Mittwoch, 29. November 2017

Buchrezension: Stefán Máni - Der Stier und das Mädchen


Inhalt: 

In einer verlassenen Ecke Islands, wo der weite Himmel bis zur Erde reicht und nur das Brausen des fernen Meeres zu hören ist, haben zwei junge Touristinnen eine Autopanne. Zu Fuß erreichen sie einen einsamen Bauernhof. Auf ihrer Suche nach den Bewohnern entdecken sie in der Scheune zwei Tote, grausam zugerichtet. Auch im Wohnhaus machen sie einen ähnlich entsetzlichen Fund. Aber bevor sie fliehen können, merken sie, dass sie nicht allein auf dem Hof sind. 

Rezension: 

Aufgrund der Beschreibung des Klappentextes hatte ich einen Thriller erwartet, der auf einem Bauernhof handelt, auf dem die beiden Touristinnen einen Kampf um Leben und Tod ausfechten müssen. Der Inhalt des Romans gestaltet sich dann aber ganz anders, was nicht schlecht, aber zumindest überraschend war. 

Der Thriller beginnt insofern mit dem Ende, mit dem Fund der Leichen. Anschließend erfolgt rückblickend die Erzählung, wie es zu den Morden auf dem Bauernhof kommen konnte. 

Hanna bewegt sich in einem Sumpf aus Prostitution und Drogen. Sie ist mit dem skrupellosen Drogenboss Anton zusammen, hat aber gleichzeitig ein Verhältnis mit Rikki. Halbherzig versucht sie von Antont loszukommen, um zusammen mit Rikki einen Neuanfang im Ausland zu wagen. Sie stiehlt ihm deshalb die Diamanten, die Rikki ursprünglich auf einem Raubzug besorgt hatte, um seine Schulden bei Anton zu begleichen. 

Parallel dazu verläuft die Handlung auf dem Bauernhof, als Rikki sich dort einschleicht. Er trifft auf einen patriarchalischen Bauern, seine verschüchterte Ehefrau und einen zurückgebliebenen Sohn, die auf dem verdreckten Hof leben, der wirtschaftlich kaum ertragreich ist. Rikki wird Zeuge davon, wie grausam Bauer Jonatán seinen Sohn behandelt und seinen besten Freund, den Stier Hannibal aus reiner Bosheit tötet. 

Die Erzählung erfolgt weder in chronologischer Reihenfolge, noch nach den Schauplätzen oder Protagonisten. Nach und nach ziehen sich die Handlungsstränge zusammen und ergeben für den Leser einen Sinn. Bis dahin ist zwar klar, wer die Toten sind, es bleibt jedoch bis zum Schluss spannend und für mich auch unerwartet, was sich letztlich ereignet hat. 

Grauenhaft ist zu lesen, was das Mädchen Hanna und der Stier, der symbolisch für einen Menschen steht, über die Jahre erlitten haben. In dem Thriller werden die Opfer aufgrund ihrer unmenschlichen Erfahrungen zu Tätern. Es ist ein Teufelskreis aus Missbrauch und Gewalt, ein Familiendrama, das in einem mehrfachen Mord gipfelt. 

"Der Stier und das Mädchen" ist ein grausamer, erschütternder Thriller, der den Abgrund der menschlichen Seele zeigt und auf eine komplexe Erzählweise beschrieben wird. Gespannt auf die Auflösung springt man von einer Episode zur nächsten, bis der Mordfall am Ende schlüssig und nachvollziehbar aufgelöst wird. 



Montag, 27. November 2017

Buchrezension: Ashley Ream - Ein Wunder alle hundert Jahre


Inhalt:

Alle hundert Jahre geschieht ein Wunder an der Küste von Washington Island: das Wasser glüht und schimmert grün wie ein Polarlicht. Für sechs Tage. Dr. Rachel Bell erforscht dieses Wunder sowie die winzigen Wasserwesen, die es hervorrufen. Sie hofft, dass das Geheimnis über das grüne Wasser, das allen Mythen und Geschichten zugrunde liegt, wahr ist: demnach könnte es eine Kraft besitzen, die Rachel das Leben retten und die ganze Welt verändern könnte. Rachel hat genau sechs Tage lang Zeit, das herauszufinden. Bevor das Wasser wieder dunkel wird - für die nächsten einhundert Jahre.

Rezension:

In der Bucht der Insel Olloo`et im Nordwestpazifik gibt es ein Phänomen, das nur alle hundert Jahre zu erleben ist. Für sechs Tage ist die Insel von einem leuchtend grünen Band umgeben. Das Licht kommt von winzigen Gliederfüßern und ihren biolumineszierenden Körpern. Die Artemia lucis werden nur einmal im Jahrhundert geboren und wurden bereits von den Ureinwohnern der Insel wegen ihrer halluzinogenen und schmerzstillenden Wirkung geschätzt.

Dr. Rachel Bell ist Teil eines Forschungsteams der Universität von Washington und ist mit sechs weiteren Wissenschaftlern vor Ort, um das Phänomen zu erforschen. Rachel hat auch ein persönliches Interesse an der Forschung. Seit ihrem sechs Lebensjahr leidet sie unter unerträglichen Rückenschmerzen und ist in ihrer Bewegung aufgrund der Vernarbungen eingeschränkt. Sie entnimmt Wasserproben und möchte die Tierchen in künstlicher Umgebung züchten, um für sich ein Medikament herzustellen und ihr eigenes Leben zu retten. Der erste Versuch beweist auch direkt die positive Wirkung. Nach dern Einnahme des gewonnenen Extrakts ist Rachel zum ersten Mal seit Jahren über Stunden schmerzfrei. Über etwaige Nebenwirkungen macht sie sich keine Gedanken.

Um ihre heimliche Zucht durchführen zu können, nimmt sie das Angebot eines Bewohners der Insel an, bei ihm im Haus statt im Camp zu wohnen. Harry Streatfield ist selbst todkrank und eignet sich deshalb auch für Experimente mit der Wirkung der "Artemia lucis". Harry nimmt Rachel bereitwillig bei sich auf, weil sie ihn an seine verstorbene Tochter Becca erinnert, an deren Tod er sich die Schuld gibt. An der Belastung ist auch die Ehe zu seiner Frau Tilda zerbrochen, die ihn derzeit besucht, um von ihrem kranken Exmann Abschied zu nehmen.

Aufgrund des Naturphänomen mutet die Geschichte mysteriös an. Auch wenn klar sein sollte, dass diese Lebewesen, die nur einmal im Jahrhundert für sechs Tage da sind, unter einem besonderen Naturschutz stehen, setzt sich Rachel darüber hinweg, um die Tierchen für ihre egoistischen Zwecke, die menschlich und nachvollziehbar sind, auszunutzen. Sie stört die Paarungszeit der Artemia lucis und gefährdet damit deren Bestand, um ihr eigenes Leben erträglicher zu machen.

Rachel ist keine zugängliche, sympathische Frau. Sie ist distanziert und hält die Menschen auf Abstand. Hintergrund ihrer abweisenden Art sind die Narben, die sie niemandem zeigen möchte und die insofern nicht nur physische, sondern auch psychische Auswirkungen auf ihr Leben haben. Nahezu besessen baut sie sich heimlich ein Labor auf, um innerhalb der sechs Tage das Protein zu gewinnen, von dem sie die heilsame Wirkung erwartet.

In dem Roman werden ethische Fragen aufgeworfen und der menschliche Egoismus der Natur gegenübergestellt. Es geht um den Umgang des Menschen mit der Natur, wobei die Auswirkungen des Eingreifens des Menschen nicht weiter ausgeführt werden.
Auch das Phänomen der fluoreszierenden Tiere, das nur alle hundert Jahre auftritt, blieb mir zu vage und zu wenig detailliert beschrieben. Ich hätte mir eine tiefer gehende Erklärung für ihr mysteriöses Auftreten und der Gewinnung eines Heilmittels gegen Schmerzen sowie eine stärkere Auseinandersetzung von Rachel mit ihren Handlungen und Selbstreflexion gewünscht. Des Weiteren wären auch mehr Ausführungen zum Forschungsauftrag der Universität Washington hilfreich gewesen.



Sonntag, 26. November 2017

Buchrezension: Thomas Glavinic - Gebrauchsanweisung zur Selbstverteidigung


Inhalt:

Thomas Glavinic kam als 13-Jähriger zum ersten Mal mit Kung Fu in Berührung: Als er Bruce-Lee-Filme sah, war er von dessen Kunstfertigkeit begeistert. Er schrieb sich prompt in Karate ein; mit sechzehn probierte er Taek-Won-Do; später widmete er sich nach einer kurzen Judophase und ein paar Boxeinheiten dem Jiu-Jitsu, bis er schließlich beim Wing Tsun landete: einer Kampfkunst, die der Legende nach von einer chinesischen Nonne erfunden wurde und höchst effektiv ist. Glavinic' Erfahrungsbericht ist ein unterhaltsamer Überblick über Selbstverteidigungssysteme und ihre Anwendung im Alltag. Pointiert und kenntnisreich schildert er, wie man Gefahren elegant aus dem Weg geht. Dass oft genug verbale Gegenwehr schon ausreicht. Und wo die Grenzen zwischen Kampfsport und Kampfkunst liegen.

Rezension:

Thomas Glavinic ist als Autor von Romanen wie "Die Arbeit der Nacht" oder "Das größere Wunder" bekannt, für die er auch zahlreiche Preise erhalten hat. Seine Ideen, die Hingabe, mit der er seine Protagonisten zeichnet und die Bilder, die er im Kopf des Lesers erzeugt, machen ihn zu einem herausragenden Schriftsteller.

Vielleicht hat diese Begeisterung eine zu große Erwartungshaltung in Bezug auf die "Gebrauchsanweisung zur Selbstverteidigung" erzeugt. 
Die Idee dahinter ist nicht schlecht; Glavinic beschreibt im Großen und Ganzen alle Aspekte, die rund um das Thema Selbstverteidigung wichtig sind. Er geht auf den Eskalationsprozess ein, beschreibt die Rolle von Täter und Opfer und gibt Handlungsempfehlungen, die nicht unbedingt das Beherrschen einer Kampfsportart voraussetzen und somit für jeden hilfreich sein dürften. 
Seine Ausführungen unterlegt er teilweise mit autobiographischen Elementen, was ich an einigen Stellen durchaus gelungen finde und mich teilweise auch zum Lachen gebracht hat. 

Bedingt gefallen hat mir, dass Glavinic in vielen Kapiteln versucht, dem Leser seine Vorstellungen von Moral sowie von Richtig und Falsch aufzudrängen. Das kann man im Einzelfall machen, aber bitte nicht im ganzen Buch. Teilweise fand ich diese Darstellung sehr überheblich, auch wenn Glavinic wiederholt betont, dass er eben diesen Eindruck nicht vermitteln möchte. 
Insgesamt hatte ich das Gefühl, das Glavinic einfach aufgeschrieben hat, was ihm gerade eingefallen ist. Die Kernaussagen bzw. Handlungsempfehlungen lassen sich auf zehn Seiten reduzieren. Der Rest ist teilweise sicherlich unterhaltsam, teilweise aber auch überflüssig (leider).



Samstag, 25. November 2017

Buchrezension: Abby Clements - Ein Kuss unter dem Mistelzweig


Inhalt:

Laurie und Rachel kennen sich seit Kindertagen. Mittlerweile lebt Laurie jedoch in London, wo sie in der Modebranche Karriere macht, und Rachel hat mit Mann und Kindern das Glück auf dem Land gefunden. Als Rachels Schwiegermutter kurz vor Weihnachten ins Krankenhaus nach London muss, beschließen die beiden Freundinnen kurzerhand, Wohnungen zu tauschen – mit turbulenten Folgen. Laurie versucht, sich in das Dorfleben einzufinden und den Mann zu vergessen, der ihr das Herz gebrochen hat. Rachel wiederum fühlt sich in London bald wie zu Hause. Und vielleicht gibt es ja an Weihnachten für alle ein Happy End.

Rezension:

Laurie und Rachel sind beide Mitte 30 und seit ihrer Schulzeit eng befreundet, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Laurie ist studierte Modedesignerin und eine Karrierefrau, die als Single in London lebt. Für ihren Job gibt sie alles, so dass die Beziehung zu ihrem Exfreund Jay schon nach kurzer Zeit in die Brüche gegangen ist. Schwer verliebt hat Laurie unter der Trennung gelitten, weshalb ihr bei der Produktion der aktuellen Handtaschenkollektion ein schlimmer Fehler unterlaufen ist. Ihre Firma beurlaubt sie deshalb für zwei Monate.

Rachel ist Hausfrau und zweifache Mutter und macht sich Sorgen um ihre Schwiegermutter Bea, die unter Schwindelanfällen leidet und für eine Diagnose und anschließende Behandlung zu einem HNO-Spezialisten nach London soll. Rachel möchte Bea nicht allein lassen und beschließt, dass die ganze Familie nach London mitkommt, um Bea beistehen zu können. Die Hotelkosten für den mindestens zweiwöchigen Zeitraum wären zu hoch für den Ehemann, der sich selbstständig gemacht hat und sich anstrengen muss, finanziell für die Familie zu sorgen.

Ein Anruf bei Laurie - und die beiden Freundinnen beschließen spontan ihre vier Wände zu tauschen. Rachel und ihre Familie ziehen am 29. November in die Penthouse-Wohnung nach London, während es sich Laurie in dem Cottage in dem verschlafenen Dorf bei Leeds gemütlich macht. Für beide beginnen nun zwei Wochen voller neuer Erfahrungen...

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive beider Frauen erzählt. Während Laurie zunächst als unnahbare Frau dargestellt wird, die sich nur für ihren Beruf zu interessieren scheint, ändert sie sich im Verlauf ihres Aufenthalt bei den Dorfbewohnern, die die Frau in High Heels zunächst skeptisch betrachten. Laurie integriert sich jedoch notgedrungen und engagiert sich in der Vorweihnachtszeit auch ehrenamtlich bei den Landfrauen. Zudem nutzt sie ihr Talent als Modedesignerin und peppt die Kleidungsstücke der Frau auf. Sie lernt auch einen Mann kennen, der sie umgarnt, stellt jedoch fest, dass sie für ihn nicht die Gefühle hat wie für Jay.

Rachel ist jung Mutter geworden und möchte deshalb wie eine Freundin für ihre 15-jährige Tochter Milly sein, die allerdings langsam, flügge wird. Dies führt unweigerlich zu Konflikten, als Milly beginnt, sich für Jungs zu interessieren, Die Stimmung innerhalb der Familie ist zudem gedrückt, da sich sich alle Sorgen um Bea machen, die nach einer Operation sogar ins Koma fällt. Rachel bangt um ihre Schwiegermutter und das Weihnachtsfest, das seit Jahren gleich abläuft und mit festen Traditionen verbunden ist.

Die Idee des Häusertausches und die damit verbundenen neuen Herausforderungen für die Frauen bieten Stoff für einen unterhaltsamen Roman, die Umsetzung empfand ich allerdings als etwas konstruiert. Dass Laurie für einen groben Produktionsfehler mit einem zweimonatigen, bezahlten Urlaub belohnt wird, mag noch nachvollziehbar sein, da sie bisher als Modedesignerin für einen starken Umsatz der Firma gesorgt hat. Der temporäre Umzug von Rachels Familie nach London empfand ich allerdings weit hergeholt. Die Kinder werden über zwei Wochen aus der Schule genommen, ohne auch nur ansatzweise Ersatzunterricht zu erhalten und auch Rachels Mann kann problemlos von London aus arbeiten.
Rachel vermittelt zudem ein etwas antiquiertes Frauenbild und ihre Sorgen um ein unbeschwertes Weihnachtsfest erschienen zumal schwerwiegender als die Sorgen um die Schwiegermutter. Laurie dagegen entwickelte sich von einer Frau, die anfangs nicht einmal ein Fertiggericht erwärmen konnte, zu einer begeisterten Weihnachtsbäckerin.

"Ein Kuss unter dem Mistelzweig" ist eine durchaus unterhaltsame Weihnachtsgeschichte, mit der man sich auf die Feiertage einstimmen kann, sie ist aber auch vorhersehbar und klischeebeladen und leider nicht ganz so charmant und romantisch wie Cover und Titel suggerieren. 


Freitag, 24. November 2017

Buchrezension: Rowan Coleman - Beim Leben meiner Mutter


Inhalt:

Als Marissa stirbt, beschließen ihre beiden Töchter Luna und Pia nach Brooklyn, Marissas Geburtsort, zu reisen. Hier wollen sie mehr über das dunkle Geheimnis erfahren, das ihre Mutter jahrelang gehütet und sie schließlich zugrunde gerichtet hat. Doch die beiden Schwestern stoßen nur auf noch mehr Fragen, statt auf Antworten. Bis Luna eines Tages eine rätselhafte – ja, magische – Erfahrung macht: Sie begegnet ihrer Mutter als junge Frau, im Sommer 1977. Erst glaubt Luna, verrückt geworden zu sein. Doch dann wird ihr klar: Wenn sie tatsächlich die Fähigkeit besitzt, durch die Zeit zu reisen, dann kann sie auch die Vergangenheit ändern. Doch ist es möglich, das Leben ihrer Mutter zu retten, ohne ihr eigenes zu opfern?


Rezension:

Marissa litt über Jahrzehnte an Depressionen und hat ihrem Leben vor einem halben Jahr ein Ende gesetzt. Ihre beiden Töchter Luna und Pia ("Pipi") trauern um ihre Mutter, die sie nur als traurige und gebrochene Frau kannten. Sie hinterlässt ihnen zum Abschied Videos mit Szenen aus ihrem gemeinsamen Leben und den Hinweis, dass die knapp 30-jährige Luna nicht die Tochter ihres Ehemanns und Vaters von Pia ist.

Die beiden Schwestern reisen gemeinsam von London nach Bay Ridge, einem Stadtviertel von Brooklyn/ New York, wo Marissa aufgewachsen ist und ihren späteren Ehemann, den Engländer Henry, kennen und lieben gelernt hat. Luna und Pia haben das Elternhaus von Marissa, das zur Hälfte Marissas Schwester Stephanie gehört, anteilig geerbt. Das Haus ist unbewohnt und in einem stark vernachlässigten Zustand.
Es ist der Ort, wo Luna erstmalig eine surreale, über die Grenzen der Zeit hinausgehende Erfahrung macht, und ihrer Mutter im Jahr 1977 begegnet.

Luna sieht eine ganz andere, fröhliche, unbeschwerte und lebenslustige Frau, die sie nie kennenlernen durfte. In ihren Reisen in die Vergangenheit, deren Zeitpunkt und Dauer sie nicht beeinflussen kann, erfährt sie mehr über ihre eigene Herkunft, den Auslöser für Marissas Depressionen und warum sie damals fluchtartig mit Henry nach London gegangen ist.

Luna beschließt alles zu tun, um das Leben ihrer Mutter zu retten und nimmt dabei in Kauf, ihre eigene Existenz auszulöschen.

"Beim Leben meiner Mutter" erzählt das Schicksal von Marissa, die in jungen Jahren schwer traumatisiert wurde und versucht hat, in England mit ihrer Liebe Henry ein neues Leben anzufangen. Die Erlebnisse, die sie offensichtlich nicht verarbeitet hat, wogen allerdings so schwer, dass auch das vermeintliche Familienglück mit zwei Töchtern ihr nicht darüber hinweghelfen konnte.
Dreißig Jahre danach nimmt sie sich das Leben und ihre Töchter suchen nach Erklärungen. Luna begibt sich bei der Reise nach New York auch auf die Suche nach ihrer eigenen Identität und muss Erschreckendes erfahren.

Von Rowan Coleman habe ich bereits "Zwanzig Zeilen Liebe" und "Im siebten Sommer" gelesen und auch bei diesem Roman schafft es die Autorin, sich einem heiklen Thema tiefgründig und voller Gefühl und gleichzeitig sehr lebendig und leichtgängig zu widmen. Ich mag ihren angenehmen Schreibstil und die Charakterzeichnungen der Protagonisten, die Ecken und Kanten haben, aber im Herzen gut sind. So ist Marissa nicht nur Opfer, sondern auch Täter, wohingegen Pia ihre Mutter für ihr Drogen- und Alkoholproblem verantwortlich macht.

Dieses Familiendrama unterscheidet sich von den anderen Romanen der Autorin aufgrund der unwirklichen, fantastischen Handlung, auf die man sich einlassen muss. Ich hätte mir zumindest einen Ansatz für eine realistische Erklärung gewünscht, warum Luna immer wieder ins Jahr 1977 reisen kann und hätte dabei auch eine psychische oder physische Erkrankung oder sehr lebendige Träume akzeptiert. Dennoch gefiel mir die Geschichte über die bedingungslose Liebe einer Tochter zu ihrer Mutter über den Tod hinweg trotz der surrealen Aspekte - gerade weil es einmal nicht die Mutter ist, die sich für ihre Kinder opfert.
Bis zum Schluss bleibt es spannend, ob Luna es schafft, die Geschichte zu ändern und wie sich diese Eingriff auf ihre eigenes Leben auswirken könnte.
Wie alle Romane von Rowan Coleman ist auch dieser trotz aller Schicksalsschläge unheimlich positiv und lebensbejahend und zeigt, dass Menschen über sich hinauswachsen können und dass passend zum Titel im Original "The Summer of impossible Things" nichts unmöglich ist.

Mittwoch, 22. November 2017

Buchrezension: Pepper Harding - Das Herz des Henry Quantum


Inhalt:

Henry Quantum ist ein großer Grübler – vom generellen Zustand der Welt über den Lebenssinn des Saxofonisten am Straßenrand, irgendetwas schafft es immer, die Aufmerksamkeit des liebenswerten Sonderlings auf sich zu ziehen. Kein Wunder also, dass ihm der Alltag bisweilen entgleitet. Wie zum Beispiel das Weihnachtsgeschenk für seine Frau Margaret. Und so macht Henry sich am 23. Dezember leicht verzweifelt auf, irgendwo in San Francisco noch schnell eine Flasche Chanel No. 5 zu erwerben. Doch auch das wird zu einer Odyssee. Weil Henry sich einfach nicht zu konzentrieren vermag. Und weil er durch Zufall auf Daisy trifft, die einstige große Liebe seines Lebens. Eine Begegnung, die nicht nur ihn zutiefst erschüttert. Und die aus einem sonnigen Tag in San Francisco ein bezauberndes Buch über drei Menschen macht, deren Leben durch scheinbar kleine Dinge in große neue Bahnen gelenkt wird.

Rezension:

Henry Quantum, genannt Bones, fällt am 23. Dezember beim Frühstück ein, dass er noch ein Weihnachtsgeschenk für seine Ehefrau Margaret braucht. Er beschließt, in seiner Mittagspause bei "Macy's" das Parfum "Chanel No. 5" zu kaufen. Auf dem Weg zu dem Warenhaus lässt er sich von allem Möglichen ablenken, versinkt in seinen Gedanken und trifft schließlich zufällig auf seine Ex-Geliebte Daisy, mit der er essen geht. Sie hatte sich vor drei Jahren von ihm getrennt, da sie zunehmend ein schlechtes Gewissen ihrem Ehemann und ihren Kindern gegenüber hatte. Inzwischen ist sie geschieden und zeigt wieder Interesse an Henry. Henry ist mit diesem Geständnis reichlich überfordert, was er allerdings nicht weiß, ist, dass seine Frau in diesem Augenblick einen anderen Mann trifft.

"Das Herz des Henry Quantum" ist in vier Abschnitte untergliedert und erzählt einen Tag vor Weihnachten aus dem Leben von Henry, wobei seine Perspektive nur ungefähr die Hälfte des Romans ausmacht. Die beiden anderen Abschnitte sind aus der Sicht von Margaret und Daisy geschrieben.

Von dem Roman hatte ich mir eine witzige (Liebes-)geschichte über einen etwas sympathisch-verschrobenen Charakter erwartet und habe dafür die erfolglose Suche nach einem Parfum in San Francisco erhalten, bei der Henry nicht wirklich tiefsinnigen Gedanken nachhängt, sondern unkonzentriert eine Sache verfolgt und dabei immer wieder gedanklich abschweift. Seine Philosophiererei und Erinnerungen empfand ich als belanglos und langweilig, zeichnen vielleicht seinen Charakter aus, hatten aber nichts mit der Handlung - der Wiederbegegnung mit seiner Ex-Geliebten - zu tun.
Der Roman thematisiert eine gescheiterte Ehe, in der beide Ehepartner sich gegenseitig hintergehen und anscheinend emotional so weit voneinander entfernt sind, dass sie den Betrug gar nicht bemerken.

Das Buch ist schnell gelesen und die Gestaltung mit einem Kartenausschnitt der Stadt San Francisco schön, um sich zu orientieren und die Wege von Henry zu verfolgen. Von der Geschichte um Henry hatte ich mir aufgrund des Klappentextes aber mehr Charme, Witz und Tiefgang erwartet. Mich konnte keiner der Charaktere für sich gewinnen und auch die sehr übersichtliche Handlung wird mir nicht lange im Gedächtnis bleiben. 



Montag, 20. November 2017

Buchrezension: Elif Batuman - Die Idiotin


Inhalt:


New Jersey, 1995: Selin, Tochter türkischer Immigranten, jung, hinreißend und ahnungslos, zieht aus, um in Harvard Literatur zu studieren. Die College-Wohnheime sind mit Albert Einstein-Postern und Lavalampen dekoriert, das Internet ist noch jung und die nächtlichen E-Mails, die ihr Ivan, der ungarische Mathestudent, schickt, sind ebenso bezaubernd wie unverständlich. Aber Selin manövriert sich tapfer durch die ersten Stürme der Erwachsenenjahre. Sie reist mit ihrer Freundin Svetlana nach Paris, lernt Russisch und Taekwondo – und dass die Liebe flüchtig ist. Ein Buch über die magische Zeit des Erwachsenwerdens und das Porträt einer jungen Frau, die auszieht, um ihren Platz in der Welt zu suchen – hellwach und feinsinnig erzählt.

Rezension:

Der Roman spielt im Jahr 1995, als die türkischstämmige Selin in Harvard ihr Literaturstudium beginnt. Sie teilt sich ein Wohnheim-Apartment mit Hannah und Angela, freundet sich aber mehr mit Svetlana aus Serbien an. In ihrem Russischkurs lernt sie den ungarischen Mathematikstudenten Ivan kennen, mit dem sie einen regen E-Mailverkehr eingeht und in den sie sich verliebt. Sie gesteht es aber weder sich selbst gegenüber ein, noch zeigt sie es Ivan direkt.

Während ihres Erstsemesters lernt sie Spanisch und Russisch und schreibt einen Essay, für den sie sogar einen Preis erhält. Daneben gibt sie Schülern Nachhilfe in Mathematik und Englisch, wobei ihr pädagogisches Geschick wenig ausgeprägt ist und es ihr vor allem an der notwendigen Strenge mit ihren Schülern fehlt.
In den Semesterferien reist sie zunächst nach Paris und anschließend nach Ungarn und reist dabei mehr oder weniger zufällig ihrem Schwarm Ivan hinterher. Ihre letzte Station ist ihre Heimat die Türkei, bevor das nächste Semester beginnt, in dem sie sich für Linguistik einschreibt und alle anderen Kurse nicht fortsetzt.

Selin ist eine unsichere, 18-Jährige, deren erstes Studienjahr in Harvard beschrieben wird. Sie ist eine intelligente junge Frau, die sich vor allem für Sprachen interessiert, ist aber im sozialen Umgang mit anderen unerfahren und ungeschickt. Sie lässt sich deshalb von anderen leicht beeinflussen und tut sich schwer damit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Die erste Hälfte des autobiographischen Romans empfand ich als langatmig. Es ist eine reine Beschreibung des Alltags einer Studentin und trivial, weil nicht wirklich viel passierte. Das mag ein sehr realistisches Szenario sein, mir war es schlicht zu langweilig.

Die zweite Hälfte war dagegen eingängiger zu lesen, da Selin mehr erlebte und in Europa mit vielen neuen Eindrücken konfrontiert wurde. Aber auch dort hat sie Probleme, sich auf sich zu konzentrieren und auf das, was sie möchte. Unweigerlich reist sie Ivan hinterher und nimmt das Angebot an, in Ungarn Schülern Englischunterricht zu erteilen. Dabei lässt sie sich aber auch von den Familien der Schüler überrumpeln und vereinnahmen und ist froh, wenn sie einmal allein sein kann, um selbst einmal nicht lernen zu müssen oder anderen etwas beizubringen, wobei sie weiterhin viel zu nachsichtig ist. Ivan kommt sie dabei aber keinen Schritt näher.

"Die Idiotin" ist ein Coming-of-Age-Roman über eine schüchterne Studentin, die ihren Weg im Leben erst noch finden muss. Mit trockenem Humor wird ihr Alltag in Harvard und ihre Begegnungen mit den etwas skurrilen Menschen in Ungarn bei ihrem Auslandsaufenthalt beschrieben. Am Ende ist sich Selin sicher, dass sie Schriftstellerin werden will, eine charakterliche Weiterentwicklung konnte ich allerdings nicht feststellen. Ist Selin deshalb die Idiotin? Oder weil sie für Ivan schwärmt, der innerhalb des Jahres mindestens zwei Freundinnen hatte und sich offensichtlich nicht wirklich für eine Liebesbeziehung mit Selin interessierte?

"Die Idiotin" ist keine befriedigende Lektüre. Das Buch ist in keine Kapitel untergliedert und eine Betrachtung der offensichtlich langweiligsten Teile des Studentenlebens: des grauen Alltags aus der Belegung von Kursen und Nachhilfe für Schüler. Darüber hinaus ist es eine Beschreibung des täglichen Scheiterns von Selin in alltäglichen Situationen. Zwischenmenschliches ist reduziert auf einzelne Begegnungen mit vielen verschiedenen Personen, seien es ihre Kommiliton(inne)n oder die schrägen Familien in Ungarn.

Wer sich nicht von der Banalität des Romans abschrecken lässt und ein Faible für Literatur und Sprachwissenschaften hat, für den ist Elif Batumans autobiographischer Roman die geeignete Lektüre. 


Samstag, 18. November 2017

Buchrezension: Luisa Valentin - Jede letzte Nacht mit dir


Inhalt:

Daniel Lester ist sehr attraktiv – und sehr unglücklich. Bei einem tragischen Bootsunfall hat er seine Ehefrau verloren, die er einfach nicht vergessen kann und will. Weil seine Familie ihm zunehmend auf die Nerven geht, engagiert er eine Schauspielerin, die ihn zu der mehrtägigen Geburtstagsfeier seines Onkels begleiten und sich als seine Verlobte ausgeben soll. Marla ist in einer glücklichen Beziehung, doch sie braucht das Geld, das sie für das Engagement bekommen wird, sehr dringend.
Unerwartet verspüren beide eine Anziehung, der sie sich bald nicht mehr entziehen können – und so beginnt ein Spiel mit dem Feuer, das sie beide eigentlich nicht wollen.

Rezension:
Marla Patry ist 26 Jahre alt und Schauspielerin aus München. Sie lebt mit ihrem Freund Mika zusammen, der ebenfalls Schauspieler ist. Während Mika sich vor Engagements nicht retten kann, ist Marlas Typ weniger gefragt. Als Sandra-Bullock-Look-a-like wird sie, wenn überhaupt, nur für kleinere Rollen besetzt. Da verlockt ein neuer Auftrag ihres Agenten Richard: Für 10.000 € soll Marla an einem verlängerten Wochenende in die Rolle der Lisa Brenner schlüpfen und die Verlobte für Daniel Lester mimen.

Daniel Lester hat vor drei Jahren bei einem Bootsunglück auf Mallorca seine Ehefrau Silvia verloren und lässt seitdem keine Frau mehr näher an sich heran. Bis auf One-Night-Stands hat er kein Interesse an Frauen und schon gar nicht an einer Beziehung. Seine Familie sieht dies anders und versucht ihn zu verkuppeln, weshalb er bei einer Geburtstagsfeier von Onkel Peter Lisa präsentieren möchte.

Da es in der Beziehung zu Mika kriselt, hat Marla keine Skrupel, das Angebot anzunehmen. Sie spielt ihre Rolle perfekt, hat allerdings nicht damit gerechnet, tatsächlich mehr für Daniel zu empfinden. Dieser besteht jedoch auf die Einhaltung des Vertrages, was eine Trennung nach dem Wochenende in London vorsieht.
Doch auch ihn hat die Leidenschaft für Marla gepackt, aber er möchte an seinem Versprechen festhalten, nie mehr eine andere Frau als Silvia zu lieben.

Als sich Marla und Daniel auf einem Weihnachtsmarkt in München begegnen, ist das Feuer au London neu entfacht und es beginnt ein Spiel, bei welchem Marla bereitwillig mit anderem Namen und Perücke in andere Rollen schlüpft, um immer wieder aufs Neue eine Nacht mit Daniel verbringen zu können.

Während die körperliche Anziehung zwischen Marla und Daniel sehr anschaulich und ausführlich beschrieben wird und Marla sich regelrecht für Daniel prostituiert, indem sie sich an verschiedene Trefforte locken lässt, vermisste ich durchweg eine emotionale Verbindung zwischen den beiden. Marla steht zwar zu ihren Gefühlen und trennt sich nach ihrer Ankunft aus London direkt von ihrem Freund und auch Daniel redet sich ein, dass sein Interesse für Marla nur körperlicher Natur ist, auch wenn sie von Typ eine ganz andere als seine verstorbene Frau ist. Ihre Gefühle für einander konnte ich aber nach dem kurzen Kennenlernen und der wenigen Zeit, die sie miteinander verbrachten, nicht nachvollziehen.

Auch wenn mir bewusst war, dass der Roman erotische Inhalte enthält, fand ich es sehr schade, dass die prickelnde Erotik zwischen Marla und Daniel über weite Teile das einzig verbindende Element blieb.

Der Roman zog sich für mich in die Länge, da die Nächte stets nach demselben Schema abliefen. Zudem wurden beide Charaktere immer unglaubwürdiger für mich. Daniel besteht auf seinem Pakt gegenüber seiner Frau, dass er immer nur eine Nacht mit einer Frau verbringen darf und betrügt sich selbst, indem er sich mit Marla in unterschiedlichen Rollen trifft.
Marla wirkt einfältig, verkauft ihren Körper an Daniel und lässt sich auch nach London noch mit Aufenthalten in luxuriösen Hotels und teurer Bekleidung locken. Daniel dagegen betont, wie sehr er seine Frau geleibt hat, seine Gedanken kreisen jedoch nur noch um Marla.
Das vorhersehbare Ende kommt nach langem Hin und Her dann plötzlich ganz schnell, als es Daniel am Grab von Silvia wie Schuppen von den Augen fällt, dass seine verstorbene Frau gewollt hätte, dass er glücklich ist.

Die Idee hinter dem Roman hat mir gefallen, ich vermisste allerdings die Romantik in dieser Liebesgeschichte und eine tiefere emotionale Verbundenheit der beiden - auf mich leider wenig sympathisch wirkenden - Protagonisten.



Freitag, 17. November 2017

Buchrezension: Isabelle Broom - Wintersterne


Inhalt:

Eine Reise ins magische, verschneite Prag: Für Megan, Hope und Sophie ist das die perfekte Gelegenheit, um vor ihren Problemen wegzulaufen. Sie lernen sich in einer Hotelbar kennen, und obwohl die drei Frauen völlig unterschiedlich sind, verstehen sie sich auf Anhieb. Gemeinschaftliche Streifzüge durch die winterlich verzauberte Stadt konfrontieren sie mit ihrer Vergangenheit und führen sie zu besonderen Begegnungen. Und vor allem zu sich selbst.

Rezension:

Drei unterschiedliche Paare aus England lernen sich während eines Kurzurlaubs im verschneiten Prag kennen.

Ollie ist Lehrer und hat seine beste Freundin Megan, die Fotografin ist, gebeten, ihn nach Prag zu begleiten, um sich auf eine Klassenfahrt vorzubereiten. Megan arbeitet derzeit an einem Projekt für eine Fotoausstellung und nimmt die Gelegenheit wahr, um in Prag Fotomotive für die Ausstellung abzulichten.
Da die beiden sich ein Doppelzimmer teilen, hatte Megan bereits vor der Abreise Bedenken, ob dies eine gute Idee sein würde. Sie ahnt, dass Ollie mehr für sie empfindet und seine Gefühle und die Anziehung, die auch sie zu ihm spürt, werden ihnen unter Alkoholeinfluss an einem Abend in Prag zum Verhängnis und gefährden ihre Freundschaft. Während Ollie sich in Megan verliebt hat, ist sie verunsichert und gibt ihm zu verstehen, dass sie keine Beziehung möchte.

Hope ist dagegen frisch verleibt. Sie und Charlie erleben ihren ersten Urlaub miteinander, nachdem sich Hope von ihrem Ehemann Dave getrennt hat. Sie leidet allerdings darunter, dass ihre Tochter Annette nicht mehr mit ihr spricht, die sie in flagranti mit ihrem Fahrlehrer erwischt hatte. Hope kann den Urlaub nicht genießen und überlegt, ob es nicht die falsche Entscheidung war, sich so schnell wieder an einen Mann zu binden, nachdem ihr in ihrer Ehe die Möglichkeiten zur Selbstentfaltung gefehlt hatte. Zudem möchte sie auch ihre Tochter nicht verlieren. Als Charlie sich in Prag aus Hopes Sicht so benimmt, als ob er etwas zu verbergen habe, steht sie kurz davor, ihn zu verlassen.

Sophie ist allein in dem Hotel, als sie die beiden Paare kennenlernt. Sie wartet auf ihren Mann Robin, mit dem sie schon mehrere Urlaube in Prag verbracht hat und der nachkommen wollte. Hope macht sich bald Sorgen um die zarte Sophie, die so zerbrechlich wirkt und dann auch tatsächlich noch vor der erwarteten Ankunft ihres Mannes zusammenbricht.

"Wintersterne" erzählt von drei Frauen und der Liebe und den damit verbundenen Hoffnungen, Ängsten und Sehnsüchten und versetzt den Leser dabei in das malerische, winterliche Prag, das man mit den Paaren lebhaft erkundet. Durch die detaillierten Beschreibungen hat man das Gefühl, tatsächlich in Prag zu sein, die Stadtführung lenkt aber auch etwas von der Handlung ab.

Die drei Erzählstränge werden im Wechsel erzählt, wobei die Geschichten um die beiden Paare den größten Umfang einnehmen. Verbindendes Element ist die Stadt Prag und das Hotel, in dem sie eingebucht sind und wo sie sich an Bar oder beim Frühstück immer wieder begegnen. Bei einem gemeinsamen Abendessen in einem Restaurant kommen sie auch länger ins Gespräch.

Je länger alle fünf in Prag sind, desto bedrückender wird die Stimmung. Nachdem Megan und Ollie eine Nacht miteinander verbracht haben, hat insbesondere Megan Schuldgefühle und weiß nicht, wie sie mit Ollie umgehen soll. Sie ist völlig verunsichert, verletzt ihn, indem sie ihm aus dem Weg geht und hat eine für mich nicht ganz nachvollziehbare Angst, dass sie nicht gleichzeitig ihren Beruf als Fotografin ausüben und eine Beziehung zu einem Mann haben kann - dabei vergöttert Ollie Megan und lässt ihre alle Freiheiten. Megan steht sich selbst im Weg und gefährdet dabei ihre gute Freundschaft zu Ollie, an dem sie trotz allem sehr hängt.

Hope und Charlie benehmen sich dagegen zu Beginn des Aufenthalts in Prag frisch verliebt, bis Hope Charlie gegenüber immer misstrauischer wird und ihr die gestörte Beziehung zu ihrer Tochter Sorgen bereitet, die den Kontakt zu ihrer Mutter abgebrochen hat. Auch Hope erkennt nicht, dass Charlie sie aufrichtig liebt und nur das Beste für sie möchte. Er würde sie nie so einschränken, wie ihr Ehemann Dave dies getan hat.

Sophie ist in freudiger Erwartung auf ihren Ehemann und während sie sich die Stadt allein anguckt, schwelgt sie immer wieder in Erinnerungen an ihn und die gemeinsamen Urlaube in Tschechien und exotischeren Ländern. Man spürt ihre Melancholie und Trauer, dass Robin nicht da ist und spätestens als die dünne Frau körperlich zusammenbricht, ahnt man, dass mehr hinter der verspäteten Ankunft von Robin stecken muss.

"Wintersterne" ist ein Roman, der Lust darauf macht, sich Prag selbst einmal anzusehen und der drei Liebesgeschichten erzählt, bei der sich die Frauen oft selbst und ihrem (Liebes-)glück im Wege stehen. Es ist ein berührendes Buch, bei dem sich jede Leserin - auch aufgrund der unterschiedlichen Alter der Frauen und Stadien der Beziehungen - mit mindestens einer der Protagonistinnen und ihren Ängsten identifizieren kann.

"Wintersterne" ist ein atmosphärischer Roman, der Freud und Leid der Liebe aufzeigt und bei dem bis zum Ende offen ist, wies mit den einzelnen Paaren enden wird. Er ist damit eine willkommene Abwechslung zu den üblichen Weihnachts-/ Winterromanen bei denen ein Happy End vorhersehbar ist.



Mittwoch, 15. November 2017

Buchrezension: Jenny Colgan - Weihnachten in der kleinen Bäckerei am Strandweg (Band 3)


Inhalt:

Es weihnachtet sehr an Cornwalls Küste, und Polly hat nur ein Ziel: Dieses Fest der Liebe muss das Beste aller Zeiten werden. Aber wann verläuft das Leben schon nach Plan? Prompt schneit ihre Freundin in der Bäckerei vorbei und vertraut ihr ein heikles Geheimnis an, das bald nicht mehr zu verbergen sein wird. Außerdem ist da noch die leidige Frage, wer die Bäckerei weiterführen darf. Wird es Polly trotzdem gelingen, mit ihrem Freund Huckle und Papageientaucher Neil das fröhlichste aller Feste zu feiern?

Rezension:

"Weihnachten in der kleinen Bäckerei am Strandweg" ist der letzte Teil der Trilogie um Polly Waterfords Bäckerei auf der Insel Polbearne in Cornwall und der erste Roman, den ich von Jenny Colgan gelesen habe.
Mit ein paar einleitenden Worten führt die Autorin in die Geschichte ein, so dass es zum Verständnis dieses Romans nicht unbedingt nötig ist, die beiden Vorgänger gelesen zu haben.

Polly hat sich inzwischen mit ihrem amerikanischen Freund Huckle und dem Papageientaucher Neil in dem kleinen Dorf Mount Polbearne in dem alten Leuchtturm der Insel niedergelassen und führt die kleine Dorfbäckerei, die sie von der alten Mrs. Marne übernommen hatte.
Polly hat zwar einen Angestellten, aber als Selbstständige bleibt die meiste Arbeit an ihr hängen und auch wenn sie ihren Beruf liebt, ist sie ein wenig frustriert, dass die Bäckerei - gerade im Winter, wenn wenig Touristen auf der Insel sind - so wenig abwirft. Huckle ist leidenschaftlicher Imker und trägt damit kaum zum Haushaltseinkommen bei.

So lässt sich Polly von Ehemann ihrer besten Freundin Kerensa, Reuben, der mehrfacher Millionär ist dazu überreden, einen Teil des Caterings für seine Weihnachtsfeierlichkeiten zu übernehmen, obwohl sich Polly fest vorgenommen hatte, die Feiertage frei zu machen und diese nur gemeinsam mit Huckle zu verbringen, der auf eine Heirat drängt. Gleichzeitig möchte Polly mit ihrem Verdienst die Papageientaucherstation vor dem Ruin retten.
Neben finanziellen Sorgen, ist Polly wegen Kerensa beunruhigt, die ihr ein Geheimnis anvertraut hat, das auch ihre Beziehung zu Huckle belastet.

Der dritte Teil der Reihe um die "kleine Bäckerei am Strandweg" ist die ideale Lektüre zur Adventszeit. Es ist kalt und ungewöhnlich verschneit in Cornwall und Polly und ihre Freunde sind mit den Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest beschäftigt, so dass man als Leser auch in diese weihnachtliche Stimmung, die im Vorfeld oft mit Stress verbunden ist, versetzt wird.
Polly ist eine sympathische junge Frau, die trotz ihrer eigenen Probleme - seien es die Kosten für die Sanierung des Leuchtturms oder die Suche nach ihrem Vater, den sie nie kennengelernt hat - sich Zeit für ihre Freunde nimmt und sich dabei in ihrer Gutmütigkeit schon fast ausnutzen lässt.

Es ist ein Roman über Freundschaft, Familie und Beziehungen mit persönlichen Dramen, aber auch mit einer gehörigen Portion Leichtigkeit und Witz, die insbesondere durch den sorgenfreien und großspurigen Reuben in die Geschichte gebracht wird, der unverschämt reich ist, dies auch bei jeder Gelegenheit betont, dabei aber nicht unsympathisch wirkt.

Der Roman ist weder besonders tiefgründig, noch überzeugt er durch überraschende Wendungen. Er schafft jedoch eine Weihnachtsatmosphäre und sorgt dabei für eine lockerleichte Unterhaltung mit Happy-End-Garantie.
Freunde der beiden ersten Teile dürften allerdings damit zu kämpfen haben, dass der Roman insbesondere auf die Herkunft und Vergangenheit von Polly nicht ganz schlüssig ist, was aber in meine Bewertung nicht einfließen kann.



Montag, 13. November 2017

Buchrezension: Kris van Steenberge - Verlangen


Inhalt:

Elisabeth, die Tochter des Schmieds, sehnt sich danach, ihrem Heimatdorf Woesten zu entkommen. Sie versucht, sich Bildung anzueignen und heiratet den jungen Arzt Guillaume Duponselle. Als kurz darauf Zwillinge zur Welt kommen, ist der Zweitgeborene so entstellt, dass der Vater sich weigert, ihm einen Namen zu geben. Doch Namenlos überlebt und hält fortan dem Vater und den anderen Dorfbewohnern den Spiegel vor.

Rezension:

Der Roman spielt Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Dorf im belgischen Flandern. Es ist in vier Abschnitte untergliedert, die die Geschichte der Familie Duponselle aus vier Perspektiven erzählen.

Beginnend mit Elisabeth, die als Tochter des Dorfschmieds aus einfachen Verhältnissen stammt wird man in das belgische Dorf vor Beginn des Ersten Weltkriegs versetzt. Elisabeth hat Kontakt zu Herrn Funk, einem Deutschen, der in dem Dorf als wunderlich wahrgenommen wird und von den Dorfbewohnern gemieden wird. Elisabeth schwärmt ein wenig für den älteren Mann, von dem sie heimlich Bücher zu Lesen erhält.
Sie heiratet jedoch den angesehenen Dorfarzt Guillaume Duponselle, von dem sie Zwillinge bekommt.
Während einer der Jungen, Valentin, aufgeweckt und hübsch ist und schon als Baby jeden einzelnen im Dorf mit seinem andauernden Lächeln für sich gewinnen kann, kommt sein Bruder mit einem entstellten Gesicht zur Welt. Vom Vater abgelehnt und ignoriert, erhält er nicht einmal einen Namen. Er kann nicht sprechen und fast jeglicher Kontakt mit den Dorfbewohnern gemieden. Einzig seine Mutter und ihre Schwester akzeptieren Namenlos so wie er ist. Seine Tante bringt ihm sogar das Schreiben bei, da er keine Schule besuchen darf. Er ist Zeit seines Lebens ein Aussätziger bis sich der Dorfpfarrer seiner annimmt und ihm zunächst für kleine Gefälligkeiten etwas Taschengeld gibt und Latein lehrt.

Valentin enttäuscht seinen Vater mit seinen schlechten schulischen Leistungen und wird auch nicht auf ewig der schöne Sohn bleiben. Wie auch sein Vater muss er in den Krieg ziehen und wird an der Front schwer verletzt. Elisabeth wird die Auswirkungen des Krieges und die Wiedervereinigung der Brüder nach Ende des Krieges allerdings nicht mehr miterleben.

"Verlangen" ist ein Roman, der die Grausamkeit der Menschen schildert und ihre seelischen Abgründe aufzeigt. Da der Roman aus Sicht der vier wichtigsten Protagonisten geschildert wird, kommt es zwar zu Wiederholungen, wobei diese nicht langweilen, sondern Schlüsselszenen darstellen, die die Handlung, die aus der Perspektive von nur einem Protagonisten Fragen aufwirft, durch die mehrfache Schilderung für den Leser erst verständlich machen.

Neben der für Elisabeth schrecklichen Ehe mit dem autoritären Arzt, hat der Roman durch die Behinderung und die daraus resultierende soziale Ächtung von Namenlos, die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die Familie und die Gesellschaft bis auf einen überraschenden Lichtblick am Ende des Romans, nichts Positives zu bieten. Es ist damit ein düsterer Roman, der den Leser mit all seiner Tragik jedoch fesselt und in Bezug auf das ungewisse Schicksal von Elisabeth für die notwendige Spannung sorgt.
"Verlangen" ist kein Roman für zwischendurch, sondern verlangt dem Leser einiges ab und muss aufmerksam gelesen werden.



Samstag, 11. November 2017

Buchrezension: Stefan Bachmann - Palast der Finsternis


Inhalt:

Die Außenseiterin Anouk ist mit vier anderen Kandidaten nach Paris gekommen, um einen lange verschütteten unterirdischen Palast zu erforschen, den ein verrückter Adliger zur Zeit der Französischen Revolution als Versteck für seine Familie erbauen ließ. Doch nachdem die Jugendlichen einmal durch die Tür mit dem Schmetterlingswappen getreten sind, erwartet sie in jedem weiteren Raum ein neuer Abgrund, den sie nur gemeinsam bezwingen können.

Rezension:

Die 17-jährige Anouk wurde zusammen mit vier weiteren Jugendlichen aus den USA ausgewählt, nach Paris zu reisen, um einen 34 Meter unter der Erde befindlichen Palast zu erforschen, der Ende des 18. Jahrhunderts von dem französischen Adeligen Frédéric du Bessancourt gebaut wurde.

Die Jugendlichen kennen sich nicht und begegnen sich zum ersten Mal am Flughafen. Sie finden sich nicht wirklich sympathisch und so steht die Reise von Anbeginn unter keinem guten Stern. Ohne auch nur einmal einen Reisepass vorzeigen zu müssen, werden sie mit einem Privatflugzeug nach Frankreich gebracht.
Als sie den Palais de Papillon betreten, haben sie noch keine Ahnung, welchen Gefahren sie dort begegnen werden und dass sie vor dem Abenteuer ihres Lebens stehen. Hinter jeder Tür befindet sich ein anderer Raum mit neuen Gefahren, die sie gemeinsam bezwingen müssen, um lebend aus dem Palast zu kommen.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen: Man erlebt die Familie Bessancourt 1789/ 1790 aus der Sicht der Tochter Aurélie, die sich während der französischen Revolution in dem unterirdischen Palast versteckt halten, den der Vater erbauen ließ. Nachdem die Mutter getötet wurde und Aurélie von ihren Schwestern getrennt wurde, fühlt sie sich selbst als Gefangene in einem Goldenen Käfig und versucht mit Hilfe eines Dienstboten zu fliehen.

Über 200 Jahre später sind die fünf Jugendlichen in dem Palast eingeschlossen und begegnen dort den seltsamsten Gefahren. Der Roman ist in der Gegenwart aus Sicht von Anouk beschrieben, die sich als Adoptivtochter von ihren Adoptiveltern nicht geliebt fühlt und von zu Hause weggegangen ist, ohne ihren Eltern das wahre Reiseziel zu benennen.

Es hat zunächst den Anschein, als seien die Jugendlichen in dem labyrinthartigen unterirdischem Gebäude gefangen, um im Rahmen eines psychologischen Experiments, bei welchem die Stärken und Schwächen eines jeden zum Vorschein kommen, den Ausgang zu finden. Es ist aber tatsächlich ein Kampf ums Überleben gegen übermächtige Untote, die die Jugendlichen festhalten, um sie für ihre Zwecke zu missbrauchen.

"Palast der Finsternis" ist ein surrealer Jugendroman, der sich auf beiden Zeitebenen spannend liest, wobei die Gegenwart mit Anouk und ihren Weggefährten den meisten Raum einnimmt.
Schon bald ist klar, dass es sich bei der Einladung nach Paris um keine archäologische oder historische Forschungsarbeit handelt. Dennoch bleibt es lange vage, warum die Jugendlichen aus Amerika eingeflogen worden sind und von wem die Gefahren in dem Palast ausgehen. Auf wessen Seite kämpfen die Tracker? Wer ist der Schmetterlingsmann oder die mysteriöse Frau in dem roten Kleid?

Ich hatte mir einen Steampunk-Roman bzw. ein mysteriöses Schauermärchen mit historischen Bezügen versprochen, stattdessen ist der "Palast der Finsternis" eher ein Fantasyroman mit vielen Kampfszenen gegen Untote.
Während mir der undurchsichtige Beginn des Romans und die Szenen in beiden Zeitabschnitten noch gut gefallen haben, empfand ich die immer neuen Gefahren hinter den einzelnen Türen und die Kämpfe ermüdend, die Flucht aus dem Palast verwirrend. Die Auflösung des Rätsels der mysteriösen Gefangenschaft und die Identität des Schlangenmannes waren jedoch sehr überraschend, wenn auch nicht wirklich gruselig. Auch wenn es sich bei den Protagonisten um Jugendliche handelt, würde ich ihn aufgrund der Brutalität mancher Kampfszene nicht als Jugendroman einordnen. 



Freitag, 10. November 2017

Buchrezension: Elisa Sabatinelli - Sommer auf meiner Haut


Inhalt:

Mit nur wenig Geld und dem Tagebuch ihrer verstorbenen Mutter in der Tasche, ist die 26-jährige Lavinia bereit für den Sommer ihres Lebens. Sie reist nach Italien, dorthin, wo ihre Mutter mit dem Mann glücklich war, der sie schließlich beide verlassen hat: Lavinias Vater, den sie nie kennengelernt hat. Jedes Erlebnis, jede Begegnung auf ihrer Reise hilft Lavinia dabei, sich selbst neu zu entdecken. Aber es ist Claudio, attraktiv, charmant und unwiderstehlich, der ihr Leben für immer verändern wird. Als er nach einer romantischen Nacht verschwindet, spürt Lavinia, dass sie ihn wiederfinden muss.

Rezension:

Im Rahmen der Blanvalet-Kampagne "Hello Sunshine - Bücher für klopfende Herzen" konnte ich "Sommer auf meiner Haut" noch vor der Veröffentlichung in Deutschland im Mai 2018 exklusiv vorab als Ebook lesen.

Lavinia ist 26 Jahre alt und lebt in Barcelona. Vor sechs Monaten ist ihre Mutter an Krebs gestorben und Lavinia hat sich in der Klinik testen lassen, ob sie genetisch vorbelastet ist. Das Ergebnis liegt ihr nun vor, aber sie möchte den Umschlag erst im September öffnen und solange drei freie Sommermonate genießen, bis sie bereit ist, sich der Wahrheit zu stellen. Ihre Mutter hat ihr Aufzeichnungen hinterlassen - eine Art Tagebuch, in welchem sie Erinnerungen in Form von Fotos oder Postkarten gesammelt hat, die von ihrem Aufenthalt als junger Frau in Italien zeugen.

Diesen Sommer möchte Lavinia auf den Spuren ihrer Mutter wandeln und die Plätze aufsuchen, an denen ihre Mutter Jahre zuvor war. Lavinia verabschiedet sich von ihren Freunden und fliegt von Barcelona nach Neapel. Ihre erste Station ist der Ort Ravello an der Amalfiküste. Von dort zwingt sie sich, weiter in den Norden zu fahren und den Mont Blanc zu besteigen, obwohl sie das Gebirge nicht mag. Anschließend geht es wieder zurück in Richtung Süden, in die Toskana nach San Gimignano, Florenz und Vinci.

In Ravello begegnet sie dem zehn Jahre älteren Claudio, von dem sie sich wie magisch angezogen fühlt. Er ist Geigenspieler und war in der Kommission, vor der sie an der Hochschule für Musik selbst Geige gespielt, aber aufgrund ihres Kummers um die kranke Mutter und den Vater, den sie nie kennengelernt hat, aber dennoch anonymer Sponsor ihres Studiums gewesen sein muss, versagt hat. Auch Claudio erkennt sie wieder und ist zufällig im selben Hotel, wo sie eine gemeinsame Nacht verbringen. Zum Abschied schenkt er ihr eine wertvolle Geige aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die sie wie ein Klotz am Bein auf ihrer weiteren Reise durch Italien begleiten wird.

Neben Claudio trifft Lavinia in den Bergen auf Tommaso, in der Toskana auf Hannah und später auf Luca und Alfredo.
Der Beginn des Romans, an welchem die Trauer um die Mutter noch sehr gegenwärtig war, ist melancholisch, Lavinia wirk unnahbar. Trotz der Ich-Perspektive blieb sie sehr distanziert, der Erzählstil wirkt wie ein Bericht.

Der Aufenthalt in Italien war dann von prickelnder Erotik geprägt. Statt einer Reise auf den Spuren ihrer Mutter und einem Interesse an den malerischen Orten, die Lavinia besuchte, reduzierte sich die bislang belanglose Handlung auf die Begegnungen mit fremden Männern bzw. einer Frau, die alle in einem persönlichen Höhepunkt Lavinias gipfelten.

Ich bin kein Freund erotischer Literatur, weshalb dieser Roman die falsche Wahl für mich war. Anhand der Kurzbeschreibung hatte ich eine andere Vorstellung vom Inhalt des Romans und bin von einem Sommerroman ausgegangen, der in Italien spielt und wo die Protagonisten am Ende ihr Glück mit einer neuen Liebe findet.
"Sommer auf meiner Haut" beschränkt sich in Italien allerdings auf die Aneinanderreihung von One-Night-Stands in gekünstelter Sprache, die sich in ihrer Intensität immer weiter steigerten, wodurch Lavinia ihre Melancholie ablegen konnte. Der Umschlag mit dem noch unbekannten Testergebnis geriet nahezu in Vergessenheit.

Der Roman ist zu allem Überfluss nur der erste Teil eines Zweiteilers und endet so offen, dass man gezwungen wird, auch Band 2 zu lesen, wenn man wissen will, wie Lavinias Sommer weitergeht und was der Test in Bezug auf eine mögliche Erkrankung Lavinias ergeben hat.

Die sexuellen Handlungen sind sehr eindeutig formuliert und lassen keinen Raum mehr für Fantasie, weshalb eine Kennzeichnung mit Hinweis auf das Genre auf dem Cover erfolgen sollte. Er liegt in deutscher Sprache bisher nur als Ebook vor und sollte vom Verlag vor Druck unbedingt noch auf korrekte Rechtschreibung geprüft werden.

Ich kann den Roman nur Lesern empfehlen, die gerne Bücher aus dem Bereich Erotik lesen und Freude an einer bildhaften Sprache und Worten haben, die Geschlechtsverkehr und Geschlechtsteile kreativ umschreiben. Vielleicht bin ich zu prüde - mir war der Roman auf einer völlig anderen, ungewohnten Ebene zu tiefgründig, die erwartete Handlung in Bezug auf eine persönliche Neuentdeckung zu banal und der Inhalt mit einer unnötigen Ausdehnung auf zwei Bände zu pornografisch.




Das Ebook wurde mir kostenlos vom Verlag zur Verfügung gestellt.
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Mittwoch, 8. November 2017

Buchrezension: Rowan Coleman - Zwanzig Zeilen Liebe


Inhalt:

Sorg dafür, dass dein Vater sich wieder verliebt. Iss jeden Tag Gemüse. Trau keinem Mann mit übermäßigem Bartwuchs. Tanz auf meiner Beerdigung zu Dean Martin. Nacht für Nacht bringt Stella diese und andere Zeilen zu Papier. Die Hospizschwester schreibt Abschiedsbriefe im Auftrag ihrer schwer kranken Patienten und überreicht deren Nachrichten, nachdem sie verstorben sind. Bis sie einen Brief verfasst, bei dem sie keine Zeit verlieren darf. Denn manchmal lohnt es sich zu kämpfen: Für die Liebe. Für das Glück. Für den einen Moment im Leben, in dem die Sterne am Himmel ein wenig heller leuchten.

Rezension:

Stella ist Krankenschwester für die Nachtschichten in einem Hospiz und schreibt dort im Auftrag der Gäste, wie die Patienten dort genannt werden, Abschiedsbriefe, die sie nach deren Tod an die Hinterbliebenen übergibt.
Nicht immer schafft es Stella, eine professionelle Distanz zu bewahren und lässt die Schicksale der Erkrankten und ihre Sorgen sowie die der Angehörigen nah an sich heran. Für Stella steht im Hospiz nicht der Tod und Trauer im Vordergrund, sondern das Leben. Sie möchte den Gästen einen würdevollen und möglichst schmerzfreien Aufenthalt gestalten, bis dies loslassen können.
Hoffnung schöpft sie vor allem auch von den Erkrankten, die eine Besserung erfahren und wieder entlassen werden können, wie die an Mukoviszidose erkrankte Hope. Diese ist gerade einmal 17 Jahre alt und begreift während ihres Aufenthalts im Hospiz, dass das Leben ein Geschenk ist und dass sie die ihr verbleibende Zeit nutzen muss, statt mit ihrem Schicksal und der lebensgefährdenden Krankheit zu hadern. Eine Rolle spielt dabei ihr bester Freud Ben, der in sie verliebt ist.

Neben der psychisch belastenden Arbeit ist Stella damit beschäftigt, um ihre Ehe zu kämpfen. Ihr Mann ist bei einem Kampfeinsatz in Afghanistan schwer verwundet worden und hat bei dem Bombenangriff ein Bein verloren. Er versinkt in Trübsal und macht indirekt Stella für sein Unglück verantwortlich, da er für sie aus dem Hinterhalt geflüchtet ist und seinen besten Freund Kip dabei zurücklassen musste, der bei dem Angriff ums Leben gekommen ist.

Dritter Protagonist des Romans ist der 35-jährige Hugh, der nach dem Tod seines Vaters und seiner Lebensgefährtin, die ihn verlassen hat, zurückgezogen in seinem haus wohnt. Erst als neue Nachbarn in das Haus gegenüber ziehen, eine alleinerziehende Mutter mit ihrem zehnjährigen Sohn, die sich aufreibt, um finanziell über die Runden zu kommen und dabei ein permanentes schlechtes Gewissen hat, nicht genug Zeit mit ihrem Sohn zu verbringen, kommt Hugh aus seinem Schneckenhaus heraus.

"Zwanzig Zeilen Liebe" beschreibt sieben Nächte im Leben von Stella, Hope und Hugh. Dreh- und Angelpunkt des Romans ist das Hospiz, in welchem Stella arbeitet und in dem Hope gepflegt wurde, bis sie nun kurz vor ihrer Entlassung nach Hause steht. Die Erzählung von Hugh verläuft parallel zur Handlung im Hospiz, der eine Verbindung dorthin hat, von der er selbst noch nichts weiß.

Durch die drei zunächst getrennt von einander laufenden Erzählungen und die Unterbrechung durch die Briefe der Sterbenden, hatte ich etwas Anlaufschwierigkeiten in den Roman hineinzukommen.
Als ich Stella, Hope und Hugh aber näher kennenlernte und die Verbindungen der Protagonisten untereinander immer deutlicher wurden, war ich gepackt von ihren Schicksalen und dem berührenden Schreibstil von Rowan Coleman. Auch wenn der Schauplatz des Romans ein Hospiz ist und Krankheiten, Tod, Abschied und Trauer damit allgegenwärtig sind, ist es kein deprimierendes Buch. Trotz der traurigen Momente überwiegt die positive Botschaft des Romans, die durch die sympathischen und sehr nahbaren, authentischen Charaktere vermittelt wird: die Hoffnung niemals aufzugeben, das Beste aus einer Situation herauszuholen, offen für neue Begegnungen zu sein und andere am Leben Anteil haben zu lassen, um Hürden nicht alleine überwinden zu müssen.

Wie schon "Im siebten Sommer" hat mir auch dieser Roman der Autorin sehr gut gefallen. Unwahrscheinlich empathisch beschreibt sie den Alltag in einem Hospiz und schafft es dennoch, komische Elemente in den Roman miteinfließen zu lassen ohne vom ernsten Thema abzulenken.
"Zwanzig Zeilen Liebe" ist eine berührende Tragikomödie "auf das Leben!", die mir bewusst gemacht hat, dass ein Hospiz nicht allein ein Ort zum Sterben ist und noch lange nicht das Ende bedeutet.



Dienstag, 7. November 2017

Lovelybooks Leserpreis 2017

Lovelybooks
Leserpreis 2017



Der Leserpreis zeichnet jährlich die besten Neuerscheinungen des Jahres aus.
Der Preis feiert die Vielfalt in den Bücherregalen und ist gestern bei www.lovelybooks.de gestartet.

Die Welt der Bücher lebt von ihrer Vielfalt. Der Vielfalt an Themen, Autoren und Verlagen – und ihrer Leser, die trotz ihrer unterschiedlichen Lesegewohnheiten eines vereint: Die Freude an Büchern.
Der Leserpreis, der in diesem Jahr zum neunten Mal vergeben wird, ist ein einzigartiges Spiegelbild dieser Vielfalt. In insgesamt 14 verschiedenen Kategorien entscheiden beim größten deutschen Publikumspreis allein die Leserinnen und Leser über die beliebtesten Buchneuerscheinungen des Jahres. Egal ob Neuentdeckung oder Bestseller, egal ob Fantasy, Ratgeber oder Liebesroman – der Leserpreis bildet die ganze Bandbreite der Bücherwelt ab und gibt denen eine Stimme, die ihr Fundament sind: Den Lesern.

Seit gestern kann jeder bei Lovelybooks registrierte Leser bis zum 16. November 2017 seine aktuellen Buchhighlights für den Leserpreis nominieren. Einzige Bedingung: Die Bücher müssen zwischen dem 1. November 2016 und dem 31. Oktober 2017 erstmalig auf Deutsch erschienen sein.



Die beliebtesten 35 Titel pro Kategorie schaffen es auf die Shortlist, aus der die Leser zwischen dem 20. und dem 28. November 2017 ihre Favoriten in 14 Kategorien wählen:

Romane
Krimi und Thriller
Fantasy und Science Fiction
Jugendbücher
Kinderbücher
Liebesromane
Erotik
Historische Romane
Humor
Sachbuch und Ratgeber
Hörbuch
E-Book Only
Buchtitel
Buchcover

Am 30. November 2017 werden die Preisträger von lovelybooks.de bekannt gegeben.

Ich habe meine Stimme bereits in allen für mich relevanten Kategorien abgegeben.
Letztes Jahr und auch im Jahr 2015 haben jeweils Jojo Moyes und Sebastian Fitzek den ersten Preis in den begehrten Kategorien "Romane" bzw. "Krimi und Thriller" erlangt.

Ob sie auch in diesem Jahr die Nummer eins sein werden?
Nutzt die Chance und stimmt ab sofort für eure Favoriten ab bzw. nominiert eure eigenen Lieblingsbücher des Jahres! Jede Nominierung zählt: Die am meisten nominierten Bücher schaffen es in die Abstimmungsrunde.


Montag, 6. November 2017

Buchrezension: Chiara Gamberale - Das Zehn-Minuten-Projekt


Inhalt:

Es gibt Momente im Leben, da geht einfach alles schief. Kaum hat Chiara ihr geliebtes Häuschen verlassen, um mit ihrem Mann nach Rom zu ziehen, verlässt er sie für eine andere. Noch dazu wird aus heiterem Himmel ihre Kolumne in einer Wochenzeitung gestrichen. Für Chiara bricht eine Welt zusammen, doch ihre Therapeutin rät ihr zu einem kleinen Spiel: Chiara soll den Dezember hindurch zehn Minuten täglich etwas Neues ausprobieren, das sie noch nie gemacht hat. Aber hilft es gegen den Liebeskummer, Pancakes zu backen, wenn man normalerweise schon an Spaghetti scheitert? Kann pinkfarbener Nagellack über abrundtiefen Verlustschmerz hinwegtrösten? Ergibt sich ein neuer Blick aufs Leben, wenn man rückwärts durch die Straßen läuft? Oder erobert man das Glück zurück, indem man nach dem Zufallsprinizip eine Liebeserklärung per SMS verschickt? Chiara ist skeptisch, doch als sie schließlich mit 89 Freunden Weihnachten feiert, erlebt sie eine faustdicke Überraschung.

Rezension:

18 Jahre war die 36-jährige Chiara mit ihrem Ehemann zusammen, bevor dieser sie mit einem Anruf aus Dublin verlassen hat. Wenige Monate zuvor war das Paar von einem Vorort in die Stadt Rom gezogen, wo sich Chiara nicht wirklich wohlfühlt und sich bisher nicht eingelebt hat. Als sie dann auch noch ihre Kolumne bei einer Wochenzeitung verliert, ist die Schriftstellerin am Ende mit ihren Nerven. Ihre Therapeutin rät ihr zu einem Spiel, einer persönlichen Challenge. Sie soll einen Monat lang jeden Tag für zehn Minuten etwas ausprobieren, das sie noch nie gemacht hat.
Skeptisch, aber dennoch neugierig, macht sich Chiara an das Projekt.

Bei den selbst gestellten Aufgaben handelt es sich überwiegend um einfache, alltägliche Dinge, die nicht unbedingt viel Überwindung brauchen, wie sich die Nägel pink lackieren, einen Flohmarkt besuchen, Pancakes zubereiten oder ins Fitnessstudio gehen.
Teilweise beziehen die Aufgaben auch ihren Ehemann ein, der wieder von Dublin nach Rom zurückgekehrt ist und bei einem Freund wohnt. Mit ihm über Chiara, die keinen Führerschein hat, das Autofahren oder das neue Jahr mit zehn Minuten Schweigen zu beginnen.

Der Roman ist mit gut 200 Seiten nicht sehr umfangreich und auch die einzelnen Kapitel mit den Aufgaben sind folglich eher kurz gehalten und gehen nicht sehr in die Tiefe. Es sind Aufgaben, die man sich auch leicht selbst stellen und nachmachen kann.
Die Idee hinter dem Projekt - eine persönliche Herausforderung, um sich von dem Herzschmerz abzulenken und sich einfach auch einmal mit etwas anderem zu beschäftigen, vielleicht sogar eine neue Leidenschaft zu entdecken - fand ich sehr interessant.
Die Projekte von Chiara waren allerdings so alltäglich und fast schon banal, dass sich das Buch eher einer Aufzählung von Aufgaben und einer kurzen Beschreibung der Durchführung glich, als einem zusammenhängendem Roman.

Mir war der Roman zu sehr wie ein Bericht gehalten, zugleich fehlte mir auch die Tiefe und ein Gefühl für die Protagonistin. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich Chiara durch ihre Aufgaben mit der Trennung von ihrem Ehemann auseinandersetzt, sondern dass sie sich lediglich davon ablenkt und mit den Aufgaben eine Beschäftigung sucht, die sie zuvor durch das Schreiben ihrer Kolumne hatte. Ihre Mini-Projekte waren für mich zu langweilig. Weniger Projekte und dafür eine tiefere Auseinandersetzung mit ihnen hätten dem Roman mehr Tiefgang verleihen können.
Gerade weil ich den Eindruck hatte, dass die Autorin von sich selbst schreiben könnte - schließlich gibt es zahlreiche Parallelen wie Name, Alter, Wohnort und Beruf der Protagonistin - war ich am Ende enttäuscht, dass "Das Zehn-Minuten-Projekt" so nichtssagend blieb.



Samstag, 4. November 2017

Buchrezension: Susan Bishop Crispell - Brombeerwünsche


Inhalt:


Rachel Monroe hat ein ungewöhnliches Geheimnis: Die 26-Jährige kann Wünsche wahr werden lassen. Doch der Preis ist hoch, denn manchmal hat ihre Gabe katastrophale Konsequenzen. Um nicht ständig Chaos anzurichten, verlässt Rachel ihr Zuhause.
Sie landet in der Kleinstadt Nowhere. Dort trifft sie auf eine mürrische alte Dame, die die besten Pies der Welt backt, und auf den attraktiven Ashe. Sie verstehen Rachel, denn in Nowhere haben viele Leute außergewöhnliche Talente. Wird Rachel von ihnen lernen, ihre Gabe zu kontrollieren und dem Glück zu trauen?

Rezension:

Die 26-jährige Rachel hat eine magische Fähigkeit: Sie kann Wünsche in Erfüllung gehen lassen. Seitdem sie jedoch im Alter von zehn Jahren ihren vierjährigen Bruder nach einem Streit hat verschwinden lassen, hadert sie mit ihrem Schicksal und lässt die Menschen nicht zu nah an sich heran, um nicht versehentlich einen Wunsch zu erfüllen, dessen Konsequenzen nicht absehbar sind.

Nachdem sie erst wieder der Tochter ihrer besten Freundin Mary Beth unabsichtlich einen Wunsch zum Geburtstag erfüllt hat, verlässt sie ihren Heimatort in Tennessee und strandet, als ihr das Benzin ausgeht, in Nowhere in North Carolina. Dort wird sie von der älteren Dame Catch aufgenommen.
Auch diese hat eine außergewöhnliches Talent: Sie kann Geheimnisse in Pies backen, so dass diese für immer gebannt werden. Rachel lernt dort auch Catchs Nachbar Ashe kennen, der sich gerade von seiner Frau Lola scheiden lässt, die ihn betrogen hat.

Rachel hofft, dass sie in der Kleinstadt ihre Gabe verbergen kann, aber sie fühlt sich unweigerlich mit den Wünschen der Menschen vor Ort konfrontiert, die sich vor ihr in Form von weißen Zetteln materialisieren. Als sie fast wieder im Begriff ist, Nowhere zu verlassen -aus Angst den Menschen zu schaden, die sie gern gewonnen hat - begreift sie mit Hilfe von Catch, dass sie vor ihrer Fähigkeit nicht fliehen kann und das Beste daraus machen muss, um selbst glücklich zu werden.

"Brombeerwünsche" ist ein magischer Roman mit fantastischen Elementen, auf die man sich einlassen muss. Rachels besondere Fähigkeit, Wünsche erfüllen zu lassen, macht ihr das Leben schwer, schließlich können auch noch so gut gemeinte Wünsche zu katastrophalen Konsequenzen führen.
Rachel hat dies am eigenen Leib erfahren müssen, als ihre Familie aufgrund eines ihrer Wünsche auseinander gebrochen ist und sie selbst in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht wurde. Dieser Fakt und auch ihre Flucht nach Nowhere sind dramatisch - und auch da kann sie den Wünschen nicht entkommen.

Rachels Angst vor ihrer Fähigkeit und was sie damit auslösen kann, sind nachvollziehbar und auch, dass sie in Nowhere bleibt, wo sie auf die liebenswert mürrische Catch trifft, die ebenfalls eine besondere Fähigkeit hat. Nicht ganz schlüssig ist allerdings, warum Rachel plötzlich doch damit beginnt, Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen, warum sie auch immer nur mit guten Wünschen konfrontiert wird und wo eigentlich die Grenzen ihrer Fähigkeiten sind. Während ich die Erfüllung alltäglicher Wünsche für den Roman passend empfand, ging mir gerade ein Wunsch in Bezug auf Catch zu weit - warum sich nicht gleich Weltfrieden wünschen?
Und auch wenn man die fiktive Kleinstadt Nowhere als magischen Ort betrachtet, in der die völlig Fremde Rachek sehr herzlich aufgenommen wurde, direkt eine Unterkunft und einen Job in einem Kosmetikgeschäft bekam, vereinte sie mir zu viele Zufälle. So handelt es sich bei Ashes (Ex-)frau Lola um die Schwester von Rachels bester Freundin Mary Beth und bei Ashes Bruder Scott um den verschwundenen Bruder von Rachel.

Als eine fantastische Erzählung, in der das Backen von (magischen) Pies neben Rachels Schicksal einen großen Umfang einnimmt, liest sich der Roman mit der unvermeidlichen Liebesgeschichte flüssig und regt zum Träumen an.
"Brombeerwünsche" ist ein nicht ganz realistischer, aber herzerwärmender Roman über Freundschaft, den Glauben an das Gute im Leben und der Mut zu einem Neuanfang. Ich hätte mir aber in Bezug auf Rachels Gabe und ihre Zukunft in Nowhere noch die ein oder andere Erklärung mehr gewünscht.


Freitag, 3. November 2017

Buchrezension: Carsten Sebastian Henn - Eine Prise Sterne


Inhalt:

Hinauf zu den Sternen – davon träumte der Astronom Marc Heller schon seit der Kindheit. Nun, da ihm die Leitung des Paranal-Observatoriums in Chile zugesagt wird, kommt er seinem Traum ein Stück näher. Ausgelassen feiert er mit Freunden in Köln und trifft dort zufällig Anne, seine große Jugendliebe, wieder. Aber ihr ist nicht nach Feiern zumute, wurde sie doch gerade sitzen gelassen. Dabei ist es ihr größter Wunsch, eine Liebe zu finden, die bleibt – für immer. Und weil er Anne glücklich wissen will, fasst Marc einen Plan. Erstens: Den perfekten Mann für sie finden. Zweitens: Es wie Schicksal aussehen zu lassen, denn daran glaubt die junge Sommelière. Drittens: Anne soll nie erfahren, dass er dahintersteckt. Mit naturwissenschaftlichem Eifer macht sich Marc ans Werk, vergisst dabei aber, dass die Liebe unberechenbar ist. Und dass manches vielleicht doch vorherbestimmt ist.

Rezension:

Der passionierte Astronom Marc Heller trifft zufällig in Köln auf seine Freundin Anne Päffgen aus seiner Jugend wieder, für die er geschwärmt und nach der er sogar einen Kometen benannt hatte. Die Sommeliere im Sternerestaurant "Champagne Supernova" ist todunglücklich, wurde sie doch ausgerechnet an ihrem Kennenlerntag von ihrem Freund Dirk betrogen.

Marc möchte Anne wieder lächeln sehen und beschließt, ihr mit Hilfe der Sterne und seiner naturwissenschaftlichen Analyse den perfekten fürs Leben zu suchen. Durch einen Fragebogen, den er nach mehreren Pleiten schrittweise optimiert, versucht Marc rein aufgrund von Logik, Gesetzmäßigkeiten und deren Schlussfolgerungen den für Anne optimalen Partner zu finden.

Marc ist ein Nerd, der sich leidenschaftlich seiner Berufung, der Astronomie, widmet und sich deshalb auch erfolgreich für die Leitung des Paranal-Observatoriums in Chile empfohlen hat, der aber im Umgang mit Menschen sehr unbeholfen ist.
Da Marc wenig empathisch und sozial inkompetent ist, Anne aber nichts von seinen Anstrengungen erfahren soll, sorgt er für die ein oder andere witzige Situation, wenn Anne "rein zufällig" auf den für sie ausgesuchten und vermeintlich perfekten Partner trifft.

Ich empfand den Roman insgesamt zu gewollt komisch, einzelne Begegnungen mehr albern als amüsant. Auch Annes Hobby als begeisterte Taubenfütterin oder Marcs Umgang mit dem Hummer, den er zu einem Haustier umfunktionierte, waren in dem Ausmaß nur bedingt komisch und zogen die Handlung ins Lächerliche.
Darüber hinaus war mir die Beschreibung von Annes Arbeit als Sommelière mit dem Hintergrund wissen zu Champagner zu sehr in den Vordergrund gerückt., so dass diese Details den Roman unnötig in die Länge zogen und mich persönlich langweilten. Hierbei wurde sehr deutlich, dass der Autor Restaurantkritiker und als Winzer tätig ist und ich hatte den Eindruck, dass er einen Teil seines Fachwissens zum Thema Champagner zum Besten geben wollte.

"Eine Prise Sterne" bietet eine leichte Unterhaltung, traf aber nicht ganz meinen Humor und ist kein Roman, der mir länger im Gedächtnis bleiben wird. Das mag auch daran liegen, dass der Roman wenig Neues bot. So fühlte ich ich während des Lesens einerseits an "Das Rosie-Projekt", nur weniger komisch, und andererseits an "Der Algorithmus der Liebe", nur mit weniger Gefühl, erinnert.

Als Wahl-Kölnerin fand ich dagegen interessant, dass der Schauplatz des Romans in der Domstadt ist und man durch die detaillierten Ortsbeschreibungen mitten im Geschehen ist. Diese Details hätte ich mir auch in Bezug auf eine tiefgründigere Charakterisierung der Protagonisten gewünscht. So blieb sowohl Marc als auch Anne sehr eindimensional.