Sonntag, 2. Mai 2021

Buchrezension: Trent Dalton - Der Junge, der das Universum verschlang

Inhalt:

Brisbane, 1983: Wie wird man zu einem guten Menschen? Diese Frage treibt den 11-jährigen Eli Bell um. Auf den ersten Blick hat er nicht gerade die besten Vorbilder um sich herum: Die Mutter und der Stiefvater dealen mit Heroin, sein großer Bruder Gus spricht nicht mehr, sein Vater glänzt durch Abwesenheit und sein Babysitter ist ein hartgesottener Exhäftling. Doch zwischen den Drogen und dem Schmutz erfährt Eli zärtliche Liebe, aufrichtige Freundschaft und die Magie seiner Phantasie. Elis Welt gerät erst ins Wanken, als der Cartellboss Tytus Broz in sein Leben tritt und die Familie auseinanderreißt.
Während Eli heranwächst, wird er weiter mit der Frage kämpfen, ob aus einem schlechten Menschen doch noch ein guter werden kann; er wird in das berüchtigte Boggo Road Goal-Gefängnis einbrechen, um seine Mutter an Weihnachten zu besuchen; er wird durch seine Briefe ins Gefängnis einen wichtigen Freund gewinnen und aus Versehen mitten in einer Schießerei zwischen zwei Gangs landen; er wird einen Karriereweg finden, der nichts mit Drogen zu tun hat. Und er wird sich verlieben. 

Rezension: 

Eli Bell wächst in den 1980er-Jahren in Brisbane zusammen mit seinem einem Jahr älteren Bruder August bei seiner Mutter und ihrem Lebensgefährten Lyle auf. Die beiden bewegen sich in einem kriminellen Milieu und verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit dem Handel von Heroin. Während ihrer Abwesenheit kümmert sich der Ex-Strafgefangene und verurteilte Mörder Slim um die beiden Jungen. Nach einem Trauma in der Kindheit, das zur Trennung der Eltern geführt hat, spricht August nicht mehr, sondern schreibt mit seinem Finger Botschaften in die Luft. Dabei scheint er eine Art hellseherische Fähigkeit zu besitzen. 
Als Lyle bei einem Betrug des gefürchteten Drogen-Cartellchefs Tytus Broz erwischt und daraufhin spurlos verschwindet und ihre Mutter eine Gefängnisstrafe verbüßen muss, müssen die beiden Brüder zu ihrem Vater ziehen, der Alkoholiker ist, unter Panikattacken leidet und dem Alltag nicht gewachsen scheint. 
Eli vermisst seinen Stiefvater und seine Mutter, gibt alles dafür, sie heimlich im Gefängnis besuchen zu können und träumt davon, ihr ein besseres Leben zu schenken. Er beschäftigt sich seit er denken kann mit der Frage, was einen guten Menschen ausmacht, aber kann ein Junge, der im Umfeld von Kriminalität, Gewalt und Drogen aufwächst, selbst zu einem guten Mann heranwachsenden und dem Sumpf entfliehen, um ein geregeltes Leben zu führen?

Wenn man die Geschichte gelesen hat, ist es kaum zu glauben, dass sie auf realen Erfahrungen des Autors beruht, der tatsächlich in diesem Milieu aufgewachsen und noch bewundernswert ist, wie er diese Kindheit und Jugend überstanden hat und es geschafft hat, nicht auch dem Rausch aus Geldgier und Drogen zu verfallen. 

Zu Beginn hatte ich große Schwierigkeiten in den Roman hineinzufinden, da die Schilderungen häufig ins Fantastische, Träume und Vorstellungen der beiden Brüder abdriften, wobei nicht klar wurde, was echte Erinnerungen und was reine Fantastereien waren. Wenn man zu einem späteren Zeitpunkt begreift, was die Jungs bereits in ihrem jungen Leben durchgemacht haben, kann man dieses Abtauchen in ihre eigene Wirklichkeit als Schutzmechanismus besser verstehen. 
Die Gewaltszenen sind brutal und erschütternd. In dem Umfeld aus Kriminellen, Rauschgift, Machtkämpfen und Gewalt wird selbst auf heranwachsende Kinder keine Rücksicht genommen. Was August und Eli sehen müssen und was sie am eigenen Leib erfahren, ist schlicht grausam. 
Der Roman ist deshalb belastend und schockiert. Doch Eli ist ein Stehaufmännchen, ihn verlässt nie der Mut, er hat stets neue Ideen und geht seinen Weg, ohne erst einmal an die möglichen Folgen zu denken. Er ist noch ein Kind, verhält sich aber gerade zu Beginn des Buches älter als ein 11-, 12- oder 13-Jähriger. 

"Der Junge, der das Universum verschlang" ist eine abenteuerliche Coming-of-Age-Geschichte, die autobiografische Elemente enthält, wobei offen bleibt, welche Schilderungen der Fantasie des Autors entsprungen sind. Man kann nur hoffen, einige - denn der Roman ist wahrlich nichts für zartbesaitete Leser*innen und war mir phasenweise auch zu langatmig. Auch wenn die Geschichte weit von der eigenen Lebenswirklichkeit entfernt ist und der Roman einige merkwürdige, fast schon mystische Züge hat, kann man mit der Hauptfigur mitfühlen. Nur durch den tapferen Eli, der sich nicht unterkriegen lässt, ist es kein deprimierendes Buch. Durch den Weg, den er aus Dreck und Organisierter Kriminalität geht, schenkt die Geschichte Mut und Hoffnung, dass trotz einer scheinbar ausweglosen Situation ein anderes, besseres Leben möglich ist und dass ein Lebensweg trotz aller schlechter Voraussetzungen nicht vorgezeichnet ist, sondern dass der eigene Wille ausschlaggebend ist, um selbst zu einem anderen, guten Menschen zu werden. 

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