Mittwoch, 30. August 2017

Buchrezension: Kristin Harmel - Heute fängt der Himmel an

Inhalt:

Die Journalistin Emily Emerson befindet sich kurz nach dem Tod ihrer geliebten Großmutter Margaret an einem besonders schwierigen Punkt in ihrem Leben. Da erreicht sie unvermittelt ein mysteriöses Gemälde, das eine Frau unter einem wunderschönen violettfarbenen Himmel zeigt. Schnell erkennt Emily, dass es sich dabei um Margaret handeln muss, doch dem Bild ist nur eine Notiz mit den Worten "Sie war die Liebe seines Lebens." beigelegt. Emily ist von diesen Zeilen tief bewegt und begibt sich auf die Suche nach dem Absender. Dabei stößt sie auf eine tragische Liebesgeschichte, die auch ihr eigenes Leben nicht unberührt lässt.

Rezension:

Die Geschichte von Emily Emerson bzw. ihrer verstorbenen Großmutter Margaret Mae Evans wird auf zwei Zeitebenen erzählt.
Die Gegenwart handelt von Emily und wie sie einen anonymen Brief mit einem Bild ihrer Großmutter erhält, durch den sie erfährt, dass ihr Großvater angeblich nie aufgehört hat, Margaret zu lieben. Das Bild wurde in einer Galerie in Deutschland restauriert, die ihr telefonisch jedoch keine weiteren Auskünfte erteilen kann, den Maler oder den Überbringer der Botschaft ausfindig zu machen. Emily nimmt sodann Kontakt mit ihrem Vater auf, der sie und ihre bereits vor einigen Jahren verstorbene Mutter verlassen hatte. Er erzählt ihr von einem Jeremiah, der ein guter Freund seiner Mutter war. Emily besucht ihn und kann so einiges von der Vergangenheit ihrer Großmutter in Erfahrung bringen und zumindest die Identität ihre Großvaters klären.
Sie begibt sich auf die Suche nach ihm und wird dabei von ihrem Vater, der offensichtlich von einem schlechten Gewissen geplagt Wiedergutmachung leisten möchte, bis nach Deutschland begleitet.

Die Geschichte der Gegenwart wird durch Kapitel unterbrochen, die in den Jahren 1944 bis 1946 spielen und in denen zu erfahren ist, wie Margarete im Jahr 1944 den Kriegsgefangenen Peter Dahler, der auf der Zuckerrohrplantage ihrer Eltern in Florida beschäftigt war, kennenlernte. Dieser hatte in Afrika unter Rommel gekämpft, bis die Alliierten die deutsch-italienische Allianz besiegten. Die beiden verlieben sich verbotenerweise ineinander und Margarete wird von ihm schwanger. Als der Zweite Weltkrieg vorbei ist, kehrt Peter wieder nach Deutschland zurück und verspricht, Margarete nachzuholen. Diese erhält aber lange keine Nachricht von ihm, bis er ihr in einem Brief mitteilt, dass er eine langjährige Freundin heiraten wird.

Von der Autorin habe ich bereits den gefühlvollen Roman "Über uns der Himmel" gelesen.

Wie auch der Roman auf zwei völlig unterschiedlichen Handlungsebenen spielt, lässt er mich mit gemischten Gefühlen zurück, was vor allem daran liegt, dass er in meinen Augen zu überladen ist.

[Achtung Spoiler]

Da ist zunächst Emily, die als Kind von ihrem Vater verlassen wurde und mit gerade einmal 18 Jahren ihre Mutter verloren hat, als sie selbst schwanger war. Sie verließ ihre große Liebe, um Nick nicht mit der Verantwortung einer ungewollten Schwangerschaft zu belasten, bringt das Kind ohne sein Wissen zur Welt und gibt es zur Adoption frei. Halt fand Emily bei ihrer Großmutter väterlicherseits, die sich ich in dieser schwierigen Zeit um sie kümmerte. Dies ist nun vor Kurzem verstorben und auch ihren Freund Scott hat Emily verlassen, weshalb sie sich ganz allein fühlt. Sie bereut es, ihre Tochter weggegeben zu haben und versucht sie über verschiedene Adoptionsforen ausfindig zu machen seit ihre Catherine volljährig ist.

Durch den Erhalt des Gemäldes mit dem geheimnisvollen Brief nimmt die gerade auch noch arbeitslos gewordene Journalistin Kontakt zu ihrem Vater auf. Nach wie vor hegt sie einen tiefen Groll gegen Victor, nimmt aber seine Unterstützung bei der Suche nach ihrem Großvater an. Bei ihren Begegnungen mit historischen Zeitzeugen kommen sich Vater und Tochter näher, bis das Schicksal ein weiteres Mal zuschlägt und Emily erfährt, dass Victor an Leberkrebs erkrankt ist.

Das Leben ihrer Großmutter wird interessanterweise rein aus der Perspektive von Peter erzählt. Einerseits habe ich dadurch einige Details über die Zet des Zweiten Weltkrieges und die Jahre danach erfahren, die mir noch nicht bekannt waren. Die Situation von Peter als deutschen Kriegsgefangenen in Amerika und späteren Zwangsarbeiter in England war interessant und lehrreich zu lesen, vor allem da die Autorin die Deutschen nicht per se als Nationalsozialisten abgestempelt hat. Auf der anderen Seite blieb mir Margaret, die sich nicht für die deutschen Kriegsgefangenen interessierte, sondern sich auch gegen den Rassismus in den Südstaaten einsetzte, fremd und die traurige Liebesgeschichte zwischen Peter und ihr konnte mich nicht berühren, da es schlicht zu wenig Kontakte zwischen den beiden gegeben hat. Dass beide von ihrer "großen Liebe" gesprochen haben, die aber unerreichbar war und sie nie wieder richtig glücklich geworden sind, konnte ich insofern nicht nachvollziehen.

[Spoiler Ende]

Emilys Ansichten sind sehr engstirnig, so kann sie lange sich selbst und auch ihrem Vater nicht verzeihen und macht sich damit das Leben unnötig schwer. In Männer hat sie jedwedes Vertrauen verloren, weshalb sie zu keiner glücklichen Beziehung fähig ist. Ihren Exfreund ruft sie nachts an, um körperliche Befriedigung zu erfahren, was nicht so richtig zu der sonst so sensiblen Emily passen wollte. Ich empfand den vom Schicksal gebeutelten Charakter schwierig und konnte mich nicht mit ihr identifizieren.

Dennoch ist es spannend zu erfahren, was es mit dem Gemälde auf sich hat, das die junge Margaret darstellt und ob es Emily gelingen wird, ihren Großvater zu finden, der inzwischen im hohen Alter von über 90 Jahren sein muss. Gegenwart und Vergangenheit werden dabei geschickt und in einem ausgewogenen Verhältnis miteinander verwoben. Die Geschichte von Emily und ihrer Großmutter bzw. ihren Großvater um Versöhnung und Verrat enthielt mit dennoch zu viele Schicksalsschläge, zu viel Drama und am Ende überwog der Kitsch. Die Charaktere wirkten in Teilen unglaubwürdig und unausgereift.

Den "himmlischen" Roman, den ich im letzten Jahr von der Autorin gelesen hatte, wusste mich insofern mehr zu überzeugen. 



Montag, 28. August 2017

Buchrezension: Delphine de Vigan - No & ich

Inhalt:

Wenn wir irgendwann nur noch diese Antwort parat haben – sind wir dann erwachsen? Lou ist hochbegabt und eine Einzelgängerin. Am liebsten beobachtet sie die Menschen und stellt dabei gewagte Theorien auf, um das zu verstehen, was tagtäglich mit uns geschieht. Bis sie auf die achtzehnjährige No triff t, die in Paris auf der Straße lebt. No mit den dreckigen Klamotten und dem müden Gesicht. No, deren Einsamkeit die Welt in Frage stellt. Und Lou stürzt sich in ihr neues Projekt: Sie will No retten – und sich und der Welt beweisen, dass sich alles ändern lässt...

Rezension:

Die 13-jährige Lou Bertignac hat einen IQ von 160, zwei Klassen übersprungen und geht in die 10. Klasse einer ganz normalen Schule in Paris. Sie ist schüchtern, möchte nicht auffallen und hält sich während des Unterrichts mit Beiträgen zurück. Als sie ein Referat vor der Klasse halten soll, wählt sie aus einer spontanen Idee die Obdachlosigkeit von Frauen in Frankreich als Thema aus, da ihr eine junge Frau am Bahnhof aufgefallen war.

No ist 18 Jahre alt und lebt auf der Straße. Für ihr Referat möchte Lou sie interviewen und nähert sich ihr an, indem sie No in Cafés einlädt. Statt zur Cola greift No allerdings zu Wodka und erzählt Lou nach und nach ihre Geschichte.

Die hochbegabte Lou ist ein Mensch, der alles versucht zu analysieren, um es in Gänze zu durchdringen. Sie stellt Theorien auf, die es zu bestätigen bzw. zu widerlegen gilt und führt in ihrer Freizeit zu Hause in Eigenregie kleine "Konzeptexperimente" und "Widerstandsfähigkeitstests" durch. No entwickelt sich zu ihrem ganz eigenen Projekt und als sie merkt, dass No vergeblich versucht an Jobs zu kommen, die daran scheitern, dass sie keinen festen Wohnsitz hat, kann Lou sogar ihre Eltern dazu bewegen, No im Kinderzimmer ihrer am plötzlichen Kindstod verstorbenen Schwester aufzunehmen.

In ihrer kindlichen Naivität versucht Lou No von der Straße zu retten und ihrem Leben eine Struktur zu geben. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, die junge Frau zu zähmen, was eine enorme Herausforderung für die sonst so ängstliche Lou herausstellt, die sich von ihrer Mutter vernachlässigt und ungeliebt fühlt und an ihrer neuen Aufgabe über sich hinauswächst.

"No & ich" ist ein Roman über eine ganz besondere Freundschaft zwischen zwei ungleichen Menschen, die sich kaum kennen. Die jüngere Lou ist eine Einzelgängerin und versucht die obdachlose No, die aus dem sozialen Netz gefallen ist, wieder zu integrieren. Lou ist zwar ein sehr analytisch denkender Mensch, geht das Projekt "No" aber sehr blauäugig an. Sie hat schon fast eine romantische Vorstellung davon, No zu einer festen Arbeit und einer eigenen Wohnung zu verhelfen. Sie kann einfach nicht verstehen, wie es in einer so fortschrittlichen Welt Menschen geben kann, die verwahrlost auf der Straße leben.

Es ist ein einerseits sehr positiver Roman der die Welt ein Stück besser machen will und in der Lou mit ihren naiven Vorstellungen eine Vorbildfunktion für die Erwachsenen einnimmt, die Obdachlose in ihrem Alltag nicht mehr wahrnehmen. Auf der anderen Seite ist es aber auch ein melancholischer Roman, da Lou aus in einem traurigen Elternhaus großgeworden ist und ihr einsamer Alltag sehr monoton ist. Durch das Zusammenleben mit No erwacht Lous Mutter aus ihrer Lethargie und beginnt, ihre Umwelt wieder wahrzunehmen, No selbst hat jedoch massive Schwierigkeiten, sich zu integrieren.
Der Roman zeigt, wie schwierig es ist und wie viel Geduld und Hingabe nötig sind, um einen Menschen schon nach nur wenigen Wochen oder Monaten auf der Straße mit einer ganz anderen Abhängigkeit zu konfrontieren.

"No & ich" ist zwar eine Geschichte über das Erwachsenwerden, die ich mich auch als Schullektüre vorstellen könnte, ist aber auch für Erwachsene lesenswert und zum Nachdenken anregend. 


Samstag, 26. August 2017

Buchrezension: Kerstin Preiwuß - Nach Onkalo

Inhalt:

Matuschek ist vierzig, als seine Mutter stirbt, mit der er das Haus teilte. Ohne ihre Fürsorge weiß er nicht, wie es weitergehen soll. Eine Frau hat er nicht und von dort, wo er wohnt, geht man weg, wenn man kann. Aber Matuschek ist einer, der bleibt, Bewohner des Hinterlands, einer längst von allen aufgegebenen Welt. Zum Glück gibt es Nachbarn. Igor, der Russe, wird zum Freund. Den alten Witt kennt er seit seiner Jugend. Und dann sind da die Tauben, die Matuschek als Junge bekam und seitdem züchtet. Brieftauben haben einen inneren Kompass und kehren stets nach Hause zurück. Das kann schon reichen fürs Leben. Als Matuschek Irina kennenlernt, winkt das Glück. Aber dann geht etwas schief und er beginnt von neuem. »Nach Onkalo« zeigt eine Welt am Rand, in der sich die großen Fragen nicht weniger deutlich stellen: was einen zusammenhält und wie man glücklich wird. Matuschek stellt sich diese Fragen nicht, er will nur seinen Alltag meistern. Doch vielleicht befähigt ihn genau das zur Erkenntnis "ob das Leben die Mühe lohnt".

Rezension:

Der 40-jährige Hans Matuschek wohnt in einem Ort im Norden Ostddeutschlands, der einen trostlosen, verlassenen Eindruck macht. Seine Mutter, die sich bisher um alles im Haushalt und das Wohlergehen ihres Sohnes gekümmert hat, ist gerade verstorben. Hätte Matuschek nicht seinen hilfsbereiten Nachbarn,m den Russen Igor und den "Alten" Witt, wäre Matuschek hilflos auf sich allein gestellt.

Matuschek züchtet seit seinem 14. Lebensjahr als Geschenk seines Vaters Brieftauben und arbeitet als Wetterbeobachter an einem ehemaligen Militär-Flugplatz der DDR. Mit Igor geht er regelmäßig einen trinken und bekommt von ihm seine Verwandte Irina aus Irkutsk vermittelt, die in Deutschland als Änderungsschneiderin arbeitet. Doch die Affäre mit Irina währt nur kurz, sie lässt den sozial wenig empathischen Matuschek nicht an sich heran. Als Matuschek dann auch noch seine Arbeitsstelle und Igor verliert, geht "alles den Bach runter". Passend zur ohnehin schon gedrückten Stimmung, flüchtet sich Matuschek in den Alkohol, hat keine Kontakte mehr zu anderen Menschen, kümmert sich nicht einmal mehr um seine geliebten Tauben und lässt sich selbst bis zur Verwahrlosung gehen.

Der Titel "Nach Onkalo" bezieht sich auf das Atommüll-Endlager Onkalo in Finnland. Der alte Witt, der unter seinem Haus einen Bunker angelegt hat, um sich vor bürgerkriegsähnlichen Szenarien zu schützen, hat bis zur Stilllegung des Atomkraftwerks Lubmin dort gearbeitet und panische Angst vor einem atomaren Unfall.

"Nach Onkalo" steht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2017, wodurch ich erst auf die Autorin und ihren Roman aufmerksam geworden bin.

Es ist ein Roman über einen langjährigen, etwas sonderbaren Single in der ostdeutschen Provinz, dem sein Leben nach dem Tod seiner Mutter entgleitet. Der Ort, in dem Matuschek wohnt, ist von der Abwanderung der jungen Menschen, insbesondere der Frauen, in die Städte geprägt. schulen wurden geschlossen, Bahnstrecken stillgelegt und übrig ist nur noch eine Tankstelle und ein Supermarkt. Und auch Matuschek wird hier nicht bleiben, sondern sein Zuhause an Investoren aus Berlin verkaufen.

Matuschek ist wie der Russe Igor und Witt ein Außenseiter, der kaum in der Lage ist, seinen Alltag zu bewältigen. Erst als er ganz am Boden ist und alles verloren erscheint, rafft er sich auf und schafft sich selbst eine neue Perspektive.

Der Roman ist literarisch hochwertig und bildhaft geschrieben. Matuschek ist ein Antiheld, der nüchtern und aus der Distanz betrachtet wird. Auch die Sprache ist passend dazu, die Dialoge bestehen aus knappen Sätzen und können ohne Kennzeichnung als direkte Rede leicht überlesen werden.
Die Geschichte über Landflucht, Außenseitertum und das persönliche Scheitern ist nicht ganz eingängig geschrieben und schildert ungeschönt die Härte des Lebens. Auch wenn es für Matuschek nach seinem Absturz wieder aufwärts geht, war mir der Roman mit der Aussparung von etwas Freude und Glück zu brutal realistisch und nicht im eigentlichen Sinne unterhaltsam.
"Nach Onkalo" war interessant zu lesen, aber ich war froh, als ich den Roman, in dem irgendwie alles grau war, beendet hatte.



Freitag, 25. August 2017

Buchrezension: Mareike Krügel - Die Tochter meines Vaters

Inhalt: 

Felix - eigentlich Felizia -, die Tochter des Bestatters, weiß schon in der Wiege, welches Erbe sie in Kleinulsby bei Eckernförde antreten soll. Ihre Kindheitsjahre stehen unter dem Zeichen der elterlichen Prinzipien: Höflichkeit, Diskretion und Unauffälligkeit, denen sie jedoch mit ihrem stummen Freund Gunnar auf Mauern, Bäume und Berge kletternd entflieht.
Mareike Krügel erzählt geschickt auf zwei Ebenen. Sie kontrastiert die Welt des Kindes Felix mit der der erwachsenen Felizia, die aus Kleinulsby ausbricht und ihr Geld mit der Deutung des Lebens aus Tarotkarten verdient. Die großen Gefühle, die sie täglich aus den Karten liest, meidet sie, da nur Cary Grant sie aus ihrer pragmatischen Leidenschaftslosigkeit erlösen kann. Doch der heißt eigentlich Schmidt und ist von einem Traumprinz weit entfernt.


Rezension:

Felizia ist die Tochter eines Bestatters, dessen Vorstellung es ist, dass sie eines Tages das Unternehmen "F. Lauritzen Bestattungen" im norddeutschen Städtchen Kleinulsby übernehmen wird. 
Felizia ist den Umgang mit Toten von Kindesbeinen an gewohnt und hilft ihrem Vater bei der Vorbereitung der Toten für die Begräbnisse und ist bei den Gesprächen mit den Trauernden sowie auf dem Friedhof dabei, um zu lernen. Das Geschäft läuft etwas schleppend, aber der Vater hat die Hoffnung, dass das Unternehmen spätestens in einigen Jahren florieren wird, wenn die Menschen des Neubaugebiets nach und nach das Zeitliche segnen. 

Die Geschichte von Felizia, genannt Felix, wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Man lernt sie als junges Mädchen im elterlichen Betrieb kennen, die vor allem Freundschaften zu Jungs pflegt. 
In der Gegenwart hat sich Felix von ihren Eltern distanziert und verdient ihren Lebensunterhalt als Tarot-Kartenlegerin. Sie schwärmt für Cary Grant und verguckt sich deshalb in Malte Schmidt, der diesem auf den ersten Blick sehr ähnlich sieht. Während Felix versucht ihrem Traum von einem Mann näher zu kommen, pflegt sie sporadische Beziehungen zu zwei Liebhabern, die regelmäßig unangekündigt vor ihrer Tür stehen. 

"Die Tochter meines Vaters" ist die Beschreibung einer außergewöhnlichen Kindheit eines Mädchens, das mit den Tugenden Diskretion, Zurückhaltung, Disziplin und Korrektheit aufwächst, die von ihren Eltern vorgelebt werden und die sie verinnerlicht hat. 
Das Geschäft mit dem Tod behagt ihr jedoch nicht, weshalb sie unter der Voraussetzung studieren zu wollen, zunächst nach Kiel geht und sich der Juristerei widmet. Aber auch das Studium verursacht ihr Bauchschmerzen und so nutzt sie ihr Talent der Wahrsagerei für die selbstständige Tätigkeit als Tarotkartenlegerin. 

Die beiden Erzählstränge wechseln sich ab und mir haben vor allem die Episoden aus ihrer Kindheit gefallen, die mit erfrischender Situationskomik aber dennoch sehr nüchtern erzählt werden. Aber auch die Annäherung um den vermeintlichen Cary Grant-Doppelgänger, bei der ihre 13-jährige Nachbarin Randi behilflich ist, mutet skurril und witzig an. 

Der Roman erzählt die Entwicklung eines gehorsamen, artigen Mädchens, das ihren schrulligen, aber lieben Eltern immer alles Recht machen wollte, aber dann feststellt, dass das Leben ihrer Eltern nicht für sie geeignet ist. Sie bricht aus aus den Schranken ihres Elternhauses, nabelt sich auch von ihren dominanten Schulfreunden - zunächst Gunnar und dann Tobias - ab und beginnt ein eigenständiges Leben, das von der Suche nach Liebe und Geborgenheit geprägt ist. 

Nachdem ich zuletzt "Sieh mich an" von Mareike Krügel gelesen habe, ist "Die Tochter meines Vaters" schon vor über zehn Jahren geschrieben worden, aber wieder ein interessant zu lesender Roman abseits des Mainstreams. Auch hier wird wieder ein nicht ganz normaler Alltag im Leben einer Frau beschrieben, der in einer gelungenen Mischung aus Ernsthaftigkeit und schwarzem Humor erzählt wird. Mir fehlte allerdings bei der erwachsenen Felizia ein roter Faden in ihrer Geschichte oder zumindest ein befriedigender Abschluss. So endete der Roman genauso episodenartig, wie er durchweg erzählt wurde. 



Mittwoch, 23. August 2017

Buchrezension: Jorge Galán - Mein dunkles Herz

Inhalt:

Im Hinterzimmer eines Hauses, das sich langsam mit den Schatten der Vergangenheit füllt, erzählt Magdalena ihrem Enkel die Geschichte ihrer Familie, die Geschichte eines Jahrhunderts. Sie erzählt von dem Fluch, der ihr Leben geprägt hat, und wie sie ihren Mann Vicente, der auf wundersame Weise gezeugt wurde, auf ebenso wundersame Weise kennenlernte. Es ist die Geschichte einer intensiven Liebe, die viele Jahre später an einer großen Tragödie zerbricht – einer Tragödie, die dafür sorgt, dass Magdalenas Enkel der Letzte einer Geschichte ist, die lange vor ihm begann, und dass es an ihm ist, sich aufzumachen, seine eigene Erzählung zu finden.

Rezension:


Die Geschichte spielt in El Salvador und beginnt mit der mythischen Geburt von Vincent Sanchéz, der von einem namenlosen 90-jährigen gezeugt wurde und im Jahr 1920 zur Welt kommt.

Vincente wird der Ehemann von Magdalena werden, die in diesem Roman ihrem Enkel die unglaubliche Geschichte ihres Lebens erzählt, so wie sie auch als Kind und Jugendliche den Geschichten ihrer Großeltern gelauscht hat.
Im Alter von 14 Jahren stellt Magdalena fest, dass sie übernatürliche Kräfte besitzt: das, was sie sich wünscht, geht später auch in Erfüllung. Leider werden nur die "bösen" Wünsche umgesetzt. Noch harmlos wird die gehässige Nachbarin mit einer Ladung Taubendreck über ihrem Haus bestraft, Jahre später werden ihre Brüder all ihre Zähne verlieren.

Im Alter von 20 Jahren lernt sie den 31-jährigen Vincente in San Salvador am Bahnhof kennen und trifft sich heimlich mit ihm, bis durch das Gerede der Leute auch ihre Eltern von dem jungen Mann erfahren, der sie begleitet.
Vincente lässt sich in San Salvador nieder und baut Magdalena ein Haus. Die beiden heiraten und werden fünf Kinder bekommen.

Zeit ihres Lebens quält sich Magdalena mit einem schlechten Gewissen, hat Angst vor ihren Gedanken und dass die Wünsche ihres "dunklen Herzens" in Erfüllung gehen, schließlich möchte sie niemandem, schon gar nicht ihren Liebsten, Schaden zufügen.

Doch auch ohne ihr Zutun wird ein Unglück geschehen, dass ihr Leben unwiderruflich verändern wird und am Ende nur noch ein Enkel bleibt, dem sie ihre Geschichte erzählen kann.

Der Roman ist nicht ganz einfach zu lesen und mit Sicherheit eine Geschichte, die man ein weiteres Mal lesen muss, um alle Aspekte zu verstehen und in einen Zusammenhang zu bringen.
"Mein dunkles Herz" ist keine klassische Liebesgeschichte, sondern erzählt auf wenigen Seiten die Geschichte einer Frau von ihrer Jugend bis zum Tod. Der Enkel hört sich die zum Teil fantastische und tragische Geschichte an und zweifelt, ob alle Einzelheiten wirklich der Wahrheit entsprechen oder ob seine Großmutter sich manches mythisch anmutende Detail nur ausgedacht hat.

Von "Mein dunkles Herz" hatte ich mir etwas anderes, eine spannendere Familiengeschichte, erwartet. Der Roman ist literarisch hochwertig und atmosphärisch dicht erzählt, aber auch sehr schwermütig und mysteriös. Mir blieb Magdalena zu unnahbar, ihre Erzählung in ganzen Abschnitten zum Teil nicht nachvollziehbar, so dass ich mich häufig fragte, worauf Jorge Galán eigentlich hinauswollte.
"Mein dunkles Herz" ist trotz aller Kürze ein Roman, für den man sich Zeit lassen muss, um den Inhalt reflektieren zu können und kein Unterhaltungsroman für zwischendurch. 


Montag, 21. August 2017

Buchrezension: Susanne Friedrich: Butterbrot und Liebe

Inhalt:

Hannah geht ganz in ihrer Marketingkarriere auf. Als sie den Butterbrot-Gastronom und Frontalduzer Christoph nach einer kurzen Affäre abserviert, denkt sie noch immer alles unter Kontrolle zu haben. Womit sie nicht gerechnet hat: Christoph glaubt an das große Liebesglück. Doch um Hannahs verschlossenes Herz zu knacken, reichen Träume allein nicht. Kurz entschlossen springen Christoph alle zur Seite: seine resolute Mutter Ulli, sein bester Freund Attila, seine herzensgute Kollegin Ellie und sogar Hannahs Vater Albers, der selbst ein wenig Glück verdient hat.

Rezension:

Hannah ist Anfang 40 und Inhaberin einer Marketing-Agentur in Berlin. Christoph hat sich zusammen mit Freunden selbstständig gemacht und führt das Café "Butterbrot und Liebe", dass auch Catering anbietet und Firmen mit belegten Broten beliefert. Hannahs Agentur zählt inzwischen zu seinen Stammkunden und Christoph verliebt sich auf den ersten Blick in die attraktive, aber sehr unterkühlt wirkende Chefin.

Auch Hannah ist von ihrem Lieferanten und seinen delikaten Broten à la Liebe geht durch den Magen sehr angetan,was sie selbst überrascht, schließlich möchte sie keine Beziehung eingehen und ohnehin ist Christoph viel zu jung" für sie.
Trotz aller Warnungen seiner Freunde, sich von der "Eiskönigin" fernzuhalten, verabredet sich Christoph mit Hannah. Sie verbringen sodann auch den ein oder anderen schönen Abend miteinander, wenn sie nicht gerade absichtlich sie Nachrichten des anderen ignorieren. Nach einem gemeinsamen Wellness-Wochenende im Spreewald wird Hannah alles zu viel und zu eng und sie beendet abrupt die Beziehung zu Christoph.
Dieser kann ihr plötzlich so abweisendes Verhalten und ihre Entschuldigungen dafür nicht nachvollziehen. Halt und Rat gibt ihm seine junggebliebene Mutter Ulli und sein bester Freund Atilla, der nicht nur der Mitinhaber von "Butterbrot und Liebe", sondern auch wie ein Bruder für ihn ist.

Hannah fährt für kleine Auszeiten regelmäßig zu ihrem Vater, der zurückgezogen auf einem Gutshof in der Lüneburger Heide wohnt. Er macht sich Sorgen um seine Tochter, die Beziehungen so vehement ablehnt und sich ganz auf ihre Karriere konzentriert.

"Butterbrot und Liebe" ist der zweite Roman, den ich nach "Monstertörtchen" von Susanne Friedrich gelesen habe, der erneut in Berlin spielt und wieder die Themen Gastronomie und Liebe miteinander verknüpft. In diesem Roman sind beide Protagonisten beruflich erfolgreich, haben aber bislang kein Glück in Sachen Liebe, weil sich sich zu sehr auf ihre beruflichen Karrieren fixiert haben und im Fall von Hannah auch noch ein Traum der Vergangenheit zu verarbeiten ist.

Der Roman braucht wirklich lange, bis er an Fahrt aufnimmt und man als Leser einen roten Faden erkennen kann. Zu Beginn werden Begegnungen von Hannah und Christoph aneinandergereiht und man erhält einen Einblick in ihre Leben, die nur aus Arbeit und gelegentlichen Besuchen bei Mama Ulli bzw Papa Michael zu bestehen scheinen. Eine Nebenrolle spielt die Angestellte des Cafés, die alleinerziehende Ellie, die von ihrem Exfreund Hassan bedroht wird.

Lange kann man das Verhalten von Hannah nicht nachvollziehen und begreift nicht, warum sie Christoph nur aufgrund seines jüngeren Alters abzulehnen schient, sich aber gleichzeitig sehr zu ihm hingezogen fühlt. Ihre Bindungsangst erklärt sich erst durch die Gespräche mit ihrem Vater und den Nachforschungen von Christophs Mutter.

Die Perspektiven wechseln häufig, weshalb man zwar Einblick in nahezu alle Charaktere erhält, allerdings sind dies dann auch nur kurz und wirken etwas unbeholfen, um dem Leser die Geschichte schlüssig darzulegen.

Ich habe nicht so ganz verstanden, warum sich Christoph so Hals über Kopf in Hannah verliebt, von der er eigentlich nur ihr Äußerliches kannte und warum Hannah gerade jetzt beginnt, sich unter Druck ihres Vaters dem Trauma ihrer Vergangenheit zu stellen. Das ewige Hin und Her und die Hinhaltetaktik zu Beginn empfand ich als kindisch, vor allem wenn man bedenkt, dass Hannah bereits über 40 Jahre alt ist und Christoph ein beruflich erfolgreicher Mann mit Erfahrung in Beziehungsdingen ist. Aus dem Alter "wer meldet sich zuerst " bzw, "wie lange warte ich, bis ich auf eine Nachricht antworte" sollten beide inzwischen heraus sein.
Das zu erwartende Happy End kam trotz aller Längen dann doch sehr abrupt und für mich nicht ganz nachvollziehbar. Der Weg dorthin war gepflastert von zum Teil sehr phantasievollen Ideen, die mir zu gewollt unterhaltsam und teilweise sogar absurd und zu weit hergeholt waren.

Der Schreibstil von Susanne Friedrich ist einfach und bindet sogar die "Berliner Schnauze" mitein, allerdings enthält der Roman einige auffällige Wortwiederholungen und gerade bei den Dialogen Floskeln, die verzichtbar gewesen wären.
Die Geschichte von Ellie und ihrem gewalttätigen Freund wird immer mal wieder in Einschüben erzählt, was ich für diesen Roman deplatziert fand. Ich hätte mir eher gewünscht, dass diese Seiten verwenden worden wären, um mehr von Hannah und Christoph zu erfahren. So blieben sie für mich blass und ihre Schicksale konnten mich nicht wirklich berühren. 



Donnerstag, 17. August 2017

Buchrezension: Anna Gavalda - Ab morgen wird alles anders

Inhalt:

Mathilde, 24, verliert ihre Handtasche, nachdem sie in einem Café in Paris einen Drink zu viel hatte. Darin steckt eine Menge Geld, das ihr nicht gehört. Yann, 26, fühlt sich in einem langweiligen Beruf und in einer spießigen Beziehung gefangen. Die eine sucht nach dem richtigen Mann, der andere hat den verkehrten Job, der dritte trauert um sein Kind, bei keinem läuft es richtig rund. Aber: „Ab morgen wird alles anders“. Das ist das Motto von Anna Gavaldas neuen Geschichten. In ihnen erzählt die Bestsellerautorin aus Frankreich mit Witz und Leichtigkeit von der unzerstörbaren Hoffnung der Menschen und der altmodischen Macht der Liebe in unseren modernen Zeiten.

Rezension:

"Ab morgen wird alles anders" ist ein Band aus fünf Kurzgeschichten von Anna Gavalda, wobei die beiden Erzählungen "Mathilde" und "Yann" aufgrund ihrer Länge herausragen, meiner Meinung aber nicht die zwei besten sind.

"Mein Hund wird sterben" (28 Seiten) ist eine sehr traurige Geschichte, die von einem Lkw-Fahrer handelt, der nach dem Tod seines Sohnes Ludovic Trost mit einem Hund findet, den er von der Straße aufnimmt. Mit ihm zusammen ist er auf seinen Touren unterwegs bis er eingeschläfert werden muss. Nach dem Verlust kommt Jeannot jedoch seiner Frau wieder näher.

"Mathilde" (105 Seiten) handelt von der gleichnamigen jungen Frau, die in einem Café in Paris ihre Handtasche stehen lässt, in der 10.000 € enthalten sind, die sie zur Begleichung von Handwerkerkosten in ihrer WG von den Mitbewohnern gesammelt hat. Sie hat Glück als der Finder/ Dieb (?) ihr nach vier Tagen die Handtasche mit dem gesamten Inhalt wiedergibt. Der junge Mann ist etwas seltsam. Nach dem Treffen ist Mathilde allerdings neugierig auf Jean-Baptiste, von dem sie nur weiß, dass er Koch ist und den sie aber nicht mehr erreichen kann, da sie sich seine Telefonnummer im Halbschlaf falsch notiert hatte. Sie macht sich auf die Suche nach ihm und klappert so ziemlich jedes Restaurant und Hotel der Stadt nach ihm ab.

In "Meine Kraftpunkte" (28 Seiten) wird ein Vater von der Direktorin seines Sohnes in die Schule zitiert, als dieser einem Mitschüler den Reifen seines Rollstuhls mit einem Zirkel zerstochen hat.

"Yann" (98 Seiten) handelt von einem 26-jährigen Studenten, der mit seiner Freundin zusammenwohnt und an einem Abend, als er eigentlich ins Kino wollte, seinen Nachbarn zwei Stockwerke über ihm hilft, eine Kommode hochzutragen. So lernt er die Familie kennen, die ihm bisher nur flüchtig im Hausflur aufgefallen waren. Nach dem Abend, an welchem er mit Nachbarn ein sehr intensives Gespräch bei zwei Flachen Rotwein geführt hat, überdenkt er sein Leben und trennt sich von seine Freundin, für die er dann nur noch Aggressionen übrig hat.

"Minnesang" (27 Seiten) dreht sich um die Zoohandelsangestellte Lulu, die sich bisher nur mit One-Night-Stands vergnügt hat. Auf einer Party lernt sie einen jungen Dichter kennen, der ihr romantische Zeilen aufsagt und sie damit durch die Nacht bringt.

Bis auf "Meine Kraftpunkte" handeln alle Kurzgeschichten von mehr oder minder unglücklichen, gescheiterten Existenzen, die am Schluss ihr Leben ändern oder zumindest zu einem Umdenken angeregt werden.
Es werden fünf ganz unterschiedliche Menschen in alltäglichen Situationen beschrieben, die unbewusst vor einer Veränderung stehen und auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück sind.
Die Enden sind jeweils offen, so dass man als Leser nicht weiß, ob es für die Protagonisten ein Happy End gibt. Zumindest besteht Hoffnung: "Ab morgen wird alles anders".

Am besten gefallen hat mir "Meine Kraftpunkte", in welchem der Vater pragmatisch seinen analytischen Verstand einsetzt und dadurch beweist, dass das Leben nicht Schwarz-Weiß ist und es stets zwei Seiten einer Medaille zu betrachten gilt - eine sehr ehrliche, lehrreiche Kurzgeschichte, die zum Nachdenken anregt.

Auch "Mein Hund muss sterben" fand ich eine lesenswerte Erzählung, auch wenn sie fast schon deprimierend war. Am Ende gab es jedoch den Hoffnungsschimmer auf ein glücklicheres Leben.

Das Schicksal von Jeannot mit all seinen Verlusten im Leben hätte ich mir auch als Langfassung in Form eines Romans vorstellen können. So wirkte die Kurzgeschichte eher wie ein letztes Kapitel auf mich.

Den drei anderen Kurzgeschichten konnte ich nicht viel abgewinnen. "Mathilde" und ihre Suche nach dem Koch war mir zu eintönig und zu stark in die Länge gezogen, Yanns radikale Änderung seines Lebens aufgrund eines einzigen Abends mit einem ihm bisher fremden Nachbarn nicht nachvollziehbar und "Minnesang" zu nichtssagend,.
Auch wenn es sich bei "Mathilde" und "Yann" um die beiden mit Abstand längsten Erzählungen handelte, blieb mit der Hintergrund der Protagonisten zu wage, um ihre Gedankengänge wirklich nachvollziehen zu können.

Den Schreibstil von Anna Gavalda empfand ich zudem in den drei Kurzgeschichten aufgrund der zum Teil sehr langen, verschachtelten Sätze und der enthaltenen Poesie als anstrengend zu lesen.
Insgesamt konnte mich der Erzählband insofern weder sprachlich noch inhaltlich von sich überzeugen.


Mittwoch, 16. August 2017

Buchrezension: Rowan Coleman - Im siebten Sommer

Inhalt:

Eines Tages beschließt Rose, dass das Leben zu kurz ist, um in einer unglücklichen Ehe zu leben. Sie schnappt sich ihre Tochter und fährt in das idyllische Millthwaite. Dort sucht sie Frasier, einen attraktiven Kunsthändler, in den sie sich vor sieben Jahren unsterblich verliebte. Sie sah ihn nie wieder – und alles, was sie von ihm besitzt, ist eine Postkarte aus diesem Ort. Schnell stellt sich heraus, dass Frasier hier nicht mehr wohnt. Auf der Suche nach ihrer großen Liebe trifft Rose jedoch auf einen anderen Mann, der eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen wird. Und Rose begreift: Es ist nie zu spät, um glücklich zu sein.

Rezension:

Die 31-jährige Rose Pritchard hat sich lange genug von ihrem besitzergreifenden und cholerischen Ehemann unterdrücken lassen. Als er eines abends eine Grenze überschreitet, nimmt Rose die dafür schon lange gepackte Tasche und flieht mit ihrer Tochter Maddie in das Dorf Millthwaite, das sie nur von einer Postkarte kennt, die ihr das ganze Eheleben ein Zeichen von Hoffnung war und ihr die Möglichkeit gegeben hat, von einem anderen Leben zu träumen.
Die Karte hat sie von dem Kunsthändler Frasier McCleod bekommen, der sie vor sieben Jahre auf der Suche nach ihrem Vater, dem Maler John Jacobs, aufgesucht hat. Damals hatte sie sich auf den ersten Blick in den attraktiven Mann verliebt, der ihr mit so viel Freundlichkeit begegnet war, die sie bisher nicht kannte, und hofft nun, dass er in Millthwaite wohnt.

Rose und Maddie kommen in dem Bed & Breakfast der geschwätzigen Jenny unter, von der sie erfahren, dass Roses Vater in Millthwaite zurückgezogen in einem Cottage wohnt und Frasier sein Agent ist, der aus dem mittellosen, alkoholkranken Maler einen international anerkannten Künstler gemacht hat.
John hatte seine depressive Ehefrau und seine Tochter verlassen, als Rose neun Jahre alt war. Sie war sodann allein verantwortlich für ihre Mutter, die sich Jahre später im Meer ertränkt hat. Rose wollte ihren Vater nie wiedersehen und doch sucht sie nun nach Erklärungen, warum er damals gegangen ist und sich nie wieder bei ihr gemeldet hat.

"Im siebten Sommer" ist ein Roman über eine seelisch geschundene und körperlich missbrauchte Ehefrau, die eines Tages die Reißleine zieht und den Mut findet, ihr altes Leben zurückzulassen und den Versuch unternimmt, in einem Dorf, das sie nur von einer Postkarte kennt, ihre große Liebe - oder zumindest die Vorstellung davon - wiederzufinden und einen Neuanfang zu wagen.

Der Roman handelt nicht nur von der Entdeckung der Liebe als vielmehr von der Wiederbegegnung mit dem verantwortungslosen Vater und der Verarbeitung des Traumas der verlassenen Tochter und der Bewältigung der Vergangenheit. Es ist auch die Abnabelung von einem Ehemann, den sie kurz nach dem Tod ihrer Mutter viel zu früh geheiratet hat und der ihr als gesellschaftlich anerkannter Hausarzt auch finanziell eine feste Basis gegeben hat.

Es ist ein Roman, der sich ganz anders entwickelt, als ich zunächst aufgrund des Klappentextes erwartet habt und keine vorhersehbare Liebesgeschichte ist, sondern überraschenden Entwicklungen aufwarten kann.
Interessant ist dabei auch die Rolle der Tochter Maddie, die zwar hochintelligent, aber zunächst sozial völlig inkompetent und ängstlich ist. Ich mochte ihr Wesen und ihre grundehrliche Art, die kein Blatt vor dem Mund nahm und in ihrer fast schon erwachsenen Art nie nervig oder altklug wirkte. Auch die Nebencharaktere waren sehr individuell, aber mit ihren Eigenarten sehr liebenswert und authentisch.
Roses Empfindungen und Handlungen konnte ich sehr gut nachempfinden, weshalb es schön zu lesen war, wie sie und Maddie sich weiterentwickeln, an Selbstbewusstsein gewinnen und in dem verschlafenen Nest Millthwaite den Versuch wagen, ein neues Leben zu beginnen und zu ihrem Glück finden.

"Im siebten Sommer" ist ein gelungener, unterhaltsamer Roman mit liebenswerten Protagonisten, deren Entwicklung man gern miterlebt. Aufgrund des sehr lebendigen, kitschfreien Schreibstils kann ihn allen Fans von Jojo Moyes an Herz legen. Es wird sicher nicht das letzte Buch sein, das ich von Rowan Coleman gelesen habe.


Montag, 14. August 2017

Buchrezension: Caroline Bongrand - Das, was sie Liebe nennen

Inhalt:

Paris. Sie lebt in einer unglücklichen Ehe, in der sie sich vernachlässigt und zurückgewiesen fühlt. Doch eine Scheidung kommt nicht infrage, sie möchte ihren Kindern nicht das Herz brechen. Und irgendwie schafft sie es immer wieder, sich einzureden, dass sie sie nicht braucht, die große Liebe. Bis sie ihm begegnet. Die beiden beschließen, eine rein platonische Liebe zueinander zu bewahren. Doch nach einem Sommer ohne Nachricht von ihm wird ihr klar, dass sie das nicht mehr ertragen kann. Ohne ihn zu sein, das ist Tortur. Gerade als sie alles hinter sich lassen will, trifft das Schicksal sie mit ungeahnter Wucht.

Rezension:

Die namenlose Sie ist Mitte 40 und zum zweiten Mal verheiratet. Sie lebt in einer Patchworkfamilie mit fünf Kindern und zusammen mit einem Ehemann, mit dem sie nicht mehr glücklich ist. 
Dann lernt sie einen verheirateten Mann kennen, von dem sie hin und weg ist. Er gibt ihr das Gefühl begehrt zu werden und wieder eine Frau zu sein. Sie treffen sich einige Male unverfänglich zum Mittagessen und - obwohl sie sich auch körperlich sehr stark voneinander angezogen fühlen - beschließen sie, dass sie nicht miteinander schlafen werden. Sie werden ihren jeweiligen Partner nicht verlassen und den Kindern nicht die Idylle einer Familie nehmen. 

Als Er mehrere Tage unterwegs ist und sich nicht bei Ihr melden kann, bricht sie fast zusammen vor Sehnsucht nach seinen liebevollen SMS und dann passiert auch noch ein Unglück... 

"Das, was sie Lieben nennen" ist ein Roman, den ich nur aufgrund des geringen Umfangs des Buches mit knapp 200 Seiten nicht zur Seite gelegt habe. 
Auch wenn der Roman vom Schreibstil gut war und sich trotz der sehr wenigen Dialoge recht kurzen episodenhaften Abschnitte flüssig lesen ließ, konnte ich mit Ihr nicht ansatzweise identifizieren. Eingangs hat man noch das Gefühl, dass sie mit ihrem zweiten Mann im Gegensatz zu ihrer ersten Ehe zufrieden ist, doch dann ist er nur noch derjenige, der nörgelt, sich über ihre Figur beschwert und dem sie sich nur im Dunkeln hingibt, um ihre ehelichen Pflichten zu erfüllen. Dann lernt sie einen Mann kennen, in den sie sich Hals über Kopf verliebt, der sie mit seinen schönen Worten betört. Sie treffen sich heimlich, schmachten sich an, schreiben sich vor von sehnsüchtiger Liebe triefende Kurznachrichten und leiden im Alltag unter der Leere, die sie verspüren. 
Sie kann nichts mehr essen, nimmt in kurzer Zeit über fünf Kilo ab, erleidet an ihrem Arbeitsplatz einen Schwächeanfall und leidet noch mehr, als sich Er nicht bei ihr melden kann. Noch schlimmer wird es, als er ihr ein Zeitfenster vorgibt, in welchem sie sich in einem Hotel treffen können, sie aber aufgrund eines Schulausflugs ihres jüngsten Sohnes nicht rechtzeitig dorthin gelangen kann. Panikartig versucht sie, Ersatz zu finden, Termine zu verschieben, kommt aber nicht auf die Idee, Ihm einfach Bescheid zu geben, dass sie in diesem Zeitraum einfach nicht abkömmlich ist. 

Möglicherweise bin ich zu nüchtern und zu wenig romantisch, aber das Verhalten von Ihr und Ihm - diese Selbstaufgabe in der Liebe, dieses teenagerhafte Verhalten, diese Unbeholfenheit sich selbst zu helfen oder einen gesunden Egoismus an den Tag zu legen und nach einer vernünftigen Lösung zu suchen, statt sich als leidender Märtyrer zu gefallen, hat mich an den Protagonisten massiv gestört und mir die Freude am Lesen vergällt. 


Samstag, 12. August 2017

Buchrezension: Margarita Kinstner - Mittelstadtrauschen

Inhalt:

Wien, die "Stadt der Seele": Als Marie im Café stolpert und einen Kaffee umstößt, lernt sie nicht nur Jakob kennen, sondern setzt damit auch eine Reihe von Geschichten in Gang. Jakob verliebt sich in Marie und trennt sich von seiner Freundin Sonja, die bald darauf jemand anderen trifft: Gery. Er war der beste Freund von Joe – der früher mit Marie zusammen war und sich mit einem spektakulären Sprung in den Donaukanal das Leben genommen hat. Ein mysteriöses Testament taucht auf, das im Prater verlesen werden soll – in Anwesenheit von Gery und Marie. Eine Liebesgeschichte, märchenhaft und modern zugleich, ein Roman über Einsamkeit, Sehnsucht und Liebe.

Rezension:

Der Roman beginnt mit einer Szene in einem Café in Wien, als Marie irritiert von einer stillenden Mutter eine Tasse Kaffee umstößt und dabei Jakob kennenlernt, der sich auf den ersten Blick in Marie verliebt. Jakob trennt sich daraufhin von seiner Freundin Sonja, die mit knapp 30 Jahren Torschlusspanik hat und nicht lange allein sein kann. So lernt diese bald Gery kennen, dessen bester Freund Joe sich bei einem Sprung von einer Brücke in die Donau vor Kurzem das Leben genommen hat. Joe ist wiederum der Exfreund von Marie, dessen Trennung sie nicht verwunden hatte.

Im Verlauf des Romans begegnet der Leser noch vielen weiteren Personen wie Maries Vater und Jakobs Eltern, Nachbarn und Bekanntschaften. Wie magisch scheinen alle Protagonisten in Wien auf irgendeine Art und Weise in Verbindung miteinander zu stehen. So ist beispielsweise Gery der Essen-auf-Rädern-Lieferant der Großmutter von Jakob, Hedi. Hedis Tochter Traude wird von ihrem Ehemann mit ihrer Schwester Anna betrogen.

Wie ein roter Faden zieht sich der Selbstmord von Joe durch das Buch, bis es am Ende zur kuriosen Testamentseröffnung im Wiener Prater kommt.

Ich hatte vor allem zu Beginn des Romans Probleme den Überblick über die handelnden Personen und weiteren Nebencharakteren zu behalten, die zum Teil nur einmalig auftreten, und in das Beziehungsgeflecht einzuordnen. "Mittelstadtrauschen" ist damit kein Roman für Zwischendurch, da man als Leser gezwungen ist, konzentriert den Seiten zu folgen, um keine Verbindung zwischen den Personen zu verpassen.

Aufgrund der Vielzahl der Charaktere ist keine stringente Handlung vorhanden, der man gespannt folgen könnte. Der Roman besticht jedoch durch die sinnreich gewählten Worte der Autorin, intelligente Wortspiele und anschauliche Metaphern, mit der sie dem Leser die sichtbaren und unsichtbaren Verbindungen der Menschen untereinander aufzeigt. Themen wie persönliche Enttäuschungen, Ängste, Liebe und Einsamkeit in einer Großstadt, in der sich Menschen flüchtig begegnen und nicht wirklich wahrnehmen und kennenlernen, stehen dabei im Vordergrund.

"Mittelstadtrauschen, hatte Joe es genannt. Die Menschen rauschen an dir vorbei, und die meisten von ihnen erkennst du schon am nächsten Tag nicht wieder. Mittelstadtrauschen, das war seine Bezeichnung für Wien. Weder Metropole noch Kleinstadt – Mittelstadt eben."


Freitag, 11. August 2017

Buchrezension: Jan Moran - Die Zeit der Traubenblüte


Inhalt:

San Francisco 1956: Die junge Winzerin Caterina kreiert die besten Weine und träumt davon, ihr Talent für das Familienweingut im Napa Valley einzusetzen. Dafür muss sie aber ihrer resoluten Mutter Ava endlich die Wahrheit offenbaren: Denn Caterina hat eine kleine uneheliche Tochter und ist fest entschlossen, sie trotz der gesellschaftlichen Ablehnung allein großzuziehen. Doch nach ihrem Geständnis weist Ava sie von sich. In ihrer Not tritt Caterina das unerwartete Erbe ihrer italienischen Großmutter an, die ihr ein Weingut in der entfernten Toskana vermacht hat. Doch mit dem Erbe ist ein dunkles Geheimnis verbunden, das alles, was Caterina liebt, bedroht – aber vielleicht auch der Schlüssel zum großen Glück ist.

Rezension:

Caterina Rosetta bekommt im Jahr 1956 in San Francisco ein Baby. Die ungewollte Schwangerschaft hat sie sowohl gegenüber dem Vater des Kindes als auch gegenüber ihrer Mutter Ava verschwiegen. Nach der Geburt bringt Caterina es allerdings nicht über das Herz, das Mädchen wie geplant zur Adoption freizugeben.

Sie fährt sodann nach Napa zum Weingut "Mille Étoiles" ihrer Mutter, um ihr von ihrer Enkelin zu erzählen. Diese empfindet das uneheliche Kind wie erwartet als Schande für die Familie und verweist Caterina aus ihrem Zuhause. Vor Ort trifft Caterina auf Santo Casini, ihren Schwarm aus Jugendtagen und Vater des Kindes, der aber inzwischen verlobt ist, weshalb sie ihm gegenüber weiter verschweigt, dass er Vater geworden ist. Zwischen Santo und Caterina knistert es und sie kommen sich sogar während eines Erdbebens wieder näher, aber sie macht sich keine Hoffnungen auf eine Beziehung mit ihm.
Fast zeitgleich erfährt Caterina, dass sie von ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter Violetta Maria Romagnoli Rosetta ein Haus in der Toskana geerbt hat. Caterina ist erschüttert. Sie ist bis zuletzt davon ausgegangen, dass ihre Großmutter wie ihr Vater schon seit Jahren tot ist und dass sie keine Verwandten mehr in Italien hat.

Nach und nach kommen immer mehr Lügen und Halbwahrheiten ihrer sonst so integeren Mutter ans Licht - Familiengeheimnisse, die Caterina endlich lüften möchte. Zusammen mit ihrer Tochter Marisa bricht sie nach Italien auf, um dort das nicht ganz einfache Erbe anzutreten und Licht ins Dunkel der Vergangenheit zu bringen.

"Die Zeit der Traubenblüte" ist eine Familiengeschichte, die sich von 1929 bis zum Ende der 50er-Jahre erstreckt, wobei man nur in einzelnen Rückblenden die Vergangenheit ergründet, und die in Italien bzw. in Kalifornien spielt.
Ein Fokus des Romans liegt auf der detaillierten Schilderung der Bewirtschaftung eines Weinguts, des Lebens als Winzerin bzw. Sommelière und den Geschmäcken der Weine. Daneben gilt es, vertuschte Skandale zu offenbaren und lang gehütete Familiengeheimnisse zu lüften, die aufgrund der antiquierten Moralvorstellungen der damaligen Zeit im Verborgenen bleiben sollten. Da die Familiengeschichte aber prägend für das weitere Leben von Caterina ist, muss sie sich den unbequemen Wahrheiten stellen, um zu ihrem Glück zu finden, auch wenn sie dabei einen Bruch mit ihrer Mutter riskiert.

Mir war der Roman über die unerfüllte Liebe bzw. die Emanzipation von Caterina einen Hauch zu melodramatisch dargestellt. Sowohl Mutter als auch Tochter haben mit schweren Schicksalsschlägen zu kämpfen und es scheint sogar, als würde sich die Geschichte wiederholen, als beide alleinerziehend und ohne Partner, die Verantwortung für eine Weingut übernehmen. Zudem finden sich auch beide nur zu gern in ihrer Märtyrerrolle wieder, indem sie Dinge verschweigen, um andere zu schützen und damit aber selbst die ganze Last tragen müssen, für die sie nicht allein verantwortlich sind.

Die Geschichte hätte man deutlich kürzer fassen können, wenn die Autorin nicht in epischer Breite jeden Tag aufs Neue beschrieben hätte, für welche Kleidungsstücke sich Caterina morgens für sich und Marisa entscheidet oder wie friedlich Marisa mit dem Windelhintern in die Höhe in ihrem Bettchen schläft bzw. freundlich vor sich hinquäkt. Das "dunkle Geheimnis" um das Erbe deutet sich auch schon früh an, so dass der Roman etwas langatmig zu lesen ist. Das Ende ist dann an Dramatik kaum mehr zu überbieten und übertrieben Schwarz-Weiß-Malerisch als Duell Gut gegen Böse dargestellt.

Wer allerdings Familiengeschichten mag, die sich über mehrere Generationen erstrecken und in denen starke Frauen die Hauptrolle spielen und dann noch ein Interesse für guten Wein hat, wird sich - bis zum letzten Schluck - mit dem schicksalhaften Roman um Vergangenheitsbewältigung, Liebe und Vergebung gut unterhalten fühlen.


Mittwoch, 9. August 2017

Buchrezension: Mareike Krügel - Sieh mich an

Inhalt:

Man kann ja nicht einfach sterben, wenn die Dinge noch ungeklärt sind. Das denkt Katharina, seit sie vor Kurzem das Etwas in ihrer Brust entdeckt hat. Niemand weiß davon, und das ist auch gut so. Denn an diesem Wochenende soll ein letztes Mal alles wie immer sein. Und so entrollt sich das Chaos eines ganz normalen Freitags vor ihr. Während sie aber einen abgetrennten Daumen versorgt, ihren brennenden Trockner löscht und sich auf den emotional nicht unbedenklichen Besuch eines Studienfreundes vorbereitet, beginnt ihr Vorsatz zu bröckeln, und sie stellt sich große Fragen: Ist alles so geworden, wie sie wollte? Ihre Musik, ihre Kinder, die Ehe mit dem in letzter Zeit viel zu abwesenden Costas? Als der Tag fast zu Ende ist, beschließt sie, endlich ihr Geheimnis mit jemandem zu teilen, den sie liebt.

Rezension:

Katharina ist ungefähr 40 Jahre alt, verheiratet, Mutter von zwei Kindern und lebt an einem Ort an der Ostsee. Ihr Mann Costas hat nach seiner Arbeitslosigkeit eine Anstellung als Architekt in Berlin gefunden und ist deshalb nur am Wochenende zu Hause. Den Alltag mit all seinen Tücken muss Katha allein bewältigen.
Eine besondere Herausforderung stellt ihre 11-jährige Tochter dar, die unter ADHS leidet und gerade in die Pubertät kommt. Katha schenkt Helli ihre gesamte Aufmerksamkeit, weshalb sie es kaum schafft, den Haushalt zu bewältigen, zumindest stundenweise ein Zubrot als Musikpädagogin zu verdienen, geschweige denn Zeit für sich selbst hat, um einfach nur hinzusitzen oder die Anrufe ihrer Schwester entgegen zunehmen.

"Sieh mich an" schildert einen einzigen Tag in Kathas Leben. Es ist ein Freitag im Winter und das erste Wochenende, an dem Costas nicht nach Hause kommt, da er sich verpflichtet fühlt, zu einer betriebsinternen Weihnachtsfeier zu gehen. Katha nutzt die Gelegenheit, ihren Studienfreund Kilian wiederzusehen, den sie seit Jahren nicht getroffen hat und der an diesem Wochenende in der Gegend ist.

Der Tag beginnt schon denkbar schlecht, als Katha von Hellis Schule gebeten wird, ihre Tochter - mal wieder - wegen Nasenbluten abzuholen. Es folgen ein abgefahrener Seitenspiegel am Auto, ein Trockner, der in Flammen aufgeht und der transsexuelle Nachbar, der sich bei der Reparatur seines Rasenmähers den Daumen abtrennt. In dem ganzen Chaos muss Katha zudem jederzeit mit dem nächsten Ausraster ihrer überdrehten Tochter rechnen.

Scheinbar unberührt - oder einfach schon daran gewöhnt - gehen die Stunden für Katha voran, bis sie am Abend endlich Kilian am Bahnhof abholen kann. Was Katha eigentlich belastet, ist "das Etwas", das sie Tage zuvor in ihrer Brust ertastet hat und dessen gynäkologische Abklärung sie aufgrund ihrer erblichen Vorbelastung vor sich herschiebt.
"Das Etwas sitzt in meiner linken Brust und tut alles, was es nicht tun soll: Es wird nicht kleiner, ist nicht beweglich und schmerzt nicht. Es ist, was es ist. Aber es ist schließlich auch nicht seine Aufgabe, mir Hoffnung zu machen."

Mit Katha möchte man wahrlich nicht tauschen und so ist es bewundernswert, dass sie diese Abfolge an unvorhergesehene Ereignissen mit scheinbar stoischer Gelassenheit erträgt, als gehörten diese zu einem normalen Familienalltag. Tatsächlich hegt sie allerdings Selbstmordgedanken, wobei nicht ganz klar ist, wie ernst es ihr mit einem Abgang, der möglichst schonend für die Hinterbliebenen sein soll, tatsächlich ist.

"Sieh mich an" ist ein tragikomischer Roman über eine Frau, die als Studentin noch so viel vorhatte, aber dann zu früh in die Mutterrolle rutschte und mit zwei Kindern keine Zeit mehr für ihre Dissertation und eine Anstellung als Musikwissenschaftlerin hatte. Die ADHS-Erkrankung ihrer Tochter wurde zu spät erkannt und ihr Ehemann glänzt durch permanente Abwesenheit, weshalb auch er im Alltag keine Hilfe ist. Für ihn ist Katha "nur" Hausfrau, die Stunden der musikalischen Früherziehung, die sie an der Musikschule gibt, erkennt sie ja selbst nicht als berufliche Tätigkeit an. Katha funktioniert nur noch und nur die Liebe zur klassischen Musik und der turbulente Alltag lenken sie ab, damit sie sich nicht mehr Sorgen um ihre Gesundheit machen muss.

Das Thema Brustkrebs bleibt bis zum Ende des Roman eher im Hintergrund, so dass die amüsanten, wenn auch zum Teil bestürzenden Szenen, überwiegen und der Roman insgesamt sehr temporeich und humorvoll zu lesen ist. Als Leser taucht man direkt in die Gedankenwelt von Katha und ihren To-do-Listen ein und nimmt kaum wahr, dass es sich tatsächlich nur um einen Tag im Leben von Katha gehandelt hat und ist geradezu froh, dass man selbst ein so vergleichsweise eintöniges Leben führt.
Am Ende kann Katha ihre Emotionen aber nicht mehr kontrollieren, sie sieht derart pessimistisch in die Zukunft und da ist es plötzlich doch ihr Ehemann, bei dem sie Halt sucht.
"Sieh mich an" ist ein außergewöhnlich geschriebener, tiefgründiger Roman, bei der die Handlung trotz aller Übertreibungen nichts an ihrer Authentizität verliert und der sich mit der Frage beschäftigt, wie viel von der eigenen Individualität im täglichen Wahnsinn noch übrig bleibt.


Montag, 7. August 2017

Buchrezension: Fanny Blake - Ein Haus voller Träume

Inhalt:

In ihrem Haus in den andalusischen Bergen wartet Lucy auf ihre Geschwister Jo und Tom. An diesem Wochenende müssen sie sich von ihrem "Haus der Träume" verabschieden, dem Haus, in dem sie ihre Kindheit verbrachten und das nach dem Tod der Mutter nun verkauft werden soll.
Aufgeregt sitzt Jo in Málaga am Flughafen und wartet vergeblich auf den Koffer, in dem die Urne mit der Asche ihrer Mutter ist, während ihre kleine Tochter ein Riesentheater veranstaltet. Tom hingegen kämpft sich mit seinen halbwüchsigen Söhnen und Ehefrau Belle im Mietwagen durch die Hitze, nicht ahnend, dass ihn an diesem Wochenende die Vergangenheit in Gestalt seiner Jugendliebe Maria einholen wird. Und Lucy? Gerade wieder Single, möchte sie am liebsten das Haus behalten, in dem so viele liebgewordene Erinnerungen stecken.
Die drei Geschwister erwarten ein paar Tage voller Entdeckungen, denn ihre Mutter hat jedem der drei etwas hinterlassen, das so manche Überraschung bereithält...

Rezension:

Hope ist nach kurzer Krankheit in London gestorben, wo sie von ihrer jüngsten Tochter Lucy gepflegt wurde. Die Einäscherung hat bereits stattgefunden und das Testament wurde eröffnet. Anlässlich Hopes Geburtstag finden sich Freunde und Verwandte, vor allem aber die drei Geschwister in ihrem Haus in Andalusien ein, wo sie als Kinder aufgewachsen sind.

Lucy, die als selbstständige Köchin, schon immer der Mutter in ihrem Bed & Breakfast ausgeholfen hat, bereitet alles für die Abschiedsfeier vor und wartet auf ihre älteren Halbgeschwister. Sie ist diejenige, die am meisten an ihrem alten Zuhause hängt.
Tom reist zusammen mit seiner auf den ersten Eindruck sehr oberflächlich wirkenden, perfektionistischen Ehefrau Belle und den beiden Söhnen Ethan und Alex im Teenageralter an. Er ist wenig begeistert von Hopes Art, Abschied zu nehmen und möchte die ganze Zeremonie sowie den Verkauf des Hauses schnellstmöglich vorantreiben.
Die älteste Tochter Jo trifft als letztes aus London zusammen mit ihrer vierjährigen Tochter Ivy ein. Auf dem Flug nach Malaga ist Jos Koffer verloren gegangen, in dem die sterblichen Überreste von Hope enthalten sind, die in den Wäldern Andalusiens verstreut werden soll.

Die Geschwister, die alle von unterschiedlichen Vätern sind, haben das Haus in gleichen Teilen geerbt und zusätzlich hat Mutter Hope den dreien noch jeweils eine Überraschung als Abschiedsgeschenk hinterlassen, dass sie bei der Familienfeier lüften sollen.
Während Jo hofft endlich zu erfahren, wer ihr leiblicher Vater ist, den ihr die Mutter all die Jahre vorenthalten hat, hofft Tom nur, dass er das Geld, das er seiner Mutter vor Jahren geliehen hat zurückbekommt.
Lucy dagegen wird vielmehr von ihrem Ehemann Art überrascht, der ihr ein Geständnis zu machen hat. Die Ehe der beiden leidet unter der ungewollten Kinderlosigkeit.

Der Roman handelt an einem verlängerten Wochenende im "Casa de Suenos". Es ist ein Familientreffen von Geschwistern, an welchem sie so manches ungesagte Detail aus der Vergangenheit ihrer Mutter enthüllen werden.
Alle Protagonisten - sogar die zunächst etwas unleidlich wirkende Belle - sind vielschichtig und sympathisch, so dass es beim Lesen Freude macht, die Charaktere, ihre Hintergründe und nicht zuletzt die exzentrische Hope selbst aus Erzählungen und Erinnerungen kennenzulernen.

Anders als in vielen Familiengeschichten, die ich schon gelesen habe, werden im "Haus der Träume" keine versteckten Tagebücher oder Aufzeichnungen Verstorbener entdeckt und hochdramatische, brisante Familiengeheimnisse gelüftet. Es ist ein Geschwistertreffen an dem Ort, an dem sie aufgewachsen sind und an dem sie glücklich waren, bis sie alle nacheinander gezwungen wurden aufgrund einer vermeintlich besseren Schuldbildung nach England zu gehen und dort ihren Weg zu finden. Sie nehmen in Andalusien Abschied von einer Mutter, die ihnen zwar viele Freiheiten ließ, es ihnen aber letztlich nicht immer leicht gemacht hat und vielleicht auch zu wenig gezeigt hat, wie sehr ihre Kinder geliebt hat.
Vor Ort erfahren sie endlich mehr über die Vergangenheit ihrer Mutter und ihrer eigenen Herkunft.
Es ist ein sehr authentischer Roman, der eine interessante Frau porträtiert und eine Familiengeschichte an dem wunderschönen Schauplatz Andalusien erzählt. 


Samstag, 5. August 2017

Buchrezension: Beate Rygiert - Herzensräuber

Inhalt:

Tobias’ Buchantiquariat läuft nicht besonders gut, noch dazu hat er gerade eine schmerzliche Trennung hinter sich. Als er im Urlaub einen liebenswerten spanischen Straßenhund aufliest, beschließt er kurzerhand, ihn mit nach Heidelberg zu nehmen. Wie sich herausstellt, hat Zola die Gabe, für jeden Menschen die richtigen Bücher zu finden – denn in jedem "Herzensräuber" erschnuppert er die Gefühle, die die bisherigen Leser darin hinterlassen haben. So bringt er nicht nur Tobias’ Geschäft auf Vordermann, sondern nach und nach auch dessen chaotisches Liebesleben...

Rezension:

Tobias Griesbart nimmt aus seinem Spanienurlaub einen streunenden Hund mit, der sich ihm treu angeschlossen hat. Zolas Herrchen, Postbote Pepe. war kürzlich verstorben und seitdem war der Hund auf sich allein gestellt, musste sich sein Fressen erbellten oder aus dem Müll suchen und sich einem Rudel von Straßenhunden anschließen. Zola braucht jedoch den Menschen. Er verliebt sich geradezu in Tobias und entwickelt einen unwahrscheinlichen Beschützerinstinkt für sein neues Herrchen.

Tobias wurde vor Kurzem von seiner Freundin Vanessa verlassen und auch das Antiquariat läuft mehr schlecht als recht. Tobias ist einfach kein Geschäftsmann und viel zu gutmütig, so dass er sich von den Kunden immer wieder zu unlukrativen Buchtauschs überreden lässt. Selbst Zola fällt auf, wie selten Tobias die Kasse bedient. der Hund entwickelt auch ein Gespür für die Bücher, die er liebevoll als Herzensräuber bezeichnet., Er erschnüffelt die Gefühle, die beim Leser durch die Geschichten geweckt werden und so trägt er nachts schon einmal die Bücher sortiert in unterschiedliche Ecken, wenn die Bücher, die neben seinem Schlafplatz liegen, mit Angst und Schrecken oder Gefahr verbunden sind.

Als das Antiquariat kurz vor der Schließung steht, erbt Tobias überraschend eine Villa in seiner Heimatstadt Heidelberg, die ihm seine Großmutter hinterlassen hat. Das Haus wird allerdings von einer kratzbürstigen Alten und einer alleinerziehenden Mutter bewohnt, die sich dort vor ihrem gewalttätigen Ehemann versteckt hält. In seiner Gutmütigkeit lässt Tobias alle drei auf dem Anwesen wohnen und richtet dort sein Antiquariat ein.

Eigentlich habe ich Vorbehalte Büchern gegenüber, die aus der Perspektive eines Tieres geschrieben sind, mich hat aber bereits die Leseprobe vorab von dem warmherzigen und sehr eingängigen Schreibstil und Zola als einen beeindruckenden Charakter überzeugt. Sehr anschaulich beschreibt die Autorin die Welt aus der Sicht des Hundes und wie dieser gedanklich mit den Menschen interagiert. Zola ist ein guter Hund, der nicht für das Leben auf der Straße geschaffen ist und der sich bedingungslos und treu ergeben seinem Herrchen anschließt.

"Herzensräuber" ist ein positiver Wohlfühlroman, der so liebevoll geschrieben ist, dass es nebensächlich ist, dass die Geschichte vorhersehbar ist, Zola ist der eigentliche Held, der aufgrund seines Instinkts und Geruchssinns Freund und Feind viel schneller unterscheidet und Gefahr wittert, wenn Tobias noch völlig ahnungslos ist.

Die süße Geschichte ist vielleicht nicht ganz realistisch - Zola zu lebensklug, Tobias zu passiv - weshalb der Leser ein Faible für Hunde haben sollte, um sich mit der Geschichte wohl zufühlen.

Der Roman überzeugt weniger durch eine ausgeklügelte,spannende Handlung als vielmehr durch die innige Verbindung zwischen Mensch und Tier, das magische Band, das zwischen Tobias und Zola herrscht und das ihnen in dunklen Zeiten Halt und Kraft gibt. Neben den fantastischen Einblicken in den Hundekopf sind es auch immer wieder die amüsanten Einschübe, die die Beziehung und Missverständnisse in der Interaktion zwischen Mensch und Tier charakterisieren.
Neben der Rolle von Zola hat mir vor allem auch die Idee mit den "Herzensräubern" - für jeden Mensch und jede Stimmung das passende Buch, an das er sein Herz verlieren kann - gut gefallen.

"Herzensräuber" ist vor allem für Hundeliebhaber ein charmantes, zauberhaftes Buch, das mir nur am Ende zu sehr ins Kitschige abdriftete.



Freitag, 4. August 2017

Buchrezension: Jojo Moyes - Ein ganz neues Leben (Lou, Band 2)

Inhalt:

Sechs Monate hatten Louisa Clark und Will Traynor zusammen. Ein ganzes halbes Jahr. Und diese sechs Monate haben beide verändert. Lou ist nicht mehr das Mädchen aus der Kleinstadt, das Angst vor seinen eigenen Träumen hat. Aber sie führt auch nicht das unerschrockene Leben, das Will sich für sie gewünscht hat. Denn wie lebt man weiter, wenn man den Menschen verliert, den man am meisten liebt? Eine Welt ohne Will, das ist für Lou immer noch schwer zu ertragen. Ein einsames Apartment, ein trister Job am Flughafen – Lou existiert, aber ein Leben ist das nicht. Bis es eines Tages an der Tür klingelt – und sich eine Verbindung zu Will auftut, von der niemand geahnt hat. Endlich schöpft Lou wieder Hoffnung. Hoffnung auf ein ganz neues Leben.

Rezension:


Lou und Will waren nur sechs Monate - "ein ganzes halbes Jahr" - zusammen, bis Will seinem Leben als Tetraplegiker ein Ende setzte.
Knapp zwei Jahr später lebt Louisa allein in einem Apartment in London, das sie sich von Wills Erbe gekauft hat und arbeitet als Kellnerin in einem Irish Pub am Flughafen, in dem ein kontrollsüchtiger Chef sie nervt und in welchem sie ein lächerliches Lurex-Kostüm tragen muss.

Nachdem sie bei einem Unfall von der Dachterrasse ihres Wohnhauses gefallen ist und das Krankenhaus und ihre Familie denken, dass sie sich wegen der Trauer um Will das Leben nehmen wollte, geht sie fortan regelmäßig zu einer Selbsthilfegruppe von Trauernden, der "Weiterleben-Gruppe", und lernt auf diesem Weg einen neuen Mann in ihrem Leben kennen. Es ist der Rettungssanitäter Sam, der sie nach ihrem Sturz, den sie nur mit viel Glück überlebt hatte, versorgt hatte.

Das Mädchen, das sie an dem Abend auf der Dachterrasse erschreckt hatte, stellt sich als Wills Tochter heraus, die unvermittelt in Lous Leben tritt, um mehr von ihrem Vater, der nichts von ihrer Existenz wusste, zu erfahren und den anderen Teil ihrer Familie kennenzulernen. Lily ist Will nicht unähnlich und ein sehr schwieriger, trotziger Teenager, der sich ungeliebt von der Mutter und dem Stiefvater in Lous Leben breit macht.

Lous Leben ist fast zwei Jahre nach dem Tod von Will immer noch gezeichnet von ihrer Trauer und einem latent schlechten Gewissen, dass sie ihm nicht helfen konnte. Sie vermisst seine Zuneigung, ihn als Ratgeber und es hat den Anschein, als würde sie es sich selbst nicht gönnen, ein neues Leben zu beginnen und wieder glücklich zu sein. Aus diesem Grund fühlt sie sich verantwortlich für Lily, kümmert sich auch noch um sie, als diese ihre Gutmütigkeit ausnutzt und ihre Familie Unverständnis dafür zeigt. Selbst ein Jobangebot in New York schlägt sie ihretwegen aus.
Sam hält sie unbewusst auf Abstand, womit er nicht umgehen kann und ihr vorwirft, einen Geist zu lieben. Sie scheut sich davor, wieder an jemanden ihr Herz zu vergeben und hat Angst, dass sie auch eine neue Liebe plötzlich verlieren könnte und dann kommt es tatsächlich zu einem Unglück, dass ihre schlimmsten Befürchtungen wie eine selbsterfüllende Prophezeiung wahr werden lässt...

Nachdem Jojo Moyes eigentlich nie eine Fortsetzung von "Ein ganzes halbes Jahr" schreiben wollte, hat sie mit "Ein ganz neues Leben" die Geschichte von Lou doch fortgeschrieben, auch wenn die Messlatte durch ihren Bestseller so hochgesetzt war, dass sie mit einem zweiten Teil nur verlieren konnte.

Für mich ist "Ein ganz neues Leben" aber ein eigener Roman, der sich jedoch kaum lesen lässt, ohne den ersten Band zu kennen. Zu viele Details wie der Charakter von Will oder die Hummelstrumpfhose würden für das Verständnis einfach fehlen. Man kann beide Romane aber nicht miteinander vergleichen, da es schon allein von der Dramatik zwei völlig verschiedene Geschichten sind, weshalb Band 2 nie so herzergreifend tragisch werden konnte wie der Vorgänger.

Wer den Schreibstil von Jojo Moyes mag, wird ihn auch in diesem Roman unweigerlich nach den ersten wiedererkennen und Seite um Seite weiterlesen müssen. Auch wenn "Ein ganzes halbes Jahr" für mich ein in sich geschlossener Roman war, fand ich es interessant zu lesen, wie es mit Lou weitergeht. Gezeichnet von der Trauer herrscht stets eine melancholische Stimmung und man kann nachvollziehen, wie verloren und einsam sich Lou trotz ihrer sehr lebhaften und eigenwillig-herzlichen Familie fühlt. Sie möchte kein Risiko mehr eingehen, geht mit Scheuklappen durchs Leben und wird erst durch die Begegnung mit Lily wieder wachgerüttelt und findet durch die zurückhaltende Zuneigung von Sam wieder zurück ins Leben.

"Ein ganz neues Leben" ist ein Wohlfühlroman mit traurigen, aber auch vielen amüsanten Szenen im chaotischen Leben von Lou. Man begegnet ihrer Familie wieder, Schwester Treena, die zu früh Mutter geworden ist, dem etwas altmodischen Vater und Mutter Josie, die sich zu einer bekennenden Feministen entwickelt hat. Eine Nebenrolle haben auch die Eltern Wills, Camilla und Steven Traynor, die beide ganz unterschiedlich mit ihrer Trauer um den Sohn umgegangen sind und inzwischen getrennte Leben führen.

Im Verlauf der Wochen, die sich nach Lous Unfall ereignen, lernt sie, wie wichtig und normal es auch ist, Trauer zuzulassen, dass man aber auch über den Verlust eines Menschen hinwegkommen kann, indem man ihn loslässt, ohne ihn zu vergessen. Jeder Mensch hat das Recht - und auch die Pflicht - weiterzuleben und glücklich zu sein, ohne dies als Verrat an dem geliebten Toten empfinden zu müssen. All das ist aber nur möglich, in dem man den Mut hat, offen für Neues und das Ungewisse zu sein und Vertrauen in den Rückhalt von Familie und Freunden haben kann.

Ich habe mich gefreut, als ich gelesen habe, dass am 23. Januar 2018 sogar Lou, Band 3 unter dem Titel "Mein Herz in zwei Welten" erscheint, den ich auch wieder verschlingen werde.

Mittwoch, 2. August 2017

Buchrezension: Greta Hansen - Auf der Suche nach Dir

Inhalt:

Suzanne Godards Leidenschaft gehört der Fotografie. Mit der Erfindung des tragbaren Fotoapparats eröffnet sich ihr eine aufregende neue Welt, die sie aus der Enge ihres kleinen französischen Heimatdorfs hinausführt. Bei Aufnahmen am Meer lernt sie den Journalisten Robert kennen und lieben. Beide scheinen füreinander bestimmt. Doch dann erhält Robert den Auftrag, von der Jungfernfahrt der "Titanic" zu berichten.

Rezension:


Suzanne Godard wächst bei ihrer Tante Madeleine und ihrem wortkargen Vater in der Provence auf, nachdem ihre Mutter Louise bei ihrer Geburt im Jahr 1890 gestorben ist. Nachdem sie ihre Tante in ein Fotoatelier nach Seillans begleitet hat, in dem diese sich jedes Jahr fotografieren lässt, wird Suzanne neugierig auf die Fotografie und erhält die Möglichkeit, nach ihrem Schulabschluss dort eine Ausbildung zur Fotografin zu beginnen. Nach Ansicht ihrer Tange schickt sich eine Berufsausbildung nicht für eine Frau, aber ihr Vater stimmt ihrer Bitte zu, um ihren drängenden Fragen in Bezug auf ihre Mutter auszuweichen.

Suzanne entwickelt eine wahre Leidenschaft für die Fotografie und übernimmt die Geschäftsführung des Fotoateliers des alternden Monsieur Felix. Dabei lernt sie den Journalist Robert kennen, der sie bei den Recherchen für seine Artikel als Fotografin mitnimmt. Aus der zunächst rein beruflichen Verbindung wird durch die gemeinsamen Aufenthalte an romantischen Schauplätzen bald mehr. Suzanne und Robert verlieben sich ineinander. Bevor die beiden heiraten können, soll Robert als Reporter für die "Dépêche" von der Jungfernfahrt der RMS Titanic von Southampton nach New York berichten. Lange ist sein Schicksal unklar und Suzanne weiß nicht, ob sie Robert jemals wiedersehen wird. Nachdem auch noch ihr Vater verstorben ist, gibt sie die Fotografie auf und begibt sich zu ihrer einzigen Freundin Camille nach Paris. Obwohl sie Roberts Gegenwart auch in Paris noch spürt und ihr Gefühl ihr sagt, dass Robert noch am Leben sein muss, entschließt sie sich, den treuherzige Mathieu zu heiraten, von dem sie schwanger ist.
Erst Jahre später wird sie Robert, der das Schiffsunglück überlebt hat wiedersehen und vor der Entscheidung stehen, ob sie ihre große Liebe für ihre Familie aufgibt...

"Auf der Suche nach dir" schildert sehr anschaulich das Leben Anfang des 20. Jahrhunderts in Südfrankreich und in Paris. Man kann sich die Dekadenz von Cannes bildhaft vorstellen und schon fast die salzige Luft des Mittelmeeres riechen.
Interessant ist, dass Suzanne nicht die übliche Frauenrolle der damaligen Zeit als Hausfrau und Mutter zuteil wird, sondern dass sie als berufstätige, unabhängige Frau mit beiden Beinen im Leben steht. Zudem spürt man die enge emotionale Verbundenheit zwischen ihr und Robert und umso tragischer ist es, dass er an Bord der Titanic geht, weil klar ist, wie diese Überfahrt ausgehen wird. Auch wenn Robert das Glück hat, zu überleben, wird das Paar sich erst dann wiedersehen, wenn beide verheiratet sind und eigene Familien gegründet haben.

Der Roman ist ein emotionales Auf und Ab. Nachdem Suzanne ohne Mutter, um die sowohl Tante als auch der Vater ein großes Geheimnis machen, eine lieblose Kindheit hatte, findet sie einen Beruf, in dem sie erfolgreich ist und der ihr Freude bereitet. Gleichzeitig trifft sie mit Robert ihre große Liebe. Dann geschieht das Unglück und es folgen Jahre, in denen die französische Bevölkerung unter den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs zu leiden hat.
Suzanne findet mit Mathieu einen Mann, der sie aufrichtig liebt und mit dem sie glücklich ist, auch wenn er ihre große Liebe nie ersetzen konnte.

"Auf der Suche nach dir" ist ein emotionales Liebesdrama mit historischem Bezug und einer starken Protagonistin, der flüssig zu lesen ist und durch das Geheimnis um ihre Mutter und die persönlichen Folgen des Schiffsunglücks für Suzanne und die eingängigen Schilderungen eines Lebens zur damaligen für Spannung und beste Unterhaltung der ungefähr 25 Jahre, in denen man Suzanne als Leser begleitet, sorgt.