Montag, 30. Dezember 2019

Buchrezension: Hazel Prior - Die Saiten des Lebens

Inhalt: 

Ellie, Hausfrau, leidenschaftliche Spaziergängerin und Hobbypoetin, stößt bei einem ihrer Streifzüge durch das Exmoor auf eine Scheune voller Harfen. Dort lebt und arbeitet Dan. Harfen zu bauen ist seine große Leidenschaft. Er liebt es, sich ganz dem Bau dieser Instrumente zu widmen und mit sich und der Welt alleine zu sein. Denn Menschen sind ihm oft ein Rätsel. Doch Ellie mag er auf Anhieb, weshalb er ihr spontan eine Harfe schenkt.
Kurze Zeit später steht sie wieder vor seiner Tür. Sie könne das Geschenk nicht annehmen. Doch geschenkt ist geschenkt, die Harfe wird immer Ellie und nie jemand anderem gehören, sagt Dan. Er schlägt ihr einen Kompromiss vor: Sie kann die Harfe bei ihm unterstellen, wenn sie lernt, darauf zu spielen. 

Rezension: 

Dan lebt zurückgezogen im ländlichen Exmoor, wo er in seiner Werkstatt leidenschaftlich Harfen baut. Er ist kein Mann vieler Worte, braucht einzig und allein die Natur um sich herum, seine Arbeit, Sandwiches und den Duft von Kaffee. 
An einem Tag im September verirrt sich eine Frau in seine Scheune und ist überwältigt von den Harfen. Ihr Name ist Ellie, eine Hausfrau, die sich eine Liste mit Dingen erstellt hat, die die sie vor ihrem 40. Lebensjahr tun möchte u.a. das Erlernen des Harfespielens. 
Dan mag Ellie auf Anhieb und schenkt ihr unbedarft eine seiner teuersten Harfen. Aufgrund ihres besitzergreifenden Ehemanns kann sie das Geschenk nicht annehmen, möchte jedoch bei ihm auf der Harfe üben. 
Ellie verheimlicht die Abmachung ihrem Ehemann Clive, was nach der Entdeckung durch ihn eine Katastrophe auslöst, die aber nicht nur negative Folgen, sondern für Dan eine besondere Überraschung bereithält. 

Der Roman ist abwechselnd aus der Sicht von Dan bzw. Ellie geschrieben. Die Kapitel sind kurz, der Perspektivenwechsel dynamisch. Der Roman plätschert dennoch zu Beginn nur dahin. Die Handlung beschränkt sich auf die Beschreibung der langweiligen Alltage von Dan und Ellie. Beide Charaktere konnten mich nicht für sich gewinnen. Auch wenn es nie wörtlich erwähnt wird, ist Dan offenbar Autist, der in seiner eigenen kleinen Welt zufrieden ist und Verhaltensweisen und Reaktionen von anderen Menschen nicht richtig einschätzen kann. Ellie ist eine naive, weltfremde Frau, die von ihrem Ehemann eingeengt wird, was ihr erst auffällt, als er sie zwingt, die geschenkte Harfe zurückzubringen. Clive ist ein manipulativer, eifersüchtiger und kontrollierender Mann mit einem Alkoholproblem. 
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Nebencharakteren, die bis auf Ellies Schwester Vic allesamt unsympathisch sind. 
Die stereotype Darstellung der Personen machte den Roman im Hinblick auf eine Einteilung in Gut und Böse sehr vorhersehbar. Die Katastrophe ist unausweichlich und wird dann sehr drastisch dargestellt. 

"Die Saiten des Lebens" ist eine eher oberflächliche Geschichte über Freundschaft und Selbstfindung. Die künstlerischen Aspekte von Musik und Poesie waren mir als Aufhänger des Romans zur kurz gefasst, die romantischen Gefühle von Ellie zu wenig nachvollziehbar dargestellt. Am meisten störte mich jedoch die Mehrheit an böswilligen und eigenartigen Charakteren, die der Geschichte jeglichen Charme und Glaubwürdigkeit nahm. 



Samstag, 28. Dezember 2019

Buchrezension: Sanne Jellings - Weihnachten im Alten Land

Inhalt:

Maike und Anne - unterschiedlicher könnten Schwestern nicht sein. Zum Fest kommen die beiden mit Maikes kleinem Sohn auf den malerischen Apfelhof ihres Vaters im Alten Land. Aber die Idylle hat Risse: Maikes Ehe ist gescheitert. Anne möchte der Familie ihren neuen Freund vorstellen, den Vater Thees ablehnt. Und allen fehlt die Mutter, die die Familie vor Jahren verließ. Wird mit Weihnachtsmarktbesuch, folgenreichen Begegnungen und dem berühmten mütterlichen Bratapfelrezept dieses Weihnachten doch noch zum wahren Fest der Liebe? 

Rezension: 

Maike verbringt nach der Trennung von ihrem Ehemann zum ersten Mal Weihnachten mit ihrem dreijährigen Sohn im Alten Land auf dem Apfelhof ihres Vaters, wo auch ihrer ältere Schwester Anne lebt. 
Anne hat an Heiligabend ihren neunen Freund Malek eingeladen, einen Asylbewerber aus Syrien, der von ihrem Vater abgelehnt wird. 
Konflikte sind vorprogrammiert, gerade da an Weihnachten die schmerzlichen Erinnerungen an eine intakte Familie zurückkehren, als Maikes und Annes Mutter Katharina noch bei ihnen lebte. Sie hatte die Familie vor 17 Jahren verlassen und ist in die Schweiz gezogen. Über die Gründe wurde in der Familie geschwiegen. 

Bei "Weihnachten im Alten Land" handelt es sich um eine weihnachtliche Kurzgeschichte, die man bequem an einem Abend lesen kann. Sie wird abwechselnd aus der Sicht von Maike bzw. Anne erzählt, so dass man einen Einblick in beider Gefühlswelten erhält. 

Die Stimmung am Vorweihnachtsabend ist gedrückt, da jedes Familienmitglied mit seinen eigenen Sorgen und Problemen zu kämpfen hat, wobei die Feiertage keine Ausnahme machen. Die Schwestern, die sich über die Distanz entfremdet hatten, nähern sich aber schnell wieder an. Maike trifft ihre Jugendliebe wieder und die Gründe, weshalb Thees Annes Beziehung zu Malek skeptisch sieht, werden verständlich und sind längst nicht so verwerflich wie anfangs gedacht, so dass dem Fest der Liebe nichts entgegen steht. Zudem sind sie durch einen überraschenden Besuch in der Lage, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten und sich mit ihrer Familienkonstellation zu versöhnen. Für beide Schwestern zeigen sich konkrete Wege für einen zufriedeneren Neuanfang auf. 

Die Geschichte bleibt trotz der Kürze nicht oberflächlich. Es geht um Fragen der Zugehörigkeit, Alltagsrassismus, Mutterliebe, um Versöhnung und den Mut, Vergangenes hinter sich zu lassen und neu zu beginnen. Das Weihnachtsfest rückt dabei jedoch nicht in den Hintergrund, sondern ist durch Besuch des Weihnachtsmarkts, Baumschmücken und gemeinsames Kochen stets präsent, weshalb man sich auch ohne Kitsch und große Liebesgefühle mit diesem Buch in Weihnachtsstimmung versetzen lassen kann. 
Darum ist es eigentlich schade, dass das Büchlein nur so wenige Seiten hat, Potenzial hätte die Geschichte für einen längeren Roman gehabt, gerade um die Beziehungen zwischen den Charakteren intensiver zu beleuchten. 


Freitag, 27. Dezember 2019

Buchrezension: Fiona McIntosh - Der Schokoladensalon

Inhalt: 

York, 1915: Die junge Alexandra hofft auf eine Karriere in Englands berühmter Schokoladenhauptstadt, doch ihre Eltern drängen sie stattdessen, endlich zu heiraten. Ihr Wunschkandidat Matthew ist gesellschaftlich angesehen, intelligent, charmant. Doch reicht eine freundschaftliche Verbindung, um ein erfülltes Leben zu führen?
Frankreich, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs: Captain Harry stößt in einem Schützengraben auf einen toten Soldaten, der eine handgeschriebene Notiz bei sich trägt. Um die Absenderin der geheimnisvollen Nachricht ausfindig zu machen, reist Harry nach Nordengland, wo sein Schicksal schon bald unwiderruflich mit dem von Alexandra und Matthew verbunden sein wird. 


Rezension: 

Alexandra Frobisher ist die Tochter von Lord und Lady Fobisher und mit 25 Jahren längst im heiratsfähigen Alter. Ihre Eltern haben bereits diverse Kandidaten für sie ausgesucht, aber aufgrund des Krieges ist es noch nicht zu einer Vermählung gekommen. Alex träumt nicht von einer Hochzeit, möchte unabhängig sein und arbeiten. 
1915 lernt sie über ihre Eltern Matthew Britten-Jones kennen, der geschäftlich in York ist. Auch er ist zum Leidwesen seiner Eltern noch unverheiratet, aber auch nicht auf der Suche nach der romantischen Liebe. Alex findet Matthew auf den ersten Eindruck hinterlistig, erliegt dann aber seinem Charme und seinem Versprechen, dass er ihr in einer Ehe alle Freiheiten lassen würde. So heiraten sie und Alex hofft, dass sie sich noch in Matthew verlieben wird. 

Nach Ende des Ersten Weltkriegs begibt sich der ehemalige Soldat Captain Harry Blake nach York, um eine Kitty zu suchen. Er hatte im Schützengraben bei einem gefallenen Soldaten eine Schokoladendose gefunden, die den Soldaten vom Königreich England zu Weihnachten geschickt worden war. In der Dose des fremden Soldaten fand er die Liebesbotschaft von Kitty und möchte ihr nun mitteilen, dass ihr Geliebter nicht mehr am Leben ist. Er vermutet, dass Kitty in der Schokoladenfabrik gearbeitet hat und lernt auf diesem Weg Alex kennen, die dort als Fremdenführerin arbeitet. Alex ist ernüchtert von ihrer leidenschaftslosen Ehe und fühlt sich von dem eloquenten gut aussehenden Mann angezogen. 

Der Roman beginnt etwas zäh und ereignislos und nimmt erst an Fahrt auf, als sich Alex und Harry begegnen und sich schnell näher kommen. Bei ihnen handelt es sich um Liebe auf den ersten Blick, Alex empfindet so, wie sich noch nie für einen Mann empfunden hat. Sie ist überwältigt von ihren Gefühlen, weiß aber auch, dass sie - wenn auch unglücklich - verheiratet ist und den Ruf ihrer Familie unmöglich durch eine Affäre oder Scheidung beschmutzen kann. Und auch Harry ist nicht ganz ohne Verpflichtungen, so dass eine gemeinsame Zukunft aussichtslos erscheint. Durch die Begegnung mit Harry wird Alex deutlich, wie sehr sie sich nach Liebe seht und wie egal ihr Prestige und materielle Güter sind. Neben der Liebe ist ihr einzige Traum der eines eigenen Schokoladensalons. 

Die Charaktere sind nahbar und glaubwürdig, auch wenn man sich fragt, warum die intelligente und emanzipierte Alex Matthew so blauäugig geheiratet hat, ohne zu hinterfragen, was seine Gründe für die Zweckehe sind. Als das Geheimnis um Matthew nicht ganz ohne den Einfluss von Harry gelüftet wird, erhält der Roman eine spannende Dynamik. 

"Der Schokoladensalon" ist eine romantische Liebesgeschichte voller Emotionen, Dramatik, Geheimnisse und Intrigen, die den Zeitgeist nach Ende des Ersten Weltkriegs authentisch einfängt. Mit Spannung erwartet man, dass die Geheimnisse und wahren Intentionen der handelnden Akteure aufgedeckt werden und was dies für die Beziehungen untereinander bedeuten und auf sie auswirken. 
Mit dem Bezug zur Schokoladenfabrik erhält der Roman neben der Liebesgeschichte eine weitere interessante Komponente und sorgte für ein passendes historisches Setting. Die Beschreibung zu den Abläufen in der Fabrik, zur Herstellung der Schokolade sind ganz beiläufig eingefügt und runden die Amour fou ab. 


Mittwoch, 25. Dezember 2019

Buchrezension: Daniel Glattauer - Der Weihnachtshund

Inhalt:

Max will vor Weihnachten flüchten und auf die Malediven fliegen. Dabei ist ihm Kurt, sein Hund, im Weg. Kurt war leider eine Fehlinvestition. Er schläft meistens. Und wenn er sich bewegt, dann höchstens irrtümlich. Katrin wird demnächst dreißig und leidet unter Eltern, die darunter leiden, dass sie noch keinen Mann fürs Leben gefunden hat. Mit Weihnachten kommt der Höhepunkt des familiären Leidens auf sie zu. Da tritt plötzlich Kurt in Erscheinung. Katrin mag zwar keine Hunde, aber Kurt bringt sie auf eine Idee.

Rezension: 

Max ist Single und arbeitet als Kolumnist bei einer Zeitung in Wien. Durch eine Kolumne über das Leben eines Hundes war er auf den Hund gekommen und ist seitdem unfreiwillig Besitzer von Kurt. Dieses Weihnachten möchte Max den Feierlichkeiten und der Kälte entfliehen und die Feiertage auf den Malediven verbringen. Für diese Zeit möchte er Kurt nicht ins Tierheim geben und findet über ein Inserat Katrin. Diese ist ebenfalls Single - zum Leidwesen ihrer Eltern, die endlich einen festen Partner an der Seite der knapp 30-Jährigen sehen möchten. Katrin möchte Heiligabend, der Tag, der gleichzeitig ihr Geburtstag ist, dieses Jahr nicht bei ihren erwartungsvollen Eltern verbringen und sich stattdessen um Kurt kümmern. 

"Der Weihnachtshund" ist keine flauschige Feel-Good-Weihnachtsgeschichte, sondern mehr ein Roman für alle Weihnachtshasser. Er ist abwechselnd aus der Sicht von Max bzw. Katrin geschrieben, die beide aus unterschiedlichen Gründen eine Abneigung gegen Weihnachten haben und etwas bekümmert auf ihr bisheriges Leben zurückblicken. Max hat dabei mit einem Trauma aus seiner Kindheit zu kämpfen, weshalb er noch nie eine längere Beziehung mit einer Frau eingehen konnte. Katrin ist bisher immer an die falschen Männer geraten. 

Der Roman ist voller Wortwitz geschrieben, gespickt von Sarkasmus und Zynismus, hatte aber für mich trotz unterhaltsamer Passagen durchaus seine Längen, gerade was Max' Kussphobie betrifft. 
Hund Kurt ist nur Statist, spielt für die Handlung an sich keine Rolle. 

Wer abseits der üblichen Weihnachtslektüre eine etwas andere Liebesgeschichte - ohne Romantik, Kitsch und Vorfreude auf Weihnachten lesen möchte, der wird mit "Der Weihnachtshund" für die Adventszeit das passende Buch finden, ist es doch wie ein Adventskalender mit 24 Kapiteln aufgebaut. Der Schreibstil ist amüsant und sehr unterhaltsam, die Charaktere dagegen etwas sonderbar, die Handlung revolvierend und überspitzt dargestellt. 



Montag, 23. Dezember 2019

Buchrezension: Tanja Kruse - Tannenduft mit Todesfolge

Inhalt:

Himmlische Ruh? Niemals nicht! Wenn die Königin der Krimödie Weihnachten feiert, geht es alles andere als besinnlich zu. Da treffen Gangster im Rauschgoldengelkostüm mit Pumpguns unterm Kleidchen auf giftige Schoßschlangen, da angelt man beim Eisfischen menschliche Füße, da wird der Weihnachtsmann zum Axtmörder, da färbt sich weißer Schnee blutrot und der Weihnachtself ist unpässlich, weil ihm ein Pitbull in den Hintern gebissen hat.
Wo die Weihnachtsgans vergiftet ist und Santa in Wahrheit ein Killer, da hat an den Tatorten ganz bestimmt eine ihre Spuren hinterlassen: Tatjana Kruse. Mit ihrem unvergleichlichen Humor macht sie die sonst ja angeblich so stille Weihnachtszeit zu einem Feuerwerk an Pointen und sorgt für rundum gute Laune. 


Rezension:

"Tannenduft mit Todesfolge" ist eine Sammlung von 19 Krimikurzgeschichten, die zur Weihnachtszeit handeln und in denen jeweils eine Person - oft auf etwas eigenartige Art und Weise - ums Leben kommt. Die Sammlung umfasst insgesamt nur gut 200 Seiten, so dass auch jede Geschichte für sich sehr kurz gefasst und schnell gelesen ist. 
Gerade als Aufhänger mit weihnachtlichen Krimis hätte es sich meiner Meinung nach angeboten, die Sammlung zu erweitern und in Form eines Adventskalenders zu gestalten. So liest man die einzelnen Geschichten ohne Bezug zueinander einfach hintereinander weg. Es geht um Mord und Totschlag mit so manch skurrilem Hintergrund - egal ob Weihnachtsmann, Rauschgoldengel oder Knecht Ruprecht zum Täter oder Opfer mutieren. Die Geschichten sind abwechslungsreich und enden oft mit einer überraschenden Wendung, aber fesselnd sind sie allesamt nicht. Mir war die Mehrheit der Geschichten zu aufgesetzt und zu gewollt komisch, so dass ich aufgrund der mangelnden Ernsthaftigkeit keine Spannung empfunden habe. 
Die Autorin hat viele Ideen, der Schreibstil ist sarkastisch und voller schwarzem Humor, aber letztlich ist für mich die Spannung eine Grundvoraussetzung für einen Krimi und der fehlte aufgrund der slapstickartigen Erzählungen durchgängig. Kaum einer der Kurzkrimis wird mir noch länger im Gedächtnis bleiben. 



Samstag, 21. Dezember 2019

Buchrezension: Hannah Beckerman - Nur ein Wort von dir entfernt

Inhalt:

Seit 30 Jahren haben die Schwestern Jess und Lily kein Wort mehr gewechselt. Seit einer traumatischen Nacht in ihrer Kindheit, die sie entzweit hat. Heute sind sie so unterschiedlich wie Tag und Nacht: Die eine bangt als künstlerische Single Mom jeden Monat um die Miete, die andere führt ein Leben wie in einem Hochglanzmagazin. Ihr Leben wird erneut auf den Kopf gestellt, als ihre Mutter Audrey nur noch wenige Monate zu leben hat. Sie setzt alles daran, ihre beiden Töchter zu versöhnen, womit ein unvorstellbares Geheimnis ans Licht zu kommen droht.

Rezension: 

Die beiden Schwestern Jess und Lily haben sich vor 28 Jahren entzweit. Jess kann ihrer älteren Schwester nicht verzeihen, was sie getan hat und wodurch die gesamte Familie zerbrochen ist. Jess ist seit dem Tag in ihrer Kindheit traumatisiert und hat auch nie mit ihrer Mutter Audrey darüber gesprochen, was sie Lily vorwirft. 
Als Audrey mit gerade 62 Jahren unheilbar an Krebs erkrankt, verspürt sie nicht mehr nur den Wunsch, sondern auch den Ehrgeiz ihre beiden Töchter miteinander zu versöhnen, damit auch ihre beiden fast gleichaltrigen Enkelinnen einen Kontakt haben können, den Jess untersagt. 
Während sie in ihren letzten verbleibenden Monaten Zeit mit ihren Enkelinnen verbringt, mit Phoebe einen Chor besucht und mit Mia einen Zeichenkurs belegt, versucht sie, Begegnungen ihrer Töchter herbeizuführen und zu einem gemeinsamen Kurztrip nach New York zu überreden, um Frieden zu finden. 

"Nur ein Wort von dir entfernt" wird abwechselnd aus der Sicht der drei erwachsenen Frauen, Audrey, Lily und Jess erzählt. Dabei erfährt man allmählich mittels Rückblenden in die Vergangenheit, wie sie gemeinsam als Familie aufgewachsen sind und welche Ereignisse im Jahr 1988 dazu geführt haben, dass Jess einen Kontakt zu Lily kategorisch ablehnt. 
Es ist ein herzzerreißender Roman, der packend geschrieben ist. Der Leser bleibt lange im Ungewissen, was in der Vergangenheit passiert ist und kann nur spekulieren, was die Schwestern so unversöhnlich entzweit hat. 
In alle drei Frauen, die authentisch wirken und abseits des Familienzwists mit ihren individuellen Schicksalen berühren, kann man sich sehr gut hineinversetzen. Man leidet mit Audrey mit, der es körperlich schnell fortschreitend schlechter geht und leidet auch emotional mit ihr mit, wie sie sich vorstellt, dass ihre Töchter sich bei der Beerdigung erstmalig wieder begegnen würden und kein Wort miteinander wechselten. Jess reibt sich als Alleinerziehende mit ihrem zeitraubenden Job beim Filmset auf, während sie sich um ihre Tochter sorgt und so hohe Erwartungen an diese stellt. Lilys Leben wirkt dagegen perfekt, doch dass die Ehe mit ihrem Mann nur noch eine Beziehung auf Distanz ist und sie nicht mehr an ihren Mann heranzukommen scheint, bleibt unbemerkt, genauso wie die schmerzhaften Erfahrungen, die sie nach der Geburt von Phoebe durchmachen musste. 

Über allem schwebt Sprachlosigkeit, Resignation, eine kompromisslose Verweigerungshaltung und Sturheit - sowie ein Geheimnis, das so schmerzhaft ist, dass es eine Schwester nicht auszusprechen mag und von dem die eine Schwester andere nichts ahnt und die Mutter nicht versteht. 

Es ist eine dramatische Familiengeschichte über unterschiedliche Formen und Phasen von  Trauer und Verlust, über schwierige zwischenmenschliche Beziehungen, über Krankheit, Tod und Versöhnung. Dabei ist spannend zu erfahren, ob die jahrzehntelange Entfremdung zweier Schwestern behoben werden kann oder ob es in der Verantwortung der nachfolgenden Generation liegen wird, die Familie wieder zu vereinen.
Der Roman zeigt, wie eine Entscheidung im Leben, Menschen auseinander dividieren oder zusammenführen kann. Der Titel des Romans ist dabei sehr treffend gewählt, denn es ist vor allem die Kommunikation, die innerhalb der Familie nicht gelingt, eine Aussprache, die fehlt, um die Vergangenheit gemeinsam zu verarbeiten. Als diese dann stattfindet, löst sich der jahrzehntelange Konflikt für meinen Geschmack ein wenig zu schnell und zu problemlos. 



Freitag, 20. Dezember 2019

Buchrezension: José Eduardo Agualusa - Eine allgemeine Theorie des Vergessens

Inhalt: 

Die junge Ludovica mauert sich, nachdem sie am Vorabend der angolanischen Revolution einen Einbrecher in Notwehr erschossen und auf der Dachterrasse begraben hat, für dreißig Jahre in ihrer Wohnung ein. Draußen verändert sich die Welt, verstricken sich Täter und Opfer in bizarren Verwicklungen, während Ludovica fantasievoll ihr Überleben organisiert. 

Rezension:

Die Portugiesin Ludovica Fernandes Mando, genannt Ludo, lebt mit ihrer Schwester Odete und ihrem Schwager Orlando in dem von Portugiesen bewohnten "Haus der Beneideten" in Luanda, der Hauptstadt Angolas. Als die Revolution 1975 ausbricht, verschwinden ihrer Schwester und deren Mann spurlos und Ludo bleibt allein zurück. Mit der Waffe ihres Schwagers erschießt sie einen Einbrecher und mauert sich daraufhin in der Wohnung im Dachgeschoss ein. Strom und Wasser sind nur sporadisch vorhanden und fallen irgendwann komplett aus. Ludo baut auf der Dachterrasse Mais und Bohnen an, fängt das Regenwasser auf und ernährt sich von den übrigen Konserven sowie Granatäpfeln und Bananen der benachbarten Bäume. Nach und nach verbrennt sie die Möbel und das Parkett, um Feuer zu machen. Aus Einsamkeit führt sie Tagebuch und beschreibt, als ihr das Papier ausgeht, die Wände. 
Dreißig Jahre wird Ludo in eigener Gefangenschaft leben, bis ein Junge über das Baugerüst des benachbarten Wohnhauses zu ihr klettert und die verletzte, inzwischen merklich gealterte Frau, vor dem Verdursten rettet. 

Auf der Grundlage der Notizen von Ludovica Fernandes Mando hat der Autor einen Roman geschaffen, der jedoch noch viele weitere Personen umfasst, die in Luanda wohnen und von der Revolution und dem Bürgerkrieg in Angola unmittelbar betroffen sind. 

Die Ausgangslage des Romans fand ich sehr spannend, habe mich mit der Umsetzung der Geschichte aber sehr schwer getan. Der Autor verzichtet auf Anführungszeichen in der direkten Rede, so dass der Schreibstil zunächst gewöhnungsbedürftig ist. 
Das Buch schildert nicht nur das freiwillige Gefängnis und die Einsamkeit der Protagonistin Ludo, sondern beschreibt in den weiteren sehr kurz gehaltenen Kapiteln die Situation vieler weiterer Personen, von Portugiesen, Angolanern, Gegnern und Befürwortern der Revolution. 
Die Hintergründe der Revolution in Angola werden dabei nicht erläutert, sind meiner Meinung nach aber Voraussetzung um den Plot abseits von Ludo verstehen zu können. Mir waren es zu viele Nebenschauplätze, die zwar am Ende mit einander verbunden worden sind, über weite Teile aber unverständlich blieben. Ich konnte mir keinen Überblick über die handelnden Personen verschaffen, weshalb ich viele Kapitel gelesen habe, ohne wirklich zu begreifen, was darin steht. 





Mittwoch, 18. Dezember 2019

Buchrezension: Susanne Bohne - Das schräge Haus


Inhalt: 

Wäre Ella ein Haus, dann eins mit schrägem Giebel.
Findet zumindest Mina, in deren Ruhrpott-Schrebergarten-Welt Ella aufwächst. Dort, wo die Sommer golden sind und Glühwürmchen Wünsche erfüllen, oder manchmal auch nicht. Schön und wundersam ist es hier – bis zu jenem Sonntag im Juni, nach dem nichts mehr sein wird, wie zuvor …
26 Jahre später sind die Sommer nur noch heiß, die Glühwürmchen verschwunden und Ellas Haus schiefer denn je. Aber damit ist sie nicht allein, denn in ihrer psychologischen Praxis geben sich Menschen die Klinke in die Hand, die alle mit ihren eigenen Schrägheiten zu kämpfen haben. Auch Herr Oebing, der gern Krümelmonster-T-Shirts trägt und seine Frau Traurigkeit pflegt. 


Rezension: 

Ella wächst im Schrebergarten ihrer Großmutter Mina auf. Ihr steht Ella näher als ihre Mutter, die sich nur für ihren Sohn zu interessieren scheint. Mina kann tief in Ella hineinblicken und ihr Haus sehen, das etwas in Schieflage ist. Ella kommt sich etwas sonderbar vor, aber ihre beste Freundin, die gleichaltrige Yvonne, ist immer an ihrer Seite. 
Ein Sonntag im Juni 1986 schockiert die Achtjährige jedoch derart, dass Ella auch Jahre später noch mit Schuldgefühlen zu kämpfen hat. 

26 Jahre später ist Ella psychologische Psychotherapeutin mit eigener Praxis und behandelt eine Reihe schräger Persönlichkeiten. Sie möchte sie heilen, um ihre Schuld von damals auszugleichen. Herr Oebing ist einer ihrer Patienten, bei dem sie bereits an seiner Kleiderauswahl erkennen kann, ob er einen guten Tag hat oder ob Frau Traurigkeit an seiner Seite ist. 
Bei der Hochzeit ihrer besten Freundin Yvonne ist auch Herr Oebing als Cousin des Bräutigams eingeladen und so lernt Ella ihren Mittwochs-Patienten erstmals von seiner privaten Seite kennen, zeigt ihm sogar den Schrebergarten von Mina, die inzwischen 86 Jahre alt ist. Doch als sie entgegen aller ärztlichen Grundsätze Herrn Oebing näher kommt, wird Ellas größte Sorge wahr und wirft sie damit komplett aus der Bahn. 

"Das schräge Haus" erzählt zunächst vom Sommer der Kindheit von Ella, der für sie so prägend war, dass sie sogar ihre Berufsentscheidung davon abhängig gemacht hat. Aus der Sicht einer Achtjährigen, die sich jedoch eingehend mit sich selbst und ihrer Umgebung beschäftigt, ist das Leben in der Kleingartenanlage sehr unterhaltsam und kein bisschen spießig dargestellt. Zudem spürt man, wie eng die Beziehung zwischen Mina und Ella ist, die wie Seelenverwandte sind. Mina ist eine rüstige Rentnerin mit Ruhrpott-Slang, die sich liebevoll um ihre Enkelin kümmert, die ihr alles anvertraut. 

Zweidrittel des Romans handeln jedoch von der erwachsenen Ella und dieser Teil hat mir noch besser gefallen als der Beginn. Ella ist inzwischen 34 Jahre alt, hat sich als Psychotherapeutin selbstständig gemacht und sehnt sich nach einem Mann an ihrer Seite. Die Hochzeit ihrer besten Freundin steht bevor, worüber sie sich zwar freut, denkt aber gleichzeitig, dass sie - wohl aufgrund ihrer schrägen Art - nie einen geeigneten Partner finden wird. Ella mangelt es an Selbstvertrauen, denn eigentlich ist sie gar nicht so anders wie sie denkt. Sie ist trotz - oder gerade aufgrund - ihrer teils wirren Gedanken eine sympathische, nahbare und authentische junge Frau. Sie macht im Verlauf des Romans durch die Ratschläge ihrer Großmutter, aber auch durch die unerwartete Annäherung an Herrn Oebing eine charakterliche Weiterentwicklung durch. Es ist schön zu lesen, wie sie ihre Ängste überwindet, ihre Anpassungsschwierigkeiten ablegt und sich öffnet - sprichwörtlich die Fenster ihres schrägen Hauses aufreißt und einen frischen Wind hineinlässt. 

"Das schräge Haus" ist ein Roman voller liebevoll individuell gezeichneter Charaktere, ein Roman über das Erwachsenwerden und die Erkenntnis, sich selbst so zu lieben und annehmen wie man ist - trotz oder gerade wegen der persönlichen Eigenheiten. Es ist ein Feelgood-Roman mit Tiefgang, der jetzt im Winter nicht nur durch die unerträgliche Sommerhitze im Roman, ganz viel Herzenswärme schenkt. 





Montag, 16. Dezember 2019

Buchrezension: Amy E. Reichert - Nur wer loslässt, hat das Herz frei

Inhalt: 

Gina Zoberski liebt es, in ihrem Food Truck köstliche Sandwiches zuzubereiten und umfangreiche To-Do-Listen zu erstellen. Eigentlich ist sie die geborene Optimistin, doch den zwei Jahre zurückliegenden Tod ihres geliebten Mannes hat sie noch nicht verwunden. Zudem vergeht kein Tag, ohne dass ihre Mutter Lorraine sie kritisiert oder ihre Tochter May sie infrage stellt.
Als Lorraine einen Schlaganfall erleidet, stolpert Gina über ein Familiengeheimnis, das vierzig Jahre lang vor ihr verborgen wurde. Schnell wird ihr klar, dass diese unangenehme Wahrheit genau das ist, was sie braucht, um loszulassen und neu anzufangen. 


Rezension: 

Regina, genannt Gina, ist Mitte 40 und Mutter einer 14-jährigen Tochter. Vor zwei Jahren ist ihr geliebter Ehemann verstorben und diesen Verlust  haben weder sie noch Tochter Maya überwunden. Beide leben nebeneinander her und schaffen es nicht, sich gegenseitig Trost zu spenden. 
Ginas jüngere Schwester Victoria ist verheiratet und Mutter von vier Kindern. Im Gegensatz zu Gina war sie jedoch nie glücklich in ihren Ehemann Jeff verliebt. 
Als die Mutter der beiden, Lorraine, einen Schlaganfall erleidet, rücken die beiden Schwester näher zusammen und erfahren durch die Unterlagen, die sie bei Lorraine auf der Suche nach einer Patientenverfügung finden, von einem Familiengeheimnis, dass sie nie für möglich gehalten hätten. Vor allem Gina möchte mehr über die Vergangenheit erfahren, doch Lorraine kann sich aufgrund des Schlaganfalls kaum artikulieren. 

Das Buch handelt von drei Generationen - Großmutter, Tochter, Enkelin, die sich alle missverstanden fühlen, aber eigentlich durch die tragischen Ereignisse, die sie alle erlebt haben, miteinander verbunden sind und sich gegenseitig helfen könnten. Der Roman handelt innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen, in denen besonders interessant zu erfahren ist, dass die Töchter ihrer Mutter erst wieder nahe kommen, als diese kaum noch sprechen kann, während zuvor die Kommunikation möglich gewesen wäre, aber aufgrund der Eigenwilligkeit der Persönlichkeiten und um Konflikte zu vermeiden, ausblieb. Plötzlich merken die Frauen, dass sie mehr Gemeinsamkeiten haben, als sie gedacht haben.

Der Roman ist größtenteils aus Sicht von Gina geschrieben, die eine sehr sympathische Frau ist und deren Schmerz wegen ihres Verlusts und die Liebe zu ihrem Ehemann spürbar ist. Dabei wirkt sie sehr authentisch, denn im Umgang mit ihrer Tochter wirkt sie oft hilflos und unperfekt, macht ähnliche Fehler wie ihre Mutter. 
Als Leserin kann man sich aber auch gut in May und Lorraine hineinversetzen. May war ein Papa-Kind, vermisst ihren Dad und verspürt eine Wut in sich, die sie an ihrer Mutter auslässt. Lorraine ist ebenfalls ein vielschichtiger Charakter, was insbesondere dann klar wird, wenn man mit Rückblenden und ihren Erinnerungen an die Vergangenheit konfrontiert wird. In der Gegenwart ist sie aufgrund ihrer Erkrankung stark eingeschränkt, hat allerdings wache Augen und sieht, was ihre Töchter leisten, was sie wiederum stolz macht.  

Neben den familiären Zerwürfnissen spielt Essen in dem Roman eine große Rolle. Gina betreibt einen Foodtruck, in dem sie kreative gegrillte Sandwiches verkauft und auch Tochter May hat ein Händchen für originelle Rezepte und kreiert Brownies aus ungewöhnlichen Zutatenkombinationen. 

Es ist eine bewegende, authentische Mutter-Tochter-Geschichte, die trotz aller Tragik am Ende hoffnungsvoll stimmt und Optimismus versprüht. Es geht um Trauer, Verluste, Sprachlosigkeit und familiäre Beziehungen, aber auch um Geheimnisse, Vergebung und neue Anfänge. 



Samstag, 14. Dezember 2019

Buchrezension: Royce Scott Buckingham - Kaltgestellt

Inhalt: 

Als Staatsanwalt Stu Stark den wichtigsten Fall seiner Karriere verliert, wird er fristlos entlassen. Um sein angeschlagenes Ego aufzupolieren, lässt er sich auf einen Trip durch Alaskas Wildnis ein. Was wie ein Abenteuer beginnt, entwickelt sich schnell zum Albtraum – denn nach einer Woche wird er nicht am vereinbarten Treffpunkt abgeholt. Man hat ihn im eisigen Polarklima zurückgelassen, wo ihm schon bald der Tod droht. Seine einzige Rettung ist ein alter Jäger, der ihn über den Winter bei sich aufnimmt. Für den ehemaligen Anwalt beginnt ein beinhartes Überlebenstraining, das er nutzen will, um sich an denjenigen zu rächen, die ihn verraten haben. 

Rezension:

Nachdem Rechtsanwalt Stuart Stark ein Gerichtsverfahren verloren hat, bei dem durch Formfehler ein Mörder wieder auf freien Fuß kam, schenkt ihm sein Freund und Compagnon Clay eine gemeinsame Auszeit in Alaska, um den Kopf wieder frei zu bekommen. Clay sagt die Reise jedoch kurzfristig wegen eines lukrativen Mandanten ab. Stuart macht sich allein auf in die Einöde und muss bei der Ankunft feststellen, dass die Hütte nicht so ausgestattet ist wie angepriesen. Mehr als ein Bett und eine Feuerstelle ist nicht vorhanden. Er versucht zu jagen, ernährt sich von Gräsern und ist schnell am Ende seiner Kräfte. Als nach einer Woche das versprochene Flugzeug nicht ankommt, um ihn abzuholen, droht ihm der Tod...

Stuart Stark ist eigentlich ein intelligenter Mensch, weshalb es kaum nachvollziehbar ist, wie er sich so unvorbereitet zu so einer Reise in die Wildnis überreden lassen konnte. Der Kampf ums Überleben in Alaska ist dann sehr anschaulich und beeindruckend beschrieben. Kälte, Hunger und Wassermangel setzen ihm zu, bis ein Fallensteller ihn findet und unter seine Fittiche nimmt. 
In der Zwischenzeit erfährt man als Leser, wie es in Providence bei Clay und Katherine, der Ehefrau von Stuart, weitergeht. Auch Katherines Verhalten ist nicht wirklich nachvollziehbar. Sie hat ihren Mann schnell vergessen und lässt sich komplett von Clay vereinbaren und unterwürfig für seine Geschäftsideen benutzen. 

"Kaltgestellt" ist ein Thriller, dem es von Anbeginn an Spannung fehlte, da der Grund für Stuarts unfreiwillig langen Aufenthalt in Alaska sehr offensichtlich ist. Es bleibt zwar interessant, wie sich Stuart retten kann und wie er sich am Ende gegen seine Peiniger rächen möchte, aber gerade die Szenen ohne ihn und das Verhalten seiner Ehefrau empfand ich als konstruiert bis unglaubwürdig. Im Vergleich zum Aufenthalt in Alaska war die Rache sehr kurz gefasst und schlussendlich blieben mir zu viele Fragen offen.

Fazit: Nicht wirklich ein Thriller, sondern mehr ein Buch über ein Survivaltraining, das mit ein bisschen Sex & Crime aufgepeppt wurde. 





Freitag, 13. Dezember 2019

Buchrezension: Anna Fischer - Herz im Schneegestöber

Inhalt:

Wie jedes Jahr will Umweltaktivistin Josie Weihnachten bei ihrer Familie in den USA verbringen. Auf dem Weg dorthin macht sie unfreiwillig Bekanntschaft mit dem gut aussehenden, aber arroganten Finanzmanager Adam Harper. Sehr schnell prallen ihre Weltanschauungen aufeinander.
Dann legt auch noch ein Jahrhundert-Schneesturm den gesamten Flugverkehr lahm. Weil Josie es zu Weihnachten nach Hause schaffen und Adam zu seinem wichtigen Geschäftstermin kommen will, schließt das ungleiche Paar notgedrungen Waffenstillstand und begibt sich auf einen abenteuerlichen Roadtrip. Und plötzlich kommen bei beiden wider Erwarten mitten im Schneegestöber Frühlingsgefühle auf. 


Rezension:

Josie möchte zu Weihnachten ihre Familie in den USA besuchen und erhält durch eine versehentliche Doppelbuchung ein Upgrade in die Business Class auf ihrem Weiterflug von New York nach Seattle. Dort lernt sie den viel beschäftigten Finanzmanager Adam Harper kennen, der auf dem einfach nur in Ruhe seinen Geschäften nachgehen möchte. Durch ein Missgeschick legt Josie seinen Laptop lahm, weshalb die Stimmung zwischen der eifrigen Umweltaktivistin und des ignoranten Workaholic verhagelt ist. Ein Schneesturm zwingt die Passagiere zu einem unplanmäßigen Stopp in Chicago, von wo aufgrund der Wetterlage keine Flüge mehr weggehen. Adam muss jedoch unbedingt zu einem Termin in Seattle, um zu einem wichtigen Finanzabschluss vor Weihnachten zu kommen und bittet deshalb Josie ihn, der derzeit keinen Führerschein hat, mit einem Mietwagen in Richtung Westen zu fahren, um ab Denver nach Seattle zu fliegen. Nur mit großer Überredungskunst und weil Josie die Theateraufführung ihres Bruders nicht verpassen möchte, stellt sie sich nicht ganz uneigennützig als Chauffeurin zur Verfügung. Doch eine Pleite jagt die nächste und es scheint, als sollen die beiden nie an ihrem Ziel ankommen. Dabei werden die beiden von Außenstehenden als harmonisches Paar gehalten und tatsächlich rücken die Streithähne auf ihrem unfreiwilligen und sehr turbulenten Roadtrip zusammen. 

„Herz im Schneegestöber“ ist eine Liebesgeschichte, wie man sie schon aus diversen Filmen und Romanen zur Weihnachtszeit kennt: Zwei Fremde – in der Regel einer grummelig, einer wenig geschickt - stranden wetterbedingt an einem Flughafen und wollen aus beruflichen oder familiären Gründen ganz dringend zu ihrem Zielort, schließen sich also notgedrungen zusammen und haben eine einmalige und unvergessliche Reise, die länger als geplant wird und das ungleiche Paar zusammenschweißt. 

Der Verlauf des Romans - eine Odyssee voller Pleiten, Pech und Pannen - ist deshalb vorhersehbar, aber zumindest am Anfang noch recht unterhaltsam. Dann geht allerdings die Phantasie mit der Autorin durch und Josie und Adam müssen so manch abwegige Situation meistern, bei denen ihnen Fremde – warum auch immer – auf völlig überzogene Art und Weise unter die Arme greifen. Wie in einem modernen Frauenroman üblich ist Josie dabei stets die schlaue Heldin, während Adam erst noch von seinem hohen Ross herunterkommen muss, bis auch er Sympathiepunkte sammeln darf. Die Charaktere sind insofern eindimensional: Adam zeichnet nur sein Reichtum aus; Abenteurerin Josie gelingt dagegen alles. 

Das Prinzip „Was sich neckt, das liebt sich“ geht hier nicht wirklich auf, da wenige Emotionen zwischen Adam und Josie spürbar sind. Selbst ihre Streitigkeiten verlieren wegen der immer gleichen Themen Umweltschutz, ökologischer Fußabdruck, Nachhaltigkeit ihren Reiz. 

Darüber hinaus müssen die beiden auf ihrem Weg nach Seattle so viele Hürden überwinden, dass sich die nicht enden wollende Reise die Geduld der Leserin strapaziert. Einige Ereignisse sorgten bei mir nur noch für Kopfschütteln. Ein Weihnachtsroman darf ruhig ein wenig märchenhaft sein, aber glaubwürdig sollte die Geschichte trotzdem bleiben. 

Mich störte allerdings nicht nur der zu bemüht witzige, abschnittsweise unrealistische Verlauf der Handlung, sondern auch dass das Josies Ziel, Weihnachten mit Familie verbringen zu wollen, aus dem Fokus geriet, einzig Adams ominöser Geschäftstermin schien am Ende noch wichtig zu sein. 



Donnerstag, 12. Dezember 2019

Buchrezension: Heike Duken - Wenn das Leben dir eine Schildkröte schenkt

Inhalt:

"Charly ist tot. Ich kann nichts dafür." Mit diesen Worten lädt Großmutter Frieda die Familie in den Garten der alten Villa in Murnau zur Beisetzung ein. Charly, das war die Schildkröte der Familie, mit der vor über 40 Jahren alles begann. Denn Heinrich, der Großvater, der eigentlich gar nicht der Großvater ist, brachte Charly damals als Geschenk mit für die Kinder von Frieda, in die er sich gerade verliebte. Doch dass Heinrich auch Geheimnisse mitbrachte, die er länger hüten würde, als Charly am Leben sein sollte, ahnte damals keiner. Und er ist nicht der einzige in diesem zusammengewürfelten Clan, der mit sich und seinen Mitmenschen zu kämpfen hat. Doch alle machen sich auf den Weg, um Charly die letzte Ehre zu erweisen. Es wird ein Tag, an dem alle etwas zu Ende bringen wollen und sich dennoch ein neuer Anfang entwickelt. 

Rezension: 

Als Schildkröte Charly überraschend gestorben ist, lädt Oma Frieda die ganze Familie zur Beisetzung ein. Charly lebte seit 1973 bei Frieda und Heinrich, der die Schildkröte den drei Kindern von Frieda schenkte, als er sich in Frieda verliebte und zum Stiefvater ihrer Kinder Mattis, Karen und Nele wurde. 
Am Tag der Beisetzung, als Kinder und Enkel sowie deren Partner in der Villa in Murnau zusammenkommen, tritt zudem ein gut gehütetes Geheimnis von Heinrich zutage, als ein weiterer Gast überraschend erscheint. 

Der Tod von Schildkröte Charly ist der traurige Aufhänger des Romans, aber vielmehr erzählt er die Geschichte der Patchwork-Familie seit Anfang der 1970er-Jahre. Es beginnt damit, wie sich die Lebenswege von Heinrich und Frieda kreuzten und wie deren Kinder eigene Familien mit neuen Problemen gründen. Da ist Mattis, dessen Ehe mit Senna nicht mehr ganz glücklich ist und seine drei Kinder, von denen eines immer Sorgen bereitet. Nele ist überfordert mit Adoptivsohn Max, der nicht wohin weiß mit seiner Wut und Karen, die allein und kinderlos zurückgezogen wohnt. 

Kurze Kapitel wechseln zwischen den einzelnen Protagonisten des Romans, so dass man zumindest zu Beginn sehr konzentriert lesen muss, um den Überblick zu behalten und die einzelnen Kinder und Kindeskinder mit ihren Freunden zuordnen zu können. Hat man jedoch erst einmal jeden der sehr individuell gezeichneten Charaktere kennengelernt und den Stammbaum der Familie vor Augen, unterhält die Geschichte aufs Beste. Dabei ist es auch nicht störend, dass die Familiengeschichte nicht chronologisch erzählt wird, sondern zwischen den Zeiten und Charakteren scheinbar beliebig springt. Genau dieser Erzählstil, der wechselnd eine Figur in den Mittelpunkt des Interesses rückt, sorgt für Spannung und lässt den Leser die einzelnen Handlungsstränge neugierig verfolgen, bis letztlich alle handelnde Personen in der Villa der Eltern bzw. Großeltern versammelt sind. 

Das Ende ist für jeden Charakter, von denen vor allem die jüngste Generation eine merkliche Weiterentwicklung durchmacht, versöhnlich und hoffnungsvoll, so dass man auch als Leser mit einem guten Gefühl zurückbleibt. 
"Wenn das Leben dir eine Schildkröte schenkt" ist ein Roman, der auf wenigen Seiten eine ganze Familiengeschichte über Generationen hinweg trotz aller Sorgen und Probleme mit viel Humor schildert und aufgrund der angesprochenen Themen wie Stiefelternschaft, Zugehörigkeit Homosexualität, Mobbing und Demenz mit Tiefgang erzählt ist. 



Dienstag, 10. Dezember 2019

Buchrezension: Sarah Morgan - Weihnachtszauber wider Willen

Inhalt: 

Als Skifahrer war er unschlagbar - aber als Dad ist Tyler O’Neil weit von einer Goldmedaille entfernt. Um seiner 13-jährigen Tochter zu beweisen, wie sehr er sie liebt, will er ihr das schönste Weihnachtsfest aller Zeiten bereiten. Das Snow Crystal Skiresort seiner Familie bildet dafür schon mal die perfekte Postkartenidylle. Doch bei den restlichen Details braucht er Unterstützung. Wer könnte ihm besser beibringen, was zum Fest der Liebe gehört, als eine Lehrerin? Gut, seine alte Schulfreundin Brenna ist genau genommen Skilehrerin, dennoch scheint sie auch den Slalom weihnachtlicher Bräuche perfekt zu beherrschen. Der guten alten Tradition des Kusses unterm Mistelzweig kann Tyler jedenfalls schnell etwas abgewinnen. 

Rezension: 

Der Ex-Profiskifahrer Tyler O'Neil kann nach einem Unfall auf der Skipiste nicht mehr an Skirennen teilnehmen und arbeitet seitdem als Skilehrer im Skiresort "Snow Crystal" seiner Familie. Das Skiresort stand im letzten Jahr nach dem Tod des Vaters vor der Pleite, hat sich durch die neue PR-Chefin Kayla aber wieder erholt. Diesen Winter ist das Resort ausgebucht, weshalb Tylers beste Freundin Brenna nicht mehr in einer der Hütten wohnen kann. Da sie aber wie ein Familienmitglied für die O'Neils ist, wird vorgeschlagen, dass sie bei Tyler einzieht. Er wohnt dort mit seiner dreizehnjährigen Tochter Jess in einen der Hütten und hat noch Schlafzimmer frei. Brenna sträubt sich gegen den Einzug, denn für sie ist Tyler viel mehr als nur ein Freund. Auch Tyler hat Gefühle für Brenna, ist aber überzeugt, nicht der Richtige für sie zu sein und hält sie deshalb auf Distanz. 
Können die beiden durch die Verkupplungsversuche der O'Neils doch noch zueinander finden?

"Weihnachtszauber wider Willen" ist der dritte und letzte Band der "Snow Crystal"-Reihe. Der Roman kann jedoch für sich allein gelesen werden, auch wenn die Hintergründe aus den ersten beiden Teilen fehlen, auf die immer wieder Bezug genommen wird. Während es in den ersten beiden Romanen primär um die Brüder von Tyler ging, steht nun seine Liebesgeschichte im Vordergrund.

Die Geschichte ist vorhersehbar, was ich aber für Bücher dieses Genres nicht weiter verwunderlich finde. Letztlich kommt es darauf an, wie sich die Liebesgeschichte entwickelt bis es zu einem Happy End kommt. Von Anfang an ist klar, dass Brenna und Tyler mehr für einander empfinden als nur Freundschaft. Dies sieht auch jeder Außenstehende und ist deshalb bemüht, ihnen zu ihrem Liebesglück zu verhelfen. 
Der rastlose Skirennfahrer ist nach seiner Verletzung und als Vater von Jess sesshaft geworden und schein nun endlich für Brenna, sie sich nach einer Familie sehnt, der passende Partner zu sein. 

Das Setting im Skiresort ist romantisch und winterlich und bietet damit die perfekte Kulisse für die Liebesgeschichte der beiden besten Freunde. Ermüdend lange dreht sich die Handlung jedoch immer wieder im Kreis, Tyler und Brenna kommen einfach keinen Schritt weiter, was die Geschichte sehr zäh werden lässt. 
Der Erzählstil ist dabei eher schlicht. Viele Beschreibungen - insbesondere des muskulösen Körpers von Tyler - wiederholen sich und wirken wie Füller um die Geschichte künstlich zu verlängern.  

Von einem "Weihnachtszauber" ist wenig zu spüren, da Weihnachten nicht im Vordergrund der Geschichte sehrt. Neben dem Hin-und-Her-Geplänkel von Tyler und Brenna steht insbesondere der Skisport im Vordergrund und weniger das Fest der Liebe oder die Vorbereitungen dafür.

"Weihnachtszauber wider Willen" ist eine wenig anspruchsvolle Liebesgeschichte, die lange auf der Stelle tritt, sich aber als leichte Lektüre für den Ski- oder Winterurlaub gut eignet. 



Samstag, 7. Dezember 2019

Buchrezension: Tammy Robinson - Für immer ist ein Augenblick

Inhalt:

An ihrem 28. Geburtstag erfährt Ava, dass es ihr letzter sein wird. Der Krebs, den sie dachte, besiegt zu haben, ist zurück. Diesmal gibt es keine Hoffnung auf Heilung. Doch Ava hat einen sehnlichsten Wunsch: mit all ihren Lieben ein großes Fest zu Ehren ihres Lebens zu feiern und einmal ein Brautkleid zu tragen. Ihre Freunde und ihre Familie setzen alles daran, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich ihre Geschichte, und so lernt Ava den Fotografen James kennen, der sich langsam in ihr Herz schleicht. Ist sie mutig genug, die Liebe zuzulassen und stark genug, schon bald Lebewohl zu sagen?

Rezension: 

An ihrem 28. Geburtstag erfährt Ava Green, dass der Krebs, den sie vor drei Jahren besiegt hatte, zurück ist und schon so weit fortgeschritten ist, dass keine Chance auf Heilung besteht. Um die Schmerzen so gering möglich zu halten, unterzieht sich Ava einer medikamentösen Chemotherapie, möchte aber davon abgesehen keine Zeit in Krankenhäusern und bei Ärzten verschwenden. Sie mochte sich nur noch ihren letzten Wunsch erfüllen, eine Hochzeit feiern, wie sie sie seit ihrer Kindheit erträumt hat, notfalls auch ohne Bräutigam. 

Avas Freunde und Familie sind zunächst skeptisch und in Sorge, beschließen dann jedoch alles dafür zu tun, dass zu Ehren Avas ein großes Fest organisiert wird. Avas Freundin Kate startet sogar einen Aufruf auf Facebook, so dass fremde Menschen ihre Hilfe anbieten. Auch eine Zeitschrift wird auf Avas Schicksal aufmerksam und erstellt mit ihr eine Artikelserie, durch die Ava den Fotografen James kennenlernt, in den sie sich verliebt. Doch was soll Ava mit einer Liebe, die keine Chance auf eine Zukunft hat und für beide nur schmerzhaft enden kann?

"Für immer ist ein Augenblick" ist ein Roman der sehr emotional ist und zu Tränen rührt. Dabei ist die Geschichte aber nicht rührselig oder kitschig dargestellt. Die Vorbereitungen für die "Hochzeit" sind unterhaltsam und zeigen, wie schön es ist, sich auf enge Freunde und Verwandte verlassen zu können. 

Ava ist eine sympathische junge Frau, die nicht mit ihrem Schicksal hadert, sondern das Beste aus ihrer Situation herausholen möchte. Ihre Gedanken und Gefühle sind authentisch und nachvollziehbar, so dass es umso berührender ist, sich vor Augen zu halten, dass ihr junges Leben schon so früh vorbei sein soll. Besonders tragisch ist zudem, dass sie die wahre Liebe erst jetzt kennenlernen konnte, weshalb man mit dem jungen Paar, dem nur so wenig Zeit bleibt, mitleidet. Dabei ist James ein Charakter, der zunächst zu perfekt erscheint, durch seine Unsicherheit mit der ganzen Situation jedoch vielschichtiger wird und letztlich überfordert ist, was ihn so menschlich und nahbar macht. 

"Für immer ist ein Augenblick" ist eine herzzerreißend emotionale, aber keine deprimierende Geschichte. Der Schreibstil ist einfühlsam und lässt einen eindringlich in die Geschichte und Avas Schicksal eintauchen, so dass man trotz aller Aussichtslosigkeit auf ein Wunder hofft. Es ist eine bittersüße und zugleich kraftvolle Geschichte, die das Leben im Augenblick in den Fokus rückt. Dabei sind "Avas Notizen", eine Art Kolumne für die Zeitschrift "Women's Week", die sie mit der Intention schreibt, Frauen darauf aufmerksam zu machen, auch jung an Brustkrebs erkranken zu können, besonders bewegend. Es sind kluge Worte einer sterbenden Frau, die zum Nachdenken über das eigene Leben anregen. 

Der Roman zeigt, dass es nie zu spät ist, die große Liebe zu entdecken und dass dies trotz aller Tragik erfüllender ist, als sie nie erlebt zu haben. Taschentuch-Alarm für alle Leserinnen - nicht nur die, die nah am Wasser gebaut sind!



Freitag, 6. Dezember 2019

Buchrezension: Nuala Ellwood - Der Unfall

Inhalt: 

Sechzig Sekunden nachdem sie aus dem Koma erwacht, bricht Maggies Welt in Stücke: Man teilt ihr mit, dass ihre Tochter Elspeth tot ist. Sie ertrank, als der Familienwagen in den Fluss stürzte. Maggie kann sich an nichts erinnern – aber sie wird das Gefühl nicht los, dass irgendetwas an der Geschichte nicht stimmt. Als sie darum bittet, ihren Mann zu sehen, erfährt sie, dass Sean spurlos verschwunden ist. Was ist wirklich an dem verhängnisvollen Tag am Fluss passiert? Wo ist Sean? Und warum kann sich Maggie des Verdachts nicht erwehren, dass ihre Tochter irgendwo, irgendwie noch am Leben ist? 

Rezension: 

Nach zehn Wochen erwacht Maggie aus dem Koma und erfährt, dass ihre geliebte Tochter Elspeth tot ist. Die 10-Jährige ist ertrunken, als sie auf der Rückbank alleine im Auto wegen einer unsachgemäß angezogenen Handbremse in einen See gerollt war. Maggie hatte noch versucht, ihre Tochter aus dem abgeschlossenen Wagen zu befreien, kann sich aber an nicht mehr an die tragischen Umstände des Unglücks erinnern - weder warum sie überhaupt mit ihrer Tochter unterwegs war, noch warum sie Elspeth im Auto eingeschlossen hatte. Als Maggie dann auch noch gesagt wird, dass ihr Ehemann Sean verschwunden ist, gerät sie erst recht ins Grübeln und zweifelt an der Version der Geschichte. Aus dem Krankenhaus entlassen, versucht sie herauszufinden, was sich an dem Unfalltag ereignet und weshalb Sean sie verlassen hat. Maggie glaubt nicht daran, dass Elspeth wirklich tot ist und fühlt sich darin bestärkt, als sie einen Brief erhält, der vermeintlich von Elspeth stammt. 

Der Roman ist aus der Perspektive von Maggie geschrieben, so dass man als Leser keine neutrale Sicht auf die Dinge hat. Maggie bleibt dabei lange schwer einschätzbar, aber ihre Vergangenheit, die nach und nach aufgerollt wird, belegt, dass sie eine labile Persönlichkeit ist. 

Die Kapitel werden durch Briefe unterbrochen, die ein entführtes Kind an seine Mummy geschrieben hat und mit "deine liebe Tochter xxx" unterzeichnet sind. 

Der Roman ist eine Mischung aus Drama und Thriller. Es geht um eine traumatische Vergangenheit und die Aufklärung eines Todesfalls in der Gegenwart. Dabei kann man sich gut in Maggie als verzweifelte Mutter hineinversetzen, spürt aber genau, dass sie etwas verbirgt. 
Durch die vielen offenen Fragen, die im Zusammenhang mit dem Unfall stehen, die steten Enthüllungen und Wendungen, ist der Roman abwechslungsreich geschrieben und bis auf wenige Längen im Mittelteil spannend zu lesen. Lange bleibt rätselhaft, wie die Vergangenheit Maggies mit den Ereignissen der Gegenwart zusammenhängt und welche Rolle ihr Ehemann spielt. 
Auch wenn man im letzten Drittel eine Ahnung bekommt, was die Hintergründe für das Unfallszenario sein könnten, bleibt es dennoch bis zum Schluss spannend, ob Elspeth tatsächlich ums Leben gekommen ist oder ob es sich um eine Verschwörung gegen Maggie handelt und die 10-Jährige wie ihr Vater verschwunden ist. 
Das Ende überrascht, war mir für den bisherigen Verlauf des Romans aber zu großherzig und in Bezug auf die handelnden Akteure überzogen und nicht ganz glaubwürdig. 



Mittwoch, 4. Dezember 2019

Buchrezension: Tracy Buchanan - Die Meerestochter

Inhalt: 

Ein Ausflug an die englische Küste wurde für Becky zum traumatischen Erlebnis. An diesem Tag trifft ihre Mutter den Mann, in den sie sich verlieben und für den sie ihre Familie verlassen würde. Drei Jahrzehnte später hat Becky kaum Kontakt zu ihrer Mutter Selma, als sie einen Anruf bekommt. Selma hat nur noch wenige Wochen zu leben. Und sie muss Becky etwas mitteilen, das seit vielen Jahren schwer auf Selma lastet. Denn sie hatte noch eine Tochter, nur wenige Jahre jünger als Becky selbst. Bevor Becky mehr erfahren kann, stirbt ihre Mutter. Becky geht auf die Suche nach der verlorenen Schwester – eine Suche, die sie rund um die Welt und in Selmas rätselhaftes Leben führt. Doch es gibt Menschen, die das, was damals passierte, für immer in Vergessenheit geraten lassen wollen. 

Rezension: 

Im Sommer 1991 verlässt Selma ihren Ehemann und ihre achtjährige Tochter, um sich den "Kindern des Flusses", einer kleinen Gruppe von Menschen anzuschließen, die sektenähnlich in Höhlen leben und ihren Anführer Idris anbeten. Selma hat die Hoffnung, in der Hölle "in den Fluss" zu gelangen, um ihr zweites Buch, das bisher nur wenige Seiten umfasst, schreiben zu können. Sie saugt die besondere Atmosphäre der Höhlen am Strand auf, profitiert von dem einfachen Leben und verliebt sich in den charismatischen Idris. Sie lässt sich auf das Aussteigerleben ein, auch wenn ihr bewusst ist, dass sie damit ihre Tochter verlieren wird, denn ihr Ehemann und auch das Jugendamt bewerten das Leben in der Höhle als nicht kindgerecht. 
2018 nimmt Selma Kontakt mit ihrer Tochter auf, als sie im Sterben liegt. Sie möchte nicht im Hospiz, sondern in der Höhle sterben und Becky erfüllt ihr trotz der Wut und des seit Jahren eingestellten Kontakts ihren letzten Wunsch. Dabei eröffnet ihr Selma, dass sie mit Idris eine Tochter hatte. Becky macht sich daraufhin auf die Suche nach ihrer Halbschwester, die sie in Höhlen in Spanien, Slowenien und Russland führen wird. 

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und erzählt aus der Perspektive von Selma in der Vergangenheit, was sich im Sommer 1991 und den Folgemonaten ereignet und was zur Entzweiung von Mutter und Tochter geführt hat. Die Gegenwart 2018 schildert die Suche von Becky nach ihrer Schwester, nach der Wahrheit, die ihre Mutter durch so viele Lügen immer anders darstellte, und auch die Suche zu sich selbst. 

Es ist eine spannende Geschichte um eine Mutter, die sich von ihrem Leben mit Ehemann, kleiner Tochter und Bürojob eingeengt und missverstanden fühlt und keinen Raum hat, um sich selbst zu entfalten und den von ihr erträumten nächsten Bestseller zu schreiben. Dabei ist ihr Charakter so vielschichtig, dass man sie nicht als egoistisch und lieblos verurteilen kann, auch wenn nachvollziehbar ist, warum Becky, tief enttäuscht, nichts mit ihrer Mutter zu tun haben möchte. 

Durch die emotionale und packende Erzählung kann man sich gut in beide Frauen hineindenken und ihre widerstreitenden Gefühle nachvollziehen. Selmas Entscheidungen und Handlungen sind irritierend und können wütend machen, aber letztlich ist sie ein Mensch, der auch von ihrer nicht einfachen Kindheit geprägt ist und Fehler macht. 
Darüber hinaus überzeugt das Buch durch sehr anschaulich dargestellte Schauplätze und die Mystik, die die "Kinder des Flusses" um den Künstler Idris umgibt. 

Der Roman überrascht auf beiden Zeitebenen stetig mit Wendungen und Cliffhangern am Kapitelende, dass man unweigerlich weiterlesen muss. Am Ende verblüffen beide Erzählstränge mit Auflösungen, mit denen nicht zu rechnen war. 

"Die Meerestochter" ist eine spannende Mutter-Tochter-Geschichte, eine interessante Charakterstudie, ein Roman über die Suche nach sich selbst und die Chance des Verzeihens und der Versöhnung mit der Vergangenheit - eine perfekte Mischung aus Emotionen, Mystik und Roadtrip.  

Wie schon der erste Roman von Tracy Buchanan "Die Mitternachtsschwestern", der ins Deutsche übersetzt wurde, konnte mich auch "Die Meerestochter" begeistern.