Samstag, 8. Mai 2021

Buchrezension: Miriam Georg - Elbstürme (Eine hanseatische Familiensaga, Band 2)

Inhalt:

Drei Jahre lang lebte Lily Karsten in Liverpool, wo sie fernab der Hamburger Gesellschaft ihre Tochter Hanna zur Welt brachte. Jeden Tag sehnte sie sich nach Jo.
Drei Jahre lang stürzte Jo Bolten sich aus Wut und Kummer in den Arbeitskampf. Und in den Alkohol. Er will sich rächen für das, was sein Boss ihm angetan hat – Ludwig Oolkert, der mächtigste Kaufmann Hamburgs, hat ihm das Liebste in seinem Leben genommen. Lily. Jetzt wird er Oolkert das Liebste nehmen: sein Geld.
Endlich kehrt die Reederstochter Lily an Henry von Cappelns Seite nach Hamburg zurück. Doch ihre Ehe ist wie ein Gefängnis. Die Karsten-Reederei droht immer mehr in Ludwig Oolkerts Kontrolle abzugleiten. In den Gängevierteln brodelt es, die Hafenarbeiter können ihr Elend nicht länger ertragen. Lilys alter Widerspruchsgeist ist nicht zu ersticken. Und obwohl sie nichts mehr fürchtet als ein Wiedersehen, hofft sie doch, dass Jo eines Tages seine Tochter kennenlernen wird. 

Rezension: 

Nach ihrer Zwangsheirat mit Henry von Cappeln hat die Reederstochter Lily Karsten ihre Tochter Hanna zur Welt gebracht und drei Jahre in England gelebt. Als sie von ihrer Mutter Sylta die Nachricht erhält, dass ihr Vater Alfred am Herz erkrankt ist, kehrt sie mit ihrer kleinen Familie nach Hamburg zurück, wo sie zunächst in der Villa ihrer Eltern wohnen. Lily hatte sich auf die Rückkehr gefreut, merkt jedoch bald, dass sie in Hamburg noch weniger Freiheiten hat als in Liverpool und sie des Misstrauens und der permanenten Überwachung ihre Ehemannes ausgesetzt ist, der sie nicht alleine vor die Tür gehen lässt. Lily hat kaum die Möglichkeit, ihre Freundinnen zu treffen und denkt immer noch an ihren Geliebten Jo Bolten, der seine Tochter Hanna noch nie gesehen hat. 

JO hat sich in den letzten drei Jahren noch stärker dem Arbeitskampf gewidmet und die Sehnsucht nach Lily mit Alkohol ertränkt. Um sich an seinem Chef, dem Kaufmann Ludwig Oolkert, der ihm seine große Liebe genommen hat, zu rächen, betrügt er diesen um einen Teil seiner Opiumvorräte. Von dem Geld kann Jo seine Mutter und seine Geschwister unterstützen, während die anderen Arbeiter in den Gängevierteln in bitterer Armut leben und das Elend sie zunehmend auf die Barrikaden bringt. 

Durch eine Intervention von Lilys Freundin Emma sehen sich Lily und Jo wieder, wissen jedoch, dass sie unter den gegebenen Umständen keine gemeinsame Zukunft haben können. Lily befindet sich buchstäblich in der Gewalt ihres Ehemanns Henry, der keine Skrupel hat, ihr die geliebte Tochter zu entreißen. 

"Elbstürme" ist der zweite, abschließende Band der hanseatischen Familiensaga um die mutige Reederstochter Lily Karsten, die sich nicht um Standesdünkel schert und in einer Gruppe von Frauenrechtskämpferinnen Freundinnen gefunden hat. Zurück in Hamburg würde sie am liebsten wieder für die Zeitung schreiben und aus den Armenvierteln berichten, kann aber den Unmut ihres Ehemanns darüber nicht riskieren, um ihre Tochter nicht zu verlieren. 

Nicht nur die Unterschiede zwischen Mann und Frau und der Kampf um Gleichberechtigung, auch die massiven Unterschiede zwischen Arm und Reich und der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Bezahlung sind eindringlich dargestellt. Als Leser kann man sich durch die lebendige und bildhafte Beschreibung sehr gut in die Zeit um die Jahrhundertwende, in die besseren Villenvierteln und ihren schönen Schein, der den eintönigen Alltag der feinen Damen verbirgt sowie die von Schmutz, Krankheit und Elend geprägten Armenviertel versetzen. 

Band 2 ist gleichzeitig ein Wiedersehen mit den bekannten Protagonisten aus Band 1, aus deren unterschiedlichen Perspektiven die Geschichte in kurzen, dynamischen Wechseln erzählt wird. Durch diese Erzählweise hat der Leser einen umfassen Einblick in die Lügen, Geheimnisse und Intrigen der einzelnen Figuren. Man hofft und leidet mit den Sympathieträgern und ist entsetzt über so manche Tat der Bösewichte. Spannung entsteht dadurch zeitgleich in mehreren Erzählsträngen, wobei die Geschichte etwas braucht, bevor sie an Fahrt aufnimmt und man als Leser wieder mit allen Charakteren vertraut ist. 

"Elbstürme" ist eine fiktive Geschichte, die aufgrund der historischen Begebenheiten und der realitätsnahen Darstellung der damaligen Zeit der Epoche der Industrialisierung und der gesellschaftlichen Verhältnisse sehr authentisch wirkt. Zudem sind es die lebendig gezeichneten Charaktere und ihre unterschiedlichen Sorgen und Probleme sowie Ziele, für die sie kämpfen, die den Leser fesseln und berühren. Während in Band 1 die Liebesgeschichte um Lily und Jo vordergründig war, nimmt sie in Band 2 weniger Raum ein, lässt damit jedoch mehr Platz für die übrigen Protagonisten, um ihnen und ihren Anliegen mehr Tiefe zu verleihen. 



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