Montag, 30. Oktober 2023

Buchrezension: Daniela Aring - Sterne über Berlin

Inhalt:

Das Licht umstrahlt die Berliner Lampenkünstlerin Indica wie Magie. Das bemerkt auch René, als er eines von Indicas berühmten Lichterfesten besucht. Als sie sich treffen, sind beide auf der Suche: René braucht dringend ein Zuhause, nachdem er fünf Jahre als Kriegsreporter durch die Welt gereist ist. Denn nur mit einer Wohnung bekommt er das Sorgerecht für seine Tochter. Und Indica benötigt einen Untermieter, um ihre heißgeliebte Altbauwohnung nicht zu verlieren. Kurzentschlossen zieht René bei Indica ein. Aber was als reine Zweckgemeinschaft begann, entwickelt sich schnell zu einer echten Liebesbeziehung. Doch sowohl Indica als auch René werden von Erinnerungen verfolgt, die ihrem Glück im Weg stehen. Ist ihre Liebe stark genug, um die Vergangenheit zu überwinden? 

Rezension: 

Indica Lumina Stern ist bei ihrem Großvater in Berlin aufgewachsen, nachdem ihre Mutter sie als Baby einfach vor seiner Wohnung zurückgelassen hatte. Als sie Ende 20 ist, stirbt ihr Großvater und drei Jahre später trauert sie immer noch um ihn und kann seine alten Sachen nicht loslassen. Indi arbeitet als Lichtkünstlerin, womit sie sich kaum über Wasser halten kann. Ihre beste Freundin Judith überredet sie deshalb dazu, einen Untermieter für die Fünf-Zimmer-Altbauwohnung in Kreuzkölln zu suchen. René Lasalle ist nach seiner Rückkehr aus Syrien als Kriegsreporter auf der Suche nach einer Wohnung, um eine Chance für das gemeinsame Sorgerecht seiner Tochter zu erhalten. Die beiden hatten sich auf einem von Indis Lichterfest kennengelernt und auf Anhieb sympathisch gefunden. Nachdem René bei ihr eingezogen ist, kommen sie sich schnell näher, halten sich jedoch in letzter Konsequenz auf Distanz, denn auf beiden lastet die Vergangenheit, die sie noch nicht verarbeitet haben und die sie daran hindert, sich auf eine Liebesbeziehung einzulassen. 

Das Buch ist aus den Perspektiven beider Hauptfiguren geschrieben, jeweils eine bewegende, traumatische Vergangenheit hinter sich haben. Sie verlieben sich ineinander und stehen damit vor der Frage, ob ihre Liebe ihre Wunden heilen kann oder ob sie sich mit ihren Belastungen gegenseitig zerstören.
Das klingt dramatisch, ist aber aufgrund der schweren Themen wie Tod und Trauer, Krieg und Rassismus, Trennung, Enttäuschungen und Vernachlässigung, gerechtfertigt.
Beide Charaktere müssen sich erst der Vergangenheit stellen, den Schmerz zulassen und verarbeiten sowie sich selbst verzeihen, um zu gesunden und bereit für eine Beziehung zu sein.

Die Liebesgeschichte entwickelt sich nach einem rasanten Beginn aufgrund der vorliegenden Hemmnisse nachvollziehbar langsam und damit sehr authentisch.
Die Symbolik von Licht und Dunkelheit, von einem Strahlen, das magisch von der Lichtkünstlerin ausgeht und den Kriegsreporter fasziniert, gibt der Geschichte einen kreativen Rahmen. Die Lichtilluminationen sind anschaulich beschrieben und geben der problembehafteten Geschichte etwas Hoffnungsvolles.

"Sterne über Berlin" ist schwermütig, aber auch tiefsinniger als anfangs gedacht. Es ist eine Geschichte über Liebe, Selbstfürsorge und Verzeihen, die vor dem Hintergrund des Krieges in Nahost tagespolitisch aktuell ist.

Samstag, 28. Oktober 2023

Buchrezension: Ragnar Jónasson - FROST (Hulda-Helgi-Serie, Band 1)

Inhalt:

Ein altes Sanatorium. Ein entschlossener Ermittler. Ein ungelöstes Rätsel: Die Fortsetzung der großen HULDA-Trilogie von Ragnar Jónasson, in der der junge Kommissar Helgi Reykdal in den Fokus rückt – jener junge Mann, für den Kommissarin Hulda Hermannsdóttir in "DUNKEL" ihren Schreibtisch räumen musste. Helgi untersucht eines der größten Rätsel der isländischen Kriminalgeschichte, einen Cold Case: die Todesfälle im Tuberkulose-Sanatorium. 1983 waren dort, im eisigen Norden Islands, eine Krankenschwester und der Chefarzt umgekommen. Was ist 1983 wirklich geschehen? Und wurde die damalige Ermittlerin Hulda zum Schweigen gebracht?

Rezension:

In einem ehemaligen Sanatorium für Tuberkulosepatienten kommen im Jahr 1983 zwei Menschen ums Leben. Eine Krankenschwester wurde ermordet, der Tod eines Arztes als Selbstmord und Geständnis für die Tat deklariert.
Knapp 30 Jahre später schreibt Helgi im Rahmen seines Studiums seine Abschlussarbeit in Kriminologie und führt dazu Gespräche mit den verbliebenen Angestellten, die zum Zeitpunkt der Todesfälle in dem Sanatorium arbeiteten und mitunter in den Fokus der Ermittlungen geraten waren.
Als sich in diesem Umfeld ein weiterer Mord ereignet, befindet sich Helgi früher als gedacht als neuer Kommissar in den Ermittlungen und wittert eine Verbindung zwischen dem Kriminalfall von 1983 und dem gegenwärtigen.

Hauptfigur in "FROST" ist Helgi Reykdal, der aus "DUNKEL" bekannt ist und die kurz vor der Rente stehende Kommissarin Hulda Hermannsdóttir gegen ihren Willen ersetzt hat.
Während in der "Hulda"-Trilogie vor allem die düstere Stimmung in dem von Kälte und Einsamkeit geprägten Land vordergründig waren, sind es in diesem Roman die zahlreichen Perspektivwechsel und die verschiedenen Blickwinkel der handelnden Personen, die allesamt undurchsichtig sind und etwas zu verbergen scheinen.
Durch Helgis Befragungen wird deutlich, wie stümperhaft die Polizei 1983 ermittelt hat, die sich auf den erstbesten Verdächtigen gestürzt hat. Der Fall ist spannend geschildert, ein Motiv und Täter nur schwer ersichtlich. Handelt es sich um einen Serienmörder und was wurde innerhalb der Polizei vertuscht? Wie viel Schuld trägt jeder einzelne und handelt es sich bei dem aktuellen Mord um einen verspäteten Akt der Rache?

"FROST" ist eine spannende Ergänzung der "Hulda"-Trilogie, kann aber auch unabhängig von der Buchreihe gelesen werden. Durch die schnellen Wechsel der Perspektiven und Zeitebenen ist der Roman, der wiederum mehr Krimi als Thriller ist, dynamisch und spannend aufgebaut. Die Charaktere sind überwiegend keine Sympathieträger, tragen jedoch durch ihr undurchsichtiges Verhalten, durch Lügen und Manipulation zu einem schwer durchschaubaren Fallkomplex bei. Helgi ist durch seine Unverbrauchtheit als Polizist und durch sein nicht einfaches Privatleben eine interessante Figur, die Potenzial für weitere Bände bietet.

Freitag, 27. Oktober 2023

Buchrezension: Chris Whitaker - Was auf das Ende folgt

Inhalt:

Tall Oaks ist eine perfekte kalifornische Kleinstadt. Jeder kennt jeden und das Böse ist hier fremd. Die idyllische Fassade bekommt Risse, als der dreijährige Harry Monroe eines Nachts spurlos verschwindet. Trotz des riesigen Medienrummels und der besessenen Polizeiarbeit bleibt sein Schicksal ein Rätsel. Harrys verzweifelte Mutter stürzt sich in eine Suche, die mit jedem Tag aussichtsloser erscheint, während sie ihre Trauer mit Alkohol und Männern zu betäuben versucht. In Tall Oaks ist nichts mehr, wie es war. Hinter ihrem Mitgefühl verbergen die Bewohner eigene Geheimnisse. Jeder in Tall Oaks wird zum Verdächtigen, und ungeheuerliche Dinge kommen ans Licht, die die Stadt für immer verändern. 

Rezension: 

Trotz der Sicherheitsmaßnahme eines Babyfons mit Kamera wird der dreijährige Harry Monroe eines Nachts aus seinem Kinderzimmer in Tall Oaks entführt. Die Mutter Jess sieht den als Clown maskierten Entführer, weitere Spuren gibt es nicht. Auch Wochen später hört sich der Sheriff der Stadt die Tonbänder der Befragungen an und Jess hängt weiterhin Vermisstenplakate auf. Ihre Verzweiflung ertränkt sie in Alkohol und wechselnden Liebschaften. 
Während sich der ein oder andere Bewohner der Stadt Gedanken um Harry macht und ob man hier noch sicher sein kann, hat jeder von ihnen mit persönlichen Problemen zu kämpfen. 

Sehr lange habe ich gebraucht, um in den Roman hineinzufinden, denn die Vielzahl an Charakteren ist überfordernd. Die Perspektiven wechseln wahllos innerhalb der Kapitel, eine Kennzeichnung gibt es nicht. Zudem scheinen die einzelnen Episoden von den Menschen, die in der Kleinstadt leben, kaum einen Zusammenhang zu haben. 
Da ist einerseits die Mutter Jess, die von ihrem Ehemann Michael getrennt lebt und den Verlust ihres Kindes nicht verkraftet. Sheriff Jim bemitleidet sie und macht sich gleichzeitig Vorwürfe, dass er mit den Ermittlungen bisher nichts erreicht hat. 
Teenager Manny läuft im Dandy-Look durch die Stadt, gibt sich als Gangster aus und möchte Schutzgeld erpressen. Mannys Mutter datet einen Autohändler, was Manny nicht geheuer ist. Der übergewichtige Jerry leidet unter seiner herrischen, todkranken Mutter, die er pflegt. Heimlich ist er in die Verlobte seines Chefs verliebt. 

"Was auf das Ende folgt" ist das Porträt einer Kleinstadt, in der ein Verbrechen geschieht, was die Einwohner zumindest temporär erschüttert, bis das Medieninteresse nachlässt. Dann sind es nur noch die nahen Angehörigen und Betroffenen, die sich mit dem unerklärlichen Entführungsfall beschäftigen. 
Die polizeilichen Ermittlungen spielen in dem Roman eine eher untergeordnete Rolle. Die Schicksale jedes einzelnen Charakters treten dagegen in den Vordergrund. Die überwiegende Mehrzahl von ihnen ist skurril und hat seine Eigenarten. 
Die Geschichte ist vielschichtig und abwechslungsreich, jedoch lange verwirrend und zusammenhanglos, was ermüdend ist. Erst nach der Hälfte des Romans konnte mich die Geschichte mehr packen, hatte ich eine tiefere Vorstellung von den Protagonisten und wie sie miteinander zusammenhängen. Aufgrund der einzelnen leidvollen Erzählungen mutet der Roman etwas deprimierend und bitter an, für Schmunzeln sorgen jedoch Mannys Aktionen und markige Sprüche. 
Spannend bleibt bis zum Schluss, was es mit der Entführung von Harry auf sich hat, ob dieser noch lebt und zurück zu seiner Mutter kommt. Die sehr kurzen Abschnitte je Perspektive stören jedoch durchgehend den Lesefluss. 

Mittwoch, 25. Oktober 2023

Buchrezension: Olivia Ford - Der späte Ruhm der Mrs. Quinn

Inhalt:

Jennifer Quinn hätte nie gedacht, dass in ihrem Leben noch etwas Aufregendes passiert. Seit fast sechzig Jahren ist sie glücklich mit Bernard verheiratet, und die beiden genießen ihre beschaulichen Tage in einem kleinen englischen Dorf. Mrs. Quinns Leidenschaft ist das Backen, die vielen Familienrezepte gehören zu ihren wertvollsten Erinnerungen, und sie liebt es, Freunde und Familie mit ihren Köstlichkeiten zu verwöhnen. Doch kurz vor dem großen Hochzeitstag mit Bernard ist auf einmal alles anders.
Sie fühlt, dass sie noch etwas wagen muss, bevor es zu spät ist. Heimlich bewirbt sie sich für eine beliebte TV-Backshow und erfüllt sich dadurch nicht nur einen großen Traum, sondern setzt auch alles aufs Spiel. Denn was niemand ahnt: In Mrs. Quinns Leben gibt es ein dunkles Geheimnis, das sie jahrzehntelang gut gehütet glaubte, und dem sie sich nun endlich stellen muss. 

Rezension: 

Jennifer Quinn denkt mit 77 Jahren über ihr Leben nach und stellt fest, dass sie der Welt nach ihrem Ableben nichts hinterlassen wird, nachdem die Ehe mit ihrem Mann Bernard kinderlos geblieben ist. Sie ist eine leidenschaftliche Bäckerin und versorgt ihren Mann, Freunde und Nachbarn schon immer mit den Backkünsten ihrer überlieferten Familienrezepte. Als sie die Ausschreibung für die Fernsehsendung "Backduell" sieht, bewirbt sie sich als Kandidatin, um sich einer finalen Herausforderung zu stellen. Ihrem Mann verschweigt sie ihre Kandidatur und das Casting, da sie nicht damit rechnet, tatsächlich weiterzukommen. 
Während Bernard sich Sorgen um ihren Gesundheitszustand macht, fühlt Jenny sich daran erinnert, dass sie ihrem Mann ein noch viel größeres Geheimnis verschweigt, was ihr Gewissen seit Jahrzehnten schwer belastet. 

"Der späte Ruhm der Mrs. Quinn" ist eine warmherzige Geschichte über eine liebenswürdige ältere Dame, die mit ihrem Ehemann seit fast 60 Jahren verheiratet ist und diesen innig liebt. Daneben hat sie eine ungebrochene Leidenschaft fürs Backen, wobei Kuchen und süßes Gebäck ihre Spezialitäten sind und sie mit dem Brot auf Kriegsfuß steht. Für das Backduell möchte sie sich der Herausforderung stellen, vor laufender Kamera zu backen und gegen Konkurrenten in verschiedenen Challenges antreten, um zu beweisen, dass Mut und Backkunst keine Frage des Alters ist. 
Während Jenny immer weiter voranschreitet, ihre liebsten Familienrezepte präsentiert oder kreativ abwandelt, fühlt sie sich mit jedem Kuchen, jeder Quiche und jedem Gebäck immer wieder in die Vergangenheit zurückversetzt und erinnert sich daran, was sie getan hat. Die Erinnerungen schmerzen und sie möchte ihr Geheimnis endlich mit Bernard teilen, um ihr Gewissen zu erleichtern, hat jedoch Angst davor, dass es ihre gute Ehe zerstören könnte. Zudem sorgt sie sich um Bernard, der merklich gealtert und gesundheitliche Probleme hat. 

"Der späte Ruhm der Mrs. Quinn" ist ein empathisch geschriebener Roman über das Älterwerden, über eine lebenslange Liebe und eine große Leidenschaft fürs Backen. Jedes Kapitel steht unter einer anderen Backkreation. Vom Englischen Teekuchen, über Schwarzwälder Kirschtorte und Sandwichbrot bis zur Kaffeetorte sind zahlreiche große und kleine Köstlichkeiten genannt, die zubereitet werden, Appetit machen und/ oder die Neugier wecken, selbst in der Küche aktiv zu werden. Für Jenny haben die Rezepte eine tiefere Bedeutung, erinnern sie an den Alltag mit ihrem Mann, Feierlichkeiten mit Freunden, aber auch an eine Zeit vor der Ehe mit Bernard, die sie erfolglos versucht hat zu verdrängen. Jennys Schuldgefühle sind verständlich, gleichzeitig fühlt man, dass sie zum damaligen Zeitpunkt keine andere Wahl hatte, so zu handeln und hat Verständnis, dass sie den leichtesten Weg gegangen ist, vergessen zu wollen.  

Neben einer Ode ans Backen ist es eine Mut machende Geschichte über Herausforderungen und über die Tatsache, dass es nie zu spät ist, Risiken einzugehen und etwas Neues zu wagen. Es ist jedoch auch ein anrührender, bittersüßer Roman über Fehler der Vergangenheit, über Reue und ein jahrzehntealtes Geheimnis, das mit der Zeit und dem Schweigen darüber immer größer geworden ist. Am Ende muss Jenny entscheiden, ob sie sich durch ein spätes Geständnis Erleichterung verschaffen möchte und darauf hoffen, dass Verzeihen durch Liebe möglich ist. 

Montag, 23. Oktober 2023

Buchrezension: Max Bentow - Engelsmädchen (Ein Fall für Nils Tojan, Band 11)

Inhalt:

Der Berliner Kommissar Nils Trojan kommt einem Rätsel auf die Spur: Warum gibt sich eine Jugendliche fälschlicherweise als ein seit vielen Jahren vermisstes Mädchen aus, kurz bevor sie in den Tod springt? Bei seinen Ermittlungen trifft er auf die Kriminalpsychologin Carlotta Weiss, die unter Lebensgefahr versucht hat, die Jugendliche von dem Sprung abzuhalten. Trojan ist auf Anhieb fasziniert von seiner unkonventionellen Kollegin und bietet ihr an, in dem Fall zusammenzuarbeiten. Während sie gemeinsam versuchen, die mysteriösen Hintergründe des Selbstmords aufzuklären, geraten sie in den Strudel einer Mordserie, der sie unter die Brücken Berlins führt – und Carlotta erneut mit dem schwärzesten Abgrund ihres Lebens konfrontiert. 

Rezension: 

Eine Jugendliche stürzt sich von einem Berliner Hochhaus und nennt vor ihrem Tod Kriminalpsychologin Carlotta Weiss den Namen eines seit fünf Jahren vermissten anderen Mädchens. Kriminalkommissar Nils Trojan vom Berliner LKA bittet Carlotta Weiss um Mithilfe bei der Aufklärung des Suizids, obwohl er von ihrem fragwürdigen Ruf als eigenartige, aber genialische Einzelgängerin weiß. Als ein Täter in Berlin und Umgebung bestialische Doppelmorde begeht, erkennen sie eine Verbindung zu dem suizidalen Mädchen, aber auch zu Carlotta selbst, die eines abends eine Begegnung mit einem Mann hatte, sich aber nicht an alle Einzelheiten erinnern kann. 

"Engelsmädchen" ist der 11. Band aus der Thrillerreihe um den Berliner Kriminalkommissar Nils Trojan, von der ich bisher nur Band 4 "Das Hexenmädchen" gelesen habe. Auch ohne die genauen Hintergründe zu Nils Trojan privat zu kennen, ist das Lesen der Einzelbände unabhängig von einander möglich. 
"Engelsmädchen" ist der erste Band, in dem Trojan mit Kriminalpsychologin Carlotta Weiss an seiner Seite ermittelt. Diese nimmt in dem Roman einen großen Anteil ein, so dass es sich vermutlich um die Einführung einer neuen, dauerhaften Figur handeln könnte. 

Der Kriminalfall ist undurchsichtig und spannend aufgebaut. Lange ist nicht zu erahnen, wie der Suizid des unbekannten Mädchens, der Fall des vermissten Mädchens und die Doppelmorde zusammenhängen könnten. Fraglich ist auch, inwieweit die Kriminalpsychologin selbst verwickelt ist und den Täter kennen könnte. 

Die Ermittlungen sind zurückhaltend beschrieben, Nils Trojan bleibt eher im Hintergrund. Die Aufklärung des Falls stützt sich fast ausschließlich auf die Intuition und die fragwürdigen Ermittlungsmethoden von Carlotta Weiss, die nicht teamfähig ist und im Alleingang handelt. Dabei wirkt sie nicht nur sozial gehemmt, sondern wie ein Medium, das annähernd hellseherische Fähigkeiten hat. Statt klassischem Profiling wird bei den Ermittlungen viel spekuliert und (richtiges) Raten ohne die Auswertung konkreter Spuren zur Aufklärung der Herangehensweise des Täters verwendet. Zudem geht Carlotta Weiss' Vorgehensweise weit über Polizeiarbeit hinaus, agiert sie doch mehr als hemdsärmelig und wenig regelkonform.    

"Engelsmädchen" ist ein spannender Thriller mit blutigen und grausam inszenierten Morden, der in die Abgründe menschlicher Seelen blicken lässt und mit Kriminalpsychologien Carlotta Weiss eine interessante, aber auch umstrittene Figur als handelnden Akteur einführt. Die Aufklärung des Falls hätte ich mir etwas realitätsnäher und weniger spekulativ und gewaltexzessiv durch die Polizei gewünscht. Des Weiteren wird nicht deutlich, aus welchem Grund der Täter zu diesem Zeitpunkt so gewalttätig in Erscheinung tritt, auch wenn das Motiv der Person zumindest schlüssig ist. 

Samstag, 21. Oktober 2023

Buchrezension: Julie Caplin - Das kleine Schloss in Schottland (Romantic Escapes, Band 9)

Inhalt:

Izzy McBride hätte nie damit gerechnet, von ihrem Großonkel ein Schloss zu erben. In der Vorweihnachtszeit reist sie nach Schottland – nur um festzustellen, dass es sich bei dem Anwesen um eine einzige Baustelle handelt. Es wird viel Zeit und Geld kosten, bis daraus ein einladendes Bed&Breakfast wird. Denn genau das ist der Plan von Izzys übereifriger Mutter. Und damit etwas Geld in die Kasse fließt, hat diese bereits ein Zimmer an den gut aussehenden Autor Ross Adair vermietet. Für Izzy ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn während sich der erste Schnee über die schottischen Highlands legt, versucht sie, das Anwesen zu einem gemütlichen Ort zu machen – bevor sie über die Feiertage einschneien. 

Rezension: 

Izzy McBride hat von ihrem Großonkel Bill ein Schloss in den schottischen Highlands geerbt, das sie zu einem Boutique-Hotel umfunktionieren möchte. Als sie vor Ort ist, hat sich bereits ihre exzentrische Mutter Xanthe dem alten Gemäuer angenommen, versucht es mit geringen Mitteln aufzuhübschen und zur Finanzierung ein Zimmer an den schmallippigen Geschichtsprofessor Ross Strathallan vermietet, der dort in Ruhe ein Buch schreiben möchte. Auch für die Weihnachtszeit haben sich unerwartet zahlende Gäste angekündigt. Izzy ist überrumpelt, aber auch froh über die Finanzspritze, die sie dringend gebrauchen kann, denn das Schloss ist renovierungsbedürftiger als gedacht. 
Gemeinsam mit Verwalter, helfenden Händen aus dem Dorf und gestrandeten Campern packen alle mit an, um das Schloss für Weihnachten angemessen zu präsentieren. 

"Das kleine Schloss in Schottland" ist Band 9 der Buchreihe "Romantic Escapes", deren Teile unabhängig von einander gelesen werden können, wobei es wiederkehrende Charaktere gibt, die die Bücher miteinander verbinden. So ist Izzy ein Nebencharakter der irischen Kochschule aus Band 7 "Das kleine Cottage in Irland". 

Band 9 ist eine RomCom, in der Weihnachten allmählich Einzug hält. Izzy steht vor der Herausforderung das in die Jahre gekommene Schloss für die Weihnachtszeit zu renovieren und herauszuputzen, um Gäste zu beherbergen. Ihre resolute Mutter reißt dabei das Konzept an sich, weshalb die Zahl der Gäste stetig steigt. Izzy, die zunächst gedacht hatte, das Projekt allein mit ihrer Mutter zu stemmen, kann sich auf ein zusammengewürfeltes Team an Menschen verlassen, die in dem Schloss ein Zuhause gefunden haben.

Passend für eine weihnachtliche Lektüre ist es warmherzig zu lesen, wie die unterschiedlichen Charaktere zu einer Familie zusammenwachsen. Für die Romantik sorgt Izzys Love Interest Ross, der Geheimnisse birgt und durchgehend unnahbar und distanziert wirkt.

Neben Renovierung und Kochen ereignet sich in der Geschichte nicht viel. Ohne Höhen und Tiefen oder größere Schwierigkeiten steuert man auf Weihnachten zu. Für etwas Unterhaltung sorgt Izzys überdrehte Mutter, sonst wäre die Geschichte arg belanglos.

Weihnachtliche und romantische Stimmung wird durch das Schloss in den verschneiten Highlands vermittelt. Die Liebesgeschichte ist sehr zurückhaltend und wird durch das rätselhafte Verhalten des Autors ausgebremst, der sich weiter zurückzieht je näher Izzy ihm kommt.
Als Ferienlektüre ist "Das kleine Schloss in Schottland" ganz nett, aber ohne Dramatik und Emotionen auch völlig anspruchslos und banal.


Freitag, 20. Oktober 2023

Buchrezension: Emily Stone - Jedes Jahr im Winter

Inhalt:

Jedes Jahr zum Fest der Liebe begegnet Cassie dem Mann, mit dem sie bereits ihre Kindheit verbracht hat. Dem Mann, den sie schon immer heimlich liebte und der stets unerreichbar schien. Doch ein einziger Kuss an einem verschneiten Wintertag könnte alles zwischen ihnen verändern. Plötzlich scheint mehr als nur Freundschaft möglich. Wäre da nicht das Leben, das sie immer und immer wieder auseinandertreibt. Doch dann geschieht das Unvorstellbare: Ein furchtbarer Schicksalsschlag führt die beiden wieder zueinander und droht ihre Liebe für immer zu brechen. 

Rezension: 

Cassie und Tom waren noch Kinder, als ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Der Verlust hat die beiden nur noch mehr zusammengeschweißt. Als großer Bruder hat Tom Cassie stets beschützt, für sie ist er ihr Fels in der Brandung. Jedes Jahr zu Weihnachten veranstaltet er eine Schnitzeljagd für sie, mit der er sie aus ihrer Komfortzone locken möchte. 
Sam ist Toms bester Freund und seit Jahren an der Seite der beiden Geschwister. Eines Winters kommt es zu einem Kuss, der alles verändert. Sam weist Cassie zurück, doch wegen Tom kommen sie nicht umhin, sich immer wieder zu treffen. 
Ein schreckliches Ereignis zerbricht endgültig das Band, das zwischen Cassie und Sam war, denn Cassie kann Sam nicht verzeihen und er sich selbst auch nicht. 
Als sich Cassie ein letztes Mal auf Schatzsuche begibt, ist es für sie eine besonders emotionale Reise, die am Ende eine zweite Chance für Liebe bedeuten könnte. 

Der Originaltitel "One last Gift" ist wesentlich treffender als "Jedes Jahr im Winter", denn die Geschichte handelt nicht nur im Winter, sondern erstreckt sich über mehrere Jahre zu allen Jahreszeiten und Toms letztes Geschenk hat für die Handlung und Cassies weitere Entwicklung eine ganz besondere Bedeutung. 

Es ist eine emotionale Geschichte über Trauer und Verlust, über Geschwisterliebe, Freundschaft und Liebe. Vordergründig sind die traurigen Motive, weshalb stets ein Hauch von Melancholie in der Geschichte mitschwingt. Jedoch ist von Anbeginn zu spüren, dass Cassie eine Entwicklung durchmachen wird, dass sie durch und für Tom Risiken eingehen und über sich selbst hinauswachsen wird. 
Abwechselnd aus den Perspektiven von Cassie und Sam geschildert, kommt man auch der männlichen Hauptfigur näher, die verletzlich ist und selbst mit einem Verlust zurecht kommen muss. 

Es ist eine wunderschön rührselige Geschichte, die zu Herzen geht und die mit den Protagonisten und ihren Schicksalen mitfühlen lässt. Die Botschaft, mutig zu sein und sich von seiner Angst nicht ausbremsen zu lassen, wird anschaulich auf Cassies Weg dargelegt.
Während die Liebesgeschichte zunächst hintergründig ist und man sie fast sehnsuchtsvoll erwartet, ist es vor allem ein Roman über Trauerbewältigung, Selbstfindung und Freundschaft. Dieser erhält durch Cassies Schatzsuche, die sie auf unterschiedliche Wege und an verschiedenste Orte führen wird, abseits aller Emotionalität eine unbeschwertere und abwechslungsreiche Komponente, die für einen originellen Rahmen sorgt. 

Mittwoch, 11. Oktober 2023

Buchrezension: B. K. Borison - Lovelight Farms: Lichterglanz (Lovelight-Serie, Band 1)

Inhalt:

Stella begreift schnell, dass es mehr braucht als heiße Schokolade und funkelnde Lichter, um die Finanzen ihrer kleinen Weihnachtsbaumfarm zu sichern. Kurzerhand nimmt sie am Wettbewerb einer berühmten Influencerin teil, um Lovelight Farms mit dem Preisgeld von 100.000 Dollar zu retten. Es gibt nur ein Problem: Um ihre Gewinnchancen zu maximieren, hat Stella bei der Bewerbung angegeben, dass sie die romantische Farm zusammen mit ihrem festen Freund führt – doch den gibt es nicht. Als Stella in die Endrunde kommt, liegt ihre letzte Hoffnung auf ihrem besten Kumpel Luka. Der macht sofort mit – und zwar viel zu gut. Und auf einmal steht nicht nur die Zukunft der Weihnachtsbaumfarm auf dem Spiel. 

Rezension: 

Stella ist Inhaberin einer Christbaumfarm, die sie sich aus einer romantischen Vorstellung gekauft hat. Als sie die Ausschreibung zu einem Wettbewerb einer Influencerin sieht, bewirbt sie sich, um mit mehr Werbung die Farm aus den roten Zahlen zu holen. Um sich nicht als alleinige traurige Inhaberin zu präsentieren, hatte sie angegeben, die Farm gemeinsam mit ihrem Lebenspartner zu führen - doch den gibt es nicht. Nachdem ihr Geschäftspartner Beckett sich weigert, öffentlich eine Beziehung vorzugaukeln, bittet sie ihren besten Freund Luka um Hilfe, für den Stella seit Längerem mehr als nur Freundschaft empfindet. Bereits in den Tagen und Wochen vor Eintreffen der Influencerin kommen sich Stella und Luka näher, während Unbekannte Stellas Farm sabotieren. 

"Lichterglanz" ist Band 1 der Buchreihe "Lovelight Farms", in der Stella und Luka zur Rettung der Farm ein Liebespaar mimen.
Dabei ist in Bezug auf Stella, aus deren Perspektive der Roman geschrieben ist, von Anbeginn klar, dass sie mehr als nur Freundschaft für ihren besten Freund Luka empfindet und auch Luka scheint nur darauf gewartet zu haben, Stella näher zu kommen.

Stella ist eine sympathische Hauptfigur, die sich mit dem Kauf der Farm einen nostalgischen und romantischen Traum verwirklicht hat. Dass die Farm von einem Unbekannten sabotiert wird, sorgt für ein Quäntchen Spannung in der letztlich vorhersehbaren (Liebes-)geschichte. Dabei verhält sich Stella jedoch arg naiv und überzeugt nicht gerade als verantwortliche Geschäftsfrau, indem sie Mitleid für den Täter empfindet und eine Bestrafung in Frage stellt.

Die Geschichte entwickelt sich sehr langsam. Bis die Influencerin endlich auf der Farm erscheint und ein wenig weihnachtliche Stimmung Einzug hält, dauert es zwei Drittel des Romans, das einem ausdauernden Vorspiel gleicht. Bis Stella und Luka ihrem Verlangen nachgeben, wird gebrummt, geknurrt, gequiekt, gestöhnt, gesaugt. Die Liebessequenzen werden reichlich ermüdend über mehrere Seiten beschrieben.
Im Vergleich dazu nehmen Farm und Wettbewerb vergleichsweise wenig Raum ein und insbesondere der Besuch der Influencerin verläuft am Ende im Sande. Erst spät erhält man eine plastischere Vorstellung von der Farm, der Wettbewerb bleibt jedoch vage und planlos. Gegen wen sich Stella durchsetzen muss oder was das Ziel ist, um die stattliche Summe von 100.000 Dollar zu gewinnen, ist rätselhaft und lässt die Geschichte oberflächlich erscheinen.

Der Rahmen der Geschichte mit Weihnachtsbaumfarm und Kleinstadtfeeling, in der jeder jeden kennt, hat mir gut gefallen, auch wenn das Potential nicht ganz ausgeschöpft wurde. Die Friends-to-Lovers-Story ist statt Weihnachtsstimmung, Sorgen um die Existenz der Farm und Fakebeziehung vordergründig, aber wenig originell oder überraschend. Das ewige Hin und Her der Hauptfiguren ist am Ende genauso enervierend wie die pikanten Sexszenen, für ausgerechnet die es auch noch ein Bonuskapitel gibt. 
Die liebenswerten Nebencharaktere, die in weiteren Bänden in den Vordergrund rücken, machen neugierig auf weitere Liebesgeschichten im Umfeld der Farm in Inglewild.

Dienstag, 10. Oktober 2023

Buchrezension: Audrey Burges - Das Wunder der kleinen Dinge

Inhalt:

Vom Dachboden ihres Häuschens in den Bergen Arizonas verzaubert die 34-jährige Myra tausende Menschen mit ihrem Blog über ihr Miniatur-Herrenhaus. Seit einem Unfall in ihrer frühen Kindheit lebt Myra zurückgezogen und steckt all ihre Zeit und Liebe in die "Villa Liliput", die ein seltsames Eigenleben zu führen scheint. 
Auf der anderen Seite der USA entdeckt der Möbelhändler Alex eines Tages durch Zufall Myras Blog – und ist wie vom Donner gerührt: Bis ins kleinste Detail gleicht das Modell seinem Elternhaus, das seiner Großmutter gehörte, bevor sie vor Jahrzehnten unter mysteriösen Umständen verschwand. 
Welches Geheimnis vereint die beiden Häuser – und welche Geschichte kann Myra und Alex verbinden?

Rezension:

Myra Malone ist eine Einsiedlerin, die ihr Haus nie verlässt und sich stattdessen zurückgezogen auf ihrem Dachboden ihrer Miniatur-Villa widmet, die sie von ihrer verstorbenen Stiefoma geerbt hat. Liebevoll bastelt und näht sie Möbel und Accessoires und gestaltet die Zimmer der Villa Liliput regelmäßig um. Auf Anraten ihrer Freundin Gwen bloggt sie darüber und stößt damit online auf großes Interesse. 
Alex ist zu seinem kranken Vater zurückgekehrt, um ihn in seiner Möbelhandlung Rakes and Son zu unterstützen. Durch eine Kundin wird er auf Myras Blog aufmerksam und stellt fest, dass ihr Puppenhaus - wie sie es selbst nie bezeichnen würde - ein Muster seines Elternhauses ist. Er möchte wissen, was es damit auf sich hat und ob er eine Klärung für das mysteriöse Verschwinden seiner Großmutter finden kann und kontaktiert Myra, die jede Verbindung zu anderen Menschen scheut. 

"Das Wunder der kleinen Dinge" ist eine einzigartige, kreative Geschichte, die im Jahr 2015 in Arizona bei Myra und Virginia bei Alex handelt. Wie die beiden über ihre Häuser - Myras geliebte Miniaturvilla und Alex von seinem Vater verhasste Elternhaus - zusammenhängen wird durch Rückblenden in die Vergangenheit deutlich.

Es ist eine magische, mysteriöse Geschichte über ein liebevoll gestaltetes Miniaturhaus, das ein Eigenleben führt. Myra, die sich seit sie fünf Jahre alt ist, an die Villa Liliput gebunden hat, wirkt dabei ein bisschen aus der Zeit gefallen und zutiefst verängstigt, um ein eigenständiges, freies Leben zu führen, das die Gesellschaft anderer Menschen einschließt. Doch auch in Bezug auf Alex' Familie ist es eine Geschichte voller Einsamkeit und Schmerz, voller Gräuel und belasteter Eltern-Kind-Beziehungen, die nicht einfach zu durchdringen ist. Man blickt nur schwer hinter die Fassade der Charaktere und möchte das fantastische Rätsel um die Bedeutung und Verbindung von Spiel- und Wohnhaus lüften.

Es ist ein bittersüßer Roman, der bildhaft Myras Villa zum Leben erweckt und ihr Verlorensein greifbar macht. Es ist kein Fantasyroman, aber man sollte offen für ein wenig Magie sein, um ganz in die Geschichte und die jeweiligen Familiendramen eintauchen zu können. Nach einer liebevoll detailreichen Schilderung geht es am Ende recht schnell und lässt nach meinem Empfinden auch noch die ein oder andere Frage offen.

 

Montag, 9. Oktober 2023

Buchrezension: Mhairi McFarlane - Between Us: Die große Liebe kennt viele Geheimnisse

Inhalt:

Schon seit einiger Zeit hat Roisin Walters das Gefühl, ihren Lebensgefährten Joe Powell nicht mehr richtig zu kennen. Seit er als Drehbuchautor immer größere Erfolge feiert, scheinen sie nur noch nebeneinander her zu leben. 
Als dann Joes neuestes Projekt im Fernsehen läuft, ist Roisin richtig geschockt: Ohne zu fragen hat er ein traumatisches Erlebnis aus ihrer Kindheit verwendet! Auch sonst weist der Film viel zu offensichtliche Parallelen zu ihrem Leben und ihrem gemeinsamen Freundeskreis auf. Wie viel von Joe steckt wohl in der zwielichtigen Hauptfigur? 
Roisin will endlich die Wahrheit wissen und bittet ihren Freund Matt um Hilfe. Das stellt nicht nur ihr Liebesleben gründlich auf den Kopf. 

Rezension: 

Roisin und ihre Clique treffen sich anlässlich der Verlobung von Dev und Anita sowie Ginas Geburtstag zu einem gemeinsamen Wochenende in einem luxuriösen Herrenhaus. An dem Samstag wird auch die erste Folge der neuen Serie "Hunter" ausgestrahlt, deren Drehbuchautor Roisins langjähriger Lebensgefährte Joe ist. Das Wochenende entwickelt sich zu einem einzigen Desaster voller Streitigkeiten, die Roisin an der Zukunft ihrer Freundschaft zweifeln lassen. Zudem hinterfragt sie schon seit längerem ihre Beziehung, da Joe seine Karriere offenbar wichtiger ist und taumelt zwischen Wut und Enttäuschung, als ihr bewusst wird, dass Joe für seine Serie intime Details aus Roisins Leben verwendet hat, die sie ihm anvertraut hatte. 
Zusammen mit Matt, der sich aus der Clique zurückgezogen hat, versucht Roisin herauszufinden, wie viel aus Joes Leben tatsächlich in der Serie und insbesondere der untreuen Hauptfigur steckt. 

"Between Us - Die große Liebe kennt viele Geheimnisse" ist eine Geschichte über Liebe und Freundschaft, die jedoch über weite Teile die negativen, schmerzhaften Seiten der zwischenmenschlichen Beziehungen in den Fokus rückt.

Roisin ist die Hauptfigur, die sich einerseits mit der Brüchigkeit von Freundschaft und andererseits mit der Enttäuschung über ihren Freund, mit dem sie seit neun Jahren zusammen ist, auseinandersetzen muss. Die Clique, die sich seit ihrer Studienzeit kennt, hat sich nicht mehr viel zu sagen, Missverständnisse, Streits und Eifersüchteleien stehen an der Tagesordnung. Von ihrem Freund fühlt sich Roisin gedemütigt, verraten und ungeliebt. Seit seinem Erfolg in der TV-Welt zeigt er nur noch wenig Interesse an Roisin. Seine Serie, in der er Erlebnisse aus Roisins Vergangenheit verwendet, ruft zudem unschöne Erinnerungen bei Roisin hervor. Das Sexualleben ihrer Eltern hat sie als Jugendliche verstört und beschämt.
Joes Verrat hat jegliches Vertrauen zerstört, weshalb Roisin ihre Beziehung hinterfragt und für sich klären möchte, inwieweit Joe sie belogen und betrogen hat.

Die Themen des Romans sind bedrückend, was jedoch durch den gewohnt spritzigen Schreibstil und die humorvollen Dialoge ausgeglichen wird und für ein wenig Leichtigkeit sorgt. Durch die Vielzahl an ernsten Themen wie Gaslighting, Lügen, Verrat, Vertrauensbruch, Suche nach Anerkennung, Ende von Freundschaften und Beziehungen sowie problematischen Eltern-Kind-Beziehungen kann keines in der nötigen Tiefe dargestellt werden und lässt den Roman, der zudem als RomCom tituliert wird, etwas überladen negativ erscheinen. 
Die Liebesgeschichte entwickelt sich langsam, was nach all den Enttäuschungen nur natürlich ist. Allerdings mag der Funke zwischen den beiden Hauptfiguren nicht wirklich überspringen, so dass die Friends-to-Lovers-Geschichte nicht wirklich zündet und berührt. 
Insgesamt empfand ich die Geschichte, in der Joe schon von Anbeginn als Lügner entlarvt wird und Roisin sich lange nur halbherzig um Aufklärung bemüht, zu langatmig. 

Samstag, 7. Oktober 2023

Buchrezension: Gilly Macmillan - Die Witwe

Inhalt:

Als sie mehrere Millionen im Lotto gewinnen, ändert sich das Leben von Nicole und Tom über Nacht schlagartig. Das Ehepaar zieht in eine speziell angefertigte hochmoderne Scheune aus Glas, die auf einem wunderschönen Gelände in Gloucestershire steht, und lebt ein Leben im Luxus. Doch der wahr gewordene Traum wird zum Albtraum, als Nicole ihren Ehemann ermordet im Pool auffindet. Nicole ist verzweifelt. Jemand aus ihrem nächsten Umfeld muss für Toms Tod verantwortlich sein. Doch außer dem netten Nachbarspaar und deren Haushälterin gibt es meilenweit niemanden. Nicole fühlt sich beobachtet und bedroht – wie ein Goldfisch, umgeben von Piranhas. 

Rezension: 

Nach einem Lottogewinn in Millionenhöhe kaufen das Ehepaar Nicole und Tom Booth ein Grundstück auf einem großen Anwesen eines Herrenhauses und bauen die Scheune zu einem modernen, smarthome-gesteuerten Glashaus um. Wenige Monate später findet Nicole Tom leblos im Pool vor. Während sie von einem tragischen Unfall ausgeht, ermittelt die Polizei wegen mutmaßlicher Fremdeinwirkung in alle Richtungen. Nicole ist verunsichert und fühlt sich in dem Glashaus, in dem die Technik nicht immer funktioniert, beobachtet. Ein Freund von Tom zieht bei ihr ein und steht ihr in den Tagen nach seinem Tod bei und auch die Nachbarn von nebenan bieten ihre Unterstützung an. 
Die ermittelnden Polizeibeamten trauen keinem der befragten Zeugen auf dem Anwesen, die alle keine soliden Alibis haben und sich überhaupt eigenartig verhalten. 

"Die Witwe" wird aus der Perspektiver fast aller handelnder Akteure geschildert, so dass man als Leser nicht nur einen Überblick über die Geschehnisse sondern auch über die Denkweisen der Charaktere erhält. Die Kapitel sind jeweils kurz und wechseln auch zwischen Gegenwart und Vergangenheit. 
Während Nicole als trauernde Witwe ehrlich wirkt, scheinen alle anderen Figuren etwas zu verbergen zu haben. 
Die erste Hälfte des Romans ist sehr gemächlich, fast schon langatmig. Dem Leser werden dabei die Hauptfiguren vorgestellt, die entweder einfältig und naiv oder manipulativ und raffgierig sind. 
Im zweiten Teil, als mehr Details über die Charaktere und den Morgen von Toms Tod rückblickend bekannt wird, und auch die Polizei mehreren Spuren folgen kann, wird die Handlung dynamischer und mehr Spannung aufgebaut. 

Die Geschichte ist wendungsreich und entwickelt sich in eine andere Richtung, als eingangs zu vermuten ist. Es werden zahlreiche falsche Spuren gelegt, die nach ihrer Aufdeckung weniger raffiniert als vielmehr komisch wirken. Insbesondere eine entscheidende Figur verhält sich nicht nachvollziehbar unglaubwürdig, indem sie nach jahrelanger Passivität plötzlich kämpferisch für sich einsteht und zur Wehr setzt. 

Insgesamt zieht sich die Geschichte arg in die Länge, entwickelt sich zwar unvorhergesehen, aber dabei auch arg konstruiert. Das realitätsferne Verhalten nahezu aller Figuren lassen den Plot am Ende beinahe absurd erscheinen.  

Freitag, 6. Oktober 2023

Buchrezension: Cathy Bramley - Apfelherbst

Inhalt:

Gina arbeitet als Tagesmutter in einem urigen Cottage auf dem Gelände von Evergreen Manor, einem wunderschönen viktorianischen Anwesen, umringt von alten Apfelbäumen. Hier leben auch drei ältere Herrschaften, die den Trubel mit den Kindern genießen und für Gina zur Familie gehören. Als Gina auf der Straße mit dem attraktiven Amerikaner Dexter zusammenstößt, beginnt es sofort zu kribbeln. Doch dann erfährt sie, dass Dexter zu den Eigentümern von Evergreen Manor gehört, die das Anwesen verkaufen wollen. Sie setzt alles daran, dass sie und ihre Freunde hierbleiben dürfen. Während zwischen ihr und Dexter die Fetzen fliegen, muss Gina sich jedoch fragen: Kann sie ihr geliebtes Zuhause retten und ihr Herz noch dazu? 

Rezension: 

Gina hat sich nach ihrer Scheidung in einem Cottage auf dem Anwesen von Evergreen Manor niedergelassen, wo sie als Tagesmutter arbeitet. Sie liebt ihren Beruf und die Kinder, die sie betreut und hat sich auch mit den drei älteren Herrschaften in dem Herrenhaus angefreundet. Diese mögen das Leben, das durch die Kinder auf dem Anwesen herrscht und zusammen ist man inzwischen wie eine große Familie. 
Als die Besitzerin von Evergreen Manor stirbt und die Erben das gesamte Anwesen veräußern möchten, sollen Gina und ihre älteren Freunde, ihren Lebensraum räumen. Gina, die ohnehin darüber nachgedacht hat, sich zu vergrößern, gibt sich kämpferisch und möchte das Anwesen kaufen und zu einem Mehrgenerationenhaus mit Kinderbetreuung und Aktivitäten für Jung und Alt umbauen. Während sie ihre weiteren Schritte plant und auch zu unkonventionellen Mitteln greift, um den Plan der Erben zu torpedieren, kommt dem "Feind", der ein Herz für Kinder hat, näher und entwickelt Gefühle für ihn. 

"Apfelherbst" ist eine warmherzige Geschichte über Neuanfänge, über Freundschaft und Liebe sowie über Selbstwert, den Mut, Risiken einzugehen, an sich selbst zu glauben und seine Träume umzusetzen. Das Buch handelt auch von Trauer und dem Älterwerden, ohne jedoch zu bedrückend zu werden. 
Neben Gina ist es eine Vielzahl der Charaktere, die liebenswert und glaubwürdig sind und zu einer großen Gemeinschaft voller Fürsorge für einander und Solidarität um den Kampf um ein gemeinsames Ziel zusammenwachsen. Die Stimmung, wenn die Blätter fallen, Äpfel aufgesammelt und Brombeeren geerntet werden, Laternen gebastelt und Halloween gefeiert wird, ist passend zur Jahreszeit herbstlich. Es herrscht zudem eine Stimmung von Aufbruch und Geschäftigkeit. 
Der Roman ist ungeahnt vielseitig und abwechslungsreich und schildert authentisch all die großen und kleinen Hürden, die Gina überwinden muss, um an ihr Ziel zu gelangen. Dabei kann sie sich auf die Unterstützung einer ganzen Dorfgemeinschaft verlassen und selbst ein jahrelanges Missverständnis mit ihren Eltern klären, das ihr zusätzlichen Aufwind gibt. So verfolgt man gebannt nicht ob, sondern wie Evergreen Manor gerettet wird und spürt am Ende den Weihnachtszauber, der die ohnehin schon von so viel Gutherzigkeit geprägte Geschichte fast ein wenig zu kitschig werden lässt. 

Es ist eine Wohlfühlgeschichte über Zusammenhalt und eine generationenübergreifende Freundschaft, die zeigt, dass man gemeinsam Großes schaffen kann. Die sich schon zu Beginn abzeichnende Liebesgeschichte fügt sich in den Hauptstrang der Erzählung ein und sorgt vor allem am Ende für Romantik. Es ist eine Geschichte, die sich in Grundzügen nicht überraschend entwickelt, aber voller Hoffnung und Empathie steckt und damit das Herz erwärmt. 

Mittwoch, 4. Oktober 2023

Buchrezension: Jonathan Coe - Bournville

Inhalt:

Die Krönung Elizabeths II., Wembley 1966, der „Schokoladenkrieg“ zwischen England und der EU, James Bond und Prinzessin Diana, Brexit und Pandemie – das sind einige der Fixpunkte im langen Leben der Mary Lamb und ihrer weitverzweigten Familie. Mary ist Herz und Zentrum dieses Romans, als Tochter, Mutter und Großmutter. Das Beispiel von Marys Familie zeigt die Zerrissenheit Englands und gleichzeitig dessen Fähigkeit, in Krisensituationen zusammenzustehen. Nationalismus, latenter Rassismus, Tories oder Labour – die politischen Konflikte ziehen sich auch quer durch die Familie Lamb. Vielstimmig hören wir von Träumen, Enttäuschungen, aber auch vom Glück und der Liebe, die von Mary und den Ihren in der Kleinstadt Bournville gelebt werden. 

Rezension: 

Beginnend mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges werden sieben historische Ereignisse aus der Perspektive der fiktiven britischen Familie Lamb dargestellt. Dabei kommen verschiedene Personen aller Generationen zu Wort. Ein großer Stammbaum zu Beginn des Buches ist deshalb sehr hilfreich, um den Überblick über die handelnden Charaktere zu behalten.

Nach einem Prolog im März 2020, als die Corona-Pandemie das Leben bestimmte, erfolgt ein Rückblick und erzählt die Geschichte der Lambs vor dem Hintergrund historischer Ereignisse wie der Krönung der Queen, der Fußball-WM im Mutterland des Fußballs oder dem Tod von Prinzessin Diana fort.
Dabei fällt es schwer, einen Zugang zu den Figuren zu erhalten, denn die Perspektiven wechseln häufig. In den 75 Jahren Geschichte, die anhand von vier Generationen von Familienmitgliedern erzählt werden, liegt der Fokus mehr auf gesellschaftlichen Ereignissen und was die Figuren von außen erleben, als auf der Familiengeschichte der Lambs, die aufgrund der unterschiedlichen Charaktere, ihrer Ansichten und Verbindungen interessanter und tief gehender hätte gestaltet werden können. Statt einer fortlaufenden Geschichte ist der Roman durch die großen Zeitsprünge und Perspektivwechsel episodenartig geprägt, aber dabei ohne wesentliche Hoch- und Tiefpunkte.  

Der Autor macht Geschichte lebendig und stellt den gesellschaftlichen Wandel dar. Der Roman handelt von Patriotismus, Nationalismus, Rassismus, Europapolitik und enthält damit viele politische Themen. Durch Ironie und einen britische-trockenen Humor ist die Geschichte gerade am Anfang unterhaltsam und entwickelt eine Leidenschaft im Kampf um die britische "minderwertige" Schokolade, um Konflikte zwischen Deutschland und Britannien, England und Wales und die Ablehnung von Premierminister Boris Johnson. Globale Themen spielen in der Familienchronik eine wesentliche Rolle, das Schicksal der einzelnen Familienmitglieder ist dabei kaum relevant, weshalb es der Geschichte, die letztlich mehr Gesellschaftsroman als Familienepos ist,
 an Spannung und Emotionen mangelt. 

Montag, 2. Oktober 2023

Buchrezension: Anna Claire - Die Glücksfrauen: Der Geschmack von Freiheit (Die Glücksfrauen-Saga, Band 1)

Inhalt:

Drei beste Freundinnen – jede von ihnen lebt in Nazi–Deutschland, jede in großer Gefahr. Ein unverzeihlicher Fehler zerstört ihre Freundschaft. Nun, rund 85 Jahre später, erfährt die junge Amerikanerin June, dass ihre verstorbene Großmutter Luise 1936 aus Deutschland in die USA immigriert ist. Außerdem erbt sie ein Restaurant in Manhattan, das ihr aber nur zu einem Drittel gehört. Die anderen beiden Restaurant-Anteile soll June den verschollenen Freundinnen ihrer Großmutter, beziehungsweise ihren Erben zurückgeben. Ohne zu zögern, macht June sich auf die Suche und erfährt auch von dem Bruch zwischen den drei Frauen. Was ist damals geschehen? Und kann June diese Wunde heilen? 

Rezension: 

Nachdem Luise als Widerstandskämpferin in Berlin 1936 die Verhaftung durch die Nationalsozialisten droht, flieht sie nach New York, wo bereits ihr Verlobter Richard auf sie warten. Zuvor gibt sie sich mit ihren beiden besten Freundinnen Anni und Maria, die in Deutschland ebenfalls nicht mehr sicher sind, das Versprechen, das in ihren gemeinsamen Träumen geplante Restaurant in New York zu eröffnen. Als Emigrantin ist es nicht leicht, in Amerika Fuß zu fassen und auch die Sorgen um ihre Freundinnen nehmen zu, als sich die Lage in Deutschland über die Jahre weiter zuspitzt und der Krieg ausbricht. 
Jahrzehnte später tritt June das Erbe ihrer Großmutter Luise in New York an. Erstaunt erfährt sie, dass Luise Inhaberin eines Restaurants war, dass sie jedoch nur zu einem Drittel erbt. Als Auflage soll sie zudem die beiden anderen rechtmäßigen Eigentümerinnen bzw. deren Nachkommen ausfindig machen. June taucht mittels Briefe und Notizen in die Lebensgeschichte ihrer Großmutter ein, die mutig und leidenschaftlich für ihre Träume gekämpft und fern der Heimat ein neues Leben angefangen hat. 

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und erzählt in der Vergangenheit von 1936 bis 1946 die Auswanderung und Heimatfindung von Luise, und in der Gegenwart im Jahr 2023, wie ihre Enkelin June sich auf die Suche nach den ehemaligen Freundinnen ihrer Großmutter macht, um ihr Erbe anzutreten. 

Die Geschichte ist lebendig geschildert, man kann sich in beide Hauptfiguren gut hineinversetzen und mitfühlen. Die historischen Inhalte bilden den Rahmen der Handlung, sind dabei jedoch nicht tiefgehend. Im Vordergrund stehen die persönlichen Schicksale, die Liebes- und Lebensgeschichten der fiktiven Hauptfiguren. 

Die beiden Handlungsstränge sind eng miteinander verflochten. Es gibt viele Parallelen zwischen den Zeitebenen, den Biografien und den Entwicklungen der Hauptfiguren, so dass es zu keinen Brüchen, sondern geschmeidigen Übergängen beim Wechsel kommt. Beide Frauen stehen zwischen zwei Männern, erleben ein Gefühlschaos und schreiten mutig voran, um ihre Ziele zu erreichen, ohne auch bei Rückschlägen an Aufgeben oder Scheitern zu denken. 

Der Roman mag etwas oberflächlich sein und die Kriegsereignisse, Widerstandskampf, den Holocaust und Folgen des Krieges nur am Rande nacherzählen, ist aber aufgrund des einnehmenden, empathischen Schreibstils und der sympathischen und kämpferischen Frauen dennoch kurzweilig und lesenswert.   

Die sich entwickelnden Liebesgeschichten und positiven Aspekte, wie die ersten Wurzeln in Amerika und die Freundschaften zu anderen zupackenden Emigrantinnen überwiegen dabei das Leid, die Heimat verlassen zu haben, die Trauer und die Sorge um geliebte Menschen. So ist der Roman zwar dramatisch, aber nicht betrüblich. Das ungewisse Schicksal von Anni und Marie und die Wunde, die June als Nachlass ihrer Großmutter heilen soll, hält die Spannung zudem auf beiden Erzählebenen aufrecht. 

Mut, Zuversicht, Hoffnung, Loyalität und die Kraft, Dinge anzupacken und im Augenblick zu leben, sind sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart die antreibenden Motive der Frauen und verbreiten eine lebensbejahende Botschaft. Der Roman stellt die Rolle der Frauen im Exil sehr anschaulich und einfühlsam dar und zeigt auf lebendige Art und Weise, dass die Frauen damals häufig mehr Stärke und Initiative bewiesen haben, als die (Ehe-)männer, die sich mit einem Neuanfang in einem fremden Land oftmals schwerer taten.  

Als Band 1 einer Buchreihe lässt der Roman so manchen Handlungsstrang offen, so dass ungeduldig auf den Folgeband gewartet werden muss, der die Lebensgeschichten fortschreibt und voraussichtlich (erst) im Sommer 2024 erscheinen wird.