Besuch ihres Onkels im Westen, um nach Braunschweig umzusiedeln und dort ein Lehramts-Studium zu beginnen. Die Folgen der Republikflucht für die Familie Rosanowski konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht erahnen. 

Wie schon Band 1 ist auch Band 2 eine fiktive Geschichte, mit der reale Ereignisse und historische Fakten bildhaft verwoben werden. Auch Eva durchlebt wie ihre Mutter viele Höhen und Tiefen, muss viel Leid, aber auch viel Schönes erfahren. Während Constanze für die damaligen Verhältnisse bereits eine selbstbewusste Frau war, die mit beiden Beinen im Leben stand, ist Eva noch mutiger und emanzipierter und geht auch als verheiratete Frau ihren Weg, ohne sich von einem Mann einschränken zu lassen. 

Der Roman ist flüssig geschrieben und liest sich leicht. Die Charaktere sind durchweg sympathische Menschen, die das Herz auf dem rechten Fleck haben. Einzig Clemens, der sich weigert über seine Kriegserlebnisse zu sprechen, bleibt bis zum Ende undurchsichtig. Die Frage nach seinen Taten und ob das Verschwinden von Constanze und Clemens Rosanowski in einem Zusammenhang stehen und Eva nach ihrem Umzug in den Westen Sorge bereitet, bliebt bis zum Ende unklar und das einzige Element, das dem Roman Spannung verleiht. Eva wird Zeit ihres Lebens zwar vor viele Hürden gestellt, allerdings werden diese auch wieder sehr schnell und glimpflich aus dem Weg geräumt. Selbst größere Dramen haben kaum Auswirkungen auf ihren Gemütszustand und ihr weiteres Leben. Durch die große Anzahl an vielfältigen Sorgen und Problemen konnte keines intensiv dargestellt werden. Hier wäre weniger mehr gewesen, um dem Roman mehr Tiefe zu verleihen. Die Geschichte wurde zwar zu keinem Zeitpunkt langweilig, blieb jedoch in Bezug auf die handelnden Personen und die politischen Ereignisse - selbst bei massiven Einschnitten für die Protagonisten - an der Oberfläche. Auch fand ich schade, dass der Roman sehr schnell jeglichen Bezug zu Band 1 verliert und sich schon fast wie eine eigene Geschichte liest und nicht wie ein Teil einer Familiensaga. Das Drama am Ende wirkt deshalb ein wenig deplatziert, ist ein fieser Cliffhanger und hätte besser als Prolog für die Fortsetzung getaugt. 

Mit "Erntejahre" erscheint Band 3 am 15. Juni 2021 und handelt wieder von der nächsten Generation, der Tochter von Eva, in den 1970er-Jahren. 

Mittwoch, 12. Mai 2021

Buchrezension: Lisa Wingate - Die Glasperlenmädchen

Inhalt:

1875: Nachdem der Amerikanische Bürgerkrieg das Land in Chaos gestürzt hat, werden drei Frauen auf ihrer Reise nach Texas zu unfreiwilligen Weggefährtinnen: Lavinia, die Tochter weißer Plantagenbesitzer, ihre Halbschwester Juneau Jane sowie Hannie, eine ehemalige Sklavin. Jede der drei ist in eigener Mission unterwegs, während es Lavinia und Juneau jedoch um ihr Erbe geht, sehnt sich Hannie nach ihrer Familie, die von Sklavenhändlern verschleppt wurde. Einzig drei blaue Glasperlen sind Hannie als Andenken geblieben – und als Erkennungsmerkmal, sollte sie ihre Liebsten je wiedersehen.
1987: Als die frischgebackene Lehrerin Benedetta Silva das erste Mal die Schule in Augustine, Louisiana, betritt, ist nichts wie erwartet: Statt moderner Klassenzimmer und lernfreudiger Schüler begegnen ihr Armut sowie Skepsis gegenüber Fremden und jeder Art von Fortschritt. Eines Tages kommt ihr eine Idee: Wenn die Schüler Neuem gegenüber so unaufgeschlossen sind, wie verhält es sich dann mit der Vergangenheit? Kurz darauf ruft sie ein Ahnenforschungsprojekt ins Leben – und stößt dabei auf eine alte Geschichte, die alles verändert. 

Rezension: 

Hannie ist eine ehemalige Sklavin, die durch Sklavenhandel und die Wirrungen des Amerikanischen Bürgerkrieges ihre Mutter und ihre acht Geschwister verloren hat. Sie selbst lebt wieder auf der Plantage Gosset Grove, wo ihre Mutter früher als Sklavin gearbeitet hat. Ein Halt sind ihr die drei blauen Glasperlen am Band, die ihre Mutter ihr als Erkennungszeichen zum Abschied gegeben hat, in der Hoffnung, ihre Familienangehörigen  später wiedererkennen zu können. Als die Töchter des Plantagenbesitzers Lavinia sowie ihre Halbschwester Juneau Jane, die Tochter der Mätresse, um ihr Erbe fürchten und sich auf dem Weg zu ihrem Vater machen, ergreift Hannie die Chance und begleitet die beiden als ihr Kutscher. Ihre Reise, die sie bis von Louisiana bis nach Texas führen wird, ist gefährlich und voller Hinterhalte. Doch Hannie findet dabei Hoffnung, ihre Mutter und Geschwister wiederzufinden, als sie von der Existenz der Vermisstenrubrik im Southwestern Christian Advocte erfährt, einer Zeitung, die Vermisstenanzeigen von ehemaligen Sklaven abdruckt, die ihre Angehörigen suchen und die in den Gottesdiensten verlesen werden. 
Benedetta Silva wird in ihrem ersten Jahr als Lehrerin an eine Schule in Augustine/ Louisiana versetzt, wo ihr der Anfang denkbar schwerfällt. Die Schüler sind arm, unmotiviert, kommen - wenn überhaupt - mitunter hungrig zum Unterricht und zeigen wenig Interesse an den Unterrichtsinhalten. Als Englischlehrerin versucht sie ihnen Literatur, die sie selbst liebt, näherzubringen, was die Schüler jedoch wenig beeindruckt oder gar zur Mitarbeit bewegt. Erst als sie in dem Anwesen neben ihrem Wohnhaus eine Sammlung von Büchern entdeckt, kommt ihr die Idee für ein Historienprojekt, das die Schüler mit der Geschichte ihrer Stadt und ihrer Ahnen beschäftigen soll und mit dem sie endlich die Aufmerksamkeit ihrer Schüler bekommt. 

"Die Glasperlenmädchen" ist ein Roman, der auf zwei Zeitebenen handelt, wobei beide Erzählstränge über die Plantage Gosset Grove in Augustine verbunden sind. 
Die Geschichte um die ehemalige Sklavin Hannie, die Ende des 18. Jahrhunderts handelt, ist abenteuerlich und zeigt selbst nach der Befreiung der Sklaven den unverhohlenen Rassismus und die Diskriminierung von Farbigen und "Mulatten". Auch wird deutlich, wie schwer es Frauen unabhängig ihrer Hautfarbe zur damaligen Zeit hatten, die von Männern als Freiwild behandelt wurden. Die Sehnsucht der 18-jährigen Hannie nach ihren Angehörigen ist nachvollziehbar und spürbar und auch die Einbindung der Vermisstenanzeigen in die Geschichte, in der Hannie und Juneau Jane auf ihrer Reise selbst Namen sammeln und sie in ihr "Buch der Vermissten" eintragen, ist gelungen. Dennoch fand ich es schwer Zugang zu den drei jungen Frauen und ihren Beweggründen für die Reise zu finden, so dass ich ihren Fortgang phasenweise etwas langatmig und ermüdend beschwerlich empfand. 
Auch die gegenwärtigere Geschichte um die junge Lehrerin Benny, die mehr als 100 Jahre später handelt, konnte mich nicht so wie erhofft für sich einnehmen. Benny ist eine sympathische junge Frau, die nach der Trennung von ihrem Freund vor einem Neuanfang steht und in Bezug auf ihren Beruf als Lehrerin sehr ambitioniert ist. Auf mich wirkte sie jedoch auch naiv und nicht nachvollziehbar übermotiviert. Sie ist sehr sensibel und sorgt sich um ihre Schüler, dabei aber auch etwas distanzlos, indem sie sie immer wieder als ihre Kinder bezeichnet. Die Geschichte der Stadt und insbesondere der Plantage, auf der so viel Unrecht geschehen ist und die nur beispielhaft für viele andere Herrenhäuser und Großgrundbesitze in den amerikanischen Südstaaten im 19. Jahrhundert steht, blieb mir dabei zu sehr im Hintergrund. Durch den Kontakt zu den Erben hätte der geschichtliche Hintergrund der Plantage noch tiefer erforscht werden und noch einen engeren Bezug zu dem anderen Erzählstrang knüpfen können. 
So empfand ich beide Handlungsstränge zu lose miteinander verbunden und wurde von keiner der Geschichten gefesselt oder emotional bewegt, auch wenn der historische Hintergrund so viel Leid, Unrecht und Düsternis verbirgt. Nach der ausschweifend erzählten Geschichte empfand ich das Ende abrupt und offenbarte auf wenigen Seiten ein Geheimnis über Benny, das in der Kürze und ohne Bezug zur bisherigen Handlung deplatziert wirkte. 
Gefallen hat mir jedoch die Botschaft des Romans, dass man die Vergangenheit nicht ungeschehen machen kann, mit ihr Leben muss und seine Lehren daraus ziehen sollte. 

Montag, 10. Mai 2021

Buchrezension: Ann Napolitano - Der Morgen davor und das Leben danach

Inhalt:

An einem Sommermorgen besteigen der zwölfjährige Edward und seine Familie ein Flugzeug, das sie von New York nach Los Angeles bringen soll. Auf halbem Weg über das Land, stürzt das Flugzeug ab. Edward ist von einhundertsiebenundachtzig Passagieren der einzige Überlebende. Was geschah in den Stunden davor? Wie geht sein Leben nach dem schmerzvollen Verlust weiter?
Die atemberaubende Odyssee eines Jungen, dessen einsames Herz wieder lernen muss zu lieben. 

Rezension:

Am 12. Juni 2013 stürzt Flugnummer 2977, ein Airbus A321, auf dem Weg von Newark nach Los Angeles mit 192 Passagieren an Bord ab. Wie durch ein Wunder überlebt der 12-jährige Edward Adler, der zusammen mit seinen Eltern und seinem drei älteren Bruder Jordan reiste, das Unglück und wird von seiner Tante und ihrem Mann adoptiert. Sein Leben muss nun in einer fremden Umgebung und vor allem ohne seinen geliebten Bruder, zu dem er aufsah, weitergehen. Auch wenn seine Tante und sein Onkel ihn wie einen eigenen Sohn aufnehmen, verständnisvoll sind und sich mehr um ihn sorgen, als ihm lieb ist, ist der Neuanfang schwer. Halt findet Edward bei der gleichaltrigen Nachbarin Shay, die ihn vorbehaltlos in ihrem Zimmer übernachten lässt. Die beiden freunden sich an und machen drei Jahre nach dem Absturz eine Entdeckung, die Edward hilft, zu sich selbst zu finden, seinen eigenen Weg zu gehen und die es ihm als Überlebender einer Katastrophe ermöglicht, weiterzuleben. 

Der Roman schildert, dem Titel entsprechend, den Morgen und die Stunden vor dem Absturz und das Leben des einzig überlebenden Jungen unmittelbar nach dem Absturz und den gut drei Jahren danach. 
Als Wunderkind steht Edward im Fokus der Öffentlichkeit, aber seine Adoptiveltern unternehmen alles, um ihn vor den Medien und unerwünschten Kontaktaufnahmen von Neugierigen und Angehörigen der Toten zu schützen. Das Buch handelt von Edwards Weiterleben ohne die Menschen, die er liebt, rückt jedoch auch einzelne Mitreisende ins Licht und gibt einen kurzen Einblick in ihr Leben, insbesondere dem Hintergrund ihrer Reise und ihre weiteren Pläne für die Zukunft. 
Während Edward sich mit großer Unterstützung seiner Verwandten, seiner Freundin und Nachbarin, Ärzten und verständnisvollen Lehrern zurück ins Leben kämpft, handelt es sich bei jedem zweiten Kapitel um eine Rückblende auf den Flug und die Ereignisse vor dem Absturz. 

Die Geschichte ist sehr authentisch geschildert, was nicht nur daran liegt, dass das geschilderte Unglück mit einem überlebenden Jungen tatsächlich auf einem realen Ereignis beruht. Edward und all die anderen Charaktere, die man nur kurz kennenlernt, aber alle mit individuellen Sorgen und Problemen zu kämpfen haben, sind lebensecht dargestellt. Vor allem in die Hauptfigur Edward, die zu Beginn vor allem verstört ist und erst in langsamen Schritten aktiv am Leben teilnimmt und sich neu ausprobiert, kann man sich sehr gut hineinversetzen. Der Verlust der Menschen, die sein gesamtes Leben ausmachten, ist allgegenwärtig, lässt Edward jedoch nicht in Trauer ertrinken. Sein Neuanfang ist einfühlsam geschildert und insbesondere die Entdeckung im letzten Drittel des Romans, die Edward eine neue Aufgabe gibt, zerreißt einem durch die Einzelschicksale, die den Toten und ihren Angehörigen ein Gesicht geben und sie heraus aus der Anonymität rücken, das Herz. 

Trotz des tragischen Unglücks, das der Geschichte zugrunde liegt, ist der Roman nicht deprimierend oder rührselig. Es ist ein empathisch geschilderter Coming-of-Age-Roman, zweifellos mit traurigen Elementen. Letztlich überwiegen jedoch der Mut und die Hoffnung auf einen Neuanfang, da die Geschichte zeigt, dass durch Liebe, Freundschaft und Fürsorge ein Weiterleben möglich ist, selbst wenn man nicht unbedingt auf den ersten Blick einen Sinn darin erkennen kann. 



Samstag, 8. Mai 2021

Buchrezension: Miriam Georg - Elbstürme (Eine hanseatische Familiensaga, Band 2)

Inhalt:

Drei Jahre lang lebte Lily Karsten in Liverpool, wo sie fernab der Hamburger Gesellschaft ihre Tochter Hanna zur Welt brachte. Jeden Tag sehnte sie sich nach Jo.
Drei Jahre lang stürzte Jo Bolten sich aus Wut und Kummer in den Arbeitskampf. Und in den Alkohol. Er will sich rächen für das, was sein Boss ihm angetan hat – Ludwig Oolkert, der mächtigste Kaufmann Hamburgs, hat ihm das Liebste in seinem Leben genommen. Lily. Jetzt wird er Oolkert das Liebste nehmen: sein Geld.
Endlich kehrt die Reederstochter Lily an Henry von Cappelns Seite nach Hamburg zurück. Doch ihre Ehe ist wie ein Gefängnis. Die Karsten-Reederei droht immer mehr in Ludwig Oolkerts Kontrolle abzugleiten. In den Gängevierteln brodelt es, die Hafenarbeiter können ihr Elend nicht länger ertragen. Lilys alter Widerspruchsgeist ist nicht zu ersticken. Und obwohl sie nichts mehr fürchtet als ein Wiedersehen, hofft sie doch, dass Jo eines Tages seine Tochter kennenlernen wird. 

Rezension: 

Nach ihrer Zwangsheirat mit Henry von Cappeln hat die Reederstochter Lily Karsten ihre Tochter Hanna zur Welt gebracht und drei Jahre in England gelebt. Als sie von ihrer Mutter Sylta die Nachricht erhält, dass ihr Vater Alfred am Herz erkrankt ist, kehrt sie mit ihrer kleinen Familie nach Hamburg zurück, wo sie zunächst in der Villa ihrer Eltern wohnen. Lily hatte sich auf die Rückkehr gefreut, merkt jedoch bald, dass sie in Hamburg noch weniger Freiheiten hat als in Liverpool und sie des Misstrauens und der permanenten Überwachung ihre Ehemannes ausgesetzt ist, der sie nicht alleine vor die Tür gehen lässt. Lily hat kaum die Möglichkeit, ihre Freundinnen zu treffen und denkt immer noch an ihren Geliebten Jo Bolten, der seine Tochter Hanna noch nie gesehen hat. 

JO hat sich in den letzten drei Jahren noch stärker dem Arbeitskampf gewidmet und die Sehnsucht nach Lily mit Alkohol ertränkt. Um sich an seinem Chef, dem Kaufmann Ludwig Oolkert, der ihm seine große Liebe genommen hat, zu rächen, betrügt er diesen um einen Teil seiner Opiumvorräte. Von dem Geld kann Jo seine Mutter und seine Geschwister unterstützen, während die anderen Arbeiter in den Gängevierteln in bitterer Armut leben und das Elend sie zunehmend auf die Barrikaden bringt. 

Durch eine Intervention von Lilys Freundin Emma sehen sich Lily und Jo wieder, wissen jedoch, dass sie unter den gegebenen Umständen keine gemeinsame Zukunft haben können. Lily befindet sich buchstäblich in der Gewalt ihres Ehemanns Henry, der keine Skrupel hat, ihr die geliebte Tochter zu entreißen. 

"Elbstürme" ist der zweite, abschließende Band der hanseatischen Familiensaga um die mutige Reederstochter Lily Karsten, die sich nicht um Standesdünkel schert und in einer Gruppe von Frauenrechtskämpferinnen Freundinnen gefunden hat. Zurück in Hamburg würde sie am liebsten wieder für die Zeitung schreiben und aus den Armenvierteln berichten, kann aber den Unmut ihres Ehemanns darüber nicht riskieren, um ihre Tochter nicht zu verlieren. 

Nicht nur die Unterschiede zwischen Mann und Frau und der Kampf um Gleichberechtigung, auch die massiven Unterschiede zwischen Arm und Reich und der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Bezahlung sind eindringlich dargestellt. Als Leser kann man sich durch die lebendige und bildhafte Beschreibung sehr gut in die Zeit um die Jahrhundertwende, in die besseren Villenvierteln und ihren schönen Schein, der den eintönigen Alltag der feinen Damen verbirgt sowie die von Schmutz, Krankheit und Elend geprägten Armenviertel versetzen. 

Band 2 ist gleichzeitig ein Wiedersehen mit den bekannten Protagonisten aus Band 1, aus deren unterschiedlichen Perspektiven die Geschichte in kurzen, dynamischen Wechseln erzählt wird. Durch diese Erzählweise hat der Leser einen umfassen Einblick in die Lügen, Geheimnisse und Intrigen der einzelnen Figuren. Man hofft und leidet mit den Sympathieträgern und ist entsetzt über so manche Tat der Bösewichte. Spannung entsteht dadurch zeitgleich in mehreren Erzählsträngen, wobei die Geschichte etwas braucht, bevor sie an Fahrt aufnimmt und man als Leser wieder mit allen Charakteren vertraut ist. 

"Elbstürme" ist eine fiktive Geschichte, die aufgrund der historischen Begebenheiten und der realitätsnahen Darstellung der damaligen Zeit der Epoche der Industrialisierung und der gesellschaftlichen Verhältnisse sehr authentisch wirkt. Zudem sind es die lebendig gezeichneten Charaktere und ihre unterschiedlichen Sorgen und Probleme sowie Ziele, für die sie kämpfen, die den Leser fesseln und berühren. Während in Band 1 die Liebesgeschichte um Lily und Jo vordergründig war, nimmt sie in Band 2 weniger Raum ein, lässt damit jedoch mehr Platz für die übrigen Protagonisten, um ihnen und ihren Anliegen mehr Tiefe zu verleihen. 



Donnerstag, 6. Mai 2021

Buchrezension: Kimberly McCreight - Eine perfekte Ehe

Inhalt:

Der Hilferuf ihres alten Studienfreundes Zach kommt für die New Yorker Anwältin Lizzie Kitsakis denkbar ungelegen: Eigentlich wollte sie wieder mehr Zeit mit ihrem Mann verbringen, um die Risse zu kitten, die sich inzwischen unübersehbar in ihrer Ehe auftun.
Doch Zach wird verdächtigt, seine Frau Amanda ermordet zu haben, und sitzt bereits in der berüchtigten New Yorker Haftanstalt Rikers Island. Natürlich beteuert Zach seine Unschuld, und Lizzie glaubt ihm. Je mehr sie allerdings über die Ehe von Zach und Amanda erfährt, desto mehr häufen sich die Ungereimtheiten. Was verschweigen Zach und seine Freunde in dem elitären Brooklyner Wohnviertel?
Als ein neues Beweismittel auftaucht, wird Lizzies Welt auf den Kopf gestellt: Kann es sein, dass ihr eigener Ehemann Sam in den Fall verwickelt ist? 

Rezension: 

Als die Rechtsanwältin Lizzie Kitsakis einen Anruf von ihrem ehemaligen Kommilitonen Zach Grayson erhält, bittet er sie, ihn im Fall eines tätlichen Angriffs auf einen Polizeibeamten zu vertreten. Diesen hatte er mit seinem Ellenbogen verletzt, als er am Tatort neben der Leiche seiner Ehefrau in seinem Haus aufgefunden wurde. Amanda Grayson wurde mit einem Golfschläger erschlagen und schon bald ist Zach, ein millionenschwerer Unternehmer, dringend tatverdächtig. 
Lizzie glaubt an seine Unschuld, übernimmt das Mandat und versucht der Staatsanwaltschaft einen alternativen Täter zu präsentieren. Bei ihren Recherchen in der New Yorker High Society erfährt sie mehr Details aus der Ehe der Graysons, aber auch über Amandas Vergangenheit, über die sie nicht einmal mit ihrem Ehemann sprechen konnte, die sie aber weiterhin belastete. 
Doch auch um Lizzies eigene Ehe steht es seit geraumer Zeit nicht zum Besten. Ihr Ehemann Sam ist Alkoholiker, der im Rausch zu einer anderen Person wird und Lizzie immer wieder versprochen hat, abstinent zu bleiben. Doch erst zuletzt gab es wieder einen Abend in einer Bar, an den er sich nur lückenhaft erinnern kann. 

Der Roman zieht sich zu Beginn etwas in die Länge, nimmt aber dann an Fahrt auf, als Lizzie tiefer in den Aufbau der Verteidigung ihres ehemaligen Kommilitonen einsteigt und dabei immer mehr Geheimnisse zutage befördert. 
Die Geschichte handelt auf zwei Zeitebenen - in der Vergangenheit wenige Tage vor der Ermordung von Amanda und einer verruchten Party, auf der sie zuletzt gesehen worden war, und in der Gegenwart ab dem Hilferuf von Zach aus der berüchtigten Haftanstalt für Schwerverbrecher, Rikers Island. Die Tage in der Vergangenheit werden dabei aus der Sicht von Amanda geschildert, während die Gegenwart aus der Ich-Perspektive von Lizzie erzählt wird. Die Parallelen, die sich durch beide Handlungsstränge ergeben, erzeugen Spannung, denn auf beiden Zeitebenen werden immer weitere pikante Details bekannt, die hinter die Fassade der "perfekten Ehen" der Upper Class blicken lassen. Die Umstände des Todes von Amanda bleiben offen, da die polizeilichen Ermittlungen, bis auf die Niederschrift von Protokollen der Befragung vermeintlicher Zeugen, weitgehend im Hintergrund verlaufen. Durch raffinierte Wendungen im Verlauf der Geschichte wird man vom mutmaßlichen Täter, der dem Leser aus Amandas Vergangenheit präsentiert wird, wieder abgelenkt, weshalb es bis zum Schluss spannend bleibt, wer die zurückhaltende, gutherzige und liebevolle Mutter eines kleinen Sohnes, Amanda, auf dem Gewissen haben mag und aus welchem Grund. Lügen und Geheimnisse, die offenbar bei allen Beteiligten - auch bei Lizzie - vorherrschen, lassen am Ende viele Protagonisten verdächtig oder zumindest fragwürdig erscheinen und nur allmählich setzen sich die Puzzleteile der zunehmend komplexer werdenden Handlung zusammen. 

"Eine perfekte Ehe" baut die Spannung zu Beginn langsam auf, entwickelt sich dann jedoch zu einer gelungenen Mischung aus Justizkrimi und skandalträchtigem Familiendrama mit Thrillerelementen, der vor allem in den letzten Kapitel durch schnelle Wechsel der Zeitebenen fesselnd zur Aufklärung von Amandas Tod führt.