Inhalt:
Matuschek ist vierzig, als seine Mutter stirbt, mit der er das Haus teilte. Ohne ihre Fürsorge weiß er nicht, wie es weitergehen soll. Eine Frau hat er nicht und von dort, wo er wohnt, geht man weg, wenn man kann. Aber Matuschek ist einer, der bleibt, Bewohner des Hinterlands, einer längst von allen aufgegebenen Welt. Zum Glück gibt es Nachbarn. Igor, der Russe, wird zum Freund. Den alten Witt kennt er seit seiner Jugend. Und dann sind da die Tauben, die Matuschek als Junge bekam und seitdem züchtet. Brieftauben haben einen inneren Kompass und kehren stets nach Hause zurück. Das kann schon reichen fürs Leben. Als Matuschek Irina kennenlernt, winkt das Glück. Aber dann geht etwas schief und er beginnt von neuem. »Nach Onkalo« zeigt eine Welt am Rand, in der sich die großen Fragen nicht weniger deutlich stellen: was einen zusammenhält und wie man glücklich wird. Matuschek stellt sich diese Fragen nicht, er will nur seinen Alltag meistern. Doch vielleicht befähigt ihn genau das zur Erkenntnis "ob das Leben die Mühe lohnt".
Rezension:
Der 40-jährige Hans Matuschek wohnt in einem Ort im Norden Ostddeutschlands, der einen trostlosen, verlassenen Eindruck macht. Seine Mutter, die sich bisher um alles im Haushalt und das Wohlergehen ihres Sohnes gekümmert hat, ist gerade verstorben. Hätte Matuschek nicht seinen hilfsbereiten Nachbarn,m den Russen Igor und den "Alten" Witt, wäre Matuschek hilflos auf sich allein gestellt.
Matuschek züchtet seit seinem 14. Lebensjahr als Geschenk seines Vaters Brieftauben und arbeitet als Wetterbeobachter an einem ehemaligen Militär-Flugplatz der DDR. Mit Igor geht er regelmäßig einen trinken und bekommt von ihm seine Verwandte Irina aus Irkutsk vermittelt, die in Deutschland als Änderungsschneiderin arbeitet. Doch die Affäre mit Irina währt nur kurz, sie lässt den sozial wenig empathischen Matuschek nicht an sich heran. Als Matuschek dann auch noch seine Arbeitsstelle und Igor verliert, geht "alles den Bach runter". Passend zur ohnehin schon gedrückten Stimmung, flüchtet sich Matuschek in den Alkohol, hat keine Kontakte mehr zu anderen Menschen, kümmert sich nicht einmal mehr um seine geliebten Tauben und lässt sich selbst bis zur Verwahrlosung gehen.
Der Titel "Nach Onkalo" bezieht sich auf das Atommüll-Endlager Onkalo in Finnland. Der alte Witt, der unter seinem Haus einen Bunker angelegt hat, um sich vor bürgerkriegsähnlichen Szenarien zu schützen, hat bis zur Stilllegung des Atomkraftwerks Lubmin dort gearbeitet und panische Angst vor einem atomaren Unfall.
"Nach Onkalo" steht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2017, wodurch ich erst auf die Autorin und ihren Roman aufmerksam geworden bin.
Es ist ein Roman über einen langjährigen, etwas sonderbaren Single in der ostdeutschen Provinz, dem sein Leben nach dem Tod seiner Mutter entgleitet. Der Ort, in dem Matuschek wohnt, ist von der Abwanderung der jungen Menschen, insbesondere der Frauen, in die Städte geprägt. schulen wurden geschlossen, Bahnstrecken stillgelegt und übrig ist nur noch eine Tankstelle und ein Supermarkt. Und auch Matuschek wird hier nicht bleiben, sondern sein Zuhause an Investoren aus Berlin verkaufen.
Matuschek ist wie der Russe Igor und Witt ein Außenseiter, der kaum in der Lage ist, seinen Alltag zu bewältigen. Erst als er ganz am Boden ist und alles verloren erscheint, rafft er sich auf und schafft sich selbst eine neue Perspektive.
Der Roman ist literarisch hochwertig und bildhaft geschrieben. Matuschek ist ein Antiheld, der nüchtern und aus der Distanz betrachtet wird. Auch die Sprache ist passend dazu, die Dialoge bestehen aus knappen Sätzen und können ohne Kennzeichnung als direkte Rede leicht überlesen werden.
Die Geschichte über Landflucht, Außenseitertum und das persönliche Scheitern ist nicht ganz eingängig geschrieben und schildert ungeschönt die Härte des Lebens. Auch wenn es für Matuschek nach seinem Absturz wieder aufwärts geht, war mir der Roman mit der Aussparung von etwas Freude und Glück zu brutal realistisch und nicht im eigentlichen Sinne unterhaltsam.
"Nach Onkalo" war interessant zu lesen, aber ich war froh, als ich den Roman, in dem irgendwie alles grau war, beendet hatte.
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