Montag, 30. Mai 2016

Buchrezension: Lucie Bach - Triplo X

Inhalt:

Weltweit wurden inzwischen fünf Millionen Menschen durch künstliche Befruchtung geboren, trotzdem ist diese Methode noch immer ein Tabu. Die Reproduktionsmedizin schockiert die öffentliche Moral mit ihren Schlagzeilen: In den USA bekam die sogenannte Octomom durch künstliche Befruchtung Achtlinge, und eine 65-jährige Berlinerin brachte kürzlich Vierlinge zur Welt. Daneben entstehen durch künstliche Befruchtung still und heimlich unzählige neue Familien, die sich kaum dazu bekennen mögen.

Und nicht jeder dieser Wege zum Wunschkind ist legal: Obwohl in Deutschland jährlich 300 bis 400 Kinder durch eine Eizellspende geboren werden, ist sie hierzulande im Gegensatz zur Samenspende verboten. Auch mit der Embryonenadoption und der Leihmutterschaft revolutioniert der internationale Markt der Reproduktionsmedizin unser althergebrachtes Familienbild an den deutschen Gesetzen vorbei. Reproduktives Reisen nennt sich das, was viele hetero- und homosexuelle Paare, Alleinstehende mit Kinderwunsch und auch Lucie Bachs Protagonistin Marta ins Ausland treibt.

Lucie Bachs Roman TRIPLO X ist die psychologisch feinsinnige Geschichte eines unbändigen Wunsches.

Als Überlebende einer Mutterkatastrophe will die Icherzählerin Marta es mit einem eigenen Kind unbedingt besser machen. Sie und ihre große Liebe Tom machen mehrere künstliche Befruchtungsversuche, bis sich herausstellt, warum Marta nicht schwanger werden kann: Sie hat das Triplo-X-Syndrome, eine Erbkrankheit, bei der das X-Chromosom nicht zwei-, sondern dreimal vorkommt. Martas Welt bricht zusammen. Sie will eine in Deutschland verbotene Eizellspende durchführen lassen. Wäre da nicht der Zweifel, ob sie einem Kind, das genetisch nicht einmal das eigene ist, geben kann, was sie selbst nicht bekam.

Martas Kampf um ein Kind ist auch eine Reise zu sich selbst. Melancholisch und humorvoll führt uns der Roman durch den Dschungel der Reproduktionsmedizin und stellt große Fragen unserer Zeit: Darf Fortschritt machen, was Fortschritt kann? Ist genetische Herkunft wichtig, und wie weit gehe ich für meinen Kinderwunsch?

Rezension:

Aufgrund des Klappentextes bin ich davon ausgegangen, dass es sich bei "Triplo X" um ein Sachbuch handelt, das sich mit dem Thema Eizellspende befasst. Dies ist allerdings nicht der Fall. Es ist vielmehr ein Roman, in welchem es um eine Frau geht, die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen kann und bei der auch alle ICSI-Versuche nicht zu einer Schwangerschaft geführt haben.

Als sie dann auch noch mit der Diagnose "Triple-X-Syndrom" konfrontiert wird, kommt für sie nur noch die in Deutschland verbotene Eizellspende in Frage.

Der Roman beschreibt sodann den schwierigen (medizinischen) Weg Martas mit allen Höhen und vielen Tiefen sowie die Zeit des Hoffens und Bangens, bis es letztlich zur ersehnten Schwangerschaft und zur Geburt eines gesunden Jungens kommt.

Marta ist ein sehr sehr schwieriger Charakter, der mir das Lesen trotz des interessanten und durchaus umstrittenen Themas nicht leicht gemacht hat.
Marta ist nicht verheiratet, aber seit ca. acht Jahren mit ihrem Lebensgefährten Tom zusammen. Beide hatten eine schwierige Kindheit und vor allem Marta hat als Kind unter ihrer Mutter, die sie wegen ihrer Gefühlskälte nur "Alaska" nennt, gelitten, da sie sich nicht von ihr geliebt fühlte. Inzwischen ist ihre Mutter verstorben, aber bis heute hat sie ihr Kindheitstrauma weder verarbeitet, noch kann sie es ruhen lassen. Der penetrante und kompromisslose Kinderwunsch wird zum Selbstzweck und steht über allem, auch wenn sie selbst Zweifel hat, ob sie in der Lage sein wird, ihr Kind zu lieben.

Mit ihrer Idee der Eizellspende stößt sie ihren Freund Tom vor den Kopf und lässt ihm keine andere Wahl als sein Sperma zur Verfügung zu stellen. Sie erpresst ihn geradezu, da sie ihr Vorhaben auch ohne sein Einverständnis durchführen würde. Ihr unmögliches Verhalten und ihre Unersättlichkeit (schwanger ja, aber bitte keine Mehrlinge und auch bitte kein Junge...), Unzufriedenheit und Psychosen erstrecken sich über den gesamten Roman bis nach der Geburt von Florimond etwas Normalität einkehrt. Dann wünscht sich Marta ein zweites Kind...

Ich fand es ein bisschen schade, dass die Autorin Marta so schwierig und negativ gezeichnet hat. So rückte das eigentliche Thema der Eizellspende für mich ein wenig in den Hintergrund, weil ich mich seitenweise über Martas Verhalten ärgern musste und über all die anderen Menschen, die einfach nur zugeguckt und sie wie Tom mit Verständnis und der Gabe von Valium auch noch ihre emotionalen Ausbrüche unterstützt haben.

Ob man die Eizellspende aus ethischen Gesichtspunkten gutheißen mag oder nicht - das Buch macht sie prosaisch zum Thema ohne Anspruch zu erheben, über alle Widrigkeiten oder Alternativen aufklären zu wollen. Darf Fortschritt machen, was Fortschritt kann? Diese Frage wird auch ein Roman nicht lösen können, "Triplo X" möchte jedoch aufzeigen, dass die genetische Herkunft für einen Kinderwunsch oder Mutterliebe nebensächlich sein kann.


Samstag, 28. Mai 2016

Buchrezension: Clélie Avit - Ich kenne dich aus meinen Träumen

Inhalt:

Elsa verspürt keine Kälte mehr, keinen Hunger, keine Angst. Sie liegt im Koma. Doch sie hört alles um sich herum. Hört, dass die Ärzte die Hoffnung aufgegeben haben und die Maschinen, die sie am Leben erhalten, abstellen wollen. Hört, dass sie auch für ihre Freunde und Familie eigentlich schon verschwunden ist. Bis eines Tages Thibault aus Versehen in ihr Zimmer platzt. Er beginnt mit ihr zu sprechen, ohne Antworten zu erwarten. Erzählt ihr von sich und dem Leben. Und er kommt wieder. Jeden Tag, da er sie in ihrem Zimmer besucht, wächst das Gefühl der Verbundenheit zwischen dem fremden Mann und dem schlafenden Mädchen. Denn Thibault sieht etwas, das alle anderen nicht mehr erkennen: Elsa ist noch da.

Rezension:

Elsa ist 29 Jahre alt und liegt nach einem Unfall bei einer Gletscherwanderung seit sechs Wochen im Koma. Ihr Zustand ist stabil, aber aus Sicht des Chefarzt gibt es keine Hoffnung mehr, dass Elsa aufwacht. Die Eltern sind unsicher, ob sie die Geräte, die Elsa daran hindern zu ersticken, abschalten sollen.

Thibault fährt regelmäßig seine Mutter ins Krankenhaus, in dem sein Bruder Sylvain auf der selben Station wie Elsa liegt. Sylvain hat im alkoholisierten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht und dabei zwei Mädchen getötet. Thibault kann ihm dies nicht verzeihen, weshalb er seinen Bruder auch nicht besuchen möchte. Als er an einem Besuchstag der Mutter das Krankenhaus wie üblich verlassen möchte, irrt er sich an der Tür und betritt versehentlich das Zimmer von Elsa. Hier ist es angenehm ruhig, es duftet zart nach Jasmin und Thibault beschließt, dass dies ein guter Ort ist, um ein kleines Nickerchen auf dem Besucherstuhl zu machen während er auf seine Mutter wartet. 

Thibault kommt seit diesem Tag regelmäßig zu Elsa und verliebt sich in sie, was er selbst als verrückt empfindet. Auch sein bester Freund Julien, um dessen Tochter sich Tibault liebevoll als zukünftiger Patenonkel kümmert, beginnt sich Sorgen zu machen.
Elsa, die Geräusche schon vier Wochen nach ihrem Unfall wieder hören konnte, beginnt auch Thibault körperlich wahrzunehmen. Seine Besuche sind ganz anders als die immer seltener werdenden Besuche ihrer Eltern oder ihrer Schwester. Er geht viel unbedarfter mit ihr um, legt sich sogar zu ihr in das Bett, als ihm der Besucherstuhl zu unbequem wird. Elsas Ziel ist es aufzuwachen und sei es nur, um einen Moment Tibault zu sehen. Sie beginnt für sich mit Übungen, den Kopf zu drehen und die Augen zu öffnen - doch vergebens.
Einzig Thibault nimmt wahr, dass Elsa sich verändert und auf seine Stimme reagiert. Die Ärzte bezweifeln dies und tun vermeintliche Reaktionen als Reflexe ab. Sie überzeugen die Eltern, die Geräte abzuschalten. Der Tag X ist gekommen.

"Ich kenne dich aus meinen Träumen" ist ein leises Buch, in welchem sich die Handlung auf ein Krankenhauszimmer und Szenen zwischen Thibault und Julien reduziert. Dennoch ist es so emotional bewegend geschrieben, dass man die Seiten nahezu verschlingt, um zu erfahren, wie der Roman weitergeht. Bis zum Schluss ist völlig offen, wie sich der Zustand von Elsa entwickeln wird und ob sie überhaupt eine Chance erhält, sich wieder ins Leben zurückzukämpfen.

Erschreckend ist, wie die Ärzte überzeugt sind, dass Elsa "hin" ist und dies in ihrer Gegenwart sagen. Man fühlt mit Elsa mit, die jedes Wort hört, die Signale empfangen, aber nicht senden kann.
Das Buch ist weder traurig, noch kitschig, sondern voller Hoffnung. Es ist eine wunderschöne Geschichte, um eine zarte Liebe, die sich fast schon magisch zwischen dem ruhigen Thibault und der Kämpfernatur Elsa entwickelt.

Ein Buch, dass ich bis zum Ende nicht aus den Händen legen konnte. Ich hätte auch noch zahlreiche weitere Besuche von Thibault bei Elsa lesen können - insofern schade, dass der Roman mit 253 Seiten recht kurz gefasst ist. Ich bin auf weitere Bücher der Autorin gespannt!


Mittwoch, 25. Mai 2016

Buchrezension: Amelia Freer: Glow: Gut essen, glücklich leben

Inhalt: 

Stars wie Sam Smith oder Boy George schwören auf sie. Nun verrät die Ernährungstherapeutin Amelia Freer ihre wirkungsvolle Foodphilosophie und lüftet das Geheimnis, wie man von innen heraus strahlt. Mithilfe von zehn einfachen Schritten kann jeder Ernährung, Gesundheit und Leben positiv verändern, sodass überflüssige Pfunde, körperliche Beschwerden und Antriebslosigkeit der Vergangenheit angehören. Ihre raffinierten Rezepte zeigen, wie man sich gesund und voller Genuss ernährt. Gut essen war noch nie so einfach, und der Lohn dafür noch nie so groß!

Rezension:

"Gut essen, glücklich leben" - aufgrund des Untertitels war ich gespannt darauf, das Buch von Amelia Freer, einer Ernährungsberaterin aus England, zu lesen. Ziel ihrer Ernährungsberatung ist es, sich durch gesunde Ernährung rundum wohl zu fühlen - ganz ohne Diäten oder Kalorienzählen.

Ihre zehn Schritte hin zu einer gesunden Ernährung wie "Achtsamkeit beim Essen" oder "Seien Sie konsequent, nicht perfekt" klingen auf den ersten Blick logisch und motivierend, sind allerdings auch sehr allgemein und lassen viel Interpretationsspielraum zu.
Freer interpretiert diesen dahingehend, dass sie Zucker, Gluten, Alkohol, Milchprodukte und Koffein rigoros ablehnt. Bei Alkohol und Zucker mag dies noch verständlich sein. Als gesunder Mensch ohne Unverträglichkeiten komplett auf glutenhaltige Nahrungsmittel wie Brot und Nudeln oder Milchprodukte wie Joghurt zu verzichten, ist für mich nicht verständlich. Freer erklärt dies damit, dass glutenhaltige Nahrungsmittel in Zucker umgewandelt wird, der per se schlecht ist und weil Milchprodukte Krebs auslösen könnten.

Für mich ist ihr Ernährungskonzept, das wegen der vielen Verbote Nahrungsergänzungsmittel wie Probiotika, Vitamin D3 oder essenzielle Fettsäuren vorsieht, nicht alltagstauglich und würde mich vielleicht schlank, aber nicht glücklich machen. 10 bis 13 Obst- und Gemüseportionen, davon am besten 3 x Obst und 10 x Gemüse, schlägt die Autorin vor, lehnt aber gleichzeitig Zwischenmahlzeiten ab. Drei Hauptmahlzeiten dürften damit fast ausschließlich aus Gemüse bestehen. 

Auch wenn Freer Diäten ablehnt, klingen ihre Rezeptvorschläge wie Blumenkohlpizza oder Buchweizensandwich eher nach Low Carb- oder Paleo-Diät.
Des Weiteren liest sich ihr Ernährungsgrundsatz der "Nahrungsmittel-Kombinations-Methode" wie ein Diätratgeber. Ihr "Baukastensystem" besteht aus Smoothies, Salaten und Suppen, die man sich eben unterschiedlich "zusammenbauen" kann.

Davon abgesehen bleibt das Buch sehr theoretisch, was aber nicht weiter verwunderlich ist, da es von einer Ernährungswissenschaftlerin und nicht von einer Köchin geschrieben wurde. Wer sich von "Glow" eine Art Kochbuch mit einer Auswahl an gesunden, glücklich machenden Rezepten erhofft, wird darin nicht fündig werden.


Samstag, 21. Mai 2016

Buchrezension: Lori Nelson Spielmann - Morgen kommt ein neuer Himmel

Inhalt:

Als Brett 14 Jahre alt war, hatte sie noch große Pläne für ihr Leben, festgehalten auf einer Liste mit Lebenszielen. Heute, mit 34 Jahren, ist die Liste vergessen und Brett mit dem zufrieden, was sie hat: einen Freund, einen Job, eine schicke Wohnung.
Doch als ihre Mutter Elizabeth stirbt, taucht die Liste wieder auf: Aus dem Mülleimer gefischt, hat ihre Mutter die Liste aufgehoben, und deren Erfüllung zur Bedingung gemacht, damit Brett ihr Erbe erhält – und zwar innerhalb von 12 Monaten.
Aber Brett ist nicht mehr das Mädchen von damals. Ein Baby bekommen? Das hat sie schon lange ad acta gelegt. Ein Pferd kaufen? In ihrer Wohnung sind nicht mal Haustiere erlaubt. Eine gute Beziehung zu ihrem Vater aufbauen? Ha – der ist seit sieben Jahren tot. Sich verlieben? Die einzig wahre, große Liebe gibt es doch nur im Film.

Um sie bei der Erfüllung ihrer Ziele zu unterstützen, hat ihre Mutter Brett mehrere Briefe hinterlassen. Wütend, enttäuscht und verletzt liest Brett den ersten Brief – und ist überwältigt von der liebevollen und fürsorglichen Nachricht ihrer Mutter, die gespürt hat, dass Brett in ihrem Leben nicht glücklich ist. Die Briefe ihrer Mutter rufen Brett dazu auf, ihre Träume nicht aufzugeben und ihr Leben in die Hand zu nehmen – denn nur sie selbst kann es ändern …
Kann Elizabeth ihrer Tochter dabei helfen, sich selbst wiederzufinden?

Rezension:

Die Mutter der 34-jährigen Brett ist an Krebs verstorben. Brett hatte im Familienunternehmen im Bereich Marketing gearbeitet und Elizabeth bis zum Schluss gepflegt. Bei der Testamentseröffnung geht sie davon aus, dass sie ein stattliches Vermögen erbt und die Geschäftsführung des Unternehmens übernehmen wird. Im Gegensatz zu ihren Brüdern geht Brett allerdings zunächst leer aus und wird von ihrer Mutter sogar post mortem entlassen. Ihr Erbe ist an eine Bedingung geknüpft: Brett soll die Ziele verwirklichen, die sie sich als Teenager gesetzt hatte. Diese Ziele, wie sich einen Hund und ein Pferd anschaffen, ein Haus kaufen, eine Beziehung zu ihrem Vater aufbauen, wieder in ihrem Lehrberuf arbeiten, ein Kind bekommen etc., passen gar nicht zu Bretts aktuellem Leben und scheinen innerhalb eines knappen Jahres nur schwer umzusetzen. Fraglich ist auch, ob diese Ziele für Brett heute noch wichtig sind. Kannte ihre Mutter Brett besser als sie sich selbst? Ist Andrew der richtige Mann in ihrem Leben? Wie soll sie sich mit ihrem verstorbenen Vater versöhnen?

Mit der Unterstützung des Anwalts Brad, der die Briefe verwaltet, die Elizabeth Brett hinterlassen hat, beginnt sie peu à peu ihre vergessenen Ziele abzuarbeiten.

Durch die zahlreichen positiven Bewertungen war ich gespannt auf diesen Roman, dessen Grundidee vielleicht nicht ganz neu ist, aber dennoch ein interessanter Ansatz ist, um sich selbst besser kennenzulernen oder das eigene Leben zu überdenken. Brett ist - mittellos und ohne Job - gezwungen, zumindest zu versuchen, die von der Mutter auferlegten Ziele zu erreichen, um ihren Anteil des Erbes zu erhalten.

Der Roman ist, wenig überraschend, vorhersehbar und plätschert bis zum Happy End ein wenig ohne große Spannung aufzubauen, dahin. Durch viele passende Zufälle oder Schicksalsschläge anderer Personen fallen Brett die Ziele quasi ohne viel eigenes Zutun entgegen. Darüber hinaus ist ihr eigenes Verhalten von einem zunehmend nervenden Gutmenschentum und der Dominanz der Übermutter geprägt.
Brett setzt gezwungenermaßen ihre Teenagerziele bzw. die Ziele ihrer Mutter um, die sich ihre Tochter offenbar als Lehrerin und tierliebende Mutter vorstellte sowie mit ihrem bis dato Lebensgefährten Andrew nicht einverstanden war. Ob Brett mit dem kompletten Umkrempeln ihres Lebens am Ende glücklicher ist, bleibt ungeklärt.

"Morgen kommt ein neuer Himmel" war für mich aufgrund der hohen Erwartungen, die ich wegen der vielen überschwänglichen Rezensionen hatte, leider etwas enttäuschend und letztlich ein etwas seichter Roman, der an Cecelia Aherns "P.S. Ich liebe dich" erinnert.



Mittwoch, 18. Mai 2016

Buchrezension: Jeanette Winterson - Der weite Raum der Zeit

Inhalt:

Der Londoner Investmentbanker Leo verdächtigt seine schwangere Frau MiMi, ihn mit seinem Jugendfreund Xeno zu betrügen. In rasender Eifersucht und blind gegenüber allen gegenteiligen Beweisen verstößt er MiMi und seine neugeborene Tochter Perdita. Durch einen glücklichen Zufall findet der Barpianist Shep das Baby und nimmt es mit nach Hause. Jahre später verliebt sich das Mädchen in einen jungen Mann – Xenos einzigen Sohn. Zusammen machen sie sich auf, das Rätsel ihrer Herkunft zu lösen und alte Wunden zu heilen, damit der Bann der Vergangenheit endlich gebrochen wird.

Jeanette Winterson spielt souverän mit Figuren und Handlung aus Shakespeares "Das Wintermärchen" und erzählt eine verblüffend moderne Geschichte über rasende Eifersucht, blinden Selbsthass und die tiefe Sehnsucht in uns, die Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen.

Rezension:

Der Roman "Der weite Raum der Zeit" ist Teil des Hogarth Shakespeare-Projekts des Knaus-Verlags. Acht internationale Top-Autoren interpretieren Stücke von Shakespeare neu und Jeanette Winterson macht mit William Shakespeares "Wintermärchen" den Anfang.



Ich muss zugeben - ich habe das "Wintermärchen" im Original nicht gelesen. Zu Beginn des Buches wird die Erzählung für alle Unwissenden zusammengefasst: König Leontes ist der Überzeugung, dass seine Ehefrau ihn mit seinem besten Freund betrügt und von diesem ein Kind erwartet. Er verstößt seine Frau und lässt die neugeborene Perdita verschwinden. Als erwachsene Frau verliebt diese sich in den Sohn des ehemaligen besten Freundes des Königs und begibt sich mit ihm auf die Suche nach ihrer Herkunft.
Jeanette Winterson hat die Vorlage in die heutige Zeit verlagert, die Grundgeschichte bleibt allerdings unverändert.
Der Investmentbanker Leo, der als Jugendlicher selbst eine amouröse Beziehung zu seinem immer noch besten Freund Xeno pflegte, ist rasent eifersüchtig auf das gute Verhältnis zwischen Xeno und seiner Frau und fühlt sich immer mehr in dem Wahn bestärkt, dass das ungeborene Baby Xenos Kind ist. Er trennt sich von seiner Frau und lässt die neugeborene Tochter vom Gärtner wegbringen. Dieser stirbt bei der Aktion aus unglücklichen Umständen bei einem vesuchten Raubmord, kann Perdita aber noch in eine Babyklappe retten. Da diese sich nicht schließt, wird Perdita von dem alleinerziehenden Vater Steph gefunden, der das Baby zusammen mit einem Koffer voller Geld aufnimmt. Als Leo für eine Zeit untertauchen möchte, stirbt sein Sohn Milo bei einem Unfall am Flughafen, den er kurzerhand entführen wollte.

Im Glauben an eine Adoption wächst Perdita behütet mit ihrem älteren Stiefbruder Clo auf. Beim 70. Geburtstag von Steph lernt sie Zel näher kennen, den sie bisher nur flüchtig wahrgenommen hatte. Zel ist von der hübschen, selbstbewussten und musikalisch talentierten Perdita sofort angetan. Auch Perdita empfindet etwas für den sensiblen jungen Mann, der wie sie eine etwas ungewöhnliche Kindheit hatte. Die beiden beginnen sich gemeinsam mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Als Steph einen Schlaganfall erleidet und ins Krankenhaus kommt, erzählt Clo seiner Stiefschwester Perdita die wahre Geschichte ihrer vermeintlichen Adoption. Zusammen mit Zel begibt sie sich aufgrund der Überschneidungen ihrer Herkunft auf die Suche nach ihrem leiblichen Vater Leo.

"Der weite Raum der Zeit" ist ein Roman über ein Findelkind, das letztlich bei Fremden geliebter aufwächst als bei den eigenen Eltern, die ihr aufgrund dem Wahn des Vaters und der Trauer der Mutter über den verstorbenen Sohn und den unberechenbaren Ehemann, kein Gefühl von Zuhause hätten geben können.

Am Ende treffen alle Personen aufeinander und wie bei Shakespeare, in dessen letzten Werken es mehr um Verzeihen und Vergeben als um Rache und menschliche Tragödien ging, finden auch die Schicksale in der heutigen Zeit zu einem versöhnlichen Ende. Insbesondere Leo, der das Unglück für seine eigene Familie zu verantworten hat, erscheint geläutert. Unklar bleibt allerdings bis zum Schluss, warum sein Anfall von Eifersucht derart übertrieben ausfallen musste, dass zwei Personen ums Leben kommen mussten und ein Baby einem ungewissen Schicksal überlassen wurde.

Jeanette Winterson hat es mit "Der weite Raum der Zeit" geschafft, eine Tragikomödie aus dem frühen 17. Jahrhundert in die Moderne zu adaptieren. Der Roman ist der Beweis, dass die Konfliktthemen von damals - und damit auch Shakespeare und seine Werke - nach wie vor aktuell sind. 


Samstag, 14. Mai 2016

Buchrezension: Claudius Pläging - Meer geht nicht

Inhalt:

Niemand würde wegen einer Krawatte durch ganz Europa fahren – niemand außer Jonathan. Doch er hat einen guten Grund: die Liebe zu seiner Freundin Friederike, die ihm die Krawatte für die anstehende Hochzeit geschenkt hat. Durch unglückliche Umstände landet das gute Stück im Altkleidercontainer, und Jonathan hat plötzlich statt einer Krawatte jede Menge Ärger am Hals. Kurzerhand überredet er seine wenig begeisterten Kumpel Tillmann und Frank, den geplanten Trip ans Meer einer waghalsigen Rettungsmission zu opfern. Dass dann auch noch die Anhalterin Pauline zu den dreien ins Auto steigt, macht die Sache nicht einfacher. Sie würde Jonathan übrigens niemals zwingen, eine Krawatte zu tragen.

Rezension:

Jonathan st ein "Gewohnheitsstier", Veränderungen mag er nicht, erhält lieber an dem fest, was er hat. Sein Lebensmotto könnte deshalb auch "Never change a running system" lauten. Seine Freundin Friederike möchte schon länger einen Schritt weitergehen und schenkt Jonathan eine Krawatte - ein Zeichen, ihn zu einer Heirat zu bewegen. Die abwehrende Haltung Jonathas führt zum Streit, Friederike zieht kurz entschlossen aus und die Krawatte landet als "reinigendes Ritual" in einem Altkleidercontainer. Kumpel Tillmann überredet ihn zudem zu einem Männerurlaub in Italien.

Schon bald bereut Jonathan das Beziehungsaus (Stichwort Lebensmotto!), die Versöhnung mit Friederike mit der Option auf Hochzeit folgt - nur die Krawatte ist weg. Die Bemühungen, das gute, golden gestreifte Stück aus dem Altkleidercontainer zu fischen, schlagen fehl. Als Jonathan im (!) Container ist, stellt er fest, dass dieser bereits geleert wurde. Nachforschungen ergeben, dass die Kleidung sich bereits auf dem Weg nach Osteuropa befindet.

Da die Route des Lkw von Leverkusen nach Rumänien zunächst identisch mit der Fahrtroute der Jungs nach Italien ist, verfolgen sie den Lkw voll Altkleidern.
Es folgt ein Roadtrip voller Pleiten, Pech und Pannen auf der irrwitzigen Fahrt immer ein Hauch an der Krawatte vorbei. Auch wenn die Jungs viele Opfer bringen: Da werden die neuesten Handy als GPS-Sender genutzt und unter den Lkw geklebt, Tillmanns Audi notgedrungen in einen Lada eingetauscht und an einer Seniorenbusreise teilgenommen. Nebenbei müssen aber auch Urlaubseindrücke in Form von Fotos und Videos eingefangen werden, um Friederikes Misstrauen nicht zu wecken... Und trotzdem heißt es immer wieder "...wir stolpern hier von einem Kack in den nächsten!" (S. 182).

"Mee(hr) geht nicht!" - Ein herrlich, sommerliches Lesevergnügen, ob zu Hause oder als schmale Urlaubslektüre für die Sonnenliege. Ein Roman, der aufgrund des großartigen Humors von Claudius Pläging für Frauen und Männer gleichermaßen geeignet ist.
Ich habe Jonathan und Co. gerne auf ihrem unvorgesehenen, aber letztlich für Jonathans Zukunft sehr erhellenden Roadtrip begleitet, auch oder gerade weil er mit einer gehörigen Portion Fremdschämen verbunden war. Schade, dass der Roman, der zum Glück ohne platte Kalauer auskommt, sondern mit Wortwitz und Situationskomik punktet, mit knapp 300 Seiten relativ kurz ist. Ein absurder Roman mit ganz viel Charme!


Mittwoch, 11. Mai 2016

Buchrezension: Friedrich Kalpenstein - Das Leben ist kein Zweizeiler

Inhalt:

Alexander ist Autor und geschieden. Gemeinsam mit seinem Rauhaardackel Leo wohnt er in München. Seit seinem Bestseller hindert ihn eine Schreibblockade, an diesen Erfolg anzuknüpfen. Mit dem Schreiben von Groschenromanen hält er sich zwischenzeitlich über Wasser.

"Ein Single, der sich auf den Weg macht, die große Liebe zu finden", das soll der Inhalt seines neuen Bestsellers sein. Getrieben von dieser Idee stürzt er sich auf den Singlemarkt. Natürlich rein zur Recherche. Unterstützt wird er hierbei von Michaela, einer langjährigen Freundin und Psychologin, die in Alexander eine Art Projekt sieht. Ob Alexander zu seiner alten Form zurückkehrt und auf die Frau seines Lebens trifft …?

Rezension:

"Das Leben ist kein Zweizeiler" handelt von Alexander Kranzberger aus München, der als Autor bisher einen sehr erfolgreichen Kriminalroman veröffentlicht hat und nun in einer kleinen Schaffenskrise steckt. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich derzeit unter Pseudonym durch das Verfassen von so genannten Groschenromanen, die ihm beim Schreiben schon zuwider und peinlich sind.
Privat ist von Ex-Ehefrau Heike geschieden. Als erfolgreiche Ärztin in Grünwald war Alexanders kreatives Schaffen als Autor ihr nie gut genug. Die beiden verbindet heute nur noch "Scheidungsdackel" Leopold.
Trotz des geteilten Sorgerechts lebt Leo die überwiegende Zeit bei Alexander, wo sich der sehr vermenschlichte Dackel gerne mit Leberwurst von Feinkost Käfer verwöhnen lässt. Herrchen und Hund verbringen ein sehr entspanntes Junggesellendasein, bis Alexander von seiner besten Freundin und Psychologin Michaela von einem Single-Event zum nächsten geschleppt wird. Auf diese Weise sollen beide endlich neue Partner kennenlernen. Für Alex sind die Begegnungen mit den übrig gebliebenen Single-Frauen eher abschreckender Natur, sie bringen ihm aber viele inspirierende Ideen für einen neuen Roman. Dieses Mal soll es weder ein Krimi, noch eine erotische Liebesschnulze sein. Alex möchte vielmehr eine satirische Geschichte über einen Single schreiben, auch wenn sein Agent und guter Freund Carsten diesen Vorschlag eher abwegig findet.

Ob Alex wieder einen Bestseller landen kann oder findet er gar selbst die große Liebe?

Der Roman ließ sich aufgrund der kurzen, humorvollen Kapitel im Nu durchlesen. Zu komisch sind die Situationen, in die Alexander bei der Suche nach einer neuen Lebenspartnerin gerät. Auch die - zugegeben für Menschen ohne Hund sehr übertriebenen - Verhaltensweisen und Dialoge mit Dackel Leopold fand ich als Dackelfan sehr lustig und absolut lebensah. Schließlich kenne ich nur Dackel mit eigenem Kopf, die vom Menschen hingebungsvoll verwöhnt werden.

Das Leben mit Hund, die Szenen mit Nachbarin Mandy und Söhnchen Finn und die immer wieder unterbrochenen Versuche, einen neuen Roman - mit situationsbedingt autobiographischen Zügen - zu beginnen, lockern die Suche nach der Liebe auf.

Aufgrund der liebevoll gezeichneten Charaktere und der sehr lustigen Handlung, ohne das Leben von Autor Alex ins Lächerliche zu ziehen, ist "Das Leben ist kein Zweizeiler" ein toller Unterhaltungsroman, bei dem man Tränen lachen kann. Nicht nur für Dackel-Freunde ein im wahrsten Sinne des Wortes "Roman zum Verlieben" ;-) 



Ich hatte das Glück, ihn bereits vor Veröffentlichung zu lesen. Er erscheint am 17. Mai 2016.

Samstag, 7. Mai 2016

Buchrezension: Katie Marsh - Die Liebe ist ein schlechter Verlierer

Inhalt:

Hannah will Tom verlassen. Morgen sagt sie es ihm. Und dann erfüllt sie sich ihren Traum, nach Afrika zu gehen. Tom will an seiner Ehe festhalten, sei sie noch so eingefahren. Er ignoriert die Probleme, will einfach nur neben Hannah einschlafen und morgen ins Büro fahren.

Doch dazu kommt es nicht …

Hannah und Tom wissen nicht, dass morgen alles anders sein wird. Dass Hannah ihre Pläne aufgeben muss und Tom nie wieder in sein altes Leben zurückkehren kann. Auch wissen sie nicht, dass ihre Liebesgeschichte noch nicht zu Ende ist und dass manche Träume einen Umweg nehmen müssen, bevor sie in Erfüllung gehen …

Rezension:

Hannah und Tom sind noch nicht so lange verheiratet, haben sich in der kurzen Zeit aber bereits auseinandergelebt. Hanah ist Lehrerein an einer Schule, in der sie sich nicht wohlfühlt und möchte in ihrem Leghrberuf mehr erreichen, als einfach nur Wissen vermitteln. Tom ist Rechtsanwalt und steht ständig unter Strom. Er gönnt sich keine Pause und könnte auch im Büro übernachten. Anzeichen von vermeintlich stressbedingten Kopfschmerzen betäubt er mit Tabletten und Alkohol.

Hannah fühlt sich von Tom nicht mehr geliebt und hat ihn mit einem Kollegen betrogen. Sie hat darüber hinaus ein Angebot von "Teach the World" und möchte als Lehrerin nach Tansania gehen. Unterstützung erfährt sie dabei von Kollegin und Freundin Steph. Hannah ist bereit, Tom zu verlassen, in der Hoffnung, ein zufriedeneres und glückliches Leben führen zu können. Am Tag ihres geplanten Geständnisses erleidet Tom in den frühen Morgenstunden einen Schlaganfall und kommt über Wochen ins Krankenhaus.

Hannah bringt es nicht über ihr Herz, Tom in diesem Zustand zu verlassen. Sie bleibt an seiner Seite und pflegt ihn als er unbeholfen nach Hause kommt. Tom ist zunächst noch wütend auf sein Schicksal, aber ehrgeizig und schafft es bald, wieder an nur einem Stock gehen zu können. Er ist nach wie vor geschwächt, zieht das linke Bein nach und kann mit der linken Hand nicht greifen, aber er hat sich auch menschlich verändert. Für Hannah ist er fast wieder "ihr alter" Tom und sie verlieben sich erneut ineinander.

Den Traum von Tansania hat sie jedoch nicht begraben...

Der Roman beginnt mit dem Schlaganfall und beschreibt die Genesungsfortschritte von Tom und die Gefühle, die das Ehepaar wieder für einander aufbaut. Unterbrochen werden die Kapitel durch Rückblicke in die Zeit vor dem Schlaganfall, vom Verlieben bis zur Krise. Die Gegenwart ist aus Sicht von Hannah, die Vergangenheit aus Sicht von Tom geschildert.
Die Nebenhandlung wird von Toms jüngerer Schwester Julie bestimmt, die als Rebell und Sorgenkind der Familie eine gelungene Abwechslung zur Emotionalität der Geschichte bringt.

Der Roman ist eine wundervolle Liebesgeschichte, die zeigt, dass beide Partner für die Liebe arbeiten und kämpfen müssen, um sie zu erhalten. Für Tom stand lange die eigene Karriere im Vordergrund, bis ihm die Krankheit einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Hannah hat ihre eigenen Wünsche stets zurückgenommen. Die beiden haben zu wenig miteinander gesprochen und sind sich fremd geworden. Erst der Schlaganfall und die Hilflosigkeit Toms bringt sie dazu, sich um einander zu bemühen. Hannah pflegt ihren Mann und Tom kümmert sich um die Bedürfnisse seiner Frau. Er möchte sie glücklich machen und ist bereit, selbst auf sie zu verzichten.

Katie Marshs Debüt beschreibt sehr authentisch, wie sich ein Liebespaar auseinandergelebt hat, aber auch gemeinsam wieder zusammenfindet. Sprache und Schreibstil haben mir zudem sehr gut gefallen, so dass ich den Roman fast in einem Rutsch durchgelesen habe.

Auch wenn das Romanende wenig überraschend ist, ist "Die Liebe ist ein schlechter Verlierer" ein unterhaltsamer, gefühlvoller Frauenroman ohne Längen, den ich als kurzweiliges Lesevergnügen mit ein wenig Drama gerne weiterempfehle.


Mittwoch, 4. Mai 2016

Buchrezension: Susanne Friedrich - Monstertörtchen: Eine Bruchlandung in Berlin

Inhalt:

Viktoria Neufeld hat alles, wofür sie jahrelang hart gearbeitet hat: eine erfolgreiche Karriere, eine Vorzeigeehe, Geld und Einfluss. Jonas Richter, auch Jojo genannt, dagegen steht mit seinem konzeptlosen Café im Berliner Kiez der Bergmannstraße kurz vor dem Aus. Ein Schicksalsschlag, der Viktorias gesamtes Leben auf den Kopf stellt, führt die beiden zusammen. Viktoria und Jonas haben einen gemeinsamen Traum. Doch werden sie es schaffen, dieses unglaubliche Vorhaben zu stemmen? Und welche Rolle spielt Tommy – ein ganz besonderer Mensch, den beide in ihr Herz geschlossen haben –, in Viktorias Bestreben, einen Neustart zu meistern?

Rezension:

Viktoria sieht blendend aus und arbeitet erfolgreich in einer Werbeagentur in Berlin-Friedrichshain. Verheiratet ist sie mit Sven, der ebenfalls dort arbeitet, sehr von sich überzeugt ist, allerdings mehr durch sein triebgesteuertes Verhalten von sich reden macht.

Im Streit, da Viktoria eine Affäre zwischen Sven und Kollegin (Sexbombe) Monika vermutet, kommt es zu einem folgenschweren Verkehrsunfall, der das gesamte Leben von Viktoria auf den Kopf stellt. Nicht nur ihr bildhübsches Antlitz musste leiden, auch ihre Karriere scheint vorzeitig beendet.

Nach einem längeren Krankenhausaufenthalt verlässt sie ihren untreuen Ehemann und zieht in eine keine Wohnung in Kreuzberg. Dort trifft sie auf Nachbarn Tommy, der sie fürsorglich in Empfang nimmt. Tommy arbeitet als "Super-Service-Man" in Jojos Café im Bergmann-Kiez. Guter Kaffee und guter Service allein reichen allerdings nicht aus. Das Café steht kurz vor dem Ruin und Inhaber Jojo ist selbst zu ideenlos und lethargisch, um das Café vor dem Bankrott zu retten.

Wie gut, dass Tommy der toughen Geschäftsfrau Viktoria das Café mit samt seinen Kuriositäten vorstellt. Sie entwickelt allerdings kein Werbekonzept, sondern schafft es durch ihre fast vergessenen Backkünste das konzeptlose Café zu einem florierenden Geschäft zu etablieren, vor dem die Leute Schlange stehen.

Am Anfang hatte ich meine Probleme, in den Roman hineinzukommen, da zu Beginn viele Charaktere auf den Leser einprasseln. Auf der einen Seite ist die Geschichte um Viktoria und die Werbeagentur mit u.a. Cora, Monika, Jason und Ehemann Sven, auf der anderen Seite begegnen einem die Personen im Café von Jojo, allen voran Tommy, Erna, Max und Vermieter Adolf Herzig. Hat man aber erst einmal alle Personen kennengelernt und sich sein eigenes Bild von den stereotypen Charakteren gemacht, lässt sich der Roman flüssig und durchaus unterhaltsam lesen.

Mir war die Geschichte aber der zweiten Hälfte des Romans allerdings zu glatt und letztendlich sehr vorhersehbar. Auch fand ich einige der Personen sehr überzogen dargestellt und mitunter nervig. Am Ende waren so ziemlich alle Minderheiten - sei es Behinderte, Schwarze, Menschen mit Migrationshintergrund, gescheiterte Existenzen und alte Menschen - in dem Café als Angestellte versammelt. In der Werbeagentur dominierten erfolgsversessene und sexbesessene Persönlichkeiten.

Viktoria selbst machte eine 180°-Wendung und entwickelte sich weg von einer oberflächlichen Karrierefrau hin zu einer sympathischen Kiezbäckerin. Jojo kam mir in dem Roman viel zu kurz, ein "gemeinsamer Traum" war für mich nicht wirklich zu erkennen.

Fazit: Von ein paar inhaltlichen Schwächen und überzogenen Charakteren abgesehen, ein schnell zu lesender, kurzweiliger Roman.