Mittwoch, 30. November 2016

Buchrezension: Dieter Hermann Schmitz - Die Dackel sterben aus

Inhalt:

Karls eingefahrenes Leben als rheinischer Lokalreporter ändert sich eines Tages schlagartig: Krankheitsbedingt fällt er einige Wochen von der Arbeit aus, seine Schwester liefert ihre Zwillinge im Kindergartenalter bei ihm ab, um sich in Ruhe von ihrem Mann trennen zu können und kurz darauf übernimmt er auch noch für einen Nachbar die Aufgabe, sich um einen dickwanstigen Dackel »Professor Brinkmann« zu kümmern.
Für die Kinder kramt Karl alte Kasperlepuppen heraus und spielt ein paar eigenwillige, politisch unkorrekte und keinesfalls pädagogisch wertvolle Stücke. Die Kleinen sind begeistert. Auch in der Seniorenresidenz seiner Mutter kommt eine Geschichte über Kasperls Oma und Sex im Alter gut an.
Nachdem die alleinerziehende Mutter der kleinen Essi ihn für einen Kindergeburtstag engagiert, ist es endgültig vorbei mit Karls altem Leben …
Mit Tiefgang, Witz und einer Prise Lokalkolorit begleitet die » rheinische Dramödie« Karl auf seinem Weg in einen Neuanfang.

Rezension:

Aufgrund des Covers mit dem typisch deutschen Dackel und des Titels war ich in der Hoffnung auf eine amüsante Geschichte um einen Dachshund neugierig auf das Buch geworden.

Karl ist Lokalreporter im Städtchen Gürben im Rheinland, mit seiner Tätigkeit für das Ressort "Gedöns" allerdings nicht mehr glücklich. Ein dummer Unfall bei einem nächtlichen Ausspähversuch seiner asozialen Nachbarn führt dazu, dass Karl zunächst vier Wochen krankgeschrieben wird. In der Zeit kommt seine Schwester Katja, Mutter von Zwillingen und frisch getrennt von ihrem betrügerischen Ehemann, zurück ins Rheinland. Karl kümmert sich als Ersatzpapa liebevoll um seine "Niften" und entdeckt dabei seine Leidenschaft für das Puppenspielen wieder.

Karl ersteigert online immer mehr Puppen, um sein Repertoire zu erweitern und entscheidet sich dafür, sechs Monate unbezahlten Urlaub zu nehmen, um sich ganz seinem Kasperletheater zu widmen. Nach einem ersten Auftritt bei einem Kindergeburtstag spricht sich sein Talent schnell herum und es folgen weitere Auftritte u.a. im Kindergarten, Schule und in der Seniorenresidenz seiner Mutter.

Dabei öffnet sich der Witwer auch für eine neue Frau in seinem Leben, der alleinerziehenden Finnin Mervi. Nach vielen Irrungen und geplatzten Dates kommen die beiden zusammen.

Ach so, der Dackel, Professor Brinkmann, ist der ältere Hund des Nachbarn, der während eines Krankenhausaufenthalts seines Herrchens bei Karl in Pflege war.

Der Roman dreht sich ganz um den Neuanfang von Karl. Er zeigt, dass es sich lohnt, mutig zu sein, ein Wagnis einzugehen und nicht nur auf die Sicherheit eines festen Arbeitsplatzes zu setzen und einen Traum zu leben.

Ich konnte Karls Leidenschaft für das Kasperletheater leider nicht so teilen, weshalb ich mich phasenweise bei den Darrstellungen der Auftritte von Karl langweilte und mich zudem arg konzentrieren musste, bei der rheinischen Mundart am Ball zu bleiben.
Vielleicht bin ich aufgrund von Cover und Titel auch mit falschen Erwartungen herangetreten und deshalb enttäuscht von dem Buch. Mir war "Die Dackel sterben aus" zu viel "Tritratrullala" und zu wenig Hund - der Roman hätte besser "Das Kasperletheater stirbt (nicht) aus" oder "Der Puppenspieler von Gürben" geheißen. Roberto Blancos Ohrwurm habe ich jetzt noch im Ohr...


Montag, 28. November 2016

Buchrezension: Sophia Bergmann - Zum Glück ein Jahr

Inhalt:

Ein Jahr nach Lazlos Tod hat Nele den Verlust ihres geliebten Mannes noch nicht überwunden. Und Julia hat sich als Mutter von Zwillingen über die Jahre selbst aus den Augen verloren. Am Silvesterabend blicken die Freundinnen gemeinsam zurück. Schlagartig merken sie, dass das Leben endlich ist und sie ihre Träume jetzt in Angriff nehmen müssen. Zeit für einen Neuanfang – und für eine Liste mit ihren größten Wünschen, die sie sich in den nächsten zwölf Monaten erfüllen möchten.

Rezension:

Nelly und Julia feiern zusammen mit mehreren Freundinnen Silvester und machen am Ende im leicht angeheiterten Zustand ein Brainstorming mit Dingen, die sie im nächsten Jahr erledigen möchten. Dabei kommen unterschiedliche Ideen zutage - von rein spaßigen Vorschlägen wie der Besuch eines Sexshops oder der Konsum von Marihuana, über Mutproben wie ein Fallschirmsprung bis hin zu ernsten Themen wie einen Abschiedsbrief an seine Kinder zu schreiben. Während ein Teil der Freundinnen die Liste nicht ernst nimmt, teilen sich letztlich Nelly und Julia die 24 Vorschläge untereinander auf.

Nelly ist Mitte 50, Journalistin und Übersetzerin und mit Anfang 50 überraschend Witwe geworden, als ihr geliebter Ehemann Laszlo plötzlich starb. Seinen Tod hat sie noch nicht verarbeitet, sie verehrt Laszlo nahezu und hat sich bisher auch noch von keinen seinen persönlichen Sachen trennen können, um Abschied zu nehmen. Auf der Liste der Aufgaben, die sie zu erledigen hat, stehen u.a. Aktfotos zu machen, einen 20 Jahre jüngeren Mann zu verführen und ausmisten. Sie stellt sich den Herausforderungen und schafft es am Ende mit ihrer Trauer leben zu können, ohne sich selbst aufzugeben.

Ihre beste Freundin Julia ist zehn Jahre jünger, verheiratet mit dem ehrgeizigen Rechtsanwalt Alex und Mutter von sechsjährigen Zwillingen. Ihren Beruf als Lehrerin übt sie nicht mehr aus, sondern arbeitet stundenweise in einem Secondhandshop. Ihr Ehemann nimmt ihre Tätigkeit nicht ernst und sieht sie in erster Linie als Hausfrau und Mutter, die die Kinder - ganz nach seinem Vorbild - zu gut ausgebildeten jungen Männern heranziehen soll. Die Liste ist ihrem Mann ein Dorn im Auge, weshalb Julia unter seinem Druck fast aufgehört hätte, sich ihren Herausforderungen wie einen Monat der Familie den Haushalt zu überlassen oder einen Kurs in Ausdrucksmalerei zu absolvieren, zu stellen. Die Liste ist für sie am Ende eine Art Befreiungsschlag und sie erkennt, was sie im Leben eigentlich möchte und was nicht.

"Zum Glück ein Jahr" ist nicht noch so ein Roman, in welcher eine Protagonistin stirbt und vorher noch Dinge erledigt oder erlebt haben möchte oder ein Roman, in welcher ein Verstorbener eine Liste mit gut gemeinten Ratschlägen hinterlässt, die die verbliebene Tochter oder Freundin abzuarbeiten hat.

"Zum Glück ein Jahr" ist vielmehr eine Reise zweier Protagonistinnen, die so unterschiedlich, aber dennoch die besten Freundinnen sind. Die Liste hilft ihnen dabei, den Mut zu haben, aus einem Leben auszubrechen, das sie nicht glücklich macht. Nelly ist am Ende des Jahres verbittert vor Trauer und es ist schon fast zur Normalität geworden, dass sie durch ihren Heimarbeitsplatz bis nachmittags im Schlafanzug vor ihrem Computer sitzt. Julia liebt ihre Zwillinge heiß und innig, auch wenn die Schwangerschaft ungeplant war, möchte sich allerdings nicht nur auf das Familienleben reduzieren lassen und als Vorzeigeehefrau des erfolgreichen Rechtsanwalts gelten. Sie möchte kreativ und selbstständig arbeiten, was ihr spätestens nach dem Wochenendkurs der Ausdrucksmalerei klar geworden war.

Es ist zudem ein Buch über Freundschaft und den Mut, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen, um zum Glück zu finden.
Auch wenn die Protagonistinnen einige Jahre älter sind als ich, konnte ich mich sehr gut in sie hineinversetzen.
Das Debüt von Sophia Bergmann hat mich wirklich positiv überrascht. Durch die Herausforderungen, denen sich die Frauen stellen, ist der Roman einerseits humorvoll und unterhaltsam, aber vor allem auch warmherzig und mit emotionalem Tiefgang, der der ein oder anderen Leserin klarmachen wird, dass auch in Bezug auf das eigene Leben noch Optimierungsbedarf besteht. 



Samstag, 26. November 2016

Buchrezension: Anne Blum - Hasen feiern kein Weihnachten

Inhalt:

Weihnachtsfans und Weihnachtshasser passen einfach nicht zusammen: Dieser Erkenntnis muss sich Tessa kurz vor dem Fest der Liebe stellen. Seit Jahren verbringt sie Weihnachten ihrem Freund Ole zuliebe an den Stränden Thailands, doch diesmal kommt alles anders: Kurz vor Heiligabend und dem Abflug nach Bangkok zerbricht ihre Beziehung mit einem Paukenschlag. Notgedrungen und um den Herzschmerz zu vergessen, verbringt Tessa die Feiertage bei ihrer liebevoll-verrückten Familie auf dem platten norddeutschen Land. Hier in Kappeln warten Weihnachtslieder singende Gartenzwerge, Lametta, Bratäpfel am Kachelofen sowie eine Riesenportion Trost und Liebe, aber auch der übliche Stress mit den beiden Schwestern. Dann steht auch noch Ole reumütig vor der Tür und will Tessa zurück. Doch ein sehr viel größeres Problem in ihrer Familie öffnet Tessa bald die Augen dafür, was wirklich zählt im Leben.

Rezension:


Die 35-jährige Tessa plant wie bereits in den letzten drei Jahren zuvor mit ihrem Freund und Weihnachtsmuffel Ole über die Feiertage nach Thailand zu fliegen.
Als sie von ihrer Firmenweihnachtsfeier früher nach Hause kommt, überrascht sie Ole inflagranti mit ihrer Nachbarin auf dem Sofa. Ohne eine Erklärung abzuwarten, wirft ihn Tessa gedemütigt aus der Wohnung. Als die erste Wut verflogen ist, fällt sie in ein Liebeskummerloch, lässt sich aber von ihrer besten Freundin Nadja davon überzeugen, alle Kontaktversuche von Ole zu ignorieren.

Traurig und allein möchte Tessa die Weihnachtstage nicht in Berlin verbringen und fährt zu ihren Eltern nach Kappeln, einem beschaulichen Ort an der Ostsee. Für ihre Eltern ist Weihnachten ein ganz besonderes Fest, auf das sie sich akribisch, aber liebevoll mit allerlei Kitsch und kulinarischen Köstlichkeiten bereits Wochen im Voraus vorbereitet haben. Sie freuen sich, dass an diesen Tagen die ganze Familie, neben Tessa auch ihre beiden Schwestern Susanne und Maren, zusammenkommt.

Susanne ist verheiratet und Mutter einer 9-jährigen Tochter und die einzige der Geschwister, die in Kappeln geblieben ist. Sie fühlt sich mit der Verantwortung für die alten Eltern allein gelassen. Maren ist die jüngste der Töchter, Karrierefrau und wohnt in München. Tessa kann Marens überhebliche Art nicht leiden, während Maren der Meinung ist, dass Tessa zu wenig aus ihrem Leben mache.

Konflikte sind vorprogrammiert - gerade an Weihnachten, wenn alles besonders harmonisch und perfekt verlaufen soll - und dann taucht am 1. Feiertag auch noch der reumütige Ole auf, um Tessa zurückzugewinnen.
Inzwischen hatte Tessa allerdings ein Auge auf ihren ehemaligen Mitschüler Sven geworfen, der sich vom pummeligen Strickpulli-Träger zum attraktiven Mann entwickelt hat.

"Hasen feiern kein Weihnachten" ist ein Roman, der den Leser in Weihnachtsstimmung versetzt. Man erlebt Heiligabend und die beiden Feiertage so mit, wie sie in vielen Familien ähnlich verlaufen. Traditionen werden gepflegt, die Familie trifft sich bei gutem Essen, aber kleinere Streits blieben bei all der gewünschten Harmonie nicht aus.
Tessa verarbeitet mit dem Abstand nach Berlin das Beziehungsende und wird sich - nicht nur durch die Sticheleien ihrer kleinen Schwester - bewusst, dass sie sich auch beruflich verändern muss, um sich kreativer entfalten zu können. Das Wiedersehen mit Sven zeigt ihr zudem, dass die Chance auf ein Liebesglück auch mit Mitte 30 noch nicht vergangen sein muss.

Ich habe den leicht zu lesenden Roman fast in einem Rutsch gelesen und konnte das heimelige Gefühl von Tessa, das "nach Hause kommen" und das Gefühl von Geborgenheit in der für sie schwierigen Phase der Trennung gut nachvollziehen.
Zudem hatte der Roman auch einen aktuellen politischen Bezug, da sich Kappeln und insbesondere Tessas Vater Willy für die Unterstützung von Flüchtlingen engagiert. Aufgrund der erhöhten Spendenbereitschaft der Menschen zu Weihnachten passte das Thema auch gut zu dieser sonst eher leichten Lektüre.

Dennoch hätte ich mir mehr Tiefgang des Romans gewünscht. Insbesondere fand ich es nach all der Enttäuschng mit Ole verfrüht von Tessa, Gefühle für Sven zu entwickeln, den sie eigentlich gar nicht kannte. Darüber hinaus wurden am Ende Themen wie Patientenverfügung und der unerfüllte Kinderwunsch von Maren angesprochen, die in diesem Roman aber keinen Platz hatten und ein wenig verloren wirkten. Eine alleinige Beschränkung auf traditionelles Weihnachten zu Hause und Tessas Gefühlswelt sowie ihre Entscheidung, sich beruflich zu verändern, hätten den Roman stimmiger gemacht.



Freitag, 25. November 2016

Buchrezension: Leigh Himes - Die zwei Seiten meines Herzens

Inhalt:

Was wäre eigentlich, wenn … Diese Frage stellt sich Abbey Lahey momentan öfter, was auch daran liegen könnte, dass ihr der Alltag als Mutter zweier Kinder und ihr Job in einer PR-Agentur gerade etwas über den Kopf wachsen. Doch als sie nach einem kleinen Unfall auf einer Rolltreppe wirklich in einem Parallelleben landet, und zwar in einem ziemlich luxuriösen – inklusive dem Mann, dem sie vor Jahren einen Korb gab, der aber immer noch sehr sexy ist – merkt sie bald, dass das Gras auf der anderen Seite vielleicht gar nicht wirklich grüner ist. Und schon bald muss sie sich entscheiden, auf welche Seite ihres Herzens sie hören will…

Rezension:

Als berufstätige Mutter zweier kleiner Kinder und einem Ehemann, der als selbstständiger Landschaftsgärtner keine große Hilfe im Haushalt und Familienalltag ist, steht Abbey Lahey vor Überforderung kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Dann fordert Jimmy auch noch von ihr, die neu gekaufte sündhaftteure Designer-Handtasche zurückzugeben. Im Kaufhaus stürzt Abbey unglücklich von der Rolltreppe und erwacht in einem anderen Leben.

Sie ist verheiratet mit dem sehr gut situierten Alex van Holt, der sich gerade im Wahlkampf um die Kandidatur als Kongress-Abgeordneter Befindet. Von Abbey wird nichts weiter verlangt, als dass sie die stets adrette, treusorgende Ehefrau mimt, mit der Alex zusammen mit den beiden Kindern ein harmonisches Familienleben führt. Sie leben ein luxuriöses Leben mit Angestellten wie Chauffeur, Nanny und Stylisten, in dem sich Abbey fremd fühlt. Ihre Schwiegermutter beäugt sie misstrauisch, da sich Abbey seit ihrem Unfall merkwürdig benimmt. Sie vernachlässigt ihr Aussehen und kümmert sich viel intensiver als sonst um die Erziehung ihrer Kinder. In der Öffentlichkeit, wo sie die Familie repräsentieren und ihren Mann unterstützen soll, tritt sie bei diversen Empfängen, Galas und Spendenveranstaltungen in so manches Fettnäpfchen, da ihr die Erinnerungen an ihre gemeinsame Vergangenheit mit Alex fehlt.

Ihr Ehemann Jimmy gerät schnell in Vergessenheit, gleichzeitig stellt Abbey ihre für sie neue Rolle als eine "van Holt" in Frage, möchte wieder einen eigenen Beruf ausüben und unabhängig von Erwartungen von Politik, Medien oder ihrer über allem stehenden Schwiegermutter sein.

Welches Leben ist real, welches Fiktion? Und sind Träume am Ende doch nicht so erstrebenswert, wie sie scheinen?

"Die zwei Seiten meines Herzens" ist ein Roman, der sich mit der Frage beschäftigt "Was wäre, wenn...?" Wie hätte sich Abbeys Leben entwickelt, wenn sie sich in der Vergangenheit anders - für einen anderen Mann - entschieden hätte?

Abbey ist eine chaotische, aber liebenswürdige Protagonistin, die dem Leser ans Herz wächst, allerdings kann die Geschichte als solche nicht ganz überzeugen, da sie oberflächlich bleibt. Der Roman bietet zwar einerseits durch die Missgeschicke von Abbey und die Versuche, aus ihrer vorgegebenen Rolle auszubrechen - eine locker-leichte Unterhaltung, ist jedoch stark geprägt von Klischees und dem Gegensatz von Arm und Reich, der (politischen) Elite und dem einfachen Arbeiter.
Das Ende des Romans kommt zusammen mit dem Wahlsieg von Alex und einer dann plötzlich von Abbey getroffenen Entscheidung abrupt, auch wenn es an der Zeit war, einen Punkt zu setzen und letztlich die Frage zu klären, was es mit dem ominösen Parallelleben von Abbey auf sich hat. Die Auflösung ist allerdings recht simpel, wenig überraschend und enttäuschend vorhersehbar gewesen.


Mittwoch, 23. November 2016

Buchrezension: Mary-Jane Riley - All die bösen Dinge

Inhalt:

„Der merkwürdig süßliche Geruch raubte ihr den Atem. Langsam ging sie in die Hocke und hob den Deckel an. Tote Augen starrten ihr entgegen. Im Koffer lag ein kleiner Junge in einem blauen „Thomas, die kleine Lokomotive“- Schlafanzug.“ – Im englischen Suffolk verschwinden die vierjährigen Zwillinge Harry und Millie, während sie bei ihrer Tante, der Journalistin Alex, zu Besuch sind. Harrys Leiche wird gefunden, Millies Schicksal bleibt ungeklärt. Ein Albtraum für Alex und ihre Schwester. Ein Albtraum, der fünfzehn Jahre später neu beginnt, als klar wird, dass damals zwei Unschuldige für die Tat verurteilt wurden. Alex ermittelt auf eigene Faust – und macht eine grauenvolle Entdeckung...

Rezension:

Vor 15 Jahren verschwanden in Suffolk die Zwillinge Harry und Millie, als ihre Tante Alex auf sie aufpasste. Die junge Polizistin Kate Todd fand die Leiche des kleinen Harry, während das Schicksal seiner Schwester ungeklärt blieb.

Jackie Wood, die damals wegen Beihilfe am Mord verurteilt wurde, wird in der Gegenwart wegen Verfahrensfehlern freigelassen. Der verurteilte Mörder hatte sich während der Haft selbst getötet.

Alex Devlin ist entsetzt, als sie in den Nachrichten erfährt, dass Jackie Wood freigelassen wurde und sorgt sich insbesondere um ihre psychisch nach wie vor sehr instabile Schwester Sasha, deren Ehe nach dem Tod der Zwillinge in die Brüche gegangen war. Alex hat immer noch Schuldgefühle wegen des Verschwindens der Kinder unter ihrer Aufsicht und möchte als freiberufliche Journalistin ein Interview mit Jackie Wood führen, in der Hoffnung, den Verleib ihrer Nichte zu erfahren. Darüber hinaus hat sie noch einen weiteren, sehr persönlichen Grund, die Umstände der Tat vor 15 Jahren aufzuklären. Bei dem zweiten vereinbarten Interviewtermin findet sie Jackie allerdings nur noch tot vor.

Kate Todd ist inzwischen zum Detective Inspector aufgestiegen und wird mit den Ermittlungen um den Mord von Jackie Wood betraut. Schnell ist offensichtlich, dass diese Tat nicht unabhängig von den Ereignissen vor 15 Jahren zu sehen ist.

"All die bösen Dinge" ist spannend und fesselt bis zum Schluss, auch wenn der Leser ab dem letzten Drittel des Buches erahnen kann, wie die beiden Fälle miteinander in Verbindung stehen bzw. wer die Kinder getötet hat.
Der Psychothriller wird aus den Perspektiven von Alex und Kate geschildert. Beide Frauen haben den Mord an den Zwillingen nicht verarbeitet. Alex ist geplagt von Schuldgefühlen und Sorgen um ihre Schwester, Kate hat den schockierenden Fund des kleinen Harrys nie aufgearbeitet. Das Trauma beginnt auch zunehmend ihre Ehe zu belasten.

Der Thriller wirkte in keinster Weise konstruiert, sondern auf erschreckende Weise sehr realitätsnah. Nicht nur die Ermittlungen um die Aufklärung der beiden Mordfälle, sondern auch die emotionale Einbindung aller direkt oder indirekt an der Aufklärung beteiligten Protagonisten sowie die Rückblicke in die Vergangenheit hielten den Spannungsbogen auf einem bis zum Schluss hohen Niveau.



Montag, 21. November 2016

Buchrezension: Lina Labert - Beziehungsstatus: kompliziert!

Inhalt:

Drum prüfe, bevor du dich ewig bindest…
Rom, Paris, Mailand – nicht nur in den Metropolen der Welt pulsiert das Leben. Auch im pfälzischen Klein-Winternheim kann das Schicksal mit voller Härte zuschlagen, wie sich am Beispiel der quirligen Apothekenhelferin Julie (21) zeigt. Schlimm genug, dass sie mit einer nicht nachvollziehbaren Inbrunst den halbseidenen Faulpelz namens Hans-Dieter, genannt Diddel liebt, aber seine unsterbliche Männerfreundschaft mit dem von Julie verhassten René Krieger setzt dem Ganzen die Krone auf.
Julie kämpft für ihre Beziehung und gegen René, doch jener zu kurz geratene, gelegentlich cholerische Weiberheld mit aufgeblasenem Ego scheint gegen alle Anfeindungen resistenter zu sein als eine Kakerlake im Haus eines Kammerjägers.
Wäre das alles noch einigermaßen zu ertragen, so hat Diddel hat es geschafft, alle negativen Klischees der Spezies Mann auf seine Person zu vereinigen: Er ist der personifizierte Zahnpastaspritzer auf dem Spiegel einer genervten Frau, und wo er geht und steht, markieren Krümel und Klamottenberge seinen Weg. Er gefällt sich in der Pose des coolen Zuhältertyps, wozu ihm eigentlich das Format fehlt, und seine einzige Einnahmequelle ist das Instandsetzen und Verscheuern von vierrädrigem Schrott, sowie das illegale Kassieren von Arbeitslosengeld.

Julies Leben wird, ob sie will oder nicht, zu einem nervenaufreibenden Tanz zu dritt. Wie eine Billardkugel flitzt sie durch ein ziemlich chaotisches Leben, hin- und hergerissen zwischen ihrem unbeschreiblichen „Diddel“, anderen Männern, die sich nach kurzer Zeit entweder als Windbeutel oder als unerreichbar erweisen, und „kriegergeschädigten“ Leidensgenossinnen. Zwischendurch glänzt Julie in ihrer Spezialdisziplin, dem Fettnäpfchen-Dreisprung.
Da helfen nur gute Freundinnen, die mit ebenso großen Flaschen ihr Leben vergeuden, sowie Unmengen von Sekt und glibbrigen Weingummitieren.
Das Ende kommt, wie es kommen muss...

Ein Buch mit Roadmovie- und Kultcharakter: Diese Geschichte bereitet jungen Leuten der "Generation Smartphone" genauso viel Spaß wie den älteren Modellen der Marke „Generation Golf“, in dessen Zeitalter die Story angesiedelt ist. Eine lustige Zeitreise in die Neunziger Jahre, die allen die Frage beantwortet, wie die Menschheit es eigentlich geschafft hat, ohne Smartphone zu überleben...

Nach wahren Begebenheiten!

Rezension:

Juliane ist 21 Jahre alt, arbeitet als PTA in einer Apotheke und wohnt mit ihrem Freund Hans-Dieter, genannt Diddel bzw. "die Handtasche", zusammen in einer Wohnung im Haus seiner Eltern. Diddel ist arbeitslos gemeldet und schraubt nebenbei an Autos, bevorzugt an seinem eigenen Golf GT. Den Rest seiner Freizeit verbringt er mit seinem besten Freund René, genannt Krieger bzw. "der Schatten", den Juliane auf den Tod nicht ausstehen kann.

Als René von seiner Freundin Tanja verlassen wurde und sich daraufhin regelrecht bei Diddel einnistet, besteht Julie auf einen Umzug in eine eigene Wohnung. Notgedrungen stimmt Diddel zu, solange Juliane sich während ihres Urlaubs allein um Umzug und Renovierung kümmert. An ihrem grundsätzlichen Problem mit René ändert sich allerdings nicht viel. Der Schatten bleibt allgegenwärtig und überrascht sie sogar morgens in der neuen Wohnung, als er tatsächlich mit einem eigenen Schlüssel und frischen Brötchen zu Diddel zum Frühstück kommt.

Julie ist zunehmend genervt von ihrem Freund, der stinkfaul und eine Niete im Bett ist, keine Benehmen hat und seine Zeit am liebsten ohnehin nur mit seinem besten Freund verbringen möchte, und guckt sich nach anderen Männern um.

Volker und Norman haben es ihr zunächst angetan, stellen sich aber auch nicht als die geeigneten Kandidaten heraus. Insbesondere Norman erinnert sie stark an René, die beide mehr Schein als Sein sind.

Die Autorin hat den Roman bereits in den 90er-Jahren geschrieben und diesen nun unter dem Pseudonym Lina Labert veröffentlicht.

Aufgrund des Klappentextes hatte ich mir von dem Roman eine Zeitreise in die 90er und eine witzige Beziehungskomödie versprochen. Leider wurden meine Erwartungen nicht erfüllt. Zum einen ist die Handlung zeitlos und hätte sich auch in den 80er- oder 2000er-Jahren so zutragen können, zum anderen teile ich offensichtlich nicht den Humor der Autorin und vieler ihrer begeisterten Leser des Ebooks.

Genervt von den Protagonisten fand ich den Roman regelrecht anstrengend zu lesen und hätte ich ihn nicht direkt von der Autorin erhalten und im Rahmen einer Leserunde diskutiert, nach einem Drittel nur noch quer gelesen. Ich konnte einfach nicht nachvollziehen, warum Juliane mit Diddel zusammen war, der sie nur ausnutzte und den sich nicht einmal mehr attraktiv fand. Auch war mir nicht klar, worin ihre extreme Abneigung zu René begründet war. Der Roman drehte sich immer wieder nur um den Ärger, den Juliane mit den beiden Männern hat, das Problem aber auch nicht konsequent angeht und so zog sich die Handlung für meinen Geschmack sehr in die Länge. Das Pseudonym der Autorin ist insofern ganz treffend gewählt.


Samstag, 19. November 2016

Buchrezension: Sabine Heinrich - Sehnsucht ist ein Notfall




Inhalt:

"An einem sonnigen Tag im Januar gingen wir ins Meer und schrien vor Glück."
Am Tag vor Silvester bekommt Eva einen Anruf von ihrer Oma: Sie macht mit Opa Schluss und verlässt ihn. Nach sechzig Jahren Ehe. Und Eva? Liebt ihren Freund. Es ist gut, wie es ist. Aber reicht »gut« in einer Beziehung aus? Kann es anders besser sein?
Eva und Johannes sind beide über dreißig und leben seit ein paar Jahren zusammen. Johannes liebt seinen Job als Lehrer und Eva ihren als Physiotherapeutin. Eva will vielleicht ein Kind, Johannes nicht. Darüber reden sie nicht, denn eigentlich ist die Sache entschieden. Aber dann stolpert Eva Hals über Kopf in eine Affäre mit Tobias, dem jungen Vater eines ihrer kleinen Patienten. Eigentlich ist es nur eine Nacht – aber passiert das, wenn man glücklich ist?
Als ihre Oma anruft und erzählt, dass sie es zu Hause nicht mehr aushält, beschließen die beiden: Wir hauen ab! Nach Italien, ans Meer. Familie und Freunde sind in Aufruhr, Johannes und Tobias schicken eine SMS nach der anderen. Aber es geht ums Eingemachte: Kann man immer wieder neu anfangen? Wie viele Kompromisse verträgt eine Beziehung? Wird man glücklich ohne Kinder? Und vor allem: Wie wird man Sophia Loren?

Rezension:

Eva ist 33 Jahre alt, Physiotherapeutin, die sich auf die Therapie von Kindern spezialisiert hat und lebt mit ihrem Freund Johannes zusammen. Eigentlich sind die beiden miteinander glücklich, gehen aber auch möglichen Konflikten aus dem Weg. Eva würde in ihrer Beziehung gern einen Schritt weitergehen und sehnt sich nach Kindern, Johannes scheint sie in diesem Punkt aber nicht wirklich Ernst zu nehmen.

An Silvester verkündet Evas Oma, dass sie sich nach 60 Jahren Ehe von Opa trennt. Eva ist überrascht von dieser Entscheidung, glaubte sie doch ihre Großeltern sehr gut zu kennen, da sie nach dem frühen Tod ihrer Mutter von ihnen großgezogen wurde.

Dass die Beziehung zwischen Eva und Johannes eher einseitiger Natur ist, wird auch dadurch deutlich, dass Johannes SMS von Eva gerne unbeantwortet lässt. Es handle sich schließlich nicht um einen Notfall. Für Eva, die sich nicht wahrgenommen fühlt, ist Sehnsucht jedoch ein Notfall.

So verwundert es nicht weiter, dass Eva sich in Tobias verliebt, einen Vater eines ihrer Patienten, Er ist das Gegenteil von Johannes und überschüttet sie nahezu mit kreativen und liebenswürdigen Kurznachrichten. Zudem scheint er auch besser in Evas Vorstellungen einer Zukunft mit eigener Familie zu passen. Trotzdem liebt sie Johannes noch.

Um ihre Oma aus der gemeinsamen Wohnung mit Opa zu retten, in der diese nicht mehr erwünscht ist, und um selbst Abstand zu gewinnen, machen sich die beiden auf in Richtung Meer. Was zuerst als Kurztrip nach Juist geplant war, entwickelt sich zu einer aufregenden Reise nach Italien, wo Oma und Enkelin wieder zu sich selbst finden.

Sabine Heinrichs kannte ich bisher als Einslive-Radiomoderatorin und war gespannt auf ihr Romandebüt. "Sehnsucht ist ein Notfall" handelt von zwei Frauen unterschiedlicher Generation, die beide vor schwerwiegenden Veränderungen in ihrem Leben stehen. Einerseits berührend tiefgründig, andererseits humorvoll durch spritzige Dialoge schildert die Autorin die für die beiden Protagonistinnen unerträglichen Situationen, die ab der Hälfte des Romans in einen Roadtrip münden.

Es geht um die Klärung von Beziehungsfragen, mit denen sich jeder konfrontiert sehen kann: Ist die Liebe im Alltag erloschen? Zu welchen Kompromissen muss man innerhalb einer Partnerschaft bereit sein? Gibt es noch eine Chance für die Liebe und wann ist der Zeitpunkt gekommen zu gehen?

Eines wird dabei nicht nur Oma klar: Mit der Verwirklichung seiner Träume bzw. den Mut, unangenehme Entscheidungen zu treffen, um letzten Endes glücklicher zu werden, sollte man nicht warten, bis man 79 Jahre alt ist. 



Mittwoch, 16. November 2016

Buchrezension: Elaine Briag - Mein Sommer mit Mémé

Inhalt:

Großmutters Château im Burgund zu renovieren, passt überhaupt nicht in die Pläne der jungen Antiquitätenhändlerin Paula. Denn sie wollte sich in Paris mit ihrem Verlobten Jakob treffen. Aber Großmutter, Mémé genannt, setzt die liebevollen Daumenzwingen an und versammelt nach langer Zeit wieder die ganze Familie an einem Tisch. Zwischen köstlichem Essen, Familienzwist und einigen Gläsern Wein findet Paula heraus, welches Geheimnis Mémé verbirgt – und was das für Paulas Zukunft bedeutet.

Rezension:

Mémé wird im Sommer 80 Jahre alt und möchte ihren Geburtstag zusammen mit ihrer ganzen Familie auf dem alten Familiensitz im Burgund feiern.

Paula, 38 Jahre alt, und selbstständige Antiquitätenhändlerin aus Müllheim, ist alles andere als begeistert, schließlich erwartet sie nach langer Zeit die Rückkehr ihres Verlobten, der als Arzt in Kenia im Einsatz ist. Sie wollte sich ganz romantisch mit Jakob in Paris treffen, um dort ihre Verlobung nachzufeiern.

Mémé duldet allerdings keinen Widerspruch, weshalb sich ihre Tochter Claire, Enkel Marcel mit Ehefrau Helen und Tochter Meike sowie letztlich auch Paula für drei Wochen auf dem Château einfinden und sich den strengen Regeln der Matriarchin unterwerfen.

Die Sommerferien dort sind nicht nur durch die hohen Ansprüche von Mémé spannungsgeladen. Jedes Familienmitglied hat mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen. Marcel steht als selbstständiger Steuerberater durch einen dummen Fehler vor dem Bankrott, schafft es aber nicht mit seiner Frau darüber zu sprechen. Helen selbst nimmt aus Angst vor einer Geisteskrankheit heimlich Psychopharmaka ein. Tochter Meike macht sich Sorgen um die Ehe ihrer Eltern und benimmt sich wie ein aufmüpfiger Teenager, der seine Grenzen austesten. Paula muss sich im Klaren darüber werden, wie die Zukunft mit ihr und Jakob aussieht, nachdem er angekündigt hat, eine Stelle als Oberarzt in Kapstadt anzutreten.

Daneben gilt es ein Familiengeheimnis zu lüften. Der verstorbene Cousin von Mémé, Valentin, mit dem zusammen sie das Château von ihrem Großvater geerbt hatte, könnte einen noch nicht bekannten Nachkommen haben, der ihr das Erbe streitig machen könnte.

"Mein Sommer mit Mémé" ist eine unterhaltsame Familiengeschichte, die einen in diesen kalten Herbsttagen in den Sommer nach Frankreich versetzt. Alle Charaktere sind liebevoll mit Ecken und Kanten gezeichnet, wobei der Leser sich besonders mit Paula verbunden fühlt, aus deren Sicht der Großteil des Romans verfasst ist.

Es ist ein stimmungsvoller Roman über Liebe, Enttäuschung und insbesondere über den Zusammenhalt und Wert der Familie sowie eine Aufklärung eines Teils der Familienhistorie, den man am liebsten mit einem Glas Crémant an einem lauen Sommerabend in Frankreich genießen möchte.

Das Ende des Romans ist für alle Protagonisten sehr versöhnlich. In einem Epilog einen Sommer später erfährt der Leser, was aus Paula, Mémé und dem Rest der Familie geworden ist und inwiefern sich die Charaktere sehr positiv weiterentwickelt haben. Für meinen Geschmack hätte das Ende etwas offener bleiben können und nicht für jeden schwelenden Konflikt eine Lösung präsentiert werden müssen.


Montag, 14. November 2016

Buchrezension: Jonathan Tropper - Sieben verdammt lange Tage

Inhalt:

Familientreffen bei den Foxmans enden stets mit zuschlagenden Türen und quietschenden Reifen, wenn Judd und seine Geschwister das Weite suchen. Doch nun ist ihr Vater gestorben und die Familie muss Schiwa sitzen, sieben Tage die traditionelle jüdische Totenwache halten. Für die Foxmans beginnt eine verdammt lange Woche, denn diesmal kann niemand von ihnen weglaufen – und noch dazu erfährt Judd ausgerechnet jetzt, dass seine geliebte Frau endlich schwanger ist. Aber nicht von ihm...

Rezension:

Mort Foxman ist verstorben und sein letzter Wunsch war es, dass die Familie nach dem Begräbnis zusammenkommt und sieben Tage Schiwa, die jüdische Totenwache, sitzt.

Familie Foxman sind die exzentrische, jung gebliebene Witwe, die als Psychotherapeutin ihren Kindern bis heute mit ihren offenherzigen Ratschlägen auf die Nerven geht, die Söhne Judd, Paul und Nachzügler Phillip sowie Schwester Wendy.

Die Familie vermeidet es in der Regel längere Zeit auf einem Haufen zu verbringen, da dies stets in Streits und Chaos endet.
Neben der Trauer um den Vater kehrt jedes Kind mit weiteren persönlichen Problemen in sein Elternhaus nach Elmsbrook zurück. Judd wurde von seiner Ehefrau Jennifer betrogen, die nun schwanger ist. Das erste gemeinsame Kind konnte sie nur tot zur Welt bringen. Da es sich bei dem Geliebten von Jen um Judds Chef handelt, sah dieser sich gezwungen, seinen Job als Produzent einer Radioshow zu kündigen und sieht sich mit knapp 40 Jahren ohne Perspektive dastehen. Paul ist mit Alice verheiratet, die beide an ihrem unerfüllten Kinderwunsch zu verzweifeln scheinen. Wendy ist Mutter von drei anstrengenden Kindern und mit dem Workaholic Barry verheiratet, der auch während der Schiwa permanent geschäftlich am Telefon hängt. Phillip ist mit Abstand der jüngste der Kinder und benimmt sich entsprechend unreif.

Sieben (verdammt lange) Tage sitzen alle aufeinander und tragen, unterbrochen von Besuchen des großen Bekanntenkreises der Foxmans, alte und neue Konflikte aus.

Der Roman ist aus der Sicht des gehörnten Ehemanns Judd geschrieben, in dessen Gefühlswelt und (Alp-)träume der Leser eintaucht und der sich während der Zeit der Trauer vor allem dem ungelösten Konflikt mit seiner Ehefrau Jen stellen muss.

"Sieben verdammt lange Tage" ist eine tragikomische Geschichte einer jüdischen Familie. Melancholische Passagen über den Tod an sich und Erinnerungen an tragische Erlebnisse in der Kindheit wechseln sich mit komischen Szenen im Haus der Mutter oder dem Erzählen von Anekdoten aus Kinder- und Jugendtagen ab. Neben verbalen Schlagabtauschen zwischen den Geschwistern und Schwiegerkindern werden so manche (Beziehungs-)konflikte hochexplosiv und mit Fäusten ausgetragen.

Als die Kinder nach einer Woche wieder abreisen, hat man das Gefühl, dass die unfreiwillige Zusammenkunft die Familienmitglieder einander näher gebracht hat und dass sie sich trotz charakterlicher Unterschiede und aller Schwierigkeiten unter und miteinander sowie den persönlichen Belastungen, die jeder hat, wenn es darauf ankommt, aufeinandner verlassen können und füreinander da sind.


Samstag, 12. November 2016

Buchrezension: Sally Hepworth - Wenn du an meiner Seite bist

Inhalt:

Seit ihr Ehemann Graham vor fast einem Jahr nach einem schweren Unfall ins Koma fiel, sitzt Cate jeden Tag an seinem Krankenbett. Tief in ihrem Herzen muss sie sich jedoch eingestehen, dass sie die Hoffnung längst aufgegeben hat. Als ihre Freundin Céline sie zu sich nach Südfrankreich einlädt, erkennt Cate, wie sehr sie eine Auszeit braucht. Die liebenswert-exzentrischen Bewohner des malerischen Ortes St. Marc bringen sie bald auf andere Gedanken – und sie begegnet Jérôme, einem Fotografen, zu dem sie sich unwiderstehlich hingezogen fühlt. Aber darf Cate, obwohl Graham sie braucht, ihr Herz einem anderen öffnen?

Rezension:

Cates Ehemann liegt seit knapp einem Jahr nach einem tragischen Unfall an seinem 40. Geburtstag im Koma. Cate besucht ihn zwar täglich am Krankenbett, hat die Hoffnung aber insgeheim aufgegeben, dass ihr Mann noch einmal aufwachen wird. Seine jüngere Schwester Edwina glaubt aber ganz fest daran, dass Graham Fortschritte machen wird und ist gegen eine Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen.

Die Einladung von Cates Freundin Céline, sie in Südfrankreich zu besuchen, kommt ihr deshalb sehr gelegen, um abschalten zu können. Céline bringt sie in einem kleinen Segelboot unter und hat ihr vor Ort sogar einen Job in einem Restaurant besorgt, damit Cate keine Zeit hat, ins Grübeln zu geraten.
Cate genießt das Flair Südfrankreichs und lernt schon bald den interessanten Künstler Jérôme kennen, von dem sie sich als angebliche Witwe nur allzu gern verführen lässt.
In London war sie eher zurückhaltend und ganz die pflichtbewusste Mitarbeiterin in einer Personalabteilung sowie sorgende, treue Ehefrau. In Frankreich ist sie wie ausgewechselt, gibt sich Jérôme förmlich hin und ist seinen sexuellen Spielchen kompromisslos aufgeschlossen.
Graham ist für sie verstorben und geriet völlig in Vergessenheit, bis ein Anruf aus der Klinik in London sie erreicht...

Sally Hepworth beschreibt die Kulisse Südfrankreichs und die Mentalität der Menschen in St. Marc sehr anschaulich, so dass sich der Leser wie vor Ort fühlt und das Buch sich trotz des traurigen Hintergrunds um den Unfall von Graham als Urlaubslektüre gut eignet. 

Ich empfand Cates Wandel von der traurigen, liebenden Ehefrau zur lebenslustigen und fast schon gleichgültigen Geliebten zu abrupt. Ihr bis dato geliebter Ehemann geriet mir viel zu schnell aus ihrem Fokus, um sich nicht nur für einen Urlaubsflirt auf eine neue Beziehung mit einem ganz anderen Mann einzulassen.
Zudem waren mir die übrigen Charaktere wie die exzentrische Freundin Céline oder der Künstler und Lebemann Jérôme zu stereotyp dargestellt, so dass der Roman letztlich vorhersehbar war und mir nicht lange im Gedächtnis bleiben wird.



Freitag, 11. November 2016

Buchrezension: Andrea Lochen - Das Wunschjahr

Inhalt:

Neues Jahr, neues Glück. Als Olive Watson am Neujahrsmorgen aufwacht, traut sie ihren Augen nicht: Sie liegt im Bett ihres Exfreundes Phil. Dabei hatte sie sich doch letztes Jahr von ihm getrennt. Aber niemand außer ihr erinnert sich daran. Für Phil, Olives Eltern, ihre Mitbewohnerin hat einfach das neue Jahr angefangen - sie ist die Einzige, bei der das Schicksal auf "Zurückspulen" gedrückt hat. Olive muss sich entscheiden: Soll sie alles genauso machen wie im Vorjahr, oder ist das ihre einmalige Chance, an der eigenen Zukunft zu drehen?

Rezension:

Olive ist Anfang 20 und arbeitet als Krankenschwester in der Neurologie. Als sie an Neujahr aufwacht, kann sie sich an den Silvesterabend nicht erinnern und ist überrascht, dass sie neben ihrem Exfreund Phil aufwacht.
Die beiden hatten sich eigentlich im Februar getrennt, weil Olive Phil mit ihrem Kollegen Alex betrogen hatte, was Phil ihr nicht verzeihen konnte.

Olive erlebt das Jahr 2011 noch einmal neu und begreift dieses als Chance der Wiedergutmachung. Sie versucht, den Fehler, der ihre Beziehung zerstört hat, ungeschehen zu machen. Sie möchte Phil, den sie immer geliebt hat, nicht noch einmal verletzen.
Im Gespräch mit einer Nachbarin ihrer Mutter erfährt sie, dass das Phänomen, das sie erlebt, nicht einzigartig ist. Auch Sherry erlebt das Jahr 2011 erneut und hat bereits schon andere Jahre zuvor mehrmals durchleben müssen. Alle anderen in ihrer Umgebung merken davon nichts und glauben Olive auch nicht, dass sie 2011 schon einmal erlebt hat.

Der Leser begleitet Olive ein ganzes Jahr, in welchem sie versucht, nicht nur privat im Umgang mit Phil, ihrer Freundin und Mitbewohnerin Kerrigan oder ihrer Mutter, die sie im letzten Jahr wegen ihrer Heirat mit ihrem neuen Freund verletzt hat, ein besserer Mensch zu sein. Das ist allerdings gar nicht so einfach. Sie hat enorme Schwierigkeiten, Alex aus dem Weg zu gehen und weiß zum Teil auch nicht, wie sie sich gegenüber ihren Patienten verhalten soll bzw. ob es zulässig ist, auf andere Schicksale Einfluss zu nehmen.

"Das Wunschjahr" ist durch den angenehmen Schreibstil von Andrea Lochen flüssig zu lesen. Es ist ein Roman fürs Herz, der ohne viel Spannung auskommt und dennoch nicht langweilig wird. Olive ist ein sympathischer Charakter, mit dem ich mich gut identifizieren konnte, auch wenn die Geschichte phantastisch ist. Die zentrale Frage, ob Olive ihre zweite Chance nutzt und ob sie Phil tatsächlich zurückerobern kann oder ob sie am Ende vielleicht doch nicht so gut zusammenpassen könnten, wird zwar gelöst, wäre aber noch ausbaufähig gewesen, um dem Roman mehr Tiefe zu verleihen.

Montag, 7. November 2016

Buchrezension: Julia Zange - Realitätsgewitter

Inhalt:

Marlas Leben ist ein einziges Realitätsgewitter. Wenig Sex, viel iPhone. Viel Bewegung, wenig Sicherheit. Sehr globalisiert, aber immer noch ganz schön deutsch. Marla funktioniert perfekt. Sie hat immer die richtige Maske auf. Doch plötzlich bekommt ihr hochglänzender Panzer kleine Brüche. Plötzlich ist da eine schwere Traurigkeit, die langsam von ihrem Bauch nach oben spült. Um nicht zu ertrinken, macht sie sich auf den Weg zurück in ihr Heimatdorf. Und landet schließlich auf Sylt. Eine Reise ins Erwachsenwerden und zu sich selbst.

Rezension:


Marla ist Anfang 20 und jobbt nach einem abgebrochenen Philosophiestudium bei einer Modezeitschrift in Berlin. Zu ihren Eltern, die in Nordrhein-Westfalen wohnen, hat sie ein denkbar schlechtes Verhältnis, nimmt deren finanzielle Unterstützung jedoch selbstverständlich in Anspruch.

Marla ist einsam, hat in Berlin nur oberflächliche Bekanntschaften und verbringt ihre Zeit damit, nachts in (Schwulen-)clubs herumzuhängen und ihre Facebook-"Freundschaften" zu pflegen.

"Realitätsgewitter" ist mit knapp über 150 Seiten ein kurzer Roman über eine junge Frau, die auf der Suche nach einem Plan in ihrem Leben ist.
Marla ist dabei keine Protagonistin, die dem Leser ans Herz wächst. Mir blieb sie fremd, ihre übertriebenen Handlungen nicht nachvollziehbar. Genauso wie Marla selbst, empfand ich den gesamten Roman als unstrukturiert, abgehackt und die Handlung nicht greifbar. Bis zum Schluss hatte ich keine Ahnung, was konkret und gerade jetzt der Auslöser für Marlas "schwere Traurigkeit" war und wie eine Reise nach Sylt hätte helfen können.

Der Roman schildert im Großen und Ganzen einfach nur die Banalitäten des Alltags einer mit sich völlig in unreinem Protagonistin der ziel- und planlosen Erwachsenengeneration in Berlin darstellen soll.
Genervt von Marla und ihren egozentrischen Bekanntschaften im hippen Berlin, war ich froh, dass der Roman aufgrund des geringen Umfangs so zügig zu lesen war.


Samstag, 5. November 2016

Buchrezension: Griet Op de Beeck - Komm her und lass dich küssen

Inhalt:

Mona ist neun, als ihre Mutter bei einem Autounfall ums Leben kommt. Fortan kümmert sie sich um den kleinen Bruder und versucht, den Erwachsenen nicht im Weg zu sein. Artig und gleichzeitig unsichtbar sein, lautet ihr Überlebensmotto. Mona ist Mitte zwanzig, als sie die große Liebe trifft. Doch wie tritt man ein fürs eigene Glück? Mona ist Mitte dreißig – und will nun endlich begreifen, wie Leben wirklich geht … Dies ist die Geschichte von Mona, als Kind, als junge Frau, als Erwachsene. Eine Geschichte darüber, wie wir werden, wer wir sind. Über gebrochene Lebensläufe und die Suche nach dem Sinn. Über die Angst vor dem Starksein. Über den Mut, sich allem zum Trotz ins Leben zu stürzen. Und natürlich über die Liebe. Auch zu uns selbst.

Rezension:

Der Roman ist in drei Erzählabschnitte aus der Perspektive von Mona gegliedert. Der erste Teil spielt in den Jahren 1976 bis 1978, als Mona zwischen neun und zwölf Jahren alt ist. Von ihrer kaltherzigen Mutter, die sie schon einmal in den Keller sperrt, erfährt sie keine Liebe. Der Vater flüchtet sich in die Arbeit in seine Zahnarztpraxis und kommt abends oft so spät nach Hause, dass er seine Kinder nicht mehr sieht. Um ihre Eltern zu entlasten, kümmert sich das Mädchen um ihren jüngeren Bruder Alexander, Als ihre Mutter bei einem Verkehrsunfall stirbt, verspürt Mona keine Trauer, sondern vielmehr Erleichterung über den Tod von Agnes.

Der Vater stellt den Kindern nur wenige Monate später eine neue, jüngere Frau und vor, die er bald heiratet. Marie soll Ersatzmutter für seine Kinder sein. Die junge Frau ist zwar liebevoller im Umgang mit den Kindern und sichtlich bemüht, jedoch auch im Umgang mit ihnen überfordert. Als sie selbst Mutter wird, ist es wiederum Mona, die sich um ihre kleine Schwester kümmert, sie wickelt, wäscht und beaufsichtigt. Sie leistet dies alles, als habe sie ein permanentes schlechtes Gewissen - eine unbeschwerte Kindheit kennt Mona nicht.

Der zweite Abschnitt handelt im Jahr 1991. Mona ist inzwischen Dramaturgin beim Theater und lebt mit dem älteren Schriftsteller Louis zusammen. Ihr Bruder heiratet die ebenfalls ältere Charlie, mit der er früh Vater eines Sohnes wird. Stiefmutter Marie ist anstrengend und schafft es mit ihrer fordernden Art sogar ihre Tochter zu vergraulen, die nach der Schule über Jahre nach Südamerika verschwindet.

Sie kehrt erst im dritten Abschnitt im Jahr 2002 zurück, als ihr Vater schwer erkrankt im Krankenhaus liegt. Er ist unheilbar an Darmkrebs erkrankt. Mona verbringt viel Zeit im Krankenhaus, auch wenn es schier unmöglich ist, mit ihrem Vater unter vier Augen zu sprechen, da die sich aufopfernde Marie stets präsent ist.
Beruflich hat Mona Probleme mit ihrem Intendanten, der für Kritik nicht empfänglich ist und gegen den Mona es nicht einmal versucht, sich durchzusetzen. Die Beziehung zu Louis ist auch nicht glücklich. Er ist egozentrisch und interessiert sich nur wenig für Monas Bedürfnisse.

"Komm her und lass dich küssen" ist ein Entwicklungsroman über ein Mädchen bzw. junge Frau, die ein geradezu bedauernswertes Leben führt. Sie ist eine starke Persönlichkeit, die sich allerdings immer hinter die anderen stellt. Sie hat nie gelernt, sich und ihre eigenen Interessen und Wünsche ernst und wichtig zu nehmen. Sie beschwert sich nie und leidet nicht, zeigt geradezu keine Gefühlsregung.

Der erste Abschnitt ist beklemmend, aber authentisch beschrieben. Der Leser kann sich in das kindliche Denken der Neunjährigen wunderbar einfühlen, während Mona als Erwachsene eher distanziert bleibt.
Im dritten und längsten Leseabschnitt zog sich der Roman in die Länge und wurde erst gegen Ende lebendiger, als Mona selbst mehr Initiative ergreift und endlich wagt, Entscheidungen zu treffen, ohne auf alles und jeden Rücksicht zu nehmen.

Der Titel "Komm her und lass dich küssen" ist treffend und schon fast provokant gewählt. Oberflächlich betrachtet ging es Mona schließlich immer gut. Sie wuchs allem Anschein nach behütet in einer Familie auf, in der es materiell an nichts mangelte und auch die Oma und Brüder ihrer Eltern für sie da waren. Tief im Inneren war Mona jedoch ein einsamer, unglücklicher Mensch, der bereits als Kind keine Träume hatte und sich auch später scheinbar vom Leben nichts erwartete. Erst die Erkrankung ihres Vaters scheint sie wachzurütteln, dass das Leben endlich ist und bei seinem Tod kann sie dann auch zum ersten Mal in ihrem Leben weinen.

Die erste deutsche Übersetzung eines Romans von Griet Op de Beeck ist vielleicht keine große Unterhaltung, regt aber zumindest zum Nachdenken über den Sinn des Lebens an.

Mittwoch, 2. November 2016

Buchrezension: Sandy Taylor - Du und ich und das Meer

Inhalt:
Brighton 1954: Mary und ich sind 8 Jahre alt. Nichts kann uns auseinanderbringen. Dank einer Tüte Süßigkeiten haben wir uns kennengelernt – und gemeinsam sind wir unbesiegbar.
Brighton 1963: Mit 17 teilen Mary und ich alles miteinander: Höhen und Tiefen, Familiendramen, Hoffnungen und Träume. Wir arbeiten im selben Kaufhaus, tanzen in unserer Freizeit auf dem Palace Pier und haben uns in zwei miteinander befreundete Männer verliebt … Umso weniger kann ich es fassen, dass Mary mich nun so betrügen konnte – und dass sie mir auf die schmerzhafteste Weise die zwei Menschen genommen hat, die ich am meisten auf der Welt liebe...

Rezension:

Der Roman spielt in den 60er-Jahren im britischen Brighton. 1963 sind Dottie und Mary 17 Jahre alt und seit ihrem achten Lebensjahr beste Freundinnen. Während Dottie immer schon die Zurückhaltende von beiden war, die von ihren Mitschülern als pummelig gehänselt wurde, strotzt die zierliche Mary nur so vor Selbstbewusstsein und träumt von einer Karriere als Künstlerin in Paris. Beide könnten nicht unterschiedlicher sein und doch verbindet sie eine enge Freundschaft. Vor allem Mary kann sich immer auf die herzensgute Dottie, aus deren Perspektive der Roman verfasst ist, verlassen.

Erste Konflikte gibt es in der Freundschaft als sich beide verlieben. Dottie schwärmt für den rothaarigen Ralph, der ihr später sogar einen Heiratsantrag macht und ihr ein bescheidenes Leben in Brighton bieten kann. Mary verliebt sich in den Musiker Elton, der allerdings kein Interesse an einer festen Beziehung hat und unabhängig seinen Spaß haben möchte.

Durch einen dummen Fehler wird die Freundschaft von Mary und Dottie auf die Probe gestellt. Die vernünftige und im Vergleich zu Mary erwachsen gewordene Dottie ist diejenige, die sich und ihre eigenen Gefühle hinten anstellt und trotz aller Widrigkeiten uneingeschränkt zu Mary hält.

"Du und ich und das Meer" ist ein berührender Roman über eine Freundschaft zweier unterschiedlicher Frauen, die so innig ist, dass sie trotz Schwierigkeiten und Enttäuschungen letztlich immer zueinander halten. Während sich Mary als Kind immer vor Dottie gestellt und diese vor gemeinen Mitschülern in Schutz genommen hat, ist es Dottie, die Mary als junge Frau einen Fehler mit weitreichenden Folgen verzeihen kann.

Dieses tiefgründige, durch eingeschobene Anekdoten der Familien von Mary und Dottie herzerfrischend witzige und am Ende unheimlich bewegende, traurige Debüt von Sandy Taylor hat mich positiv überrascht. Ich konnte mich gut in die Gefühlswelt der Protagonisten hineinversetzen und habe ich mich durch die anschaulichen Beschreibungen von Orten und Begebenheiten in die 60er-Jahre nach Brighton versetzt gefühlt.

"Du und ich und das Meer" ist ein atmosphärischer Frauenroman, der sich von den üblichen Liebesgeschichten abhebt und den Fokus ganz auf die Freundschaft und gegenseitige Treue zweier Frauen legt. Gleichzeitig ist er eine Zeitreise in die 60er-Jahre, so dass sich beim Lesen auch die Frage stellt, wie die Geschichte heutzutage, in einer Zeit größerer persönlicher Freiheit verlaufen wäre.

Im Nachwort kündigt die Autorin eine Fortsetzung des Romans an, was ich zwiegespalten bewerte. Einerseits bin ich neugierig auf einen zweiten Teil von "Du und ich und das Meer", andererseits empfinde ich den Roman als abgeschlossen und weiß nicht, wie Sandy Taylor diesen noch toppen möchte.