Freitag, 23. September 2016

Buchrezension: Christine Eichel - Der Rache süßer Atem

Inhalt:

Abgründig, weiblich – tödlich.

Immer wieder hat Maria auf die große Liebe gehofft, auf den Mann fürs Leben und das lang ersehnte Kind. Stattdessen erlebte sie Rücksichtslosigkeit, Lüge, Betrug. Als auch Tom sie hintergeht, ihre letzte Hoffnung auf glückliche Zweisamkeit, bricht Maria aus der Opferrolle aus. Schluss mit der Demut! Erbittert rechnet sie ab und nimmt blutige Rache. Ganz oben auf ihrer Liste steht Johannes, der ihre intimsten Geheimnisse preisgegeben hat. Ihm folgen sechs weitere Kandidaten, denen sie Verletzung und Verrat heimzahlen will. Doch dann heftet sich Hauptkommissar Tesoro an ihre Fersen, und ein gefährliches Spiel beginnt.

Rezension:

Maria ist 39 Jahre alt und arbeitet in einer Kunstgalerie in Berlin. Mit Männern hatte sie von jeher kein Glück. Während die Männer sie nur als Lustobjekt gesehen haben, mit dem sie zeitweise ihren Spaß haben konnten, träumte Maria stets von einer eigenen Familie mit Kindern. Gerade war sie noch mit Tom zusammen, der sie aber nur hingehalten hat, bis er sie letztendlich abservierte.

Blind vor Wut und Verzweiflung schwört Maria Rache. Alle sieben Ex-Geliebten, die sei betrogen, verletzt, erpresst und gedemütigt haben, sollen noch vor ihrem 40. Geburtstag das Zeitliche segnen.
Erstes Opfer wird Johannes, der ein sie diffamierendes Buch veröffentlicht hat, das ihre akademische Karriere zerstört hat. Der Politiker Herrmann Sabielski muss sterben, weil er sie gezwungen hat, ihr gemeinsames Kind abzutreiben. Als Tatwaffe kommt dabei jeweils eine andere Waffe aus dem Fundus ihres Großvaters zum Einsatz, die sie illegal bei sich in der Wohnung versteckt hat.

Auf ihrem Rachefeldzug erlebt die psychopathisch anmutende Maria die Vergangenheit mit ihren Verflossenen wieder, wodurch sich ihr Hass noch verfestigt und sie sich in ihrem Vorhaben bestätigt fühlt.
Dicht auf den Fersen ist ihr Kommissar Tesoro, der allerdings auch ein privates Interesse an Maria zu haben scheint. Lange bleibt auch für den Leser unklar, welches Spiel Tesoro mit Maria spielt.

In "Der Rache süßer Atem" begleitet man Maria bei jedem ihrer Morde, die Dank ihres Waffenfundus und ihrer Skrupellosigkeit keinen großen Vorbereitungen bedurften.
Bis zum Ende hat mich Marias Rache an den Männern gefesselt, da ihr abgrundtiefer Hass in Bezug auf ihre Ex-Geliebten auf jeder Seite zu spüren war. Gleichzeit wurde aber auch deutlich, wie verzweifelt und allein sich Maria gefühlt hat. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wer diese wahnsinnige Psychopathin noch stoppen kann.

Der Thriller liest sich zwar flüssig, für meinen Geschmack hätte ich mir aber ein subtileres Vorgehen der Täterin gewünscht als brachiale Exekutionen. Auch hätten die Details über die einzelnen Waffen für mich keinen so großen Raum einnehmen müssen.
Gut fand ich, dass Maria tatsächlich für jeden Mord ein eigenes Motiv hatte, wobei man sich schon fragen muss, ob eine Frau allein wirklich so viel Pech mit Männern haben kann.
Darüber hinaus fand ich es ein bisschen schade, dass nicht nur Maria blind vor Rache war, sondern dass auch ihr gesamtes Umfeld ihr verändertes Verhalten zwar registrierte, aber nicht hinterfragte oder gar mit den Morden in Zusammenhang brachte.
Nebencharaktere wie Galerist und bester Freund Henry, die vermeintlichen Freunde Evi und Alex sowie die Mutter blieben damit blass.



Donnerstag, 22. September 2016

Buchrezension: Per J. Andersson - Vom Inder, der mit dem Fahrrad bis nach Schweden fuhr, um dort seine große Liebe wiederzufinden

Inhalt:

Alles, was man zum Glück braucht, ist Vertrauen und ein Fahrrad 1975 lernt Pikay in Neu-Delhi durch Zufall die junge Schwedin Lotta kennen und verliebt sich unsterblich in sie. Als Lotta zurück nach Schweden geht, setzt sich Pikay kurz entschlossen auf ein altes Fahrrad und fährt ihr hinterher.

Diese Geschichte erzählt vom unglaublichen Schicksal des kastenlosen Pradyumma Kumar, genannt Pikay. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, kennt er nur Extreme: Mal wird der talentierte Porträtzeichner von Indira Gandhi eingeladen, sie zu malen, mal muss er hungern und schläft auf der Straße. Eines Abends taucht neben seiner Staffelei ein blondes Mädchen auf – und eine unglaubliche Liebesgeschichte nimmt ihren Anfang. Als Lotta zurück nach Schweden geht, stehen die Chancen schlecht für die beiden – wäre da nicht ein altes Fahrrad. Damit macht sich Pikay auf den Weg, um die 7.000 km von Asien nach Europa zurückzulegen. Auch zahlreiche Rückschläge können ihn nicht aufhalten, bis er schließlich tatsächlich in der Heimat Lottas ankommt, einer völlig anderen Welt.

Um das Happy End gleich zu verraten: Heute sind die beiden seit über 35 Jahren verheiratet, haben zwei Kinder und leben auf einem alten Bauernhof in der Nähe von Borås.

Rezension:


Das Buch mit dem unkommoden Titel, der wohl an Bestseller wie "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" erinnern soll, ist weniger ein Roman um eine große Liebesgeschichte als vielmehr die Biographie über einen Inder.

Pikay wächst in purer Armut in Indien auf, die Familie gehört nicht einmal der untersten Kaste an. Schon unmittelbar nach seiner Geburt wird Pikay prophezeit, dass er eine weiße Frau aus einem fernen Land mit dem Sternzeichen Stier heiraten wird.
Als "Unberührbarer" schon zu Schulzeiten unterdrückt, macht er sich auf den Weg nach Neu Delhi, um dort als Straßenkünstler zu arbeiten und Menschen zu porträtieren. Er ist so talentiert, dass er nicht nur Passanten, sondern auch prominente Politiker zeichnet. Auf diese Weise lernt er die Schwedin Lotta kennen, die mit einer kleinen Reisegruppe auf der Hippieroute im VW Bus nach Indien gereist ist und genau auf die Prophezeiung passt. Pikay verliebt sich auf den ersten Blick in sie und möchte sie heiraten, was traditionell der einzige Weg ist, um ihr nahe zu sein. Er erhält den Segen seines älteren Bruders und des Vaters für die Vermählung, aber Lotta reist dennoch zurück in ihre Heimat.

Die beiden schreiben sich sehnsüchtige Briefe, aber Pikay reicht diese "Fernbeziehung" auf Dauer nicht aus. Er beschließt, mit einem Damenrad nach Schweden zu reisen, auch wenn er keine Vorstellung davon hat, wo sich dieses Land überhaupt befindet. Neben einiger Widrigkeiten und Hürden erfährt er jedoch viel Unterstützung auf seiner Reise, so dass er letztlich "nur" bis Istanbul radeln muss. Von dort geht der Weg mittels gesponserter Zugtickets über Wien und Kopenhagen nach Göteborg. In Schweden ist ihm vieles fremd, er integriert sich jedoch schnell und gründet mit Lotta eine Familie.

Die Biographie des Inders Pikay ist nett zu lesen, hat allerdings bis zur Mitte des Buches ihre Längen. Die Hälfte des Buches handelt vom Leben Pikay in der Armut in Indien, dem ungerechten Kastenwesen und Pikays Versuchen, sich umzubringen. Dann lernt er Lotta kennen und begibt sich ihretwegen auf die sicher beschwerliche Reise nach Schweden.

Der Buchtitel und auch der Klappentext sind etwas missverständlich. Weder ist das Buch eine Liebesgeschichte, noch fährt Pikay tatsächlich mit dem Fahrrad nach Schweden. Die eigentlich faszinierende Geschichte wird von Andersson sehr sachlich und emotionslos geschildert. Die Liebe der beiden zueinander wird auch beim Wiedersehen nicht wirklich deutlich, Lotta bleibt dem Leser völlig fremd. Es hatte fast den Anschein, dass Pikay Lotta allein aufgrund der Prophezeiung wiedersehen muss. Auch kommt die Schilderung der beschwerlichen Reise aufgrund des großen Umfangs der jungen Jahre Pikays etwas kurz. Wäre nicht klar, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt, hätte ich die Erzählung als unrealistisch empfunden.


Dienstag, 20. September 2016

Buchrezension: Jo Platt - Herz über Kopf

Inhalt:

Mit Rückschlägen kennt Rosalind sich aus. Achtzehn Monate ist es her, dass ihr Verlobter – aus gutem Grund nur «die Ratte» genannt – aus der Kirche floh. Am Tag ihrer Hochzeit, durch das Fenster der Sakristei. Seitdem ist nichts mehr wie zuvor.
Im malerischen St Albans hofft Ros, endlich mit der Vergangenheit abschließen zu können: Sie liebt das beschauliche Leben dort, den neuen Job in der Buchhandlung und vor allem ihre Kollegen: den schweigsamen Andrew, Georgina, die alles zu haben scheint, was sich Ros wünscht, und die liebenswert-schrullige Joan.
Doch dann klingelt es eines Freitagabends an der Tür: Der Mann mit dem Blumenstrauß entpuppt sich als ihr Nachbar Daniel, und er bringt schlechte Nachrichten: Er hat Mr. Edward überfahren. Mit dem Rasenmäher. Noch ahnt Ros nicht, dass das vorzeitige Ableben ihres geliebten Meerschweinchens einen noch größeren Einfluss auf ihr Leben haben wird als die Flucht der Ratte.

Rezension:

Rosalind wurde von ihrem Verlobten vor dem Traualtar sitzen gelassen. Gedemütigt vor Freunden und Verwandten zieht sie sich zurück, lässt sich zu Hause im Schlabberlook gehen und badet in Selbstmitleid.

Halt bietet Ros der kleine Buchladen "Chapters", in den sie miteinsteigt und in welchem sie mit Andrew, George und Joan arbeitet, die mehr als nur Kollegen für sie werden.

An einem ihrer deprimierenden Abende klingelt es an der Tür und vor ihr steht ein Nachbar, den sie zuvor noch nie gesehen hat. Daniel beichtet, ihr Meerschweinchen mit dem Rasenmäher überfahren zu haben. Gekleidet mit Bademantel, Handtuchturban und ausgelatschten Schlappen hinterlässt Ros einen derangierten Eindruck. Sie selbst hält ihren Nachbarn mit dem Zottelbart für einen Alkoholiker und fragt sich, ob es auf dem Nachbargrundstück eine entsprechende Einrichtung geben könnte. Die zweite Begegnung, als sich Ros für ihren Auftritt bei Daniel entschuldigen möchte, und sie direkt seiner Freundin in die Arme läuft, gestaltet sich ähnlich peinlich.

Ros ist der "Bridget-Jones"-Typ, der einfach kein Fettnäpfchen auslassen kann. Gleichzeitig ist sie aber so liebenswert sympathisch, dass die Situationen, in die sie gerät, ihrer Tollpatschigkeit und ihrem losen Mundwerk geschuldet, aber nie überzogen oder albern dargestellt sind.

Der Leser ahnt natürlich schon sehr früh, wie der Roman am Ende für Ros' Liebesleben ausgehen könnte. Dennoch ist "Herz über Kopf" nicht einfach nur eine vorhersehbare Liebesgeschichte, sondern ein Roman, in dem Familie und Freundschaft ganz groß geschrieben werden.
Ich fand es unheimlich schön zu lesen, wie die Protagonisten in der kleinen Buchhandlung zusammenarbeiten und dabei ihre Freundschaft vertiefen und sich gegenseitig bei allen kleinen und großen Problemen unterstützen und Rückhalt geben. Trotz des Liebesleids von Ros, Andrew und George kam der Humor in der Geschichte nicht zu kurz.
Auch wenn die Handlung an sich nicht neu ist, habe ich Ros mit mehr als einem Schmunzeln "Herz über Kopf" in die Liebe stolpern sehen. Jo Platts Debüt erhebt keinen Anspruch auf Tiefgang, sondern ist einfach ein wunderbar warmherziger Gute-Laune-Wohlfühlroman, der mich bestens unterhalten hat.



Montag, 19. September 2016

Buchrezension: Anne Mairo - Kleopatra im Aquarium

Inhalt:

Die 29-jährige Mona hat scheinbar alles, was man zum Leben braucht: einen gutbezahlten Job in einer Werbeagentur, ihren liebevollen Freund Dennis, der auch noch backen kann, eine etwas anstrengende, aber sehr fürsorgliche Familie und nicht zuletzt ihre besten Freundinnen Sophia und Jule, mit denen sie Freud und Leid teilt. Dann kommt der Tag, der alles verändert: Mona erhält die Diagnose Unfruchtbarkeit. Sie beginnt, ihr gesamtes Leben in Frage zu stellen, und begibt sich auf die Suche nach ihrem eigenen Weg. Mit lakonischer Knappheit und pointiertem Witz erzählt Anne Mairo in ihrem Debütroman von der Neuorientierung und Sinnsuche einer jungen Frau. Dabei liefert sie eine treffende Analyse der 30er-Generation und ihrer Lebenswelt.

Rezension:

Mona ist 29 Jahre alt und lebt mit ihrem Freund Dennis in Berlin, mit dem sie seit vier Jahren zusammen ist. Für ihren Job in der Werbeagentur hat sie wenig Leidenschaft übrig, das Arbeiten an Kampagnen und Slogans kann sie nicht ganz ernst nehmen, Kontakte zu Kunden empfindet sie als anstrengend.

Nach einem langen Arbeitstag hat Mona eine seltsame Begegnung mit einer Frau, die sich als Wahrsagerin Lara vorstellt und Mona erläutert, dass sie keine erfüllende Partnerschaft hat und ihre streitsüchtige Familie zu anstrengend ist. Zunächst wollte Mona die Ansichten dieser Lara als "Hokuspokus" abtun, gerät aber dennoch ins Grübeln.

Als sie kurze Zeit später auch noch erfährt, dass sie aufgrund einer Hypophysenstörung unfruchtbar ist, trennt sie sich ohne lange zu überlegen von Dennis, schließlich soll er die Chance haben, mit einer gesunden Frau ein Kind zu bekommen. Völlig kampflos gibt auch Dennis die Beziehung auf, was nur zeigt, dass sich dass Paar eigentlich schon längst auseinandergelebt hatte und eine reine Zweckgemeinschaft bildete. Monas chronische Unlust im Job wird durch die Diagnose und die Trennung noch verstärkt, was wegen einer längeren Krankschreibung zur Kündigung durch ihren Arbeitgeber führt.

Innerhalb kürzester Zeit hat sich Monas Leben komplett verändert. Als arbeitsloser Single zieht sie in eine WG nach Neukölln und lernt in diesem Zusammenhang viele neue Leute kennen, ohne sich mit dem Scheitern ihrer Beziehung oder dem Thema Unfruchtbarkeit auseinanderzusetzen.

"Kleopatra im Aquarium" hat mich vom Schreibstil an die Romane von Sara Kuttner erinnert. Auch ihre Bücher handeln von Frauen um die dreißig, die ihren Job ablehnen, deren Beziehungen scheitern und die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden haben.

Auch Mona fühlt sich mit Erwartungen ihres Arbeitgebers und ihrer italienischen Familie konfrontiert, sie sie nicht erfüllen kann oder möchte, was ihr aber lange nicht bewusst war oder sie sich einfach nicht eingestehen wollte.

Der Roman handelt insofern von der Sinnsuche einer jungen Frau, die einen (neuen) Lebensplan aufstellen muss.

Ich konnte die Handlungen von Mona schwer nachvollziehen. Die Trennung von Freund und der Verlust des Jobs kamen mir zu abrupt und unüberlegt, auch wenn sich ihre Unzufriedenheit mit ihrer Arbeit und das Zusammenleben aus reiner Gewohnheit bereits auf den ersten Seiten des Romans abzeichneten. Ihre Reaktionen danach wirkten für ihr Alter unreif und auf mich emotionslos. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie sich mit ihren Problemen tatsächlich auseinandersetzen wollte, sondern diese lieber durch neue Begegnungen zu verdrängen versuchte. Bei einem kurzen Wiedertreffen mit Dennis fand auch keine Aussprache statt. Offenbar hat sie nur die Macht der Gewohnheit verbunden, als die Liebe zueinander.

In "Kleopatra im Aquarium" wird das Thema "Kinderwunsch/ Unfruchtbarkeit" nur am Rande behandelt und ist nur der Auslöser, aber nicht der Grund für Monas Verhalten. Es geht vielmehr um die Lebenskrise einer jungen Frau, die ihren Weg erst noch finden muss und ihr bisheriges Leben komplett in Frage stellt.

Mit Mona bin ich nicht so richtig warm geworden, da ihr Verhalten planlos und unreif auf mich wirkte. Der Roman stellt vielleicht ein Beispiel für Menschen in der Großstadt meiner Generation dar, wo es eben am Ende ehrlicherweise nicht immer ein Happy End (zwischen Mann und Frau) gibt. Als treffende Analyse der 30er-Generation und ihrer Lebenswelt würde ich ihn aber nicht bezeichnen, da er dafür zu einseitig ist. Er zeigt jedoch, dass das Leben heutzutage, in welchem einem im Vergleich zu älteren Generationen alle Wege offen stehen, mit den vielen Wahlmöglichkeiten auch schlicht überfordernd sein kann.



Samstag, 17. September 2016

Buchrezension: Daniel Glattauer - Ewig Dein

Inhalt:

Im Supermarkt lernt Judith, Mitte dreißig und Single, Hannes kennen: Architekt, ledig und in den besten Jahren. Hannes ist nicht nur der Traum aller Schwiegermütter – auch Judiths Freundeskreis ist restlos begeistert. Anfangs genießt Judith es, von diesem zielstrebigen Mann, der nur noch sie im Kopf zu haben scheint, auf einen Thron gehoben zu werden. Aber nach und nach werden seine ständigen Liebesbeweise belastend, seine intensive Zuwendung erdrückend. Nur, wie wird man ihn wieder los, den perfekten Schwiegersohn und Verehrer, wenn er so gar nicht weichen will.

Rezension:

Judith ist Mitte 30 und hatte bisher noch nicht so viel Glück in der Liebe. Im Supermarkt lernt sie den auf den ersten Blick sehr charmanten Hannes kennen, der sehr von ihr angetan scheint. Judith fühlt sich von dem Interesse des smarten Architekten geschmeichelt und genießt die schon fast unterwürfige Liebe, die er ihr entgegenbringt.

Nach Kurzem fühlt sich Judith jedoch von ihm und seinen Gefühlen eingeengt und versucht ihn auf Abstand zu halten. Hannes ergreift jedoch nur noch mehr Besitz und macht sich in ihrem Leben breit, indem er sich ungefragt mit ihren Freunden trifft und auf ihre Familie Einfluss nimmt. Als Judith sich letztlich von ihm trennt, kann nicht nur Hannes ihre Entscheidung nicht nachvollziehen. Auch ihre Angehörigen sind von Hannes sympathischen Auftreten so angetan, dass sie von Judiths Verhalten sichtlich irritiert sind, hat sie doch in deren Augen endlich ihren Traummann getroffen.

Trotz der Trennung bleibt Hannes weiterhin in Judiths Leben präsent. Auch wenn er sich nicht mehr bei ihr meldet, fühlt sie sich beobachtet und bedrängt und ist auch aufgrund der Reaktionen ihrer Freunde unsicher. Zur Beruhigung und um schlafen zu können, nimmt sie Medikamente, so dass sie bald in ihrer Wahrnehmung getrübt ist. Als sie glaubt, verrückt zu werden und beginnt, an ihrem eigenen Verstand zu zweifeln, ist überraschenderweise ihre naive Angestellte die einzige, die ihr zur Seite steht.

"Ewig Dein" ist kein typischer Stalking-Roman, sondern ein spannend aufgebauter Psychothriller, bei dem der Leser bald nicht mehr weiß, wer Opfer oder Täter ist bzw. wer einer psychiatrischen Behandlung bedarf. Die Auflösung um das Verhältnis der beiden zueinander und das Ende des Romans kommen dann leider sehr abrupt und mit einer ominösen Detektivgeschichte, dass man als Leser den Eindruck gewinnen könnte, Daniel Glattauer habe die Lust an dem Roman verloren. 


Freitag, 16. September 2016

Buchrezension: Anna Licht - Blau ist grüner als gelb

Inhalt:

Große Mädchen weinen nicht Dass sie in ihrem Leben etwas ändern muss, merkt die junge Ärztin Lena erst, als sie bei einer Transsexuellen vergeblich die Gebärmutter sucht. Und auch Mia, ihre beste Freundin, zieht es hinaus aus ihrer kleinen Welt mit Mann und Kindern. Mit dem Plan, die Liebe neu zu entdecken, nehmen sie sich eine gemeinsame Auszeit. Wenn die Männer nerven, müssen sie eben selbst für ihr Wohlergehen sorgen. Das Einmaleins der emanzipierten Frau von heute - herrlich offen, ironisch und selbstkritisch.

Rezension:

Mia und Lena sind beide Mitte 30 und beste Freundinnen, auch wenn sie sich im Alltag nicht so häufig wie gewollt treffen können. Mia ist Lektorin in einem kleinen Verlag in Berlin, Ehefrau und Mutter zweier kleiner Kinder. Aus Gründen der Gleichberechtigung sind die Aufgaben in Bezug auf Kinder und Haushalt generalstabsmäßig zwischen Mia und Ehemann Ole aufgeteilt. Zeit für Zweisamkeit bleibt zum Leidwesen von Ole nur wenig.

Lena hat sich kürzlich als Gynäkologin mit eigener Praxis selbstständig gemacht und steht dort unter dem Pantoffel der biederen Sprechstundenhilfe Frau Mauer. Zudem hat sie sich gerade von ihrem betrügerischen Freund Lorenz getrennt.

Um dem nervigen Alltagstrott zu entfliehen, genehmigen sich Mia und Lena ein "Romantik"-Wochenende im Spreewald. Lena kann dort endlich offen über die Trennung von Lorenz sprechen und hat mit einem jungen Kellner einen Verehrer gefunden, der darüber hinaus ihr Selbstbewusstsein stärkt. Beschwingt kehrt sie nach Berlin und in ihre Praxis zurück, wo dann das Chaos tobt, als Frau Mauer erkrankt.
Auch Mias Erholung ist nur von kurzer Dauer. Stress in der Arbeit durch einen anstrengenden französischen Autor und das permanente schlechte Gewissen, sich nicht genügend Zeit für Klara und Max oder ihr vernachlässigtes Eheleben zu nehmen, setzen sie unter Druck. Zudem befürchtet sie, dass Ole sie betrügen könnte.

Den Klappentext fand ich so witzig, dass ich mir das Buch unbedingt kaufen musste. Ich wurde nicht enttäuscht. Schon auf der ersten Seite des Romans habe ich mich schlapp gelacht. Dieser Roman ist erschreckend ehrlich und dabei so witzig geschrieben, dass ich ihn fast in einem Rutsch durchgelesen habe. Die Geschichte um zwei Frauen im Alltags- und Beziehungschaos, die abwechselnd aus der Sicht von Mia bzw. Lena erzählt wird, mag an sich nicht Neues sein, aber die Umsetzung ist der Autorin unbeschreiblich amüsant und trotzdem authentisch gelungen. In beide Frauen konnte ich mich gut hineinversetzen und vermutlich wird sich jede Frau in der einen oder anderen Situation wiedererkennen können.

"Blau ist grüner als gelb" (ein Satz, der sich im Verlauf des Romans noch erklären wird) ist ein so unterhaltsamer Roman, dass ich ihn auch Männern empfehlen kann - nicht nur um ihre Frauen vermeintlich besser verstehen zu können.



Montag, 12. September 2016

Buchrezension: Daniel Glattauer - Geschenkt

Inhalt:

Gerold Plassek ist Journalist bei einer Gratiszeitung, und auch sonst war sein Leben bislang frei von Höhepunkten. Manuel, 14, dessen Mutter Alice für ein halbes Jahr im Ausland arbeitet, sitzt bei ihm im Büro, beobachtet ihn beim Nichtstun und ahnt nicht, dass Gerold sein Vater ist. Gerold selbst weiß es erst seit kurzem – und er hat sich von diesem Schock kaum erholt, als noch mehr Bewegung in sein Leben kommt: Nach einer von ihm verfassten Zeitungsnotiz über ein überfülltes Obdachlosenheim trifft dort eine anonyme Geldspende ein. Der Anfang einer geheimnisvollen Spendenserie, die Gerold offensichtlich mit seinem Schreiben beeinflussen kann. Langsam beginnt Gerold sich mit dem Leben zu versöhnen.

Rezension:

Der 43-jährige Gerold Plassek ist ein Journalist ohne Ambitionen. Er arbeitet bei der Wiener Gratis-Zeitung "Tag für Tag", wo er für die "bunten Meldungen des Tages" zuständig ist. Sein Büro teil er sich seit Kurzem nachmittags mit seinem 14-jährigen Sohn Manuel, von dem er bis dato nichts wusste. Manuel weiß zu dem Zeitpunkt nicht, bei wem ihn seine Mutter zur Hausaufgabenbetreuung untergebracht hat. Nach anfänglicher Skepsis beiderseits entwickelt sich ein enges, freundschaftliches Verhältnis zwischen Manuel und "Onkel Geri".

Die letzten Meldungen, die Gerold für "Tag für Tag" schrieb, handelten von Sozialprojekten oder von Menschen, die unschuldig in Not geraten sind. Ein anonymer Wohltäter nimmt die Meldungen zum Anlass, um jeweils 10.000 € zu spenden. Während Gerold zunächst an einen Zufall denkt, wird er spätestens dann stutzig, als auch nach seinem Wechsel zur hochwertigeren Tageszeitung "Neuzeit" als freier Journalist, weiterhin die anonymen Spenden per Kuvert versendet werden.

Gerold, der mit seinem unaufgeregten Leben, seinem ehrgeizlosen Job und seinen regelmäßigen Feierabendbierchen in Zoltan's Bar zufrieden war, findet die Aufmerksamkeit um seine Person unangenehm.
Manuel ist stolz auf Gerold und auch die Zahnärztin, auf die Gerold ein Auge geworfen hat, zeigt erstmals Interesse an ihm.

Gerold Plassek ist der Antiheld des Romans, ein Alkoholiker, der nicht viel vom Leben erwartet. Als sein Sohn unerwartet in sein Leben tritt und Gerold auch noch beruflich überraschend erfolgreich ist, verändert sich Gerold auch selbst. Er übernimmt Verantwortung und empfindet sogar Spaß bei seiner Arbeit, wenn er zusammen mit Manuel an den Reportagen arbeitet.

"Geschenkt" erinnert an das "Wunder von Braunschweig", als ein anonymer Wohltäter mindestens im Zeitraum von 2011 bis 2013 soziale und karitative Einrichtungen mit Spenden in Höhe von 10.000 € unterstützte.
Glattauer beschreibt in seinem Roman ähnlich lautende Fälle, die finanzielle Hilfe benötigen, wie ein Obdachlosenheim, ein Hospiz für Kinder, eine tschetschenische Familie, die abgeschoben werden soll, Zahnärztinnen, die sich ehrenamtlich engagieren usw., die dem Buch den Rahmen geben.
Viel interessanter waren für mich allerdings die Dialoge zwischen Gerold und Manuel mit unheimlichem Wortwitz sowie die Frage, wer sich hinter den Spenden verbirgt bzw. welche Verbindung zwischen dem Wohltäter und Gerold bestehen könnte.

Die Handlung mit der Aneinanderreihung der Wohltaten hatte seine Längen, weshalb die Spannung allein durch das Rätsel um den anonymen Spender aufrechterhalten wurde. Die Entwicklung der Vater-Sohn-Beziehung war vorhersehbar und das Bezirzen der Zahnärztin für mich fehl am Platz.
"Geschenkt" besticht für mich insbesondere durch den unverkennbaren Schreibstil von Glattauer und seinen einmaligen Wortwitz, der den Roman über die Längen rettet.



Samstag, 10. September 2016

Buchrezension: Karen Thompson Walker - Ein Jahr voller Wunder

Inhalt:

Julia sitzt mit ihren Eltern Joel und Helen gerade am Frühstückstisch, als die Neuigkeit über sie hereinbricht: Die Erde dreht sich plötzlich langsamer. Tage und Nächte werden länger. Jegliche Orientierung geht verloren. Auf einmal ist alles anders. Denn auf einmal könnte jede Entscheidung die letzte sein. Als Julias Vater mit dem Gedanken spielt, seine Frau für Julias Klavierlehrerin zu verlassen, die sich nicht von der allgemeinen Panik anstecken lässt. Und Julias Mutter gegen ihre Depressionen ankämpft. Und als Julia sich zum ersten Mal verliebt.

Rezension:

Es passierte ganz langsam, so dass es die Menschheit zunächst nicht bemerkte: Die Erde dreht sich langsamer. Unbemerkt wurden die Tage wenige Minuten länger, dehnten sich aber schon bald unaufhörlich auf mehrere Stunden aus. Die katastrophalen Auswirkungen auf Flora und Fauna sowie den Menschen sind bereits bei einer Überlänge von nur wenigen Stunden spürbar.
Durch die Verlangsamung der Erde verstärkt sich die Schwerkraft: Vögel fallen vom Himmel und Menschen entwickeln die Schwerkraftkrankheit, die sich in ihrer harmlosesten Form als Schwindel äußert.

Die Welt teilt sich in zwei Gruppen: Menschen, die sich anpassen und nach der (24-Stunden-)Uhrenzeit weiterleben, so dass mittags tiefste Dunkelheit herrschen kann und nachts das Schlafen bei Helligkeit schwerfällt. Daneben gibt es die Echtzeitmenschen, die in der Minderheit sind und versuchen, nach den Tageszeiten zu leben, was aber aufgrund der Länge der Tages- und Nachtabschnitte unmöglich werden wird.

Tage und Nächte dehnen sind aus, so dass extreme Wetterverhältnisse herrschen. Die Sonne wird so bedrohlich stark, dass Pflanzen nicht mehr unter natürlichem Sonnenlicht wachsen können.
Die Menschen beginnen Lebensmittel zu horten und geben die Hoffnung nicht auf, dass die Verlangsamung eines Tages nachlassen wird. Wissenschaftler, die die Ursache des Phänomens nicht erklären können, forschen nach Alternativen bis hin zu einem Leben außerhalb der Erde.

Die Dystopie wird aus der Perspektive der 11-jährigen Julia geschildert, die den Beginn der Katastrophe im Jahr 2021 miterlebt. Ihr Vater Joel ist Arzt und kann mit der Umstellung des Biorhythmus aufgrund seiner Schichtarbeit im Krankenhaus noch am besten umgehen, während die Mutter Helen sowohl psychisch als auch physisch enorm unter den Auswirkungen der Verlangsamung leidet. Julia verliert nach und nach ihre Freunde, die mit ihren Familien in andere Landesteile oder alternative Kolonien fliehen. In der Schule fühlt sie sich allein und ausgeschlossen, bis endlich ihr heimlicher Schwarm Seth Interesse an ihr zeigt.

"Ein Jahr voller Wunder" ist ein Titel, der stutzig macht, verbindet man doch mit einem Wunder in der Regel etwas Positives. In diesem Roman ist das Wunder eine Katastrophe, die nicht zu erklären ist und für die es aus diesem Grund auch keine Lösung zu geben scheint. Besonders eindringlich ist dabei, dass es sich nicht um eine völlig absurde Vorstellung handelt, sondern dass das Szenario durchaus schlüssig und realistisch ist.

"Ein Jahr voller Wunder" ist ein Endzeitroman, den ich voller Spannung verschlungen habe, um zu erfahren, wie das Leben weitergeht, wenn sich die Erde so langsam dreht, dass sich einzelne Tage über Wochen erstrecken.
Auch wenn dem Leser am Ende keine Ursache für diese Entwicklung präsentiert wird, enttäuschte mich das Ende keinesfalls. Im Gegenteil - gerade das (halb-)offene Ende macht die Geschichte so brutal realistisch.



Freitag, 9. September 2016

Buchrezension: Paula Fürstenberg - Die Familie der geflügelten Tiger

Inhalt: 

Schon als Kind hatte Johanna eine Vorliebe für Landkarten, die die Welt überschaubar machten und zugleich die Fantasie anregten. Nach dem Abitur ist sie aus der Uckermark nach Berlin gezogen, wo sie zum Ärger ihrer Mutter eine Ausbildung zur Straßenbahnfahrerin macht, anstatt zu studieren. Mit Reiner, ihrem Ausbilder, bewegt sie sich durch das wohlgeordnete Liniennetz der Großstadt und lacht über alte DDR-Witze, ohne sie zu verstehen. Mit Karl, dem elternlosen Weltenbummler, beginnt sie eine Affäre. Ihr Vater Jens hat die Familie kurz vor dem Mauerfall verlassen, da war Johanna zwei. Außer einer Postkarte an der Wand erinnert nichts an ihn.
Doch dann ruft Jens an, und Johannas Lebenskonstrukt gerät ins Wanken. Plötzlich gibt es zahlreiche widersprüchliche Versionen seines Verschwindens. Ist er geflohen? Wurde er verhaftet? Hatte Johannas Mutter etwas damit zu tun oder gar Honeckers Krankengymnastin?

Rezension: 


Johanna ist zwei Jahre alt, als ihr Vater Jens am 4. Oktober 1989 ohne ein Wort verschwindet und sich erst 19 Jahre später durch eine Nachricht auf den Anrufbeantworter der Mutter meldet. Diese hatte Johanna all die Jahre erzählt, dass Jens die kleine Familie verlassen hat, um in den Westen zu flüchten. 

Johanna lebt inzwischen in Berlin und macht eine Ausbildung zur Straßenbahnführerin. Sie beschließt, ihren Vater zu besuchen, um endlich zu erfahren, warum er damals ohne ein Wort gegangen ist und sich auch nach der Wiedervereinigung nicht gemeldet hat. 
Jens hat Krebs im Endstadium und kann aufgrund von Metastasen schon wenige Tage nach ihrer ersten Begegnung nicht mehr sprechen. Johanna versucht über ihre ältere Stiefschwester Antonia und ihre Großmutter Hilde, die überraschend noch lebt, mehr über Jens und sein Verschwinden zu erfahren. Jeder erzählt die Ereignisse im Jahr 1989 aus seiner subjektiven Sicht und formuliert eine eigene Wahrheit. Johanna ist sich auch nach mehreren zähen Gesprächen mit ihrer Verwandtschaft im Unklaren, ob Jens "einfach so abgehauen" ist, ob er sich politisch in Berlin engagieren wollte und deshalb die Uckermark verließ oder ob er tatsächlich von der Stasi verhaftet wurde. 
Sie zweifelt inzwischen jedoch ganz stark die Version der Geschichte ihrer Mutter an und befürchtet, dass diese selbst etwas mit dem Verschwinden ihres Vaters zu tun gehabt haben könnte. Oder hat doch ihre Großmutter Hilde, eine staatskonforme DDRlerin, für die Stasi gearbeitet und ihren eigenen systemkritischen Sohn verraten? 
Eine Unterschrift von Jens, um seine Stasi-Akte bei der BStU anzufordern, bekommt Johanna nicht mehr. 

Die Handlung spielt bis auf den Epilog im Jahr 2008, in welchem Johanna, die alleine mit ihrer exzentrischen Mutter in den letzten Jahren der DDR aufgewachsen ist, ihre Herkunft erforschen möchte. Am Ende der Kapitel wird aus vermeintlichen Stasi-Akten zitiert, wodurch der Leser in die Ereignisse im Oktober 1989 versetzt wird. 

Das Buch ist bedächtig ruhig, die Stimmung melancholisch und Johanna selbst eine leise Protagonistin, die nicht impulsiv handelt. Ihre Familie ist verschlossen, keiner scheint dem anderen zu trauen oder Wahrheiten direkt aussprechen zu wollen. Fast erhält man als Leser den Eindruck, die DDR wäre noch lebendig und das allgegenwärtige Spitzelwesen, das die Bürger verängstigt und misstrauisch macht, aktiv. 

Am Ende ist es Johanna selbst, die sich ihre eigene Geschichte um ihren Vater aus den Versatzstücken, die sie von ihren Angehörigen widerwillig erfährt, zusammenreimen muss. 
Persönlich fand ich es schade, dass Johanna bis auf das Kennenlernen ihrer eigenwilligen Verwandtschaft letztlich nicht schlauer ist, als vor Jens' Anruf zu Beginn des Romans. 

Am Ende blieben für mich mehr Fragen als Antworten, die vor allem auch durch den Epilog, der im Jahr 2011 handelt, hervorgerufen wurden. 


Donnerstag, 8. September 2016

Zum Kinostart: Buchrezension: M. L. Stedman - Das Licht zwischen den Meeren

  Zum heutigen Start der Literaturverfilmung "The Light Between Oceans" die Buchrezension zur Romanvorlage

Inhalt:

Australien. 1920. Als Tom Isabel zum ersten Mal sieht, ahnt er noch nicht, dass sie sein Schicksal verändern wird. Doch er weiß, dass er für diese Frau alles tun würde. Sechs Jahre später – die beiden sind nun glücklich verheiratet und leben auf der einsamen Insel Janus Rock – strandet an der Küste ein Ruderboot. An Bord: die Leiche eines Mannes – und ein zappelndes Baby. Sofort schließt Isabel das kleine Mädchen in ihr Herz, und gegen Toms anfängliche Bedenken nehmen sie das Kind als ihr eigenes an. Doch als sie aufs Festland zurückkehren, müssen sie erkennen, dass ihre Entscheidung das Leben eines anderen Menschen zerstört hat.

Rezension:

Tom kehrt 1918 aus dem Krieg zurück und startet - traumatisiert von den Kriegserlebnissen - einen Neuanfang als Leuchtturmwärter. Bei einem Landgang in Partageuse lernt er die junge Isabel kennen. Sie verliebt sich in ihn und ist bereit, ihr Leben in der Kleinstadt Australiens und ihre Familie aufzugeben, um mit Tom nach Janus Rock, eine 150 km entfernt liegende Insel, in die Einsamkeit zu ziehen.

Auf der Insel erleidet Isabel mehrere Fehlgeburten. Das letzte Kind kann sie im siebten Monat nur tot zur Welt bringen. Voller Trauer, und da sie sich für ihr Versagen als werdende Mutter schämt, bittet sie Tom, noch niemandem davon zu erzählen. Zwei Wochen später strandet ein Boot mit einem toten Mann und einem Säugling auf Janus Rock. Isabel interpretiert dies als Schicksal und möchte das Findelkind bei sich aufnehmen. Tom lehnt dies ab, schließlich warte irgendwo sicher eine Mutter auf ihr Baby und möchte den Vorfall sofort melden. Als er jedoch sieht, wie Isabel mit dem Kind, das sie bereits Lucy nennt, aufblüht, lässt er sich trotz schlechtem Gewissens erweichen und die beiden geben vor, dass das Mädchen ihr Kind ist.

Als sie nach mehreren Monaten der Abgeschiedenheit zu einem Urlaub an Land gehen, erfahren sie die Hintergründe zu dem gestrandeten Boot und von der trauernden Ehefrau und Mutter Hannah. Tom kann mit dem Fehler der Vergangenheit nicht leben und versucht weiterhin, Isabel zu überzeugen, das Kind der leiblichen Mutter zu übergeben und trifft dann allein eine für alle folgenschwere Entscheidung.
Hannah, die nie an den Tod ihrer Tochter glaubte, erfährt, dass ihre Tochter Grace am Leben ist. Tom nimmt die Alleinschuld auf sich und wird inhaftiert. Um seine Ehefrau zu schützen, nimmt er selbst die Todesstrafe wegen des angeblichen Mords an Hannahs Ehemann in Kauf. Isabel ist am Boden zerstört, als ihr Lucy entrissen wird und diese als Grace bei einer ihr völlig fremden Mutter aufwachsen soll. Das kleine Mädchen ist völlig verstört, Hannah verzweifelt, weil Grace sie ablehnt und Isabel hadert mit ihrem ungerechten Schicksal und hat regelrechte Rachegelüste Tom gegenüber, der sie in ihren Augen verraten hat.

Der Roman schildert sehr eindringlich, wie abgeschieden Tom und Isabel auf Janus Rock leben und sich dort eine eigene Welt erschaffen, auf der sie unbeobachtet mit einem fremden Kind leben. Die Gewissensbisse von Tom sind zwar allgegenwärtig, aber aus Liebe zu der früher so lebenslustigen Izzy, die sich für ihn für ein derart einsames Leben auf einer Insel nur mit Leuchtturm und ohne andere Menschen entschieden hat, schweigt er jedoch. Isabel dagegen sieht die Situation als von Gott gegeben an und blendet die andere Welt komplett aus. Eine falsche Entscheidung hat für alle Beteiligten eine Tragödie hervorgerufen.

"Das Licht zwischen den Meeren" ist ein gefühlsbetonter Roman, der einige traurige Einzelschicksale schildert. Angefangen vom Kriegsveteran über trauernde Mütter und Väter nach dem Krieg, Fehlgeburten und dem andauernden Hass auf die Deutschen.
Auch wenn das Handeln von Tom und Isabel falsch ist, ist es zumindest nachvollziehbar. Sowohl ihr Schicksal als auch das von Hannah bewegen, auch wenn der dritte Teil des Buches um die Rückkehr von Lucy-Grace sich in die Länge zog und ich den Eindruck hatte, dass sich die Geschichte im Kreis dreht.
Dennoch: Eine wirklich herzzerreißende Geschichte, die mich bis zum Ende, das dann zum Glück frei von Kitsch war, gut unterhalten hat.



Montag, 5. September 2016

Buchrezension: Kate Eberlen - Miss you

Inhalt:

Eine Sekunde lang treffen sich ihre Blicke, doch bevor sie sich anlächeln oder ein paar Worte wechseln können, ist der Moment schon wieder vorbei. Von da an beginnt für Tess und Gus eine Reise, die sich Leben nennt. Große und kleine Augenblicke warten auf sie, Kummer und Freude. Doch beide ahnen, dass sie Wege gehen, die nicht glücklich machen. Weil ihnen das Entscheidende fehlt. Was sie nicht wissen: Tess und Gus sind perfekt füreinander, und obwohl sie sich längst begegnet sind, haben sie es nicht bemerkt. Wann ist der alles entscheidende Moment für die große Liebe endlich da?

Rezension:

Teresa und Angus begegnen sich zum ersten Mal in Florenz, wo sie beide Urlaub machen. Die 18-jährige Teresa, genannt Tess, ist unbeschwert mit ihrer besten Freundin Doll in Italien unterwegs. Euphorisch und voller Vorfreude auf ihr Studium kehrt Tess nach England zurück und erfährt, dass bei ihrer Mutter der Krebs zurückgekehrt ist. Als ihre Mutter stirbt, ist Tess diejenige, die sich um die fünfjährige Hope kümmert, den Nachzügler der Familie. Ihre beiden älteren Brüder sind bereits ausgezogen und entziehen sich jeder Verantwortung; der Vater verbringt seine Freizeit lieber im Pub. Ein Studium kommt damit für sie nicht mehr Frage und das Zimmer im Studentenwohnheim neben Angus wird von einer anderen Studentin belegt werden. Tess nimmt stattdessen einen Job als Lehrassistenin an der Schule ihrer kleinen Schwester an. Die Anstellung hat dabei den Vorteil, dass sie sich intensiv der anstrengenden Hope widmen kann, bei der Jahre später das Asperger Syndrom diagnostiziert werden wird.

An der Schule lernt Tess ihren späteren Verlobten Dave kennen. Zu einer Hochzeit kommt es nicht, da sich Tess nicht sicher ist, ob sie ihn liebt und er sich letztendlich in ihre beste Freundin Doll verliebt.
Tess versucht dann ihren Traum, ein Buch zu schreiben, einen Schritt weiterzukommen, arbeitet fortan an der Kasse in einem Supermarkt und belegt nebenbei einen Schreibkurs. Mit dem verheirateten Dozenten hat sie eine Affäre, die auch nicht glücklich endet. Währenddessen wird Hope erwachsen und braucht sie nicht mehr in der Form wie früher. Tess scheint nun ganz allein zu sein.

Angus ist 1997 mit seinen Eltern in Italien. Es ist der erste Urlaub ohne seinen älteren Bruder Ross, den seine Eltern vergöttern, der aber im letzten Winter nach einem Skiunfall verstorben ist. Angus, der immer im Schatten seines Bruders stand, macht sich Vorwürfe, eine Mitschuld am Unfalltod von Ross zu haben.

Angus ist froh, als er von zu Hause ausziehen kann, um sein Studium zu beginnen, auch wenn er mit Medizin in die Fußstapfen seines Bruders tritt. Ab sofort nur noch Gus genannt, lernt er bei den Vorlesungen die liebenswerte Lucy kennen, mit der er schließlich zusammenzieht. Während des Praktikums in der Notaufnahme begegnet er Charlotte, der Freundin seines Bruders wieder, mit der eine leidenschaftliche Affäre eingeht. Als sie schwanger ist, verlässt er Lucy, um Charlotte direkt zu heiraten. Charlotte ist eher unterkühlt und gibt Gus stets zu verstehen, dass sie mehr vom Leben erwartet. Während sie Karriere als Ärztin macht, kümmert sich Gus um die inzwischen zwei kleinen Mädchen. Als Charlotte Gus für einen wesentlich älteren, gut situierten Mann verlässt und die beiden Töchter mit in die Schweiz nimmt, geht für Gus eine Welt unter.

"Miss you" wurde als DER Liebesroman des Sommers angekündigt. Aufgrund der Kurzbeschreibung und der vielversprechenden Leseprobe habe ich mir einen Roman vom Suchen und Finden der Liebe und intensiven Begegnungen zwischen Tess und Gus ausgemalt.

Der Roman erzählt 16 Jahre im Leben von Teresa und Angus, die voneinander unabhängig sind. Sie begegnen sich wenige Male rein zufällig, kommen aber kaum miteinander ins Gespräche - geschweige denn, dass sie ein Herzklopfen oder eine Anziehung zueinander verspüren.
Der Leser wird auf die Folter gespannt und muss über 500 Seiten warten, bis es endlich zu einem Aufkeimen der Liebe zwischen den beiden inzwischen vom Leben gezeichneten Menschen kommt.

Bis dahin ist das Buch aber keinesfalls langweilig - man erlebt die "Schicksals"jahre von Tess und Gus, die beide einen Verlust in der Familie erlitten haben und Beziehungen zu Partnern hatten, die sich aber nicht als die wahre Liebe entpuppten.
"Miss you" ist ein Roman über Familie und Freundschaft, Verlust und die Suche nach dem richtigen Platz im Leben. Über mehrere Jahre begleitet man zwei unterschiedliche Charaktere, die sich unabhängig voneinander weiterentwickeln und sich am Ende begegnen, um festzustellen, dass sie sich unbewusst schon Jahre zu kennen scheinen und möglicherweise perfekt zueinander passen.
Es handelt sich um keinen klassischen Liebesroman voller Romantik, aber gerade deshalb war er für mich so überraschend und lesenswert!
Und man stellt sich immer wieder die Frage: Was wäre wenn?


Samstag, 3. September 2016

Buchrezension: Mia March - Der Sommer der Frauen

Inhalt:

In Boothbay Harbor, einem kleinen Fischerörtchen in Maine, führt Lolly ein gemütliches Bed & Breakfast. Die Gäste schätzen die nette Atmosphäre und das gute Essen. Und sie lieben die Kinoabende: Denn jeden Freitag zeigt Lolly einen Film - immer mit Meryl Streep, ihrer Lieblingsschauspielerin.
Diesen Sommer sind auch ihre Tochter und die beiden Nichten angereist. Alle drei bringen ganz eigene Sorgen und alte Verletzungen mit: Nur langsam fassen sie wieder Vertrauen zueinander. Sie sitzen zusammen vor der Leinwand, lachen und weinen miteinander und merken allmählich: Die Filme geben Antworten auf viele Fragen im Leben. Und das Leben stellt große Fragen in diesem unvergesslichen Sommer am Meer…

Rezension:

Lolly ist Inhaberin einer Frühstückspension in dem Fischerort Boothbay Harbor. Als ihre Schwester und deren Ehemann sowie ihr eigener Ehemann in einer Silvesternacht verunglückten, zog sie ihre Tochter Kat sowie ihre beiden Nichten Isabel und June bei sich auf.

Diesen Sommer lädt sie die jungen Frauen, die nie ein inniges Verhältnis zueinander entwickelten, zu sich ein, um ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen.

Kat ist leidenschaftliche Hobby-Bäckerin und träumt von ihrem eigenen kleinen Geschäft. Sie konnte sich jedoch nie von ihrer verwitweten Mutter abnabeln und unterstützt sie bei der Bewirtung der Gäste der Pension.
June ist sehr jung Mutter geworden und arbeitet gerne einem Buchladen. Sie leidet darunter, dass ihr Sohn Charlie seinen Vater, von dem sie keine Kontaktdaten hat, kennenlernen möchte und versucht diesen ausfindig zu machen.
Isabel hat ihren Mann kurz vor ihrem zehnten Hochzeitstag und einen Tag vor der Abreise zu Lolly mit seiner Affäre in flagranti erwischt.

Alle vier Frauen bringen ihr eigenes Schicksal mit an den Ort, an dem sie vor Jahren bereits zusammenlebten.

Der Roman wird wechselnd aus der Perspektive einer der Frauen geschildert, weshalb man einen guten Einblick in die Gefühlswelt jeder einzelnen erhält. Die Autorin ist bekennender Fan der Schauspielerin Meryl Streep und verarbeitet ihre bekannten Kinofilme in diesem Buch, in dem die Frauen regelmäßig Filmabende veranstalten, bei welchen die Filme besprochen werden. Oft ergeben sich dabei Parallelen zu ihren eigenen Leben und in Teilen können die Filme sogar bei der Bewältigung der eigenen Probleme behilflich sein.

Das Buch ist in meinen Augen ein typischer Frauenroman. Die Protagonisten sind gebeutelt vom Schicksal, raufen sich in einer Notsituation zusammen und am Ende wird alles gut werden. Klingt ein wenig kitschig, ist es zwischendurch auch wirklich. Die Involvierung der Filme von Meryl Streep ist ein interessantes Stilmittel, das aber nur allzu vorhersehbar eingesetzt wird, um den Frauen ihr eigenes Leben vor Augen zu führen oder sie zu einer bestimmten Entscheidung zu bewegen. Auch wenn das Ende und ein Happy End für die jungen Frauen absehbar ist, hat mich das Buch bis auf so manch seichte Situation und das antiquierte Männer-/ Frauenbild letztendlich doch noch gut unterhalten.


Freitag, 2. September 2016

Buchrezension: Michel Bussi - Das verlorene Kind

Inhalt:

Malone ist ein ganz normaler Junge. Er spielt gerne mit seinem Stofftier und liebt es, Geschichten zu erfinden. Oder sagt er etwa die Wahrheit, wenn er behauptet, dass die Frau, bei der er lebt, nicht seine leibliche Mutter ist? Keiner glaubt ihm. Keiner außer dem Schulpsychologen Vasile, dem es nach und nach gelingt, aus Malones Erinnerungsfetzen, die Wahrheit zusammenzusetzen. Doch plötzlich ist sein Leben in größter Gefahr und das von Malone.

Rezension:

Ein Schulpsychologe wird auf den kleinen Malone aufmerksam, der stets sein Stofftier Gouti mit sich herumträgt und behauptet, seine Maman sei nicht seine richtige Maman.
Es gibt allerdings keine Anzeichen dafür, dass das Kind schlecht behandelt wird oder seine Eltern es nicht lieben. Malone wächst geradezu überbehütet von Amanda auf.

Da die Erzählungen von Malone über Menschenfresser, Wälder, Piraten und einem viertürmigen Schloss aber so detailliert und immer gleichlautend sind, ist der Psychologe Vasile überzeugt, dass ein so kleines Kind diese nicht einfach erfinden kann. Nachdem die Schulleiterin die Kompetenz des Psychologen in Frage zu stellen scheint und sich für sie auch im Gespräch mit den Eltern kein Zweifel ergibt, dass Malone nicht das Kind seiner Eltern sein könnte, wendet sich Vasile an die Polizei.

Commandante Marianne Augresse ist derzeit aber mit einem ganz anderen spektakulären Fall eines Raubmords beschäftigt, weshalb sie die Sorgen des Psychologen nicht so ernst nimmt, aber zumindest einen Praktikanten damit beauftragt, Nachforschungen zur Familie zu betreiben.

In der Zwischenzeit gibt es Fortschritte bei den Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Raubmord. Die Polizei hat die Verdächtigen aufgespürt und ist den Tätern auf der Spur, wird aber immer wieder ausgetrickst.

Voller Spannung verfolgt man als Leser die beiden Handlungsstränge und ahnt, dass beide Fälle in einem Zusammenhang stehen müssen. Die Handlungsgeflechte sind auf den ersten Eindruck aufgrund der Erklärungen zur Funktionsweise des kindlichen Gehirns und der unterschiedlichen Motivation der Täter und handelnden Personen vielschichtig und verworren, werden aber Stück für Stück logisch gelöst.

Neben der Auflösung der Kriminalfälle bildet aber auch die Mutterrolle einen wichtigen Aspekt des Romans, der den Leser vor folgende Fragen stellt: Wie weit geht eine Mutter um ihr Kind zu schützen? In wiefern wird ein Kind missbraucht und manipuliert, um ein Verbrechen zu decken? Welchen Einfluss hat in diesem Zusammenhang die ungewollte Kinderlosigkeit von Frauen?

Das Ende, das mit dem Privatleben der Commandante zusammenhängt, ist untypisch für einen Kriminalroman, aber gerade deshalb hat er mir so gut gefallen, da "Das verlorene Kind" nicht mit einem klassischen Showdown Gut gegen Böse endet.

Fazit: Ein kriminologisch spannendes und psychologisch faszinierendes, rundum gelungenes Buch.