Samstag, 29. April 2017

Buchrezension: Martina Borger und Maria Elisabeth Straub - Sommer mit Emma

Inhalt:

Die Ferien auf dem Hausboot sollten ein abwechslungsreiches Abenteuer werden. Luisa und Daniel freuen sich darauf, den Alltag zu vergessen und endlich einmal Zeit füreinander zu haben. Ihre Kinder Lea und Jasper, beide im schwierigen Alter, haben dem Familientrip zugestimmt, weil auch Jaspers netter Freund Can mit von der Partie ist - ausserdem wird Emma erwartet, Daniels bildhübsche Tochter aus einer Affäre vor fünfzehn Jahren, und im Übrigen müssen die Eltern ja nicht alles mitkriegen, was so passiert.
Tatsächlich kommt es zu Ereignissen, mit denen niemand gerechnet hat, an Bord wird es eng.
Eine rasante Tragikomödie mit berührendem Finale.

Rezension:

Daniel und Luisa, in deren Beziehung es zuletzt kriselte, möchten mit ihren Kindern einen harmonischen Urlaub verbringen. Da es aufgrund des Alters von Jasper und Lea vermutlich der letzte gemeinsame Familienurlaub sein wird, wollten die ihnen mit der Reise auf einem Hausboot durch England etwas Besonderes bieten. Um Jasper zu überreden, durfte sein bester Freund Can mitfahren; zudem darf erstmals auch die 14-jährige Emma, das Resultat eines Seitensprungs von Daniel, die mit ihrer Mutter in den USA wohnt, mit.

Zu sechst ist es denkbar eng auf dem kleinen Hausboot, die Schlafplätze reichen kaum aus, die Nass"zelle" wird überwiegend von Emma in Beschlag genommen und unterdrückte Konflikte gelangen immer weiter an die Oberfläche.

Der 17-jährige Jasper, der ohnehin keinen Bock auf den Urlaub hatte, ist genervt von seiner Mutter, Luisa ist eifersüchtig auf die hübsche Emma, die sich ganz selbstverständlich in den Vordergrund zu stellen scheint, Daniel hat ein Problem damit, dass er als Künstler finanziell von seiner Lebensgefährtin abhängig ist und die naive Lea begreift gar nicht, wie sie von Jasper und Emma hintergangen wird, die heimlich ihre Tagebuchaufzeichnungen lesen. Nur Can, der froh ist, kein Bestandteil der Familie zu sein, hält sich mit Kiffen bei Laune.

Der Roman ist mit Ausnahme von Emma abwechselnd aus der Perspektive aller Protagonisten geschrieben, so dass deren Empfindungen und Handlungen für den Leser nachvollziehbar sind. Emma lernt man nur durch die subjektiven Beschreibungen der anderen kennt und bleibt damit ein wenig mysteriös. Es ist nicht ganz klar, ob sie einfach nur ein von sich überzeugter, eingebildeter Teenager ist, die ihren Vater kennenlernen möchte oder ob sie absichtlich intrigiert.

Auch ohne Überschriften wird durch den für jeden einzelnen Charakter passenden Schreibstil jeweils nach wenige Sätzen deutlich, aus welcher Sicht die Geschichte weitererzählt wird, Zunächst passiert nicht viel, wie das Hausboot schippert auch die Handlung gemütlich vor sich hin. Als Leser ahnt man jedoch von Beginn an, dass es nicht bei einem harmonischen Familienurlaub bleiben wird und wartet nur darauf, dass es zur finalen Katastrophe kommen wird. Als dann dunkle Wolken aufziehen und der strömende Regen einsetzt, entladen sich die Konflikte und unterdrückte Geheimnisse werden offenbar.

Das Autorinnenduo spielt mit Stereotypen und lässt keinen Charakter so richtig positiv wegkommen, so dass ich mit keinem der Protagonisten sympathisierte und dieses Familiendrama lange nicht so eindringlich empfand wie "Kleine Schwester".



Freitag, 28. April 2017

Buchrezension: Susanna Ernst - Immer wenn es Sterne regnet

Inhalt:

Als Mary auf einem Trödelmarkt einen alten Sekretär erwirbt und darin ein Bündel Briefe findet, stürzt sie Hals über Kopf in eine Geschichte, die ihr Leben für immer verändert. Es sind Liebesbriefe aus den 1920er Jahren, geschrieben von einem gewissen Adam an seine heimliche Angebetete Gracey. Die sehnsüchtigen Zeilen treffen Mary mitten ins Herz, und sie beschließt, mehr über das ungleiche Paar und ihre verbotene Liebe herauszufinden. Dabei entdeckt Mary etwas, womit sie nie gerechnet hätte; und als der Himmel plötzlich aufreißt und es mit einem Mal Sterne regnet, wird der Ausflug in die Vergangenheit zu einer Reise zu sich selbst.

Rezension:

Mary wird von ihren Freundinnen zur Teilnahme an einem Blind-Speed-Dating in ihrer Heimatstadt Seattle überredet. Ihr "Match"ist, als das Licht angeht, ausgerechnet ihr ehemaliger Mitschüler Jerry, der ihr die Schulzeit zur Hölle gemacht hat. Panisch ergreift sie die Flucht und reist aus Seattle ab, um ihren Erinnerungen zu entkommen.
Jerry, der die hübsche Mary nun wiedererkennt und der sein Mobbing von damals zutiefst bedauert, versucht Mary ausfindig zu machen, um sich endlich bei ihr für sein Fehlverhalten entschuldigen zu können und mit seinem Gewissen ins Reine zu kommen.

Zurück in Papen County kauft Mary auf einem Trödelmarkt dem Antiquitätenhändler und Restaurator Eliah einen hergerichteten Sekretär ab, in welchem sich Briefe eines Adam an seine große Liebe Grace aus dem Jahr 1927 verbergen. Der junge Eliah, der etwas aus der Zeit gefallen wirkt, ist auch derjenige, der dafür sorgt, dass Jerry Mary seine Schandtaten aus der Schulzeit erklären und sie um Verzeihung bitten kann. Zwischen den beiden, die nach einem Totalschaden von Marys Mini notgedrungen gemeinsam unterwegs sind, entwickeln sich schon bad zarte Gefühle, während Mary eigentlich auf der Suche nach den Nachkommen von Adam bzw. Grace ist, um ihnen die hinterlassenen Briefe zu übergeben.

Dieser Young Adult-Roman ist abwechselnd aus der Perspektive der beiden Protagonisten Mary bzw. Jerry geschrieben Die Handlung in der Gegenwart im Jahr 2013 wird in Ausschnitten durch die im Jahr 1927 geschriebenen Briefe von Adam unterbrochen, die eine durch gesellschaftliche Konventionen zum Scheitern verurteilte Liebe schildern.

Durch den Antiquitätenhändler Eliah erfährt der Roman einen Hauch von Magie, so dass Zweifel aufkommen können, ob es sich bei ihm wirklich um eine reale Person handelt.
Die Autorin bewegt sich nah am Rande zu Sentimentalität und Kitsch, schafft es aber durch ihren leisen und sehr berührenden Schreibstil eine zarte Liebesgeschichte zwischen den beiden hoffnungslosen Romantikern Mary und Jerry entstehen zu lassen, die bisher nicht viel Glück in Liebesdingen hatten.
Als Leser taucht man in beide Protagonisten ein und spürt das tiefgehende Band, das die beiden schon seit Jahren verbindet.

"Immer wenn es Sterne regnet" ist ein unheimlich warmherziger, zauberhafter Roman mit liebenswürdigen Charakteren, der tief berührt, aber auch mit situationsbedingt humorvollen Szenen aufwarten kann. Er ist ein Roman für alle Leser, die offen für einen Hauch Mystik sind, die gerne in eine andere Welt eintauchen und an die schicksalhafte einzig wahre Liebe glauben. Mir persönlich war das Ende dann doch ein wenig zu konstruiert, aber wer beim Lesen bereit ist, die Realität auszublenden, für den ist dieser romantische Roman genau das Richtige!



Montag, 24. April 2017

Buchrezension: Gail Honeyman - Ich, Eleanor Oliphant

Inhalt:

Wie Eleanor Oliphant die Liebe suchte und sich selbst dabei fand.

Eleanor Oliphant ist anders als andere Menschen. Eine Pizza bestellen, mit Freunden einen schönen Tag verbringen, einfach so in den Pub gehen? Für Eleanor undenkbar! Und das macht ihr Leben auf Dauer unerträglich einsam. Erst als sie sich verliebt, wagt sie sich zaghaft aus ihrem Schneckenhaus - und lernt dabei nicht nur die Welt, sondern auch sich selbst noch einmal neu kennen.

Rezension:

Wie der Titel schon vermuten ließ, ist der Roman aus der Perspektive von Eleanor geschrieben. Sie führt ein streng getaktetes, fast schon zwanghaftes Leben. Eigentlich existiert sie nur statt zu leben, geht ihrer Arbeit nach und hat ansonsten keinen Kontakt zu anderen Menschen. Sie sieht sich selbst als Einzelkämpferin.
Ihr Leben bekommt erst eine Wendung als sie sich in den Musiker Johnnie Lomond verliebt. Sie versucht fortan, „normaler“ zu sein, sich anzupassen, was mit einer rein äußerlichen Typveränderung beginnt und mit einer aktiveren Beteiligung am Leben, an der Gesellschaft mit anderen, weitergeht.
In dem Kollegen Raymond aus der IT-Abteilung findet sie sogar einen Freund, der sich um sie sorgt, als es ihr schlecht geht.
Freundschaft, Zuneigung, Geborgenheit - alles Dinge, die sie zuvor nie kennengelernt hatte. Als von der Mutter vernachlässigtes Kind hatte sie nie Liebe erfahren und wurde später von einer Pflegefamilie zur nächsten gereicht. In der Schule war sie immer eine Außenseiterin und auch bei ihrer Arbeit die etwas absonderliche, weltfremde Kollegin, über die man sich hinter vorgehaltener Hand lustig macht.
Durch die Schwärmerei für "ihren" Musiker blüht sie auf und ist so abgelenkt, dass sie sogar von ihren strengen Tagesplänen abrückt und spontaner handelt. Sie bricht mit ihren Gewohnheiten und trifft sich mit anderen Menschen, geht aus, tanzt, hat Spaß und trinkt am Wochenende nicht allein ihre gewohnte Falsche Wodka.
Die wöchentlichen Telefonate mit ihrer Mutter, die sie erniedrigt, ziehen Eleanor wieder runter und nach einem aufrüttelnden Besuch eines Konzerts ihres Musikers, fällt Eleanor in ein tief es emotionales Loch, aus dem sie ohne fremde Hilfe nicht mehr herauskommt.
"Ich, Eleanor Oliphant" ist ein ergreifender Roman über eine einsame 30-jährige Frau, die in ihrer Kindheit schwer traumatisiert wurde und diese Ereignisse nie aufgearbeitet hat. Das Alleinsein hat ihr eigentlich nie viel ausgemacht, aber durch die Liebe zu Johnnie Lomond wird ihr bewusst, dass es auch noch mehr im Leben gibt.
Sie möchte raus aus der Einsamkeit, das Leben spüren und nicht nur einfach existieren und warten, bis der nächste Tag und das nächste Wochenende anbricht.

Das Buch ist spannend aufgebaut, da es am Anfang noch viele Fragen offen lässt. Man mag den Roman gar nicht aus der Hand legen, um zu erfahren, was Eleanor widerfahren ist und ihre ganzen skurrilen Eigenarten erklärt.
Emotionale und sehr traurige Szenen wechseln sich mit lustigen Abschnitten - wie Eleanors erste Erfahrungen im Waxing- oder Nagelstudio - und aberwitzigen Dialogen ab.

Ich habe mit Eleanor gelitten, fand sie zwar skurril, aber nicht zu überzogen eigenartig dargestellt. Alle Charaktere fand ich sehr authentisch, die Handlung fesselnd, so dass ich den Roman geradezu verschlungen habe. Ein tolles Debüt von Gail Honeyman. Ich hoffe, von der Autorin können wir noch mehr lesen!


Samstag, 22. April 2017

Buchrezension: Manuela Inusa - Auch donnerstags geschehen Wunder

Inhalt:

Marianne wohnt mit ihrem Kater Johnny Depp in Hamburg. Nachdem ihr Freund Martin sie betrogen hat, tröstet sie sich mit romantischen Komödien – und mit Keksen, die sie in Hülle und Fülle bäckt. Einen Teil davon verkauft sie im Café Wallenstein, wo sie als Kellnerin arbeitet. Als sie eines Tages mit ihrer Freundin Tasha auf den Hamburger Dom geht, überredet Tasha sie, eine Wahrsagerin zu besuchen. Diese sieht sofort, dass Marianne mit einem gewissen Martin nicht glücklich werden konnte – schließlich dürfen nicht mehr als zwei Buchstaben der Vornamen zweier Liebender übereinstimmen. Und sie sieht Schottland: Dort wartet die Liebe auf sie.

Rezension:

Das Buch hat mich etwas überrascht, da es völlig anders aufgebaut ist, als gedacht.
Marianne ist Ende 20, hatte ihren Freund Martin vor sechs Monaten in flagranti mit einer anderen Frau erwischt und sich daraufhin von ihm getrennt. Sie arbeitet als Kellnerin im Café Wallenstein und backt leidenschaftlich gern Kekse.

Nach einer Begegnung mit der Wahrsagerin Cordula auf dem Hamburger Dom, die Mariannes Traummann in Schottland verortet, unterteilt sich der Roman in zwei Erzählstränge, die sich kapitelweise abwechseln, wobei die Tage jeweils identisch sind: In einem davon hört Marianne tatsächlich auf Wahrsagerin und Freundin Tasha und begibt sich nach Schottland, um dort ihrem vermeintlichen Traummann zu begegnen. Und tatsächlich trifft sie gleich am ersten Abend auf einen sexy Barkeeper, der offensichtlich auch ein Interesse an ihr hat.
Im zweiten Verlauf der Handlung bleibt Marianne in Hamburg, begibt sich auf Kaffeefahrt mit ihrer anstrengenden Mutter Silvia und wird von ihrem Exfreund Martin umgarnt. Zudem wird ihr von ihrer 69-jährigen Chefin Eva die Übernahme des Café Wallenstein angeboten. Neben einem liebenden Ehemann und einer eigenen Familie hatte Marianne schon immer davon geträumt, Inhaberin ihres eigenen Cafés zu sein.

Das Stilmittel der zwei unterschiedlichen Handlungsverläufe empfand ich als unerwartet und von der Autorin als außerordentlich raffiniert gewählt. Es sorgt für die nötige Abwechslung und macht die Geschichte erst richtig interessant, da der Roman sonst durch die etwas einfältige Art von Marianne und die sich rasend schnell entwickelnde Liebesgeschichte zwischen ihr und Colin zu platt geworden wäre.

Als Leser weiß man im weiteren Verlauf nicht, welcher Weg letztlich real ist oder ob der Roman gar mit zwei unterschiedlichen Schlüssen enden wird. Deutlich wird, dass es kein Richtig oder Falsch gibt, sondern dass jede Entscheidung positive und negative Aspekte zur Folge hat.

"Auch donnerstags geschehen Wunder" ist eine leicht zu lesende romantische Komödie, die vielleicht nicht besonders tiefgründig ist, die aber durch die zwei unterschiedlichen Wege, die die Autorin ihre Protagonistin gehen lässt, bis zum Ende, das dann schlüssig und rund ist, sehr gut unterhält.



Freitag, 21. April 2017

Buchrezension: Jennifer McMahon - Winter People - Wer die Toten weckt

Inhalt:

Durch einen grausamen Mord verliert Sara ihre kleine Tochter Gertie. Ein Brief mit einem uralten Geheimnis hilft ihr, Gertie von den Toten zurückzuholen - für sieben Tage, in denen sie von ihrem geliebten Kind Abschied nehmen kann. Doch sie ahnt nicht, worauf sie sich einlässt. Denn manchmal finden die Toten nicht zurück. Und das Grauen hält Einzug in die Wälder von Vermont...

Rezension:

Im Jahr 1908 wird die achtjährige Gertie tot in einem Brunnen auf dem Grundstück ihrer Eltern in West Hall aufgefunden. Während die Menschen im Ort von einem Unfall ausgehen, sind die Eltern davon überzeugt, dass Gertie ermordet worden ist. Der Vater Martin hat in der Scheune den Zopf seiner Tochter gefunden - dieses Detail verschweigt er allerdings, um seine ohnehin schon psychisch labile Ehefrau Sara zu schützen.

Diese kann sich mit dem Tod ihrer einzigen Tochter nicht abfinden und erinnert sich an das versteckte Tagebuch ihrer Tante, das eine Anleitung enthält, wie man Tote wieder erwecken kann. Sara führt das entsprechende Ritual in den unheimlichen Felsen, der sogenannten Teufelshand, durch und erhält sodann Zeichen von Gertie, die darauf hindeuten, dass das kleine Mädchen tatsächlich getötet wurde. Um Gewissheit zu erhalten, recherchiert Sara weiter und bringt sich und ihren Mann damit in tödliche Gefahr...

Jahrzehnte später ist ein verzweifelter Mann auf die Existenz des Tagebuches gestoßen und versucht über die Nachfahren von Sara an die Informationen zu gelangen, wie er seinen verstorbenen Sohn zurückholen kann. Als er bei einem Verkehrsunfall stirbt, versucht seine Frau herauszufinden, was er in dem Ort West Hall wollte. Katherine trifft dabei auf die beiden Mädchen Ruthie und Fawn, deren Mutter spurlos verschwunden ist und offensichtlich Geheimnisse vor ihnen hatte.

"Winter People - Wer die Toten weckt" ist ein Mystery-Thriller, der im Jahr 1908 und in der Gegenwart spielt. Durch das Tagebuch der Sara sind beide Zeitebenen miteinander verbunden und im Verlauf der Handlung wird klar, wie die handelnden Akteure aus der Vergangenheit und der Gegenwart miteinander zusammenhängen.

Es herrscht stets eisige Kälte in verschneiter Landschaft, was den Gruselfaktor noch verstärkt. Auch wenn die Geschichte um Gertie als die ewig Schlafende mysteriös bis fantastisch anmutet und der Leser selbst von ihr die Vorstellung eines Zombies erhält, ist die Geschichte am Ende doch nicht so weit hergeholt, wie es zunächst erscheinen mag, sondern schlüssig und nachvollziehbar erklärt.

"Winter People" ist ein Thriller in düsterer Stimmung, der für Gänsehaut sorgt und durch Überraschungsmomente spannend erzählt ist. Zudem berühren die Schicksale der Kinder wie das der unschuldigen Gertie, die so früh sterben musste und das von Ruthie und Fawn, die voller Angst um ihre sonst so fürsorgliche "Hippie"-Mutter und auf sich allein gestellt den Gefahren des dunklen Waldes und der Teufelshand ausgesetzt sind.


Mittwoch, 19. April 2017

Buchrezensionen: Raphaëlle Giordano - Dein zweites Leben beginnt, wenn du verstehst: Du hast nur eins!

Inhalt:

Die Pariserin Camille hat das Gefühl, dass in ihrem Leben etwas fehlt – und das, obwohl sie mit einem wunderbaren Mann verheiratet ist, einen wohlgeratenen Sohn sowie einen einträglichen Job hat und in der schönsten Stadt der Welt lebt. Müsste sie nicht glücklich sein? Doch so einfach ist das offenbar nicht. Durch einen Zufall lernt sie eines Tages Claude Dupontel kennen, den wohl einzigen "Routinologen" Frankreichs und einen wahren Experten in Fragen des Glücks. Verzweifelt vertraut Camille sich ihm an. "Akute Routinitis", stellt Claude sogleich fest und verspricht, ihr zu helfen. Gemeinsam mit Claude begibt Camille sich also auf die Suche nach ihrer verlorenen Lebensfreude – eine Fahrt in einem Heißluftballon ist da erst der Anfang – und findet nicht nur ihr strahlendes Lächeln wieder, sondern auch ihr Glück.

Rezension:

Das Buch ist ein Ratgeber, der in einen Roman verpackt ist.
Camille ist 38 Jahre alt und wohnt zusammen mit ihrem Mann Sébastien und ihrem neunjährigen Sohn Adrien in Paris. Sie hat einen Beruf, in dem sie genügend Geld verdient und hat allen Grund ein glückliches, erfülltes Leben zu führen.

Sie fühlt sich allerdings niedergeschlagen und hat das Gefühl, dass etwas in ihrem Leben fehlt. Als sie eine Autopanne hat, lernt sie zufällig Claude Dupontel kennen, der sich ihr als Frankreichs erster Routinologe vorstellt und sie mit der Diagnose "akute Routinitis" konfrontiert: fehlende Motivation, Lustlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Gefühl von Sinnlosigkeit, mangelndes Glücksempfinden - alles Symptome, die auf immer mehr Menschen zutreffen würden. Trotz materiellem Überfluss und einem eigentlich sorgenfreien, angenehmen Leben fühlen sich die Betroffenen leer und melancholisch.

Durch die Ratschläge von Claude beginnt Camille Änderungen in ihrem Leben durchzuführen. Es sind kleine Aufgaben, die Camille bewältigen soll - vom Ausmisten, über mehr Aufmerksamkeit für sich selbst und das äußere Erscheinungsbild, ein Lächeln im Gesicht, positiver statt negativer Gedanken... Lauter kleine Schritte, die viel bewirken und zu einer anderen inneren Einstellung führen und ihr Leben optimieren.

Claude gibt nur Anregungen, spricht oft in Metaphern, die Veränderung selbst muss von Camille ausgehen.
Beim Lesen merkt man, dass die Autorin selbst Kreativcoach ist und mit dem Buch Denkanstöße liefert, "sein Leben so zu verändern, dass man sich auf den Weg zu Glücklichsein und Wohlbefinden begibt".

"Dein zweites Leben beginnt, wenn du verstehst: Du hast nur eins!" ist ein Buch für jeden, der auch den Eindruck hat, dass sich in seinen Alltag zu viel öde Routine eingeschlichen hat und der den ein oder anderen Tipp haben möchte, wieder aus dem alltäglichen Trott herauszukommen.
Die fiktive Geschichte um Camille ist am Ende von Erfolg gekrönt und war mir persönlich stellenweise zu übertrieben positiv, aber das Buch möchte eben motivieren und hat einen klaren Appell: Lebe deine Träume!



Montag, 17. April 2017

Buchrezension: Katharina Herzog - Immer wieder im Sommer

Inhalt:

Zweimal hat Anna ihr Herz verloren: Einmal an Max, doch die Ehe ging vor fünf Jahren übel in die Brüche. Und dann war da Jan ... die unvergessene Liebe eines Jugendsommers. Schon lange fragt sie sich, was aus ihm geworden ist. Als sie erfährt, dass er auf Amrum wohnt, beschließt die sonst so vernünftige Anna spontan, mit ihrem VW-Bus gen Küste zu fahren. Doch dann meldet sich ihre Mutter, zu der sie seit 18 Jahren keinen Kontakt mehr hatte, mit schlimmen Nachrichten und einer großen Bitte. Am Ende sitzen nicht nur Anna und ihre Mutter zusammen im Auto, sondern auch ihre beiden Töchter - und Max ...

Rezension:

Anna ist zweifache Mutter von Töchtern im Alter von 14 und acht Jahren, geschieden und arbeitet in München als Zimmermädchen. Zu ihrer Mutter Frieda hat sie seitdem sie mit 18 Jahren von Zuhause, dem "Annahof" ausgezogen ist, keinen Kontakt mehr. Überraschend erhält sie von ihrer Mutter einen Brief mit der dringenden Bitte sie zu kontaktieren.

Statt nach alle den Jahren einfach nur anzurufen, möchte sich Anna mit ihrem alten VW-Bus auf den Weg zu ihrer Mutter machen und anschließend weiter ans Meer fahren, um die Ferien auf Amrum zu verbringen. Dort möchte sie ihre Jugendliebe Jan treffen, der als Sozialpädagoge in einem Kinderheim arbeitet und von dem sie in einer Zeitschrift zufällig gelesen hatte, dass er geschieden ist. Sie hat allerdings nicht damit gerechnet, dass sie die Reise nicht allein unternehmen würde, sondern zusammen mit der gesamten Familie: ihren Töchtern, der Mutter, Hund Hendrik - und Exmann Max.

Der Roman ist aus der Sicht der drei Generationen der Frauen geschrieben: Anna, die die zentrale Rolle im Roman einnimmt, die älteste Tochter Sophie, die mittendrin in der Pubertät ist, kratzbürstig Konflikte mit ihrer Mutter sucht und erste Erfahrungen mit der Liebe sammelt und Mutter Frieda, wobei man in ihre Gedankenwelt durch eine Art von Tagebucheinträgen eintaucht und einiges über die Vergangenheit erfährt.

"Immer wieder im Sommer" ist ein unterhaltsamer Sommerroman, der sich ideal als Urlaubslektüre eignet. Die kurzen Abschnitte sorgen für einen schnellen Perspektivenwechsel, was einerseits für Abwechslung sorgt, andererseits wird so aber auch das Eintauchen in jeden einzelnen Charakter erschwert. Mir persönlich entwickelte sich die Geschichte zudem zu schnell. Nachdem Anna als junge Erwachsene von ihrer Mutter enttäuscht jeglichen Kontakt abgebrochen hat und auch ihre Kinder ihre Großmutter nie kennenlernen durften, nähern sie sich sehr schnell wieder an. Anna bereut ihr Verhalten plötzlich und bedauert, dass sie so engstirnig war und wichtige Zeit mit ihrer Mutter verloren hat. Gleichzeitig nähert sie sich auch ihrem Exmann, der sie betrogen hat, und zu dem sie jedwedes Vertrauen verloren hatte, auf der Reise zu ihrer Jugendliebe überraschend wieder an, was mir trotz der Sehnsucht nach einer intakten Familie nicht so ganz nachvollziehbar war. In diesem Punkt wäre die Geschichte durchaus noch ausbaufähig gewesen und ließ an Tiefgang vermissen.

Frieda, die unter schnell fortschreitender Demenz leidet, ist gezwungen ihren Hof mit den Tieren aufzugeben und kann sich nur in den Eintragungen in ihrem Heftchen öffnen und ihrer Tochter die Vergangenheit erklären. Auch wenn man nur Bruchstücke aus vergangenen Tagen erfährt, zeigt sich, dass sich die Geschichte in Teilen wiederholt und dass sich Mutter und Tochter nicht so unähnlich sind.

Der Roman endet, wie es sich für einen leichten Sommerroman gehört, sehr positiv mit einem für alle Protagonisten glücklichen Ausgang.
"Immer wieder im Sommer" ist ein generationenverbindender Roman über Vergangenheitsbewältigung, die Fähigkeit zu vergeben und ein Buch, das den unschätzbaren Wert der Familie hochhält und zeigt, wie wichtig ein Zusammenhalt trotz aller Unwägbarkeiten und Fehler jedes einzelnen ist.



Samstag, 15. April 2017

Buchrezension: Katie Marsh - Du erinnerst mich an morgen

Inhalt:

Eine Tochter, die ihre große Liebe heiraten will und sich nicht von einer schmerzhaften Erinnerung lösen kann. Eine Mutter, die sich nach Versöhnung mit ihrer Familie sehnt und langsam ihre Erinnerung verliert. Die berührende Geschichte von Zoe und Gina erzählt von Verlust, zweiten Chancen und bedingungsloser Liebe.

Rezension:

Der Klappentext zum Roman ist sehr kurzgefasst und verrät nicht, wovon er eigentlich handelt.

Die Geschichte beginnt unmittelbar mit dem Hochzeitstag von Zoe, die nach wochenlangen Zweifeln am Tag des Ereignisses kalte Füße bekommen hat. Als sie dann auch noch der Anruf einer Freundin ihrer Mutter erreicht, die Zoe bittet, sofort zu ihr zu fahren, lässt Zoe ihren Verlobten sang- und klaglos vor dem Altar stehen.
Ihre Mutter war nicht zur Hochzeit eingeladen, da Zoe den Kontakt zu ihr vor Jahren abgebrochen hatte. Die Hintergründe bleiben zunächst im Unklaren, ihre jüngere Schwester Lily hatte die Verbindung zu Gina zumindest aufrecht erhalten.

Zoe holt ihre verwirrte Mutter aus dem Gewahrsam einer Polizeistation ab, da sie beim Diebstahl erwischt und gegenüber den Beamten ausfallend geworden war. Zoe erkennt ihre Mutter kaum wieder, die einerseits aggressiv, aber auch zerbrechlich und hilflos wirkt.

Auch wenn Mutter und Tochter sich in den letzten Jahren ignoriert haben, und Zoe immer noch eine Wut auf Gina verspürt, kümmert sie sich um ihre Mutter, der immer wieder die Worte fehlen, die Schlüssel verlegt und sich von ihren Nachbarn bedroht fühlt. Lily hat Ginas geistige Aussetzer offensichtlich nicht wahrhaben wollen, aber Zoes schlimmste Befürchtungen werden bald von ärztlicher Seite bestätigt: Ihre Mutter leidet an Alzheimer.

Zoe fühlt sich für ihre Mutter verantwortlich, die bald kaum noch allein sein kann. Wegen der Sorgen um Gina geraten die abgeblasene Hochzeit und ihr Verlobter Jamie schon fast in Vergessenheit. Zoe liebt ihn trotz der Zweifel, die sie übermannt haben und möchte ihn zurückgewinnen.

Nach "Die Liebe ist ein schlechter Verlierer" hat Katie Marsh erneut ein sehr emotionales Buch um eine Krankheit und die Folgen für die Angehörigen geschrieben. Es geht auch wiederum um die Unsicherheit einer jungen Frau und deren Bindungsängste. Zoe ist dabei eine sympathische und sehr authentische Protagonistin, die nicht im Selbstmitleid zerfließt.

Besonders schön sind auch die Tagebucheinträge von Gina ab 1985 zu lesen, die ihrer Tochter jedes Jahr zum Geburtstag geschrieben hat. Darin lernt der Leser auch sie besser verstehen, die in der Gegenwart - von der Krankheit gezeichnet- unnahbar wirkt. Da ihr Mann als Soldat zu Beginn ihrer Ehe stets über Monate entfernt stationiert war, war Gina in der Regel immer mit zwei kleinen Töchtern im Alltag auf sich allein gestellt und einsam. All ihr Liebe hat sich auf Zoe und Lily projiziert, weshalb ich mich lange gefragt habe, wie es zu so einem Zerwürfnis zwischen Gina und ihrer ältesten Tochter kommen konnte.

Abgesehen von Zoes familiären Problemen und der Annäherung ihrer Mutter, war es zudem spannend zu erfahren, warum sie Jamie nicht hatte heiraten können und ob sie es trotz ihres verletzenden Verhaltens und der Demütigung schaffen würde, ihren Verlobten zu einem Neuanfang zu bewegen.

Der zweite Roman von Katie Marsh ist damit eine perfekte Mischung aus Liebesroman und Familiendrama, der trotz des schwierigen Themas leichtgängig zu lesen ist. 



Donnerstag, 13. April 2017

Buchrezension: Dave Eggers - Bis an die Grenze

Inhalt: 

Josie, eine Zahnärztin, die ihre Praxis hat schließen müssen, bekommt Panik, als ihr Exmann darum bittet, die gemeinsamen Kinder seiner neuen Verlobten vorstellen zu dürfen. Sie packt die Kinder und flieht mit ihnen an den entlegensten Ort, der für sie ohne Pass erreichbar ist: Alaska. Die Reise in dem angemieteten, abgetakelten Wohnmobil durch die Wildnis rüttelt die Familie durcheinander. Der achtjährige Paul übernimmt die fürsorgliche Vaterrolle in der Familie, während die fünfjährige Ana Chaos und Zerstörung magisch anzieht. Was sich zunächst wie ein Abenteuerurlaub am Ende der Welt anfühlt, wird schnell zur verzweifelten Flucht. Nicht nur ein Lauffeuer, das in der Region ausgebrochen ist, scheint Josie auf den Fersen zu sein. Sie kämpft auch gegen die imaginären sowie realen Geister ihrer Vergangenheit und muss dafür bis an ihre Grenze gehen. 

Rezension:

Josie wurde vom Vater ihrer Kinder Carl für eine andere Frau verlassen, die er jetzt auch heiraten möchte. Eine Ehe mit Josie war für ihn trotz der gemeinsamen Kinder Paul und Ana nie zur Debatte gestanden. Als Josie dann auch noch wegen einer Klage einer Patientin ihre Zahnarztpraxis verkaufen muss, mietet sie sich ein altes Wohnmobil, mit dem sie zusammen mit ihren Kindern aus Ohio nach Alaska flieht. Da Ana ohne die Einwilligung ihres Vaters keinen Pass bekommen kann, ist Alaska, wo Josies Stiefschwester Sam lebt, der am weitesten entfernte Ort, den sie erreichen kann. 

Auf der Reise erfährt der Leser aus der Perspektive Josies etwas über ihre Kinder, Karl, den sie regelrecht verachtet, und ihre persönliche Lebensgeschichte. Als Tochter eines Ehepaares von Krankenpflegern einer Psychiatrie, denen die Mitschuld am Tod einiger Patienten der Einrichtung gegeben wurde, wuchs Josie als Teenager in einer Pflegefamilie auf. 
Auch der Umgang mit ihren eigenen Kindern ist nicht ganz einfach. Der achtjährige Paul vergöttert seine drei Jahre jüngere Schwester und scheint die Rolle eines sehr fürsorglichen Vaters einnehmen zu wollen. Ana kam als Frühchen zur Welt, ist hyperaktiv und stellt regelmäßig eine Gefahr für sich selbst dar. Einen Augenblick aus den Augen gelassen, ist sie stets damit beschäftigt, etwas zu zerstören oder sich selbst zu verletzen. 

Allein mit den Kindern unterwegs, wird Josie von Alpträumen und Schuldgefühlen heimgesucht, Sie macht sich schwere Vorwürfe, dass einer ihrer ehemaligen Patienten, den sie dazu ermuntert hatte, Soldat zu werden, in Afghanistan ums Leben gekommen ist. Enttäuscht vom eben, das sie als ungerecht empfindet, trinkt sie zu viel Wein und kann auch zu Sam keine Nähe herstellen. 
In Alaska fehlt ihr eine Perspektive und die Menge an Bargeld die sie mitgenommen hat, um auf dem Weg der Reise keine Spuren zu hinterlassen, wird aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten in Alaska knapp. Für ihre Kinder reißt sich Josie immer wieder aufs Neue zusammen und verhindert so, dass sie von ihren Schuldgefühlen übermannt wird und sich in Selbstzweifeln verliert. 

"Bis an die Grenze" ist nicht nur geografisch gesehen die Beschreibung der Flucht einer Mutter mit ihre Kindern, in der Annahme diese verlieren zu können, sondern auch als Grenzerfahrung Josies zu sehen. Der Roman ist in weiten Teilen ein Blick in das Seelenleben von Josie und ein Roadtrip, der aufgrund des unüberlegten und unverantwortlichen Verhaltens von Josie meine Nerven strapaziert hat. Die außergewöhnlichen Charaktere der Kinder, die sich auf der Reise im Gegensatz zur Mutter zum Positiven verändert haben, sorgen für den nötigen Unterhaltungswert. 



Mittwoch, 12. April 2017

Buchrezension: Kanae Minato - Geständnisse

Inhalt:

Die kleine Tochter der alleinerziehenden Lehrerin Moriguchi ist im Schulschwimmbad ertrunken; ein tragischer Unfall, wie es scheint. Wenige Wochen später kündigt Moriguchi ihre Stelle an der Schule, doch zuvor will sie ihrer Klasse noch eine letzte Lektion mit auf den Weg geben. Denn sie weiß, dass ihre Schüler Schuld am Tod ihrer Tochter haben. Mit einer erschütternden Offenbarung setzt sie unter ihnen ein tödliches Drama um Schuld und Rache, um Gewalt und Wahnsinn in Gang, an dessen Ende keiner – weder Kind noch Erwachsener – ungeschoren davonkommt.

Rezension:

Die vierjährige Manami ertrinkt im Schwimmbad der Schule, in der ihre Mutter Moriguchi als Lehrerin arbeitet. Alle Indizien deuten auf ein tragisches Unglück hin, aber im Gespräch mit ihren Schülern wird Moriguchi klar, dass Schüler der siebten Klasse Manami getötet haben. Im Bewusstsein, dass aufgrund des Alters der Schüler lediglich das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen würde und die Schüler aufgrund ihrer psychischen Labilität als schuldunfähig gelten könnten, rächt sich Moriguchi auf ihre Art an den vermeintlichen Mördern und hält an ihrem letzten Schultag ein raffiniertes Plädoyer vor ihrer Schulklasse.

In der Konsequenz wird eine Gewaltspirale in Gang gesetzt und die Beschuldigten selbst werden zu Opfern einer Art von Selbstjustiz.

"Geständnisse" wurde verfilmt und kam bereits 2011 in die deutschen Kinos. Der Roman ist in sechs Kapiteln, aus den unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten um den Tod der kleinen Manami, erzählt, so dass sich am Ende ein Gesamtbild für den Leser ergibt. Beginnend mit der Mutter kommen Angehörige, die die Wahrheit nicht wahrhaben möchten und die Schuldigen selbst zu Wort.
Hier tun sich die menschlichen Abgründe der Seele auf. Die Grausamkeit von Kindern und Jugendlichen, der Hass und fehlende Empathie lösen Entsetzen beim Leser aus.

Man fragt sich unweigerlich, wer Schuld hat am Tod und den Folgen. Wurde einfach nur die Aufsichtspflicht verletzt? Ist es die Konsequenz aus den Gedanken eines morbiden Schülers und der von ihm ausgehenden Gefahr, die ignoriert worden ist? Das strenge Schulsystem oder die japanische Gesellschaft, für die nur Leistung zählt und in der die Schüler einem unheimlichen Druck ausgesetzt werden, zu den besten zu gehören, weil sie sonst nichts wert sind.

Auch wenn von Anbeginn klar ist, dass es sich bei dem Tod der Vierjährigen nicht um einen Unfall handelt, ist der Psychothriller spannend zu lesen. Stück für Stück wird aufgedeckt, wie sich das Ereignis tatsächlich ereignet hat, wie es dazu kommen konnte und welche noch weiteren schrecklichen Folgen sich als Reaktion auf die Tat ereignen.
"Geständnisse" ist ein subtiler Psychothriller, der das Böse der Menschen nüchtern und ohne Effekthascherei schildert und trotzdem schockierend ist - mit einem genialen, bitterbösen Ende.



Samstag, 8. April 2017

Buchrezension: Valentina Cebeni - Die Zitronenschwestern

Inhalt:

Elettras früheste Kindheitserinnerung ist der Duft von Anisbrötchen. Ihre Mutter war eine begnadete Bäckerin, deren Köstlichkeiten direkt den Weg zum Herzen der Menschen fanden. Doch seit sie schwer erkrankt ist, steuert die Bäckerei der Familie auf den Bankrott zu. Und Elettra ist ganz auf sich allein gestellt, denn sie erfuhr nie, wer ihr Vater ist. Als sie von einer kleinen Insel im Mittelmeer hört, auf der ihre Mutter die glücklichste Zeit ihres Lebens verbracht haben soll, reist sie kurz entschlossen dorthin. Inmitten von Zitronenhainen stößt sie auf ein verlassenes Kloster, das eine alte Liebe verbirgt – und vielleicht das große Glück.

Rezension:

Elettras Mutter Edda liegt seit über einem Jahr im Koma und Elettra wachsen die Rechnungen der von ihr übernommenen Bäckerei, die vor dem Bankrott steht, über den Kopf. Im Krankenhaus begegnet sie Eva, die sich als alte Freundin von Edda zu erkennen gibt und Elettra rät, auf die Mittelmeerinsel Isola del Titano zu reise, um mehr über ihre Mutter und deren Vergangenheit in Erfahrung zu bringen. Auch Elettras Freundin Esther rät ihr zu einer Auszeit, hatte sich allerdings nicht vorgestellt, dass Elettra diese über Monate in einem Kloster auf einer eigentümlichen Insel verbringt, um auf den vermeintlichen Spuren ihrer Mutter zu wandeln.

Nach einem Schiffsunglück vor einigen Jahren, bei welchem ausschließlich männliche Inselbewohner ums Leben gekommen sind, werden die hinterbliebenen Witwen geächtet. Sie leben auf einem anderen Teil der Insel. Drei Frauen haben sich in das entweihte Kloster zurückgezogen, wo auch Elettra eine Unterkunft findet.

Elettra fühlt sich dort ihrer Mutter näher als im Krankenhaus, zudem hört sie Stimmen, die nach ihr rufen und ist sich nach dem Fund eines alten Einmachglases und Rezeptheftes von Edda sicher, dass ihre Mutter früher in dem Kloster bei den Nonnen gelebt hat. Bis zuletzt hatte sie das Kloster auch finanziell unterstützt, das jetzt keinen finanziellen Spielraum für eine Instandhaltung hat. In der Hoffnung den Willen der Mutter umzusetzen, beschließt Elettra den drei Frau zu helfen, um das Kloster zu erhalten und zu verhindern, dass an dessen Stelle ein Luxushotel gebaut wird. Obst, Gemüse, Eingemachtes, Kerzen, Honig und Gebäck sollen auf dem Markt verkauft werden. Aufgrund der gesellschaftlichen Ausgrenzung der Frauen gestaltet sich dies allerdings schwieriger als gedacht.

Elettra, Edda, Esther, Eva - schon zu Beginn verwirrte mich der Roman mit den vier E-Protagonistinnen. Auch die Handlung erschloss sich mir in weiten Teilen nicht. Das Geheimnis um Elettras Mutter blieb mir viel zu vage, Ich wüsste einfach nicht, nach was Elettra in dem Kloster suchte. Darüber hinaus hätte ich mir nach dem Epilog, der 1940 spielte, auch eine Zeitangabe für den Roman gewünscht. Ich spekuliere immer noch, ob er in den 80er-Jahren handelt, aber für diese Zeit war mir die Insel bzw. deren Bewohner zu rückständig und weltfremd.

Der ganze Roman wirkte zu konstruiert, die Inselbewohner zu stereotyp ablehnend, die Frauen im Kloster zu auffällig verschwiegen ein Geheimnis hütend und Elettra zu naiv. Viel früher hätten Andeutungen auf das Geheimnis von Edda kommen müssen, um ein gewisses Maß an Spannung aufzubauen. Aber auch das ominöse Geheimnis war dann ernüchternd trivial. Die Liebesgeschichte zwischen Elettra und dem Maler war zu erwarten vorhersehbar.

"Die Zitronenschwestern", die nur im Epilog eine Rolle spielen, ist ein Roman der mir persönlich zu gewollt geheimnisvoll und das Setting auf der Insel zu unrealistisch war und mich deshalb trotz des hübschen Covers und der zur Geschichte passenden Rezepte der kulinarischen Köstlichkeiten von Edda nicht fesseln konnte. 


Montag, 3. April 2017

Buchrezension: Abbi Waxman - Gegen Liebe ist kein Kraut gewachsen

Inhalt:

Die Kunst, die Radieschen von oben zu sehen Wer hat schon Lust, einen Gemüsegarten umzugraben? Lilian jedenfalls nicht. Sie hat mit ihrem Job, den beiden kleinen Töchtern und dem Kummer um ihren verstorbenen Mann genug zu tun. Danach fragt ihre Chefin jedoch nicht und meldet sie beim Gärtnerkurs eines wichtigen Kunden an. Der ist gar nicht mal so unsympathisch. Und Lilian ist verblüfft, was sie da auf dem Acker alles ausgräbt: Würmer, Lebensfreude, Baumwurzeln, Plastikfeen, Unkraut, Freunde, Radieschen, einen ziemlich großartigen Mann, und den Mut, sich neu zu verlieben...

Rezension:

Lilian ist 34 Jahre alt und alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Töchtern. Vor vier Jahren musste sie mitansehen, wie ihr Ehemann Dan bei einem Verkehrsunfall gestorben ist.
Sie ist noch immer in tiefer Trauer und nicht nur ihren Kindern zuliebe zeigt sie kein Interesse am anderen Geschlecht. Als sie einen Auftrag zur Gestaltung einer Gartenezyklopädie erhält, meldet sie ihre Chefin zu einem Gärtnerkurs an, der von dem Kunden geleitet wird. An sechs Samstagen legt die Gruppe, die aus ganz unterschiedlichen Charakteren besteht, einen eigenen Gemüse- und Blumengarten im Botanischen Garten an. Kursleiter Edward ist auf den ersten Blick Lilis Typ, aber von Alpträumen geplagt und aus schlechtem Gewissen, bleibt sie zunächst auf Distanz.
In "Gegen Liebe ist kein Kraut gewachsen" begleitet der Leser Lili durch ihre Trauer und erlebt, wie sie durch den Gärtnerkurs und den Zusammenhalt in der Gruppe buchstäblich aufblüht. Trotz der Themen Trauer und Tod, die in dem Roman allgegenwärtig sind, ist es ein Wohlfühlbuch, das warmherzig und voller humorvoller Szenen ist. Lili, ihre beiden aufgeweckten und zum Teil schon fast erwachsen wirkenden Töchter, ihre etwas flippigere Schwester Rachel sowie Hund Frank wachsen dem Leser schnell ans Herz und selbst kann man durch den Gärtnerkurs und die Gartentipps zwischen den einzelnen Kapitel einiges zur Gemüseaufzucht dazulernen. 


Auch wenn der Roman vorhersehbar ist, war er für mich am Ende durch die Auseinandersetzung Lilis mit sich selbst und ihrer Trauer tiefgründiger als Cover und Klappentext vermuten lassen. Das Debüt von Abbi Waxman ist ein wirklich liebenswerter Roman, der Lust auf Frühling und Draußensein macht.