Montag, 30. Oktober 2017

Buchrezension: Marissa Stapley - Das Glück an Regentagen


Inhalt:

Seit Generationen lebt die Familie Summers am Ufer des gewaltigen St. Lorenz-Stroms. Sie angeln, fahren hinaus zu den Inseln, trotzen dem Regen und den Gezeiten und betreiben ein charmantes Inn mit blauen Fensterläden direkt am Wasser.
Mae Summers und Gabriel Broadbent sind zusammen im Summers‘ Inn aufwachsen, nachdem ein schwerer Schicksalsschlag die beiden für immer miteinander verbunden hat. Hier am Fluss haben sie gemeinsam ihre erste Liebe erlebt. Beieinander finden sie Halt, bis Gabe eines Tages verschwindet. Mae ist am Boden zerstört und beginnt schließlich ein neues Leben in New York.
Zehn Jahre später: Mae kehrt zurück nach Alexandria Bay, in das Inn ihrer Großeltern, um sich von einer schlimmen Trennung zu erholen. Aber ihre Großeltern haben sich verändert.

Rezension:

Nachdem Maes Verlobter Peter wegen Betruges untergetaucht ist und die Kriminalpolizei auch Mae wegen möglicher Mittäterschaft an dem Wirtschaftsverbrechen befragt hat, kehrt sie an ihren Heimatort Alexandria Bay zurück, wo sie im Inn ihrer Großeltern aufgewachsen ist.
Ihre Eltern hatte Mae als Kind bei einem tragischen Unglück auf dem St. Lorenz-Strom verloren. Für den Unfall macht sich Zeit seines Lebens Gabe verantwortlich, der Maes erste große Liebe war. Als sie nun in ihre Heimat zurückkehrt, um neue Kraft zu schöpfen, scheint auch Gabe wieder vor Ort zu sein, obwohl er sich geschworen hatte, nie wieder an den Ort zurückzukehren, wo er als Kind von seinem alkoholkranken Vater misshandelt wurde.

Aber auch Maes Großeltern quälen die Geister der Vergangenheit. Lilly, die unter Altersdemenz leidet, offenbart ihrem Ehemann George nach 60 Jahren Ehe versehentlich, dass ihre verstorbene Tochter Virginia nicht Georges leibliches Kind war. George verlässt Lilly daraufhin und zieht sich gekränkt zurück, bis es für eine Versöhnung zu spät ist.

Hintergrund des Titels des Romans sind Aufzeichnungen von Maes Mutter Virginia, die eine Reihe von Vorschlägen notiert hat, was man alles an Regentagen unternehmen kann.

So positiv und lebensbejahend der Titel und auch das schöne Cover ist, so melancholisch und beklemmend ist die Geschichte der vier Protagonisten.
Der Roman ist wechselnd aus der Sicht eines anderen Charakters geschrieben, so dass man als Leser Einblick in die Gefühlswelten aller Figuren erhält. Der Schwerpunkt liegt bei Mae, bei der alle Fäden des Romans, der durch die Perspektivenwechsel und Rückblenden in die Vergangenheit nicht ganz einfach zu lesen ist, zusammenlaufen.

"Das Glück an Regentagen" dreht sich um Familiengeheimnisse, (falsche) Verdächtigungen, Verrat, Schuld(gefühle) und die große Liebe. Da jeder Charakter für sich gleich mit mehreren Schicksalsschlägen zu kämpfen hat, wirken die Familien Summers und Broadbent arg gebeutelt auf mich.
Der Roman hatte damit Potenzial für gleich mehrere Erzählungen, mit denen man jedem Charakter hätte gerechter werden und mehr Tiefe verleihen können.

Der erste auf Deutsch erschienene Roman von Marissa Stapley ist weniger eine romantische Liebesgeschichte, wie das Cover suggeriert, als vielmehr eine dramatische Familiengeschichte über die Fehlbarkeit des Menschen und über die Konsequenzen, die sich noch Jahre später daraus ergeben können. Aufgrund der bedrückenden Stimmung ist er ein passender Roman für den Herbst, um sich bei einbrechender Dunkelheit und einsetzendem Regen in diese schicksalhafte Geschichte zu vertiefen.



Samstag, 28. Oktober 2017

Buchrezension: Aurélie Silvestre - Wir werden glücklich sein


Inhalt:

Am 13. November 2015 nimmt der Terror Aurélie Silvestre ihre große Liebe. Doch Aurélie lebt weiter, denn sie erwartet ihr zweites Kind. In ihrem bewegenden Bericht erzählt sie von der Trauer um Matthieu in jenem Herbst bis hin zur Geburt ihrer Tochter im darauffolgenden Frühjahr. Voller Kraft und Klarheit setzt sie dem Verlust ihren Lebenswillen und ihre Hoffnung entgegen.


Rezension:


Am Freitag, den 13. November 2015 wird Matthieu Silvestre als Besucher eines Konzerts der amerikanische Rockband "Eagles of Death Metal" im Bataclan-Theater in Paris von islamistischen Terroristen getötet.

Um 21.46 Uhr hatte seine Frau Aurélie, die im fünften Monat schwanger mit dem dreijährigen Sohn Gary zu Hause geblieben war, eine letzte SMS von ihrem Ehemann erhalten. Die folgenden Stunden sind von der Hoffnung geprägt, dass Matthieu die Geiselnahme überlebt haben könnte, aber einen Tag später um 22 Uhr ist traurige Gewissheit, dass ihr Mann erschossen wurde.

Aurélie Silvestre hat ein Buch über die Zeit zwischen dem Terroranschlag im November, über die Geburt ihrer Tochter Thelma am 16. März 2016 bis zu ihrem 35. Geburtstag im Frühling geschrieben.
"Wir werden glücklich sein" - das ist der Vorsatz, den sich Aurélie unmittelbar nach dem tragischen Ereignis zum Ziel gesetzt hat. Sie möchte sich nicht von der Trauer überwältigen lassen, keine Energie mit Wut verschwenden und stattdessen in erster Linie für ihren Sohn da sein und ihre Tochter gesund zur Welt bringen.

In kurzen Kapiteln blickt Aurélie zurück auf die Zeit ihres Kennenlernens und beschreibt die Tage und Wochen nach dem Terroranschlag und wie sie beginnt zu begreifen, dass ihr geliebter Ehemann nicht mehr wiederkommen wird. Vergleichbar mit "Meinen Hass bekommt ihr nicht" hegt auch Aurélie keine Wut gegen die Täter oder gegen den Missbrauch einer Religion zur Rechtfertigung von Gewalt.
Sie macht einen unheimlich gefassten Eindruck und hält sich mit Emotionen zurück. Die Tat an sich bzw. die Serie an Gewaltakten an diesem Abend, weitere Opfer oder Hintergründe der Täter und Drahtzieher bleiben unerwähnt.
Das autobiografische Buch blickt in die Zukunft, auf das Weiterleben und das Überleben ohne den geliebten Partner Jede Erinnerung an ihn schmerzt, aber Aurélie muss für ihren Sohn, der seinen Papa nie wieder sehen wird und für ihre ungeborene Tochter, die ihren Papa nie kennenlernen wird, stark sein.

Ohne Frage bewegt das Schicksal einer Frau, die mit noch nicht einmal 35 Jahren zur Witwe und alleinerziehende Mutter wurde. Es bliebt aber ein sehr persönliches Buch, das ohne den Hintergrund des Terroranschlags keine mediale Aufmerksamkeit bekommen hätte.

Mit ihren Aufzeichnungen gedenkt Aurélie Silvestre ihrem Mann und verarbeitet dessen sinnlosen Tod. Es ist ein Buch, das Mut macht und in dem statt Verzweiflung und Wut Hoffnung und Optimismus stecken, so dass man Aurélie Silvestre und ihrer Familie wünscht, dass sie trotz dem schlimmen Verlust zukünftig glücklich sein werden. 


Freitag, 27. Oktober 2017

Buchrezension: Brigitte Riebe - Marlenes Geheimnis


Inhalt:

Marlene hat die Vertreibung aus der Heimat nach dem Krieg längst hinter sich gelassen. Vor mehr als siebzig Jahren begann sie mit ihrer Mutter Eva am Bodensee ein neues Leben. Eine florierende Schnapsbrennerei, die die Früchte der Region verarbeitet, ist ihr ganzer Stolz. Erst als ihre Nichte Nane kurz nach Evas Beerdigung die Aufzeichnungen der Großmutter liest, bricht die Vergangenheit ohne Vorwarnung herein. Und ein lang gehütetes Geheimnis kommt zutage.

Rezension:

Die 34-jährige Christiane, kurz Nane genannt, fährt anlässlich der Beerdigung ihrer Großmutter Eva in ihre Heimat an den Bodensee. Die Pharmavertreterin braucht ohnehin eine Auszeit von ihrem Leben in Frankfurt und bleibt ein paar Tage länger bei ihrer Tante Marlene, die die familiengeführte Schnapsbrennerei übernommen hat.
Auch Nanes Mutter Vicky kommt zur Beerdigung, hat aber ein derart zerrüttetes Verhältnis zu ihrer Schwester, dass sie direkt wieder abreist.

Eva hat ihrer Enkelin ein Buch mit ihren Memoiren hinterlassen, in denen Nane zu lesen beginnt und deren Offenbarungen über ihre Familiengeschichte sie überrascht.
Durch die Aufzeichnungen von Eva Menzel im Zeitraum von 1938 bis 1953 erfährt man deren Lebensgeschichte und die ihrer Tochter Marlene. Eva wohnte zur Zeit des Nationalsozialismus in Reichenberg im Sudetenland, wo sie von ihrem Vater, einem Apotheker, das Schnapsbrennen erlernt hat, während ihre Mutter Julika dem Alkohol verfiel. Als ihr Vater letztlich doch an die Front musste, befand sich Eva stets in dem Zwiespalt, weiterhin Schnaps zu brennen, der ein begehrtes Zahlungs- bzw- Tauschmittel wurde und damit die Alkoholsucht ihrer Mutter zu unterstützen.

Als 16-Jährige verliebt sie sich in den Tschechen Jan, der Ende des Zweiten Weltkriegs als Partisan gegen die Deutschen kämpfte und bei dem Versuch Eva vor den übergriffigen russischen Besatzern zu schützen, sein Leben ließ.

Es folgten schwierige Jahre, geprägt von der Krankheit der Mutter, der Vertreibung aus der Heimat und der Ungewissheit, ob der Vater wieder lebend zurückkehren würde.
Über verschiedene Lager in Brandenburg und Sachsen gelangt die Familie schließlich nach Rickenbach am Bodensee, wo Eva zusammen mit Marlene 1946 ein neues Leben beginnt und mit dem heimischen Äpfeln eine florierende Schnapsbrennerei aufbaut.
Aus dem Flüchtlingsmädchen aus Nordböhmen wird in den 40er-Jahren die dreimalige Bodensee-Apfelkönigin.

Genauso gebannt wie Nane die Lebensbeichte ihrer Großmutter liest, die damit ihre Enkelin über ihre Herkunft aufklären möchte und gleichzeitig für eine Annäherung ihrer beiden ungleichen Töchter Marlene und Viktoria sorgen möchte, ist man als Leser von den sehr authentisch wirkenden Frauenschicksalen fasziniert. Eva lernt man als warmherzige und starke Frau kennen, die sich im Leben vieles erkämpfen musste, bevor sie am Bodensee Fuß fasste und Toni, den Vater ihrer Tochter Viktoria heiratete. Marlene war ein aufgewecktes junges Mädchen und wirkt als erwachsene, über 70-jährige Frau reserviert und unnahbar. Rätselhaft ist ihre Allergie auf rohe Äpfel, die so gar nicht zu ihrem Erfolg bei der Herstellung von Obstbränden passt und ihre starke Abneigung gegen die Nachbarsfamilie Bentele, die sogar zur Beerdigung von Eva ausgeladen wird.

All diese Fragen gilt es mit Hilfe von Evas Aufzeichnungen aufzuklären, bei der Nane ihrer Heimat wieder ein Stück näher kommt.
"Marlenes Geheimnis" ist eine bewegende Familiengeschichte, die die Historikerin Brigitte Riebe detailreich und sehr anschaulich schildert. Gerade die Authentizität und die Leidenschaft mit der die deutsche Geschichte anhand des Schicksals von Eva bzw. Marlene wiedergegeben wird, machen den Roman zu einem emotional fesselnden, generationenübergreifenden Leseerlebnis.



Mittwoch, 25. Oktober 2017

Buchrezension: Debbie Johnson - Weihnachten mit dir


Inhalt:

Becca Fletcher hat Weihnachten schon immer gehasst und sie hat gute Gründe dafür. Trotzdem hat sie es nicht geschafft, ihrer persönlichen Weihnachts-Hölle zu entkommen und ist auf dem Weg zum Comfort Food Café, um dort die Feiertage mit ihrer Schwester Laura und deren Familie zu verbringen. Beccas ahnt nicht, dass Weihnachtswunder tatsächlich geschehen – wenn sie es nur zulassen kann.

Rezension:

Becca Fletcher ist die zwei Jahre jüngere Schwester von Laura, der Protagonistin aus dem Roman "Frühstück mit Meerblick". Ich habe den ersten Band um das "Comfort Food Café" nicht gelesen, was - wie die Autorin in einem Vorwort betont - auch nicht notwendig ist, um die Geschichte um Becca zu verstehen.

Becca war schon immer das schwarze Schaf der Familie, die etwas ungehobelte Rebellin, die einen hedonistischen Lebensstil pflegte. Ausschweifende Partys, Drogen, One-Night-Stands - sie war ganz anders als ihre häusliche Schwester. Dies änderte sich als Lauras Mann David starb und Becca dem Alkohol entsagte und vor Männern auf Abstand ging.

Weihnachten hasste Becca schon als Kind und trotzdem macht sie sich diesen Dezember auf den Weg zu ihrer Schwester Laura, um dort vier Wochen zu verbringen und das Weihnachtsfest bei ihr, ihrem neuen Freund und den Kindern zu feiern.
In Dorset lernt sie die liebenswürdigen Charaktere kennen, die sich im "Comfort Food Café" versammeln und die den Leser schon aus dem ersten Band kennen. Da ist auch der gut aussehende Sam, mit dem Laura Becca verkuppeln möchte, die nichts davon ahnt, wie sehr sich ihre Schwester verändert hat und sich jedweden Spaß im Leben verboten hat.

Schon letztes Jahr habe ich einen Weihnachtsroman von Debbie Johnson, "Weihnachtspunsch und Rentierpulli", gelesen und mich nach der witzigen Leseprobe von "Weihnachten mit dir", in der Weihnachtshasserin Becca die Weihnachten bei ihren Eltern beschreibt, die Dank der jüngsten Tochter stets im Chaos endeten.

Während die Einführung des Charakters Becca herrlich ironisch und sehr unterhaltsam geschrieben ist, ist de weitere Verlauf des Romans von einer grundsätzlich melancholischen Stimmung geprägt. Lange blieb im Verborgenen, warum Becca sich selbst so quält und wofür sie sich eigentlich bestraft und letztlich konnte ich ihr Verhalten und ihren Lebenswandel nicht nachvollziehen.

Was mich zudem gestört hat, ist der Schreibstil der Erzählung. Die Geschichte von Becca liest sich wie ein Bericht, den sie einem dritten erzählt oder einem Tagebuch anvertraut, was aber wiederum zu Beccas Gefühl passt, dem Leben der anderen zuzusehen und nicht selbst aktiv daran teilzuhaben. "Weihachten mit dir" liest sich damit wie ein Zeitungsartikel und nicht wie ein Roman. Es mangelt an Dialogen und insbesondere an Lebendigkeit der Erzählung. Als Leser erlebt man die Geschichte nicht, weshalb die Ich-Erzählerin distanziert und fremd blieb.

Von "Weihnachten mit dir" hatte ich mir eine warmherzige Weihnachtsromanze erhofft, leider kam der Zauber des "Comfort Food Cafés" aber nicht bei mir an.



Montag, 23. Oktober 2017

Buchrezension: Jenny Blackhurst - Die stille Kammer


Inhalt: 

Mein Name ist Emma Cartwright. Noch vor drei Jahren war ich Susan Webster - jene Susan Webster, die ihren zwölf Wochen alten Sohn Dylan getötet hat. Fast drei Jahre verbrachte ich in der Forensischen Psychiatrie. Seit vier Wochen bin ich wieder draußen. Unter neuem Namen lebe ich nun in einer Stadt, wo niemand von meiner dunklen Vergangenheit weiß.

Doch heute Morgen erhielt ich einen Brief, adressiert an Susan Webster. In dem Umschlag befand sich das Foto eines etwa dreijährigen Jungen, auf der Rückseite standen die Worte:

Dylan - Januar 2013.

Kann es sein, dass mein geliebter Sohn noch lebt?


Rezension: 

Susan Webster war zwei Jahre und acht Monate in einer psychiatrischen Einrichtung in Oakdale untergebracht, ist seit vier Wochen und möchte mit einem neuen Namen ein neues Leben in Ludlow anfangen. Sie war verurteilt worden ihren zwölf Wochen alten Sohn Dylan mit einem Sofakissen erstickt zu haben. Aufgrund der Diagnose einer postpartalen Depression wurde sie nicht wegen Mordes verurteilt. Sie selbst kann sich an die Tat nicht erinnern, auch wenn sie zugibt, mit ihrer Situation als jungen Mutter überfordert gewesen zu sein. 

Als sie ein Foto von einem ungefähr dreijährigen Jungen erhält, der ihr Sohn sein könnte, zweifelt sie erneut an ihrer Schuld. Zusammen mit dem Journalisten Nick Whitely beginnt sie mit Nachforschungen und versucht die Vergangenheit mit all den ungeklärten Fragen und Ungereimtheiten während ihres sehr kurzen Prozesses, aufzuarbeiten. 
Als sie dann auch noch ein Päckchen mit dem Quilt erhält, den sie für ihr Baby genäht hatte und eine Haarbürste, in der sich nach einem DNA-Test tatsächlich die Haare ihres Kindes befinden, ist sie sicher, dass Dylan noch am Leben ist. 

Wer schickt ihr diese Zeichen? Möchte ihr jemand helfen oder sie nur für verrückt erklären lassen?

"Die stille Kammer" handelt überwiegend im Jahr 2013 und wird nur durch Rückblenden in die Jahre 1987 bis 1992 unterbrochen, die sich um eine Jungenfreundschaft an einer Elite-Universität in Durham dreht. Bis ungefähr zur Hälfte des Romans ist unklar, wie die beiden Geschichten in Zusammenhang stehen könnten und wird erst deutlich, als 1992 sie Studentin Bethany Connors ermordet wird, die die Verlobte von Susans Exmann und Vater von Dylan war. 

Der Psychothriller ist durchweg spannend geschrieben, da völlig unklar ist, wie es sein kann, dass ein Baby für tot erklärt wurde und jetzt nach knapp vier Jahren doch noch am Leben sein soll. Nach und nach werden die einzelnen Puzzleteile aufgedeckt, aber man rätselt dennoch lange, wer Susan weshalb den Tod an ihrem eigenen Kind untergeschoben hat und wo Dylan all die Jahre verbracht hat. Und wer ist derjenige, der ihr mit den ominösen Briefen und Päckchen auf die Sprünge helfen will?

Susan ist dabei allerdings keine wirklich sympathische Protagonistin, zu inkonsequent hat sie ihre neue Identität gelebt, zu naiv war sie im Umgang mit ihr fremden Menschen und zu egoistisch gegenüber denjenigen, die sie seit Jahren kannte. 
Die Auflösung des Rätsels um den verschwundenen Sohn und wie die Vergangenheit und die Vorgänge an der Elite-Universität damit in Zusammenhang stehen, wirkte etwas konstruiert und auch der Titel konnte sich mir so nicht erschließen. Der Originaltitel "How I lost you" erscheint im Vergleich zu "Die stille Kammer" dagegen passend zum Inhalt. 
Trotz der Kritikpunkte ist der Debütroman von Jenny Blackhurst ein spannender, unvorhersehbarer Psychothriller, bei dem man zwar von Anbeginn ahnt, dass Susan keine Mörderin ist, aber lange rätselt, wie sich die Tat bzw. das Verschwinden von Dylan letztlich aufklären wird. 



Samstag, 21. Oktober 2017

Buchrezension: Joyce Scott - Unzertrennlich


Inhalt:

Die Schwestern Joyce und Judith verbindet von Geburt an ein enges Band, als wären sie eine Person. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Judith hat das Down-Syndrom, und sie spricht nicht. Den Mädchen ist dieser Unterschied egal. Sie wissen instinktiv, was die andere denkt und fühlt und wie es ihr geht. Sie teilen alles und schlafen gemeinsam in einem Bett. Doch eines Morgens, als Joyce aufwacht, ist Judith spurlos verschwunden. Dies ist die unglaubliche, wahre Geschichte von zwei Schwestern, die gegen ihren Willen getrennt und erst nach über dreißig Jahren wieder vereint werden. Sie handelt von Liebe und Verrat, von Unmenschlichkeit und großer Zuwendung – und der späten und unerwarteten Geburt einer großen Künstlerin.

Rezension:

"Unzertrennlich" ist der autobiografische Roman von Joyce Scott, der das Leben der beiden Zwillingsschwestern Judith und Joyce Scott beschreibt.
1943 geboren, wachsen beide Mädchen die ersten sieben Jahre unzertrennlich bei ihren Eltern in Cincinnati auf. Als Joyce eingeschult wird und die am Down Syndrom erkrankte Judith zu Hause bleiben muss, ist die Mutter überfordert mit der Tochter, die unruhig auf der Suche nach ihrer Schwester durch das Haus tigert. Judith wird daraufhin in einer Einrichtung für Behinderte untergebracht, wobei den Eltern attestiert wird, dass die Tochter in ihren Fähigkeiten so eingeschränkt ist, dass keine Förderung möglich ist.

Für Joyce, die ihre Schwester auch ohne Worte verstanden hat, ist nicht nachvollziehbar, dass Judith in eine Einrichtung voller Fremder gegeben wurde. Die mehrstündige Fahrt in einen anderen Bundesstaat ist den Eltern bald zu aufwändig, weshalb die Besuche sukzessive weniger werden. Später kann Joyce mit Hilfe ihres älteren Bruders Judith besuchen. Mit Entsetzen muss sie feststellen, dass Judith alle Zähne gezogen worden sind, um sie prophylaktisch vor Zahnarztbesuchen zu schützen.

Joyce hat bald eine eigene Familie, zwei Töchter von zwei verschiedenen Männern, neben der ältesten Tochter, die sie zur Adoption freigegeben hat. Mit Anfang 40 beschließt sie, die Vormundschaft für Judith zu beantragen und aus der Behinderteneinrichtung zunächst zu sich nach Hause zu nehmen und dann bei einem betreuten Wohnen unterzubringen. Erst da stellt sich heraus, dass Judith gehörlos ist und sie deshalb nie zu sprechen gelernt hat., Joyce möchte, dass Judith eine Aufgabe hat, sie mehr gefordert wird und ihr Tag damit auch eine sinnvollere Struktur bekommt. Sie hört von dem "Creative Growth Center", wo Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit gegeben wird, sich frei durch Kunst auszudrücken. Judith erfindet dort ihre ganz eigene Kunstform, in der sie Gegenstände mit Fäden umwickelt und damit zu einer gefeierten "Art brut"-Künstlerin wird.

Joyce Scottt schildert in dem Roman ihr Schicksal von zwei entzweiten Zwillingsschwestern und wie Judith so sträflich vernachlässigt worden ist, ihr in jungen Jahren jede Möglichkeit einer Weiterentwicklung durch individuelle Förderung genommen wurde. 35 Jahre musste sie ohne Therapie in Einrichtungen für Behinderte verbringen, bis sie die Chance bekam, ihre Gefühle durch Gestalten zum Ausdruck zu bringen.

Traurig und erschreckend ist zu lesen, wie noch vor wenigen Jahren in Amerika mit behinderten Menschen umgegangen wurde, sie letztlich regelrecht als abseits der Norm eingestuft weggesperrt worden sind. Genauso berührend ist aber auch Joyces Schicksal, die ohne ihre Schwester stets eine innere Leere verspürt hat, die sie weder durch Heiraten noch durch ihr soziales Engagement für Menschen mit Behinderungen füllen konnte.

"Unzertrennlich" ist ein Roman über das unzertrennliche Band zweier Zwillingsschwestern, der unaufhörlichen , bedingungslosen Liebe zueinander und der Beweis, dass jedes Leben lebenswert ist und jeder Mensch - auch diejenigen, die mehr Unterstützung benötigen - einen Platz in der Gesellschaft haben.

Judith Scott konnte letztlich mit der von ihr kreierten Faserkunst eine Stimme finden, die auch von Kunstsammlerin gehört wurde. Ihr Kunstwerke sind auch zwölf Jahre nach ihrem Tod in Sammlungen vieler Museen ausgestellt.



Freitag, 20. Oktober 2017

Buchrezension: Lindsey Lee Johnson - Der gefährlichste Ort der Welt


Inhalt:

Als Tristan Bloch eines Morgens auf sein Fahrrad steigt und losradelt, auf die Golden Gate Bridge zu, den heißen, schweißnassen Kopf gesenkt, da ahnen wir schon, dass ihn der Verrat seiner Angebeteten, Calista, vernichtet hat. Sein Liebesbrief wurde auf Facebook gepostet, und das war ihre Schuld.
Fünf Jahre später: Kurz nach dem dramatischen Ende einer Abschlussparty betrachtet Calista, Tristans erste und letzte große Liebe, in dem Versuch, die Ereignisse zu begreifen, ein altes Klassenfoto – Tristan, lachend, in seinen unmöglichen grellgelben Trainingshosen, der sanfte Dave Chu, der durchtriebene Ryan Harbinger, Baseball-Captain und Schwarm aller Mädchen, Abigail Cress, damals noch Calistas beste Freundin, die später mit einem Lehrer anbandelte, und all die anderen, die mit dem Leben und der Liebe gespielt hatten. Ihre fröhlichen Gesichter täuschen. »Sie taten, was sie konnten, um zu überleben.«
Für einen von ihnen war Mill Valley, das verträumte reiche Städtchen über der Bucht von San Francisco, ein vermeintliches Paradies, zur Hölle geworden. Und sie, die zurückblieben, waren vom Leben gezeichnet, noch bevor es richtig begonnen hatte.

Rezension:

Im Prolog beschreibt der Schüler der achten Klasse, Tristan Bloch, sein Mill Valley für ein Geschichtsprojekt. Im nächsten Kapitel ist Tristan tot.
Nachdem sein Liebesbrief, den er seiner Mitschülerin Calista mutig zugesteckt hatte, auf Facebook veröffentlicht wurde, stürzte sich Tristan von der Golden Gate Bridge.

Im zweiten und dritten Teil des Romans werden Schüler der staatlichen Mittelschule in Mill Valley, die eine (Teil-)schuld an dem tragischen Suizid haben, drei bis fünf Jahre später jeweils für in Kapitel in den Fokus gerückt-
Abigail Cress, die ehemalige beste Freundin von Calista, beginnt eine Affäre mit ihrem SAT-Lehrer, der hochbegabte Nick nutzt seine Fähigkeiten um gegen Bezahlung Referate für seine Mitschüler zu schreiben oder mit gefälschten Schülerausweisen Abschlussarbeiten abzulegen. Elisabeth ist die schöne, aber schüchterne und deshalb zu unrecht als arrogant eingeschätzte Mädchen, das im Haus ihrer Mutter eine Party gibt, die aus dem Ruder läuft, woran mitunter dieselben Teenager Ryan und Damon Schuld tragen, die Tristans Liebesbrief auf Facebook ins Lächerliche gezogen hatten.

Mill Valley ist eine Kleinstadt in Kalifornien in der Nähe von San Francisco, die vom gut situierten weißen Mittelstand geprägt ist. So handelt es sich bei den Teenagern um verwöhnte, von den Eltern wohl behütete Kinder, die gemeinsam die Highschool besuchen, die zum "gefährlichsten Ort der Welt" wird.
Kinder können grausam sein und so setzen sich in diesem Milieu die durchsetzungsfähigsten, selbstbewussten, einflussreichen und schönen Schüler gegen die schwächeren Außenseiter bei dem Wettbewerb um Ansehen und Macht durch.

Auch wenn die Autorin jedes Kapitel einem/r anderen Schüler/in widmet, ist der Roman keine Sammlung von Kurzgeschichten, da die Protagonisten in der chronologischen Abfolge wiederkehren, sich aber die Perspektive ändert und die einzelnen Kapitel geschickt miteinander verknüpft sind.
Jeder Teenager stellt dabei einen (Stereo-)typ dar, mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften und einem mehr oder minder großen Anteil am Tod von Tristan - sei es durch Unterlassen, fahrlässiges Handeln oder aktives Zutun.

Anders als in anderen Büchern ist die Katastrophe der Ausgangspunkt des Romans und nicht das Ende. Das Cyber-Mobbing an Tristan hat nicht nur Auswirkungen auf sein persönliches Schicksal, sondern auch noch Jahre später auf die Leben der involvierten Mitschüler. Vor allem Calista quält sich lange mit einem denkbar schlechten Gewissen.

Es ist ein moderner Roman, der einen ungewöhnlichen und spannenden Aufbau hat und der sich mit den aktuellen Problemen unsere Gesellschaft bzw. der jüngeren Generation, wie unbedachter Umgang mit Social Media, Mobbing, Alkohol, Drogen und der Oberflächlichkeit von Jugendlichen befasst, die jeden ausgrenzen, der ihren Vorstellungen nicht genügt oder der aus purer Langweile zum Opfer erhoben wird und in Misskredit gerät.
Dabei verzichtet die Autorin auf plumpe Kritik, Schuldzuweisungen oder Verurteilungen, sondern beschreibt dies unterschwellig anhand der Biographien der einzelnen Protagonisten, die bei näherer Betrachtung oft anders sind, als sie zunächst den Anschein haben.

"Der gefährlichste Ort der Welt" ist ein tiefgründiges Teenager-Drama, das aber keinesfalls nur für junge Erwachsen lesenswert ist.


Mittwoch, 18. Oktober 2017

Buchrezension: Fiona Limar - Ohne Erbarmen (Iris-Forster-Krimis, Band 4)


Inhalt:

Was geschah wirklich in der "Todesklinik"? Diese Frage stellt sich, als ehemalige Patienten unter mysteriösen Umständen ums Leben kommen. In der psychiatrischen Einrichtung sollten verhaltensauffällige Jugendliche therapiert werden, doch das Projekt endete tragisch. Keiner der damals daran beteiligten Ärzte zeigt sich besonders auskunftsbereit. Als eine ihrer Patientinnen, die als Kind ebenfalls in dieser Klinik weilte, angeblich Selbstmord begeht, beginnt die Psychologin Iris Forster genauer nachzuforschen und deckt dabei Ungeheuerliches auf. Dadurch ruft sie gefährliche Gegner auf den Plan, die genau das verhindern wollen.

Rezension: 

Iris Forster ist eine Psychologin/ Psychotherapeutin, die zusammen mit ihrer Freundin Ruth in einer Gemeinschaftspraxis in Berlin arbeitet. Als eine ihrer jungen Patientinnen vom Balkon im neunten Stock ihrer Wohnung stürzt, deuten alle Anzeichen auf einen Selbstmord hin, weshalb sich Iris Vorwürfe macht, dass sie etwaige Anzeichen für einen Suizid übersehen haben könnte. 

Parallel dazu wird in einem Wald eine Frauenleiche gefunden und aufgrund einer erdrückenden Indizienkette die psychisch instabile und gewaltbereite Kim Lambert festgenommen, die den Tatvorwurf vehement bestreitet. Sie wollte sich zwar mit Nora treffen, diese sei jedoch zum vereinbarten Zeitpunkt nicht erschienen. Stattdessen habe sie eine Anhalterin mitgenommen, die dann im Wald verschwunden wäre. 

Als Iris von einem Freund von Kim kontaktiert wird, der von ihrer Unschuld überzeugt ist, sich von der Polizei aber keine Hilfe erhofft, befasst sich Iris mit den Lebensläufen der beiden Toten und der Tatverdächtigen und findet heraus, dass alle drei als Kinder zeitgleich in einer psychotherapeutischen Einrichtung, dem "Sonnengarten", untergebracht waren. Vor dreizehn Jahren kam es dort zu einem verheerenden Brand mit zwei Toten, der von einem Mitpatienten verursacht worden war. Der verurteilte Täter wurde vor Kurzem aus der Haft entlassen. 

Mit Einverständnis der Polizei führt Iris Gespräche mit der in Untersuchungshaft sitzenden Kim, um mehr über die vergangenen Ereignisse in der "Todesklinik" zu erfahren. Iris ist überzeugt davon, dass in der Vergangenheit der Schlüssel für die Aufklärung der aktuellen Todesfälle liegt. 

"Ohne Erbarmen" ist Band 4 der Krimireihe um die Psychologin Iris Forster und der erste Roman der Autorin, den ich gelesen habe. Für das Verständnis des Falles und der handelnden Akteure ist es nicht nötig, die vorangegangenen Bände gelesen zu haben. 
Iris Forster ist eine sympathische und engagierte Psychologin aus Berufung. Ihr Gespür ist es, das die Polizei auf die richtige Fährte führt, die sich bisher nur an die reinen Fakten und die scheinbar unmissverständlichen Indizien gehalten hat. 

Auch wenn der Krimi aus verschiedenen Erzählsträngen besteht, wirken dies keinesfalls verwirrend. Die Geschichte ist schlüssig erzählt und lange ist man als Leser im Unklaren, in welchem Zusammenhang Vergangenheit und Gegenwart stehen und welches Motiv hinter den aktuellen Mordfällen steckt. Besonders raffiniert wird der Leser wie auch die Polizei zunächst auf eine falsche Fährte gelenkt, bis die Todesfälle der beiden Frauen aufgeklärt werden können und damit auch die Vorgänge in der Kinderklinik ans Licht kommen, die unbedingt vertuscht werden sollten. 

"Ohne Erbarmen" ist ein spannender Kriminalroman mit einer Psychologin als der eigentlichen Heldin. Auch wenn Iris Forster als Protagonistin sympathisch und glaubwürdig ist, stört es mich bei Krimis dieser Art immer ein wenig, dass eine Privatperson aus persönlichem Engagement ermittelt und die Polizei in den Schatten stellt. 
Dennoch macht der Roman neugierig, auf die bisher erschienenen Romane um Iris Forster. 



Montag, 16. Oktober 2017

Buchrezension: Luke Delaney - Sie zu strafen und zu richten


Inhalt:

Im Internet tauchen Videos von entführten Menschen auf. Aber sie sind nicht nur Opfer: Alle haben Dreck am Stecken. Ein Rächer wird sie öffentlich richten, das Strafmaß jedoch legen die Zuschauer fest. Ein Klick nur reicht aus, um über Leben und Tod zu entscheiden. DI Sean Corrigan steht unter großem Druck, er muss den Fall schnell lösen. Denn der Rächer wird immer populärer – und Corrigan erkennt, dass er nicht nur einen gefährlichen, sondern auch einen sehr intelligenten Gegner jagt.

Rezension:

Ein Täter entführt reiche Londoner und legt ihr Schicksal in die Hände der Öffentlichkeit. Im Internet sollen die Menschen darüber abstimmen, ob das Opfer sein Recht auf Leben verwirkt hat.
Der maskierte Täter berichtet während der Video-Liveübertragung von den Verbrechen, die seine Entführungsopfer aus Habgier begangen haben und bereits der erste Banker wird von der Jury zum Tode verurteilt. Der unbekannte Täter, der sich als "Jackdaw" ("Dohle") bezeichnet, ist der Richter und Henker.
Die Massen stellen sich auch mit Hilfe des manipulativen Reporters Jackson der Zeitung "World", der unbedingt ein Interview mit dem Mörder führen will, hinter den "Racheengel". Es folgen weitere Opfer aus dem Bankensektor der City of London, wobei die Entführten scheinbar willkürlich ausgewählt werden.

Detective Inspector Corrigan der Sondereinheit von Scotland Yard, der sich in die Köpfer von Verbrechern hineindenken kann, wird der leitende Ermittler in dem Fall. Je länger die Ermittlungen dauern, desto mehr Angst entsteht unter den hochrangigen Bankangestellten, die sich zunehmend krank melden. Der Schaden für die Wirtschaft geht in die Millionen, weshalb der Druck auf das Team von DI Corrigan steigt und sich sogar der Minister einschaltet.

"Sie zu strafen und zu richten" ist der vierte Band der Krimiserie um Detective Inspector Sean Corrigan und der erste Thriller, den ich von Luke Delaney gelesen habe. Anders als bei anderen Krimireihen, bei denen mir auch ohne die Vorgängerromane gelesen zu haben, der Einstieg gut gelungen ist, fehlte mir hier für das Verständnis der Ermittlungen der Hintergrund zu Sean Corrigan und seinen Kollegen aus den drei vorherigen Romanen, da insbesondere die Persönlichkeit von Corrigan, seine traumatischen (?) Erfahrungen in seiner Kindheit für die Art seiner Ermittlungen eine große, wenn nicht sogar DIE Rolle spielen.

Der Autor nutzt viele Andeutungen auf vergangene Fälle und den Hintergrund der etwas eigentümlichen Persönlichkeit Corrigans, um die Aufklärung des Falls um den "Jackdaw" voranzutreiben. Ich musste mir diese Hinweise zwischen den Zeilen zusammenreimen und konnte weder für Corrigan noch sein Team wie die Psychologin Anna, Kollegin Sally oder gar den misstrauischen Vorgesetzten Addis Sympathien entwickeln.
Darüber hinaus blieb der Plot um den "Robin Hood", der die vom Bankenkollaps geknechteten Armen rächen und Vergeltung gegenüber den reichen, gierigen Bankern üben möchte, etwas dünn. Am Ende war nicht ganz klar, warum der "Jackdaw" für seine Tat, die letztlich persönlich motiviert war, die breite Öffentlichkeit gebraucht hat, auch wenn ich die Idee für eine Jury, die über Leben und Tod entscheidet, interessant fand und viel Potenzial für einen wirklich spannenden Thriller gegeben hätte.
Der etwas zähe Handlungsverlauf um die Aufklärung des Falls und der psychisch selbst angeknackste Protagonist konnten mich am Ende nicht davon überzeugen, weitere Bände um DI Corrigan und seine instinktive Verbrechensbekämpfung zu lesen. 



Samstag, 14. Oktober 2017

Buchrezension: Hanna Linzee - Für immer auf den ersten Blick


Inhalt:

Als Anna sieben ist, macht sich ihre Gabe zum ersten Mal bemerkbar. Sie kann sehen, welche Menschen zusammengehören. Um möglichst viele Herzen zu vereinen, gründet sie in Berlin eine Schicksalsagentur. Manchmal dauert es, bis sich der Richtige zeigt, doch bisher konnte sie jeden Klienten zu seinem Glück führen. Anna selbst ist fünf Jahre nach ihrer gescheiterten Beziehung mit Gregor einsamer denn je. Denn ausgerechnet bei ihr versagt die Gabe. Doch eines Tages stolpert sie einem ehemals sehr guten Freund in die Arme. Ein Wink des Schicksals?

Rezension:

Anna ist Mitte 30, Single und lebt in Berlin. Von ihrem Großvater hat sie eine besondere Gabe geerbt: Sie kann erkennen, welche Personen für einander geschaffen sind. Ihre Fähigkeit nutzt sie beruflich und sucht als Inhaberin der von ihr gegründeten Schicksalsagentur für ihre Auftraggeber die einzige wahre Liebe.

Nachdem sie schon so vielen Paaren zu ihrem Liebesglück verholfen hat, wirkt die Gabe bei ihr selbst nicht und so bleibt sie lieber allein, bevor sie wieder an den Falschen gerät und enttäuscht wird.
Kurz vor Weihnachten kommt ihr ehemaliger bester Freund Benedikt aus ihrer Kindheit und Jugend zwischen zwei Aufträgen als Reisebuchautor nach Hause zu seinen Eltern nach Berlin. Unweigerlich begegnen sich Anna und Beno wieder, die ihren Streit von damals beilegen und schon bald wieder so vertraut miteinander umgehen wie vor zwanzig Jahren.

Benjo möchte sich beruflich weiterentwickeln und Schriftsteller werden. Mit Hilfe von Annas Erzählungen über die Schicksale ihrer Klienten möchte Benjo Ideen für seinen Liebesroman finden und so zieht sie kurzerhand in das kleine Cottage, das er am Rande von Berlin von einem Freund nutzen darf. In der winterlich-romantischen Atmosphäre bei knisterndem Kaminfeuer kommen sich die beiden näher, doch zweifelt Anna daran, dass Benjo der für sie bestimmte Seelenverwandte ist, da die Zeichen etwas anderes deuten...

"Für immer aut den ersten Blick" ist ein romantischer Winterroman, der sich der Stimmung nach als ideal Lektüre für die Vorweihnachtszeit eignet. Zu Beginn des Romans ist Anna in sich gekehrt und trotz dem Glück, das sie anderen bringt, unzufrieden mit ihrem eigenen Leben, auch wenn sie sich das nicht offen eingesteht. Es hat den Anschein, als brauche sie eine Pause vom Liebesglück der anderen und der Schicksalsagentur. Sie hadert mit ihrer Gabe und sieht sie zunehmend als Bürde statt als Geschenk
Da trifft es sich gut, dass die Feiertage anstehen und dass sie sich nach all den Jahren des Kontaktabbruchs mit ihrem besten Freund versöhnt.
Der Roman handelt dann auch weniger von Anna als Amor als vielmehr darum, wie sie mit Hilfe von drei älteren Damen und Benjo ihr Schicksal in die Hand nimmt und sich nicht mehr darauf verlässt, dass ihr der richtige Mann schon noch begegnen wird.

Der Roman ist ein wenig kitschig geschrieben, wobei mich mit der Zeit die wiederholten Beschreibungen der ausdrucksstarken Augen von jedweden Protagonisten oder die übertrieben emotionalen Reaktionen von Anna gestört haben. Darüber hinaus ist nicht nur das Ende vorhersehbar, sondern der Roman auch etwas schablonenartig nach Schema F eines mustergültigen Liebesromans geschrieben: Eine junge Frau, enttäuscht von ihren bisherigen Liebesbeziehungen begegnet ihrem Jugendfreund wieder, der sich als ihre wahre Liebe entpuppt. Es kommt zu einer Annäherung, die zu Verunsicherung auf beiden Seiten führt, dann folgt ein Missverständnis, das die beiden fast wieder entzweit, bevor es zum ersehnten Happy End kommt.

Mir hat die Grundidee des Romans mit der magischen Gabe von Anna gut gefallen, die aber leider in der Geschichte sehr kurz kam. Auch die Liebesgeschichten ihrer zum Teil unfreiwilligen Klienten - der abrupte Wechsel vom gegenwärtigen Partner zum vermeintlichen Seelenverwandten - waren stark vereinfacht dargestellt.

Nichtsdestotrotz ist "Für immer auf den ersten Blick" ein kurzweiliger Liebesroman, der jedoch nicht ganz so einfallsreich, kreativ und zauberhaft umgesetzt wurde, wie es beim Lesen des Klappentextes den Anschein hatte.



Freitag, 13. Oktober 2017

Buchrezension: Jeannette Walls - Schloss aus Glas


Inhalt:

Jeannette Walls ist ein glückliches Kind: Ihr Vater geht mit ihr auf Dämonenjagd, holt ihr die Sterne vom Himmel und verspricht ihr ein Schloss aus Glas. Was macht es da schon, mit leerem Bauch ins Bett zu gehen oder in Nacht-und-Nebel-Aktionen den Wohnort zu wechseln. Doch irgendwann ist das Bett ein Pappkarton auf der Straße, und eine Adresse gibt es schon lange nicht mehr.
Jeannette Walls berichtet ohne Larmoyanz von ihrer ungewöhnlichen Kindheit in einer Familie, die man sich verrückter nicht vorstellen kann.

Rezension:

"Schloss aus Glas" ist der autobiografische Roman von Jeannette Walls, die das Leben in ihrer Familie ab ihrem dritten Lebensjahr bis Anfang 20 schildert. In sehr lebhaften Beschreibungen erzählt sie zunächst aus der Sicht eines unbedarften Kindes vom Aufwachsen mit ihren drei Geschwistern und dem nomadenartigen Leben mit ihren Eltern.

Vater Rex Walls ist ein Traumtänzer, ein Alkoholiker, der seinen Kindern und insbesondere seinem Liebling Jeannette die schönsten Luftschlösser baut, aufgrund seiner laufenden Arbeitsplatzverluste aber nicht einmal für eine Grundversorgung seiner Familie aufkommen kann. Mutter Rose Mary ist ausgebildete Lehrerin, träumt jedoch von ihrem Durchbruch als Künstlerin und findet auch aufgrund ihres antiautoritären Erziehungsstils keine dauerhafte Anstellung.

Die Familie lebt von der Hand in den Mund und kann aufgrund der ansteigenden Schulden, ihrer kleinkriminellen Aktivitäten und der Rastlosigkeit des Vaters nie lange an einem Ort bleiben. Die Geschwister sind weitgehend sich selbst überlassen, schlafen in Kartons und ernähren sich von dem, was gerade da ist. Im besten Fall stehlen sie die Inhalte der Brotboxen ihrer Mitschüler oder verzehren gar die letzten Reste Margarine, die sie im Kühlschrank finden, mit Zucker. Im schlimmsten Fall wühlen sie sich durch Abfallcontainer.

Als kleines Mädchen verehrt Jeannette ihren Vater, der ihr zu Weihnachten statt Geschenken die Sterne vom Himmel holt. Je älter die Kinder werden, beginn Jeannette und vor allem auch ihre ältere Schwester Lori zu reflektieren, was ihre Eltern ihnen mit ihrer Hippie-Mentalität, ihrer zwanghaften Unangepasstheit und dem vollkommenen Verzicht auf Sozialleistungen des Staates ihnen antun. Jeannettes sehnlichster Wunsch wird es sein, dass ihr Vater aufhört zu trinken.
Mit unwahrscheinlicher Empathie und Einfallsreichtum schaffen es die Eltern aber immer wieder, die Kinder auf ihre Seite zu ziehen, und aus dem Außenseitertum und dem Mangel - nicht nur an Komfort, sondern an lebensnotwendigen, für andere selbstverständlichen Dingen - etwas Positives abzugewinnen.

Wenn man die Erinnerungen von Jeannette Walls liest, ist man regelrecht schockiert, dass sich diese Kindheit wirklich so zugetragen haben soll. Die Autorin schafft es jedoch, die unfassbaren Erlebnisse mit ihrer Familie schon fast nüchtern und objektiv darzustellen, dass sie richtig unter die Haut gehen.
Der Roman ist keine Anklage oder Abrechnung mit den Eltern, sondern ein tragikomischer Tatsachenbericht und ein regelrechter Pageturner, da man mit neugieriger Faszination weiterlesen muss, was Vater oder Mutter als nächstes einfallen wird und wie sich die Lage der Familie weiter zuspitzt.

"Schloss aus Glas" ist ein Roman über eine außergewöhnliche Kindheit und über eine ganz andere, liebevolle Art der Vernachlässigung von Kindern.

Die Verfilmung des Weltbestsellers ist seit 21. September 2017 in den deutschen Kinos.



Mittwoch, 11. Oktober 2017

Buchrezension: Rachel Weaver - Die Stille unter dem Eis


Inhalt:

Anna trampt durch Alaska, als der junge Fischer Kyle sie auf der Straße aufsammelt und in seinem Pick-up mitnimmt. Sie werden ein Liebespaar. Als man ihnen anbietet, den Winter in einem abgelegenen Leuchtturm auf einem kleinen Felsen vor der Küste Alaskas zu verbringen, stimmen sie zu. Das perfekte Abenteuer für das junge Paar. Doch in der Einsamkeit der Wildnis und dem immer gnadenloser hereinbrechenden Winter Alaskas wird klar, dass beide ihre Geheimnisse haben.

Rezension:

Die rast- und ruhelose Anna Richards ist begeisterte Kletterin und hat bereits so manchen Gletscher erklommen. In Alaska begegnet sie dem Fischer Kyle McAllin, der die Tramperin in seinem Pickup auf dem Weg nach Süden mitnimmt. Die beiden, die sich bisher mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen haben, verlieben sich ineinander und entscheiden sich dafür, neun Monate auf der unbewohnten Insel Hibler Rock zu verbringen und dort als Leuchtturmwärter zu arbeiten.

Bereits in der ersten Nacht nach der Ankunft geht alles schief, als ihr Boot mit sämtlichen Vorräten und persönlichen Gegenständen sinkt und auch der Motor des Bootes daraufhin defekt ist. Kyle schafft es jedoch, einen alten Außenbordmotor aus einem Schuppen wieder flott zu machen, so dass sie sich mühsam auf den Weg in die nächstgelegene Stadt machen, um von ihrem Ersparten ein wenig Kleidung, Lebensmittel und Wasser zu kaufen. Anschließend begeben sie sich voller Elan daran, den seit 1978 unbewohnten Leuchtturm für sich einzurichten, einen Verschlag für Feuerholz und ein Gewächshaus zu bauen, damit sie möglichst autark auf der Insel leben können, denn im Winter wird durch den Wind und starken Wellengang keine Möglichkeit mehr bestehen, auf das Festland zu gelangen.

Das Paar, das sich noch nicht lange kennt, gelangt bald körperlich und emotional an seine Grenzen und merken, dass jeder für sich Geheimnisse verbirgt, die er dem anderen nicht Preis geben möchte und dass sie den Aufenthalt auf der Insel und die Einsamkeit nutzen, um vor der Vergangenheit wegzulaufen und sich zu verstecken.

Der Roman in der Ich-Form aus der Sicht von Anna geschrieben und vermittelt eine durchweg melancholische Stimmung. Der Schreibstil der Autorin hat mich an die Romane von Lucy Clarke erinnert, deren Bücher auch immer (traurige) Schicksale von jungen Frauen zum Thema haben.

Anna und Kyle sind beide Abenteurer und Einzelgänger, die in der Vergangenheit etwas erlebt haben, das sie nicht ganz verarbeitet haben, vor dem sie weglaufen und über das sie mit dem anderen nicht reden möchten. Als Paar ziehen sie sich gemeinsam auf die Insel zurück, halten sich aber gegenseitig auf Distanz und gehen dort getrennter Wege oder üben Kritik am anderen.

Während Anna mit dem mangelnden Komfort gut zurecht kommt, ist es vor allem Kyle, der das einsame Dasein nicht erträgt. Nach einem Vorfall auf dem Meer kehrt Kyle nicht mehr auf die Insel zurück und Anna ist ohne zu wissen weshalb, auf sich allein gestellt.

"Die Stille unter dem Eis" ist ein leises, aber durchweg spannendes Psychodrama, das von zwei Menschen handelt, die beide mit einem unverarbeiteten Trauma leben, sich zufällig begegnen und zusammentun. Während man bei Anna durch ihre Erinnerungen in Rückblenden erfährt, woran sie leidet, ist der Leser so wie Anna auch im Unklaren, was mit Kyle los ist. Darüber hinaus ist es spannend zu erfahren, welche Verbindung es zu dem letzten Leuchtturmwärter William Harris gibt, auf den sie im Leuchtturm Hinweise finden und der im Jahr 1978 spurlos verschwunden ist.

Es ist ein atmosphärischer Roman, bei dem man sich unmittelbar nach Alaska und Hibler Rock versetzt fühlt, die Kälte des Windes und die raue See spürt, eine Geschichte mit authentischen Charakteren über Einsamkeit, Schuld, Vergebung und der Auseinandersetzung mit sich selbst.



Montag, 9. Oktober 2017

Buchrezension: Angelika Schwarzhuber - Der Weihnachtswald - ein Wintermärchen


Inhalt:


Wie jedes Jahr an Weihnachten macht sich die alleinstehende Anwältin Eva auf den Weg zu ihrer Großmutter Anna. Das stattliche Anwesen der Familie, umringt von einem Garten mit einem Wald aus Tannenbäumen, ruft viele Erinnerungen hervor. Hier wuchs Eva auf, nachdem ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen waren. Im Haus trifft sie nicht nur auf ihren Jugendfreund Philipp, sondern auch auf das Waisenkind Antonie. Während draußen ein Schneesturm tobt, verschwindet das Kind plötzlich spurlos. Auf der gefährlichen Suche nach Antonie landen Eva und Philipp unversehens in der Vergangenheit.

Rezension:

Eva ist Anfang 30, Single, und arbeitet als Rechtsanwältin in Frankfurt. Auch dieses Weihnachten fährt sie wie jedes Jahr zu ihrer Großmutter Anna nach München, um dort die Feiertage zu verbringen. Als Vollwaise ist Eva bei Anna aufgewachsen, weshalb sie viele Erinnerungen mit dem staatlichen Anwesen dort verbindet.

Eva ist eine sehr unterkühlte Person, die sich allein für ihre Karriere zu interessieren scheint und sich wenig um ihre Mitmenschen kümmert. Sie ist deshalb auch wenig begeistert, dass sie in ihrer Heimat auf ihre Jugendliebe Philipp trifft, der nach der Trennung von seiner Freundin nach München zurückgekehrt ist, und ihre sozial engagierte Großmutter an Heiligabend auch noch ein fremdes Waisenkind eingeladen hat.

Als das verstörte Mädchen, das sich in Gegenwart von Eva nicht willkommen fühlt, im Schneesturm verschwindet und sich Eva und Philipp auf die Suche nach ihr begeben, werden sie unvermittelt ins Jahr 1931 versetzt und treffen auf die Urahnen von Eva...

Beim Lesen des Klappentextes dachte ich noch, dass es sich bei der Reise in die Vergangenheit um eine Reise im übertragenen Sinn handelt, aber Eva, Philipp und das Waisenkind Antonie reisen tatsächlich 85 Jahre zurück in die Vergangenheit.
Aufgrund ihrer äußeren Ähnlichkeit wird Eva von ihrer Familie für die Cousine Sophie ihrer Urgroßmutter Katharina gehalten, weshalb sie gastfreundlich von der Familie Koffler aufgenommen werden.
Eva und Philipp versuchen dort nicht weiter als Menschen aus der Zukunft aufzufallen und wisse nicht, wie sie wieder in ihre Zeit zurückkehren können. Aus Angst, die Zukunft zu verändern, verhalten sie such möglichst passiv, fragen sich jedoch, ob der Hintergrund ihres Aufenthalts im Jahr 1931 eine Mission sein könnte, die sie zu erfüllen haben und kommen sich nach den Jahren der Trennung emotional näher.

"Der Weihnachtswald" ist ein magisches Wintermärchen, das sich wunderbar für ein Adventswochenende eignet, um sich auf das Weihnachtsfest einzustimmen, kann aber auch unabhängig von den Feiertagen im Winter gelesen werden, da Weihnachten als solches nicht im Vordergrund steht, sondern nur den Rahmen für die Handlung bietet.

Eva erinnert ein bisschen an Charles Dickens' Mr Scrooge, da sie weder Weihnachten noch Kinder mag. Durch die Riese in die Vergangenheit und die Sorgen, die sich dort um ihre 10-jährige Großmutter machen muss, wird sie weicher und emotionaler und ist nicht mehr so kalt und unnahbar.

Der Roman ist eine Mischung aus Persönlichkeitsentwicklung, (vorhersehbarer) Liebesgeschichte und Familienroman, der den Leser vom Zauber der Weihnacht träumen lässt und den Leser bis zum Ende gespannt weiterlesen lässt, wie Eva, Philipp und Antonie ihr Abenteuer meistern und wieder in die Gegenwart gelangen.

Da "Der Weihnachtswald" als "Wintermärchen" betitelt ist, ist es auch verzeihlich, dass es für das Phänomen der Zeitreise am Ende keine logische Erklärung gibt.


Samstag, 7. Oktober 2017

Buchrezension: Delphine de Vigan - Tage ohne Hunger

Inhalt:

"Die Kälte in ihr sagte ihr, dass sie zwischen Leben und Sterben wählen musste."

Laure ist neunzehn Jahre alt und magersüchtig. Als die Krankheit lebensbedrohlich ist, wird sie in eine Klinik eingewiesen. Bei der Wahl für oder gegen das Leben hilft ihr vor allem der Arzt, dessen Patientin sie wird. Er ist der Einzige, der hartnäckig um sie ringt. Nach langer Zeit ist er der erste Mensch, dem sich Laure öffnet. Und sie erzählt von dem Teil ihrer Kindheit, der sie in diese Krankheit getrieben hat: das Zusammenleben mit ihrer psychisch kranken Mutter.
Drei Monate Krankenhausleben werden geschildert, drei Monate, in denen Laure ihren Todeswunsch überwindet und sich in ihr allmählich ein Lebenswille und sogar der Wunsch nach Freude am Leben wieder einstellt.

Rezension:

Laure ist 19 Jahre alt und begibt sich freiwillig in eine Akutklinik, als sie mit 175 cm 36 Kilogramm wiegt und ihre Körpertemperatur auf 35 °C gesunken ist und sie nur noch Kälte spürt, die sie buchstäblich von innen auffrisst. Sie bezeichnet sich selbst als "ein Sack Knochen auf einem Krankenhausbett", spürt was die Leute über sie denken. Sie, die aussieht wir "eine auseinandergebogene Büroklammer, wie ein Drahtbügel aus der Reinigung, wie eine Fernsehantenne nach einem Unwetter".

In ungeschönten Worten beschreibt Delphine de Vigan den Zustand und das Schicksal einer Magersüchtigen, die erkennt, dass es so nicht mehr weitergeht, es alleine aber auch nicht schafft, ihrem Körper Nahrung zu geben.

Mit Laure erlebt man den Klinikalltag mit, der für sie überwiegend aus stricken, essen und schlafen besteht, wobei sie auch Besuch von Freunden und ihrer Familie empfangen darf. Darüber hinaus hat sie vereinzelte Kontakte zu Mitpatienten, die alle wegen Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts in Behandlung sind und es insofern keine reine Station von Essgestörten ist.

Gründe für Magersucht sind vielfältig und nicht nur auf ein verqueres Schönheitsideal oder eine Körperschemastörung zurückzuführen. Bei Laure ist es ein Gefühl von Macht, das sie durch die Magersucht über ihren Körper erhält. Die Angst vor Kontrollverlust mag dem Elternhaus geschuldet und ursächlich für ihre Erkrankung sein: ihre Mutter ist psychisch krank und suizid gefährdet und war nie in der Lage sich um ihre Kinder zu kümmern. Der Vater, der dann das Sorgerecht bekam, ist cholerisch und wie die Mutter dem Alkohol nicht abgeneigt.
Um diesem Elternhaus zu entfliehen, möchte sie verschwinden und hört auf zu essen.

Erst als es fast zu spät ist und selbst Ärzte erstaunt sind, dass Laure mit diesem dramatischen Untergewicht überhaupt noch bei Bewusstsein ist, lässt sie sich auf eine Therapie bei Dr. Brunel ein, zu dem sie eine regelrecht schwärmerische - fas schon intime - Beziehung aufbaut. In ihren Augen ist er der einzige, der sie versteht. Laure will leben und nimmt die Regeln der Klinik deshalb schon ab der Aufnahme bedingungslos an. Sie wehrt sich weder gegen die Magensonde, noch gegen feste Mahlzeiten.

Mich hat erstaunt, wie brav sie sich die Ernährungspumpe in die Nase steckt, sie ganz allein auf ihrem Zimmer ihre drei Mahlzeiten einnehmen darf und sie erst nach acht Kilogramm Gewichtszunahme beginnt, ihren neuen Körper zu hinterfragen.
Auch gab es in der Klinik bis auf die vereinzelten Gespräche mit Dr. Brunel keine therapeutischen Maßnahmen, so dass mir der Alltag in der Klinik und der Heilungsprozess stark verkürzt und zu einfach erschienen. Wie ihr Dr. Brunel geholfen hat, blieb unklar.

Dafür kann man sich umso besser in Laure hineinversetzen, da sich ihre Geschichte ähnlich wie ein Tagebuch liest, als wäre es ein autobiographischer Roman. Laures Zweifel und der innere Kampf gegen eine weiter Zunahme, die über das reine Überleben hinausgeht, sind sehr realistisch und nachvollziehbar dargestellt. Folgerichtig zeigt die Autorin auf, warum Betroffene wie Laure an der selbstzerstörerischen Erkrankung festhalten und wie schwierig es von Außen ist, einen Zugang zu den Betroffenen zu bekommen, um die Anorexia nervosa gemeinsam bekämpfen zu können.

Es ist ein Buch, das sowohl Angehörige als auch Betroffene der Erkrankung lesen können, da es in "Tage ohne Hunger" in erster Linie um die innere Haltung von Laure geht und nicht darum zu beschrieben, welche Tricks angewendet werden können, um eine Zunahme zu vermeiden bzw. die Waage zu beschummeln. Auch wenn dieses Thema und weitere Klischees über Magersüchtige wie kochen für andere zumindest kurz angerissen werden.

Es ist ein sachlich geschriebenes, ehrliches Buch über eine psychische Erkrankung, für die von Außenstehenden wenig Verständnis aufgebracht wird, das aber aufgrund seiner Kürze lange nicht alle Aspekte der Magersucht umschreibt und schon gar keinen therapeutischen Heilungsansatz aufzeigt. Mir war der Weg von Laure ein bisschen zu einfach beschrieben, der Genesungsprozess blieb etwas wage, was vor allem der Kürze des Romans geschuldet ist. Insofern bekommt das Buch von mir volle Punktzahl für den sehr pointierten Schreibstil der Autorin, aber Punktabzug für den mir insgesamt zu kurz geratenen Roman für dieses schwierige und leidvolle Thema. 



Freitag, 6. Oktober 2017

Buchrezension: Krystal Sutherland - Unsere verlorenen Herzen

Inhalt:

Der 17-jährige Henry war noch nie verliebt. Kein Herzklopfen, keine Schlaflosigkeit, keine großen Gefühle. Bis seine neue Mitschülerin Grace vor ihm steht: in schlabbrige Jungsklamotten gehüllt, mit einem kaputten Bein und einer kaputten Seele. Ihre Zerbrechlichkeit macht sie in Henrys Augen nur noch schöner. Aber Grace lässt Henry kaum an sich heran – bis sie ihn eines Tages völlig unvermittelt küsst. Henry wagt es, zu hoffen. Doch irgendein ungreifbares Geheimnis scheint zwischen ihnen zu stehen.

Rezension:


Henry Page ist 17 Jahre alt und in Sachen Liebe im Gegensatz zu seinen Mitschülern ein Spätzünder. Das ändert sich, als Grace Town in seine Klasse kommt. Obwohl - oder gerade weil - sie so anders ist, Jungsklamotten trägt, ihrem Äußeren wenig Beachtung schenkt, verschlossen ist und an einem Stock geht, fühlt sich Henry magisch von ihr angezogen. Beide engagieren sie sich mit mehr (Henry) oder weniger (Grace) Engagement in der Schülerzeitung und so freunden sie sich an und verbringen auch nach der Schule noch Zeit miteinander.
Henry erfährt von ihrer Vergangenheit und bekommt damit auch die Erklärung, warum sie sich so kalt und unnahbar verhält. Er gibt jedoch nicht auf, verliebt sich in sie, da er auch die Grace in ihr erkennt, die sie früher einmal war. Er möchte ihr helfen, möchte, dass sie ihr Trauma überwindet und vor allem, dass sie für ihn so fühlt wie er für sie.
Mit der Zeit öffnet sie sich, lässt ihn an sich heran, allerdings nur bei Partys, wenn beide angetrunken sind. Schon am nächsten Tag und im nüchternen Zustand hat sie die Vergangenheit wieder eingeholt.

"Unsere verlorenen Herzen" ist im Gegensatz zu vielen anderen Young-Adult-Romanen aus der Perspektive des Jungen geschrieben und nicht aus Sicht des Mädchens oder abwechselnd aus beiden Perspektiven. Er ist ein ganz normaler, durchschnittlich guter Schüler, der die erste Liebe erlebt. Auch wenn ich meine Zweifel hatte, ob es bei ihm tatsächlich Liebe ist, was er für Grace empfindet oder ob es einfach nur die Faszination von ihr ist, da sie so geheimnisvoll und durch ihre Behinderung hilfsbedürftig wirkt und seine Neugier bzw. seinen Beschützerinstinkt weckte.

Grace hat nicht nur ein Hinkebein, das ihre Verletzung für alle nach Außen sichtbar macht, sondern auch eine verletzte Seele, ein Gefühl der Trauer, das sie permanent umgibt und das sie auch im Umgang mit Henry nicht ablegen kann. Ihre Vergangenheit steht bei jeder Begegnung zwischen ihnen, gerade wenn sie sich näher kommen, und vor allem in Henry wird der Wunsch nach einer normalen Liebesbeziehung immer lauter.

"Unsere verlorenen Herzen" ist eine tragische Teenagerliebe, bei der man sich bis zum Ende fragt, ob Grace doch noch irgendwie geheilt werden kann, Hilfe zulässt, um ihr Trauma zu verarbeiten und damit der Weg frei ist für eine Beziehung mit Henry.

Anders als Henry blieb mir die bewusst geisterhaft wirkende Grace in weiten Teilen des Romans fremd. Man weiß zwar, was sie erlebt hat, aber die weiteren Umstände ihres Lebens blieben lange wage. Der Roman zog sich im Mittelteil etwas, da nicht viel passierte und ich eine Entwicklung der Charaktere vermisste. Ich hatte lange den Eindruck, dass Henry und Grace nur auf der Stelle getreten sind.
Dies änderte sie allerdings im letzten Drittel des Romans, als Grace nicht mehr so gegenwärtig war und Henry - auch auf der Druck der Schule und seiner Eltern - wieder aktiver am Leben teilnahm. Dann wurden auch die Motive der therapiebedürftigen Grace klarer und nachvollziehbar, weshalb Henry für sie nicht mehr als nur die zweite Wahl war, obwohl er alles für sie getan hätte.

"Weil du Sternenstaub verdienst, ich dir aber nur Staub geben kann."

Sätze wie diese zeigen, wie der Romantiker Henry so unglücklich in die selbstzerstörerische Grace verliebt ist und so ist auch das Ende des Romans kein klassisches Happy End, aber für diese Geschichte passend, ungekünstelt und realitätsnah.


Mittwoch, 4. Oktober 2017

Buchrezension: Theresa Hannig - Die Optimierer


Inhalt:

Im Jahr 2052 hat sich die Bundesrepublik Europa vom Rest der Welt abgeschottet. Hochentwickelte Roboter sorgen für Wohlstand und Sicherheit in der sogenannten Optimalwohlökonomie. Hier werden alle Bürger von der Agentur für Lebensberatung rund um die Uhr überwacht, um für jeden Einzelnen den perfekten Platz in der Gesellschaft zu finden.

Samson Freitag ist Lebensberater im Staatsdienst und ein glühender Verfechter des Systems. Doch als er kurz vor seiner Beförderung beschuldigt wird, eine falsche Beratung erteilt zu haben, gerät er in einen Abwärtsstrudel, dem er nicht mehr entkommen kann. Das System legt alles daran, ihn zu optimieren ... ob er will oder nicht. 


Rezension:

2052 gibt es weder Deutschland noch die EU mehr, sondern die Bundesrepublik Europa, zu der sich die wohlhabenden mitteleuropäischen Staaten zusammengeschlossen haben. Die soziale Marktwirtschaft wurde durch die sogenannte Optimalwohlökonomie abgeschafft. Das System wird dominiert von der Agentur für Lebensberatung, die für jeden Bürger seinen Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften entsprechend die passende Tätigkeit findet. "Jeder an seinem Platz"  - so lautet auch die allgegenwärtige Grußformel. 
Da bereits viele Tätigkeiten von Robotern übernommen werden, ist nicht mehr jeder Mensch nützlich. Für diese ist die Kontemplation vorgesehen, das sozialverträgliche Nichtstun.  

Samson Freitag lebt in München und ist Lebensberater, der an das System glaubt. Für ihn ist seine Arbeit seine Berufung und er glaubt fest daran, für jeden Menschen den richtigen Platz in der Gesellschaft zu finden. Durch sogenannte Korrekturvermerke, die der Verbesserung des Systems dienen, sammelt er darüber hinaus Sozialpunkte, um sein Ziel der nächsten Beförderung zu erreichen. 

Doch plötzlich gerät sein angepasstes und überkorrektes Leben aus den Fugen, als seine Freundin ihn verlässt und seine Eltern bei der Straftat erwischt werden, tierisches Fleisch statt dem umweltfreundlichen Synthfleisch zu konsumieren. Auf einen Schlag verliert Samson hunderte von Sozialpunkte und auch seine letzte Lebensberatung wird ihm zum Verhängnis. In einer fortwährenden Abwärtsspirale fällt er aus dem System...

"Die Optimierer" ist ein Roman, der knapp 40 Jahre in der Zukunft spielt und eine Dystopie, ein pessimistisches Szenario unserer Gesellschaft darstellt. 
Die Geschichte ist aus der Perspektive von Samson geschrieben, der zunächst nicht unsympathisch wirkt, sondern vergleichbar mit einem spießigen deutschen Beamten ist. Im weiteren Verlauf wird jedoch klar, dass es Samson weniger um eine Verbesserung der Gesellschaft oder um eine Optimierung des Systems geht, sondern dass er nur sein egoistisches Ziel der 1000 Sozialpunkte verfolgt. Mit seinem Ich-bezogenen Verhalten hat er sich wenig Freunde gemacht, so dass er bei seinem Absturz ganz allein dasteht. Er stellt einen systemkonformen Mitläufer dar, der ohne selbst darüber nachzudenken, alle neuen Gesetze und Regelungen akzeptiert. Seine Eltern und seine Freundin Melanie, die mit einer robotergesteuerten Welt, in der der einzelne Mensch wertlos und ersetzbar ist, nichts anfangen können und dagegen rebellieren, kann Samson nicht verstehen. 

Der Roman ist zwar durch die eingeführten neuen Techniken, die das Leben der Menschen subjektiv verbessern science-fiction-artig, aber entwirft nicht so ein utopisches Szenario, dass die Welt von morgen, wie sie geschildert wird, als unrealistisch erscheint. Anders als in anderen Dystopien ist der Protagonist kein Held, der gegen ein herrschendes System einer düsteren Zukunftsaussicht ankämpft, sondern es unterstützt und nicht weiter hinterfragt. Auch als er aus dem Raster fällt, zweifelt er die unmenschliche Gesellschaft nicht an, sondern versucht wieder ein Teil von ihr zu werden. 

Mir hat die Idee hinter dem Roman, die Perspektive einer perfekten Gesellschaft, optimiert von Robotern und Rund-um-die-Uhr-Überwachung, gut gefallen. Die Beschreibung der neuen Welt wirkte zu Beginn des Romans etwas unbeholfen, da auf wenigen Seiten viele Erklärungen durch beispielsweise Radiowerbung erfolgte, statt sie die Neuerungen fließend in die Erzählung einzubauen. Nach dieser Einleitung ließ sich der Roman - bis auf die Träume von Samson, die ich nicht so richtig zu deuten wusste - flüssig lesen. 
Das Ende des Absturzes von Samson war allerdings etwas verworren, für mich zu verkürzt geschrieben. 

Dennoch vermittelt der Roman Kritik daran, was passiert, wenn man sich sklavisch an ein System hält, mit der Masse mitschwimmt und die negativen Folgen der vollkommenen Optimierung ohne staatsfreien Raum nicht mehr wahrnimmt oder gar dagegen ankämpft. 


Montag, 2. Oktober 2017

Buchrezension: M. L. Rio - Das verborgene Spiel


Inhalt:

Oliver Marks bekommt immer nur die Nebenrollen. Trotzdem ist der junge Schauspieler glücklich am renommierten Dellecher College, einer abgeschiedenen Welt mit Kaminfeuern und ledergebundenen Büchern. Die sieben Studenten seines Jahrgangs sind eine eingeschworene Gemeinschaft, besessen von der Schauspielerei und von Shakespeare. Doch eines Tages treibt einer von Ihnen tot im Collegesee. Die anderen stehen vor einer schwierigen Wahl: Sollen sie der Wahrheit ins Auge sehen oder weiter gegen sie anspielen?

Rezension:

Sieben befreundete Studenten sind im vierten und letzten Jahr am elitären Dellecher Collage, wo sie sich intensiv mit den Stücken von William Shakespeare auseinandersetzen. Die Faszination für den Dramatiker geht sogar soweit, dass die Studenten in ihre ganz alltäglichen Unterhaltungen Zitate aus den Stücken von Shakespeare einfließen lassen.

Der Roman ist passend zum Plot formal wie ein Theaterstück aufgebaut. Er besteht aus fünf Akten, die in Szenen unterteilt sind und an denen jeweils ein Prolog vorangestellt ist. Der Prolog spielt in der Gegenwart als einer der ehemaligen Studenten, Oliver Marks, nach zehnjähriger Haft aus dem Gefängnis entlassen wird. Jetzt ist es für ihn an der Zeit dem Polizisten, der inzwischen pensioniert ist und schon damals dem nicht an seine Schuld geglaubt hat, zu erzählen, was vor zehn Jahren wirklich passiert ist.

"Das verborgene Spiel" erzählt von einem Mikrokosmos an einer Elite-Kunsthochschule, wo ganz unterschiedliche, angehende Schauspieler aufeinander treffen, die alle eins teilen: die Leidenschaft für das Theater. Wie in einem klassischen Theaterstück gibt es in der 7-köpfigen Clique einen tapferen Held, einen unsympathischen Bösewicht, eine verführerische, verruchte Schönheit, ein naives Mädchen und Nebencharaktere. Trotz ihrer Konkurrenz bei der Verteilung der Rollen, sind sie Freunde. Doch hinzukommen Ehrgeiz, Suche nach Anerkennung, Drogen, Eifersucht und eine sexuelle Anziehungskraft untereinander - alles Faktoren, die in ein Drama münden, an deren Ende ein Mensch tödlich verletzt in einem See aufgefunden wird.

Der Roman ist aufgrund der etwas anstrengenden Dialoge nicht ganz einfach zu lesen. Für das Verständnis des Romans ist es zudem wichtig, dass man sich mit dem Werk Shakespeares auskennt oder zumindest seine Dramen "Julius Cäsar", "König Lear" und "Macbeth" gelesen hat, da durchweg aus diesen Werken zitiert wird. Für mich hat dies den Lesefluss gestört und hätte stattdessen mehr über die einzelnen Persönlichkeiten der Protagonisten erfahren wollen und wie sie zueinander stehen, um zu begreifen, warum sie genauso handeln.

Der Roman ist raffiniert geschrieben, ein modernes Drama, das die Bühne in die Realität überträgt, so dass die Grenze zwischen Schauspielerei und Wirklichkeit verschwimmt. Es geht um Schuld und die Angst vor der Wahrheit, die den sechs Überlebenden zwar bewusst ist, aber erst nach zehn Jahren ans Licht kommt.

Die hinter "Das verborgene Spiel" hatte mich neugierig auf den Roman gemacht, die Umsetzung konnte mich aber aufgrund der Dominanz der Shakespeare Zitate, der ausschweifenden, dramatischen Dialoge, die zu Lasten des Hintergrunds der eigentlich spannenden Charaktere, nicht ganz überzeugen.