Samstag, 31. Oktober 2020

Buchrezension: Anne Stern - Fräulein Gold: Schatten und Licht (Die Hebamme von Berlin, Teil 1)

Inhalt:

1922: Hulda Gold ist gewitzt und unerschrocken und im Viertel äußerst beliebt. Durch ihre Hausbesuche begegnet die Hebamme den unterschiedlichsten Menschen, wobei ihr das Schicksal der Frauen besonders am Herzen liegt. Der Große Krieg hat tiefe Wunden hinterlassen, und die junge Republik ist zwar von Aufbruchsstimmung, aber auch von bitterer Armut geprägt. Hulda neigt durch ihre engagierte Art dazu, sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen. Zumal sie bei ihrer Arbeit nicht nur neuem Leben begegnet, sondern auch dem Tod. Im berüchtigten Bülowbogen, einem der vielen Elendsviertel der Stadt, kümmert sich Hulda um eine Schwangere. Die junge Frau ist erschüttert, weil man ihre Nachbarin tot im Landwehrkanal gefunden hat. Ein tragischer Unfall. Aber wieso interessiert sich der undurchsichtige Kriminalkommissar Karl North für den Fall? Hulda stellt Nachforschungen an und gerät dabei immer tiefer in die Abgründe einer Stadt, in der Schatten und Licht dicht beieinanderliegen. 

Rezension: 

Hulda Gold ist eine junge, engagierte Hebamme, die im berüchtigten Bülowbogen, einem der ärmsten Viertel Berlins zur Zeit der 1920er-Jahre, schwangere Frauen und Wöchnerinnen versorgt. Dabei liegt ihr als moderne Frau, die sich ihre Unabhängigkeit bewahren möchte, nicht nur ihre Arbeit, sondern auch das Wohlergehen der armen Menschen am Herzen, weshalb sie sich mitunter unentgeltlich um ihre Patientinnen kümmert.
Die Niederkunft der Erstgebärenden Lilo Schmidt ist mustergültig verlaufen, Hulda sorgt sich jedoch um die junge Frau, die vom Tod ihrer Nachbarin und Freundin Rita Schönbrunn, eine lebensältere Frau, die als Prostituierte arbeitete, erschüttert ist. Ihre Leiche war im Landwehrkanal aufgefunden worden. Die Polizei geht von einem Selbstmord aus, was Lilo jedoch nicht glauben mag.
Als Hulda neugierige Fragen im Bülowbogen stellt und neben Kriminalkommissar Karl North eigene Ermittlungen anstellt, bringt sie sich letztlich selbst in Gefahr. 

"Fräulein Gold: Schatten und Licht" ist der Auftakt der dreiteiligen Buchreihe um die junge Hebamme Hulda Gold aus Berlin. Der erste Band handelt im Frühling/ Sommer 1922 und lässt den Leser anschaulich in das Berlin der damaligen Zeit, wo Licht und Schatten, Wohlstand und Armut, Aufbruchsstimmung nach dem Ersten Weltkrieg sowie Inflation und drohende Wirtschaftskrise dicht nebeneinander liegen, eintauchen. Durch die lebendige Beschreibung der Szenerie und die typische Berliner Schnauze so manches Nebencharakters ist die Atmosphäre spürbar. 
Hulda ist einerseits eine starke, patente junge Frau, die ihrer Zeit voraus ist und sich aus Angst vor dem Verlust ihrer Unabhängigkeit nicht an einen Mann binden möchte, andererseits aber auch eine empathische Frau mit einer weichen Seite, die die Augen nicht vor den Armen verschließen kann und sich selbst nach Liebe und Geborgenheit sehnt. 
Ihr Interesse für den (ungeklärten) Todesfall und ihre Einmischung in die Ermittlungen von Kommissar North waren mir hingegen nicht so ganz nachvollziehbar und von zu vielen Zufällen geprägt. Dennoch mochte ich den spürbaren Zeitgeist der 1920er-Jahre und Hulda, die das Herz auf dem rechten Fleck hat und habe sowohl die Aufklärung der Kriminalfalls durch sie und den etwas zwielichtigen Kommissar North sowie Huldas Beziehung zu ihrem Exfreund Felix Winter und ihr romantisches Interesse für den Kommissar gespannt verfolgt. 

"Fräulein Gold: Schatten und Licht" ist ein gelungener erster Band, der Lust auf mehr von Hulda Gold macht. 

Freitag, 30. Oktober 2020

Buchrezension: Clare Mackintosh - Meine Seele so kalt

Inhalt:

Ein regnerischer Abend in Bristol. Der 5-jährige Jacob ist mit seiner Mutter auf dem Weg nach Hause, plötzlich reißt er sich los und stürmt auf die Straße. Das Auto, das wie aus dem Nichts erscheint und ihn erfasst, ist ebenso schnell wieder verschwunden. Für den kleinen Jungen kommt jede Hilfe zu spät.
Jenna Gray flieht vor den Ereignissen in die Einsamkeit eines walisischen Dorfes. Aber die Trauer um ihr Kind und die Erinnerungen lassen sie selbst dort nicht los. Schon bald ist sie sich sicher, dass nicht nur die Vergangenheit sie erbarmungslos verfolgt.

Rezension: 

Auf dem Heimweg aus der Schule wird der fünfjährige Jacob von einem Auto erfasst und stirbt noch am Unfallort. Der Fahrer ist flüchtig und die trauernde Mutter kann nichts zur Identifizierung des Täters beitragen. Die Ermittlungen von Detective Inspector Ray Stevens und Constable Kate Evans laufen ins Leere bis sich nach über einem Jahr eine neue Spur ergibt. 
Jenna lässt nach dem Unfall ihr alles Leben hinter sich und zieht nach Wales in ein einsames Cottage am Meer. Sie lebt dort zurückgezogen und orientiert sich beruflich als Fotografin um. Doch die Geister der Vergangenheit lassen sie nicht ruhen. Jede Nacht träumt sie von dem Unfall und sieht Jacob vor Augen. 

"Meine Seele so kalt" beginnt mit dem tragischen Tod des kleinen Jungen und entwickelt sich dann eher wie ein klassischer Kriminalroman als ein Thriller. Die Perspektiven wechseln kapitelweise zwischen DI Ray Stevens und den Ermittlungen an dem Fall der Fahrerflucht und der Sicht von Jenna, die sich traumatisiert in das Cottage in Wales zurückgezogen hat, wo sie Schuldgefühle quälen und sie mit niemandem über den Unfall sprechen kann. 
Nach einem Drittel des Romans kommt es zu einem Plottwist und zu einer Wendung, die den Krimi zu einem Psychothriller machen. Auf raffinierte Art und Weise hat die Autorin den/die Leser/in bewusst auf eine falsche Fährte geführt und auf einmal erscheint nichts mehr so wie ursprünglich angenommen. Rückblenden in die Vergangenheit zeigen auf, was Jenna tatsächlich quält und wovor sie davon läuft. Gleichzeitig bleibt es - selbst als der Fahrer des Unfallfahrzeugs verhaftet und vor Gericht gestellt wird - spannend, was sich an dem Abend tatsächlich ereignet hat. 

Es ist kein reißerischer, blutiger, sondern ein dramatischer Psychothriller, bei dem letztlich nicht die Tat an sich, sondern die Hintergründe dafür in den Fokus rücken, so dass die Rollen von Täter und Opfer verschwimmen. Die Autorin war früher selbst Polizeibeamtin und das merkt man der Geschichte an. Die Handlung ist authentisch erzählt und auch ihre Gefühle als Mutter sind in die Geschichte empathisch eingeflossen.      



Mittwoch, 28. Oktober 2020

Buchrezension: Valerie Korte - Aus allen Wolken fällt man auch mal weich

Inhalt: 

Julia hat ein perfektes Leben – wenn auch nur auf Instagram. Stets top gestylt setzt sie dort die selbst entworfenen Armbänder in Szene, die sie in ihrem Online-Shop verkauft. In Wirklichkeit allerdings ist ihr Kölner Loft nur eine kleine Souterrainwohnung, Töchterchen Fee keineswegs eine verträumte Elfe und der Göttergatte längst ihr Ex. Ein Lichtblick in Julias Alltag ist der Bildhauer Alex von gegenüber, den sie gern heimlich bei der Arbeit beobachtet. Bis er beim Verkauf seiner Werke ihre Hilfe zu brauchen scheint. Plötzlich steht Julia vor der Frage: Wie viel ungeschöntes Leben verträgt die große Liebe?

Rezension: 

Julia wurde vor Kurzem von ihrem Freund verlassen und lebt nun allein mit ihrer vierjährigen Tochter in einer Souterrainwohnung in Köln-Mülheim. Beruflich hat sie sich als Designerin von Armbändern selbstständig gemacht, die sie kreativ auf ihrem Instagram-Account in Szene setzt. Dabei ist in der schönen Insta-Welt alles nur Show. Dort ist sie glücklich verheiratet, lebt in einem Loft und ist jeden Tag mühelos perfekt gestylt. Je weiter das Reallife von ihrem Online-Account auseinanderdriftet, desto schwieriger wird es für Julia den schönen Schein aufrecht zu erhalten. Zudem fordert ihr Exfreund auch noch den Kredit zurück, den er ihr für ihr Business gewährt hatte. Da träumt sie lieber von Alex, Bildhauer und alleinerziehender Vater eines Sohnes in der Kita ihrer Tochter, dem sie sich geschäftlich als sein Social Media Marketing nähert und ihr Herz höher schlagen lässt. 

Der Roman schildert sehr authentisch das nicht immer einfache Leben als alleinerziehende Mutter, die aufgrund ihrer Selbstständigkeit jeden Tag aufs Neue um ihre Existenz kämpfen muss. Die Handlung wird dabei durch vereinzelte Social Media Postings auf Instagram unterbrochen, die die kreativen Inszenierungen Julias zeigen. Auf humorvolle Art und Weise wird dabei dargestellt, wie ihre zwei Welten sich unterscheiden - einerseits die geschönte Welt einer erfolgreichen, sportlich-schlanken Schmuckdesignerin, die nicht arbeiten müsste und andererseits der chaotische Alltag einer berufstätigen Mutter, die finanziell kaum um die Runden kommt. 
Das Buch ist lebendig und wunderbar witzig geschrieben und nimmt dabei die schöne heile Insta-Welt aufs Korn, eine digitale Welt, in der mehr Schein als Sein herrscht, durch die man sich leicht unter Druck gesetzt fühlen kann. Julia ist eine verunsicherte Frau, die perfekt erscheinen möchte, um zu gefallen. Im Verlauf des Romans merkt sie jedoch nicht nur, wie schwer ihr die Online-Flunkerei fällt, sondern das ehrlich bekanntermaßen am längsten währt. 

Es ist eine leicht zu lesende und unterhaltsame Lektüre, in der sich alle Probleme erwartungsgemäß und passend zum Titel "Aus allen Wolken fällt man auch mal weich" am Ende auflösen und bei der auch die romantischen Gefühle nicht zu kurz kommen. Während die Differenz aus Real- und Onlinewelt und alle damit verbundenen Schwierigkeiten sehr gut herausgearbeitet und schlüssig gelöst werden, gibt es aber auch Themen in dem Roman wie Julias Verhältnis zu ihrem Vater, die Trauer Alex' um seine Freundin oder der Kinderwunsch von Julias Freundin Elif, die zu oberflächlich bleiben, eine Aufarbeitung den Rahmen der Wohlfühl-Liebeskomödie allerdings auch gesprengt hätten. 
Als Wahl-Kölnerin hat mir der Lokalkolorit der Geschichte in jedem Fall gut gefallen. 

 

Montag, 26. Oktober 2020

Buchrezension: Diane Setterfield - Was der Fluss erzählt

Inhalt: 

Eine stürmische Winternacht im ländlichen England des späten 19. Jahrhunderts: In der uralten Gaststube des "Swan" sitzen die Bewohner von Radcot zusammen und wärmen sich an ihren Geschichten und Getränken, als ein schwer verletzter Mann mit einem leblosen Mädchen im Arm hereinstolpert. Eine Krankenschwester wird gerufen, die nur noch den Tod des Kindes feststellen kann. Als sie jedoch ein paar Stunden später die Todesursache festzustellen versucht, bemerkt sie, dass das Kind atmet und sich bewegt. Ein Wunder? Oder etwa Zauberei? Oder gibt es dafür eine wissenschaftliche Erklärung? Und woher kommt das Mädchen?

Rezension: 

Zur Wintersonnenwende kommt ein schwer verletzter Mann mit einem leblosen kleinen Mädchen im Arm in das Wirtshaus "Swan" an der Themse in der Nähe von Oxford. Die örtliche Krankenschwester Rita wird alarmiert und kann kein Lebenszeichen an dem vermutlich ertrunkenen, ungefähr vierjährigen Mädchen feststellen. Der behinderte Sohn der Wirtsleute küsst das Mädchen, um ihr wie Schneewittchen wieder Leben einzuhauchen. Wenig später atmet das Mädchen und wird wach, ist allerdings verstummt. Keiner der Anwesenden hat das Mädchen je gesehen oder weiß, wo es hingehört.
Das "Wunder" spricht sich in der Gegend herum und so gelangt die Nachricht an die Eheleute Vaughan, die seit zwei Jahren nach einer Entführung ihre Tochter vermissen. Mrs. Vaughan, die an dem Verlust fast zerbrochen ist, glaubt, in dem kleinen Mädchen ihre Amelia wieder zu erkennen und blüht sichtbar auf. Doch auch der gut situierte farbige Bauer Robert Armstrong erhebt Anspruch auf das Mädchen. Er geht davon aus, dass es sich dabei um seine erste Enkelin handelt, die sein Stiefsohn vor seiner Familie verheimlicht hat. Die Haushälterin des Pastors Lily White glaubt dagegen, in dem Mädchen ihre Schwester Ann zu erkennen, was aufgrund ihres Altersunterschiedes allerdings nur schwer denkbar ist. 

Der Roman dreht sich um die Frage, wer das Mädchen ist und zu welcher Familie sie gehört. Aus unterschiedlichen Perspektiven wird die Geschichte erzählt, so dass neben der Suche nach der Wahrheit die Schicksale mehrerer Familien in den Vordergrund rücken. Die Hintergründe zu den Personen erklären, wer warum glaubt, dass das die Vierjährige zu ihm gehört und warum es so schwierig ist, Ende des 19. Jahrhunderts herauszufinden, um wen es sich bei dem unbekannten Kind handelt. 
Die Geschichte, in der die Themse, zu der sich auch das Mädchen magisch hingezogen fühlt, obwohl es darin fast ertrunken ist, eine wesentliche Rolle spielt, ist mythisch angehaucht. Eine Sage von einem Mann wird erzählt, der Menschen an das andere Ufer bringen kann, und Wahrsager werden aufgesucht. Der Aberglaube dominiert das Handeln vieler Personen. 
Krankenschwester Rita und der Fotograf Henry Daunt versuchen die Frage nach der Herkunft rational zu lösen, während auch nach einem halben Jahr der Ankunft des Mädchens immer noch ein Tauziehen zwischen den rivalisierenden Familien herrscht. 

Es ist eine düstere, märchenhafte Geschichte, die atmosphärisch dicht erzählt ist und den Leser sehr anschaulich nach England Ende des 19. Jahrhunderts versetzt. Die Suche nach der Identität des Mädchens und was mit den anderen drei verschwundenen Mädchen geschehen sein mag, ist zwar aufgrund einiger Ungereimtheiten spannend, zieht sich aber durch die Eröffnung zahlreicher Nebenschauplätze aufgrund der Vielzahl der Charaktere in die Länge und konnte mich deshalb nicht durchgehend fesseln. Als letztlich alle Handlungsstränge zusammenfließen, werden die Umstände der vermissten Mädchen schlüssig aufgeklärt. Die Erklärung ergibt sich dabei jedoch nicht aus der aktiven Handlung, sondern in Form von Nacherzählungen, was der sonst so kunstvoll erzählten Geschichte ihren Reiz nimmt.   

Samstag, 24. Oktober 2020

Buchrezension: Verena Güntner - Power

Inhalt: 

Die selbstbewusste Kerze ist gerade noch ein Kind. Sie lebt in einem kleinen, von Wald und Feldern umgebenen Dorf, das nur noch wenige Bewohner hat. Doch Kerze verteidigt ihr Dorf gegen den Schwund, sie ist hier fest verwurzelt. Eines Tages geht Power verloren, der Hund einer Nachbarin. Die Hitschke ist verzweifelt – seit ihr Mann nicht mehr da ist, lebt sie allein. Kerze macht sich auf die Suche nach Power und verspricht, den Hund zurückzubringen. Koste es, was es wolle. Denn Kerze hält, was sie verspricht. Immer! Sie geht methodisch vor, durchstreift das Dorf und die Felder, tastet sich immer näher an Power heran. Beobachtet wird sie dabei von den Kindern des Dorfes, die sich ihr nach und nach anschließen. Ein ganzes Rudel bildet sich, das bellend und auf allen vieren Powers Fährte aufnimmt. Als klar wird, dass sie ihn nur außerhalb der Dorfgemeinschaft finden können, verlassen die Kinder das Dorf und ziehen in den Wald.

Rezension: 

Die 11-jährige Kerze lebt zusammen mit ihrer Mutter in einem kleinen abgelegenen Dorf in Ostdeutschland, das umgeben von einem Wald ist. Als der kleine Hund der Nachbarin Frau Hitschke verschwindet, sieht es Kerze als ihren Auftrag an, Power zu finden und der Hitschke zurückzubringen - tot oder lebendig. 
Kerze nutzt ihr detektivisches Gespür, befragt Einwohner und sucht nach Spuren von Power. Als die Sommerferien beginnen, schließen sich ihrer Suche die Kinder des Ortes an und sie beginnen zu trainieren, sich wie ein Hund zu verhalten, zu bellen und zu schnüffeln, bis sie sich komplett unter der Anleitung von Kerze in den Wald zurückziehen. Die Eltern können nur hilflos zusehen, wie sich ihre Kinder absondern und machen dafür die einsame Frau Hitschke verantwortlich.

"Power" ist eine außergewöhnliche Geschichte über ein besonderes Mädchen, die überspitzt dargestellt ist. Die Handlung ist verstörend und zieht einen in ihren Bann, auch wenn man sich nicht vorstellen kann, dass so ein Szenario in Deutschland möglich ist. Die Hilflosigkeit der Erwachsenen ist dabei genauso erschreckend wie das rigorose Verhalten der Kinder, die sich sektenartig einem 11-jährigen charismatischen Mädchen anschließen, das ihnen Befehle erteilt, die sie hinnehmen, um dazuzugehören. 
Die Atmosphäre des Romans ist bedrohlich, fast schon apokalyptisch. Kerze gründet mit den anderen Kindern des Dorfes eine Art Parallelgesellschaft im Wald, führt ihr eigenes Rudel an, während die Suche nach Power in Vergessenheit gerät und die Dorfgemeinschaft an dem Kontrollverlust über die Kinder zu zerbrechen droht und wütend nach einem Sündenbock sucht. 
Das Buch ist surreal, stellt aber die Missstände der Gesellschaft nicht unrealistisch, sondern nur in einer extrem krassen Form dar. Angeprangert werden Probleme wie die Einsamkeit im Alter, Vernachlässigung, Radikalisierung, Manipulation, Alleinherrschaft und Fanatismus. 
Als Jugendbuch angelegt, ist "Power" trotz der komplexen Themen leicht zu lesen. Die Sprache ist nüchtern und reduziert, aber gerade die einfachen Erklärungen, die Kerze frech gibt, sind unglaublich pointiert und regen zum Nachdenken an. Auch wenn man während des Romanverlaufs über weite Strecken nur irritiert mit dem Kopf darüber schütteln kann, was ausgelöst durch die Suche nach einem kleinen Hund mit dem Dorf passiert, ist es eine kurze Geschichte, die mir sprachlich und aufgrund ihrer Andersartigkeit gut gefallen hat. Eine Erklärung für das Verhalten der Kinder, die sich urplötzlich einer Außenseiterin anschließen, sowie ein Ausblick darauf, welche Konsequenzen das Dorf am Ende aus dieser Abkehr von allen gesellschaftlichen Normen zieht, hätte ich mir schon gewünscht.  



Freitag, 23. Oktober 2020

Buchrezension: Britta Sabbag - Blackwood: Briefe an mich

Inhalt:

Stell dir vor, du bekommst einen Brief von deinem zukünftigen Ich. Würdest du ihn lesen?
Für Gesine ist das keine Frage. Natürlich würde sie. Denn nach dem Tod ihrer Mutter muss sie alleine zu einer Verwandten nach Irland ziehen. In dem kleinen, verschlafenen Dörfchen Blackwood hat sie niemanden, mit dem sie so richtig über ihren Kummer sprechen kann. Auch nicht über Arian Mary, den unverschämt gutaussehenden Sohn der örtlichen Butterdynastie. Noch dazu machen sie die Dorfbewohner mit Geschichten über allerlei übernatürliches Zeug verrückt. Alles Quatsch, denkt sich Gesine. Bis sie in einem geheimnisvollen alten Schreibtisch einen Brief von ihrem zukünftigen Ich findet, der ihre Welt ganz schön durcheinanderbringt.

Rezension:

Nach dem Tod ihrer Mutter zieht die 15-jährige Gesine von Wien nach Irland zu ihrer Tante in den kleinen Ort Blackwood. Die Einwohner dort wirken mit ihrem Glauben an Feenvölker und andere Fabelwesen sehr eigenartig auf sie. Sie tritt deshalb selbst bei ihrer Tante permanent aus Unwissen und Ungeschicktheit in Fettnäpfchen. 
An ihrer neuen Schule freundet sie sich mit Sam an und schwärmt für den Sohn der Butterdynastie Marygold, Arian. Der ist jedoch mit der schönen Lilian zusammen, die Gesine die Eingewöhnung schwermacht, insbesondere als Gesine an der Seite von Arian die Hauptrolle in dem Schultheaterstück "Der Nussknacker" bekommt. 
Gesine findet einen Brief in dem antiken Schreibtisch in ihrem Zimmer, der von ihrem zukünftigen Ich ist. Von ihr erhofft sie sich Ratschläge, wie sie sich in Blackwood zu verhalten hat, um sich nicht so fremd zu fühlen. Kurzerhand schreibt sie zurück und hofft auf Antworten...

Aufgrund des Titels und des Klappentextes hatte ich angenommen, dass die Briefe aus der Zukunft, mit denen Gesine konfrontiert wird, eine zentrale Rolle in dem Buch einnehmen. Tatsächlich findet sie den ersten Brief erst nach über einem Viertel des Buches. Der Roman dreht sich vielmehr um einen Neuanfang an einem fremden Ort, an dem man sich nicht willkommen fühlt. Obwohl Gesine in der Schule Anschluss findet, fühlt sie sich einsam und nicht zugehörig. Sie vermisst Wien oder vielmehr das Leben dort mit ihrer Mutter. Ihr Gefühl von Heimatlosigkeit ist spürbar, insbesondere da Blackwood mit seinen Mythen und exzentrischen, schrulligen Einwohnern ein skurriler Ort ist. 
Von Trauer um die Mutter ist jedoch wenig zu spüren und auch die Briefe sind nicht so präsent und wesentlich für die Handlung. Das Theaterstück und die typischen Probleme unter Teenagern - Konkurrenzdenken und Eifersucht - sind dagegen im Vordergrund. Durch die stereotypen Charaktere dominiert ein Spiel Gut gegen Böse, das vorhersehbar ist. Auch der Verlauf der Liebesgeschichte ist von Anbeginn zu erahnen. Durch die Ich-Perspektive erhält man einen guten Einblick in Gesines Gefühlswelt und ihre Schwärmerei für Arian, eine emotionale Bindung ist allerdings nicht spürbar. 

Das Buch ist ganz unterhaltsam und vor allem im Hinblick auf den in Irland weit verbreiteten Aberglauben stellenweise ganz witzig, aber die grundlegende Idee der Geschichte kam leider so gut wie gar nicht zum Tragen. Am Schluss wird noch einmal Bezug auf die Briefe genommen, aber auf eine Weise, die so gar nicht zum Rest der Handlung passen wollte. Auch eine Erklärung für das Phänomen findet sich nicht - die Geschichte wirkt am Ende unrund und nicht ganz durchdacht. 
Es ist ein netter Roman für Teenager(mädchen), aber keinesfalls ein All-Age-Roman, wie angekündigt. Dafür waren die wesentlichen Probleme zu sehr auf 15-jährige Schüler bezogen, auch wenn die Botschaft, dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen, um aus ihnen zu lernen oder die Frage, ob man sein Schicksal umgehen oder gar ändern kann, sicher für alle Altersklassen gültig ist. 


Mittwoch, 21. Oktober 2020

Buchrezension: S. K. Tremayne - Eisige Schwestern

Inhalt:

Ein Jahr nachdem die sechsjährige Lydia durch einen tragischen Unfall ums Leben kam, sind ihre Eltern Sarah und Angus psychisch am Ende. Um neu anzufangen, ziehen sie zusammen mit Lydias Zwillingsschwester Kirstie auf eine atemberaubend schöne Privatinsel der schottischen Hebriden. Doch auch hier finden sie keine Ruhe. Kirstie behauptet steif und fest, sie sei in Wirklichkeit Lydia und die Eltern hätten den falschen Zwilling beerdigt. Bald hüllen Winternebel die Insel ein, Angus ist beruflich oft abwesend, und bei Sarah schleicht sich das unheimliche Gefühl ein, etwas stimme nicht. Zunehmend fragt sie sich, welches ihrer Mädchen lebt. Als ein heftiger Sturm aufzieht, sind Sarah und Kirstie komplett isoliert und den Geistern der Vergangenheit ausgeliefert. 

Rezension: 

Ein Jahr nachdem die sechsjährige Lydia bei einem Sturz vom Balkon auf tragische Weise ums Leben gekommen ist, beschließen ihre Eltern Angus und Sarah zusammen mit der verbliebenen Zwillingsschwester Kirstie neu anzufangen und von London nach Schottland zu ziehen, wo Angus eine kleine Insel von seiner Großmutter geerbt hat. 
Doch der Neubeginn ist schwierig. Das abgelegene Haus ist stark renovierungsbedürftig, Angus trinkt weiterhin zu viel Alkohol und Sarah ist häufig allein mit ihrer Tochter, die in der Schule keinen Anschluss findet. Kirstie behauptet immer vehementer, dass sie Lydia ist und auch Sarah kommen Zweifel, denn Kirstie scheint wirklich typische Eigenschaften von Lydia angenommen zu haben. Statt die Situation zu entspannen, wird der Inselaufenthalt immer unerträglicher. Kirsties Verhalten schwankt zwischen aggressiv und verängstigt und Sarah und Angus sind nicht nur mit Kirstie überfordert, sondern stellen auch ihre Ehe in Frage. 

Der Roman ist überwiegend aus der Ich-Perspektive von Sarah geschrieben, einzelne Kapitel schildern jedoch auch die Sicht von Angus, der ganz offensichtlich etwas zu verbergen hat. Im Fokus steht das Verhalten der siebenjährigen überlebenden Zwillingsschwester, das regelrecht verstörend ist. Umso weniger verständlich ist, dass die Eltern sich keine Hilfe suchen und nicht viel früher mit Kirstie einen Psychotherapeuten aufsuchen. So zieht sich die Geschichte etwas in die Länge, da sich die Situationen im Kreis drehen und die Handlung nicht weiter voranschreitet. 
Spannend ist aber dennoch zu erfahren, ob es tatsächlich sein kann, dass der falsche Zwilling beerdigt wurde und welches Geheimnis Angus verbirgt, dass sein widersprüchliches Verhalten gegenüber Sarah erklärt. Das Setting auf der abgelegenen Insel, das raue Klima und der einsetzende Winter mit Eisregen und Stürmen tragen neben dem Verhalten Sarahs und Angus, das von gegenseitigem Misstrauen geprägt ist, zur düsteren Stimmung bei. 

Was hinter Kirsties Identitätskrise steckt und wie die Geschichte am Ende aufgelöst wirkt, überzeugt nur bedingt. Zwar wird man als Leser überrascht, aber die Erklärung kommt zu abrupt und ergibt sich nicht wirklich aus der vorangegangen Handlung, so dass das Buch letztlich konstruiert wirkt. Nicht nachzuvollziehen ist, warum die Ereignisse um den Todesfall der Tochter von der gesamten Familie totgeschwiegen worden sind und die Tragödie damit vor allem in Bezug auf den überlebenden Zwilling noch verschlimmert hat. In Anbetracht der interessanten Grundidee hatte ich mir mehr psychologische Spannung und mehr Nervenkitzel versprochen. 



Montag, 19. Oktober 2020

Buchrezension: Amy Silver - Du und ich und all die Jahre

Inhalt: 

Seit sie dreizehn war, feierte Nicole Silvester mit ihrem besten Freund Julian. Jahr für Jahr erzählten sie sich ihre Vorsätze und geheimen Wünsche, sie waren der Mittelpunkt jeder Party und immer füreinander da. Bis zu jener schicksalhaften Neujahrsnacht …
Seitdem ist Nicoles Leben völlig aus den Fugen geraten: Beruflich steckt sie in einer Sackgasse, ihre Ehe mit Dom kriselt gewaltig, und dann taucht Aidan auf, der Mann, der ihr einst das Herz brach. Nicole beschließt: Im neuen Jahr wird sie ihr Leben endlich wieder in die Hand nehmen. Doch wie soll sie das schaffen, wo Julian nicht mehr da ist, um ihr beizustehen? 

Rezension: 

Seit sie Teenager waren, haben Nicole und Julian jedes Silvester zusammen verbracht und Vorsätze für das neue Jahr getroffen. Ihre enge Freundschaft wurde durch Alex ergänzt, die während des Studiums zu Nics bester Freundin wurde. Sie feierten das Leben, liebten das Reisen und waren auch beruflich viel unterwegs - aber Silvester immer zusammen. An einem Silvesterabend lernte Nic auch Julians Cousin, den acht Jahre älteren Aidan kennen. Sie verliebt sich in ihn, aber Aidan ist rastlos und kann sich einfach nicht festlegen. 
2011 ist Nic drei Jahre mit Dom verheiratet, doch die Ehe befindet sich in einer Krise. Auch zu Alex hat Nic keinen Kontakt mehr und beruflich bereitet ihr die Arbeit als Regisseurin belangloser Fernsehformate keine Freude. Auf einer Reise zum Jahreswechsel in New York trifft Nic wieder auf Aidan, zu dem sie lange Zeit keinen Kontakt mehr hatte. Ihr ist bewusst, dass sie mit Dom unglücklich ist, doch auch Aidan konnte sie nie für längere Zeit glücklich machen. Sie muss sich zwischen Herz und Verstand entscheiden und hätte dabei so gerne ihren besten Freund Julian an ihrer Seite. 

"Du und ich und all die Jahre" ist ein treffender Titel, denn erzählt werden die Jahre von 1990 bis 2011 aus der Perspektive von Nicole und wie sie Jahr für Jahr auf ihre große Liebe trifft, die sie jedoch nicht festhalten kann. Die Geschichte wechselt dabei zwischen der Gegenwart im Dezember 2011 und der Vergangenheit von 1990 bis 2009, die jeweils an Silvester handelt. Neben der Liebe zu Aidan spielt aber auch die enge Freundschaft zu Julian und Alex eine große Rolle. Dom, den sie letztlich heiratet, wirkt dagegen wie die zweite Wahl, ein Mann, der Nic aufrichtig liebt, dem gegenüber sie aber nie solche Gefühle entwickelte wie in Bezug auf Aidan, der ihr Jahr für Jahr das Herz gebrochen hat. 

Auch wenn sich die Geschichte überwiegend zu Silvester abspielt, sorgen Rückblicke dafür, dass man erfährt, was sich in den Monaten davor im Leben von Nic und ihren Freunden ereignet hat. Es ist eine kurzweilige, berührende Geschichte über das Leben, Freundschaft und die Liebe. Die Charaktere sind vielschichtig und authentisch. Gerade in Nicole und ihre Gefühlswelt kann man sich sehr gut hineinversetzen, aber jede Figur macht über die Jahre eine persönliche Entwicklung durch. Die Jahre sind ereignisreich und für Nicole von einigen Höhen und Tiefen geprägt. Es ist spannend rückblickend zu verfolgen, was sich in der Vergangenheit ereignet hat und was 2011 Nicoles Leben und ihr Gefühlschaos bestimmt. 
Es ist ein Buch, das zeigt, wie wichtig es ist, sein Leben zu reflektieren und sich ernsthafte Vorsätze nicht nur vorzunehmen, sondern auch umzusetzen. Für Entscheidungen braucht es Mut und ein soziales Netzwerk, das Halt gibt, aber nur wenn man sein Leben selbst in die Hand nimmt und auch unbequeme Entscheidungen nicht scheut und seine Komfortzone verlässt, erhält man die Chance, wirklich glücklich zu werden. 

"Du und ich und all die Jahre" ist ein mitreißender, tiefgründiger Roman mit lebendigen Figuren und einer wundervollen Geschichte über das Leben, den ich innerhalb kürzester Zeit verschlungen habe. 



Samstag, 17. Oktober 2020

Buchrezension: Rainer Würth - Das tote Herz

Inhalt: 

Nach einem lebensgefährlichen Zusammenbruch erhält der erfolgreiche Architekt Nicolas Kober ein Spenderherz. Was er nicht weiß: Das Herz gehörte dem sogenannten „Fotografen“, einem Frauenserienmörder. Schon bald bemerkt Kober eine irritierende Veränderung an sich, hat sonderbare Träume und Phantasien. Hat er nicht nur das Herz des Fotografen geerbt, sondern auch dessen grausame Neigungen? Dann lernt Kober Solveig Jacobsen kennen, das letzte Opfer des Fotografen, das schwer verletzt überlebt hat. Und er fühlt sich sofort stark zu ihr hingezogen. 

Rezension:

Nach einer Herzmuskelentzündung erhält Nicolas Kober ein Spenderherz. Was er nicht ahnt ist, dass das Herz einem seit drei Jahren gesuchten Serienmörder gehörte, der auf der Flucht vor der Polizei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Im Kofferraum hatte er sein neuntes Opfer, Solveig Jacobsen versteckt, die überlebte. 
Während die Kriminalpolizei trotz des Tods des Mörders weiterhin dabei ist, die Mordserie aufzuklären, quält sich Nicolas mit schrecklichen Tagträumen, kann kaum mehr schlafen und empfindet keine Leidenschaft mehr für seinen Beruf oder seine Frau und Tochter. 
Er trennt sich von seiner Familie und lernt eine junge Frau kennen, die er nicht sexuell begehrt, aber zu der sich stark hingezogen fühlt, da sie ihn an jemanden erinnert. Es ist Solveig Jacobsen...

Der Roman besteht aus vielen kurzen Kapiteln und ist aus drei Perspektiven geschrieben, die sich stetig abwechseln, was der Geschichte Dynamik verleiht. Aus der Ich-Perspektive kann man die Veränderungen von Nicolas Kober nachempfinden, während die Perspektiven des Polizeipsychologen Peter Stein und des Opfers Solveig Jacobsen aus der dritten Person beschrieben sind. 

Die Idee des Thrillers ist interessant und verspricht mehr als nur ein Unbehagen gegenüber einer anonymen Organspende, ist jedoch zu übertrieben dargestellt, dass die Geschichte am Ende nicht mehr realistisch wirkt und der Nervenkitzel, der am Anfang durchaus vorhanden ist, durch den absurden Verlauf verfliegt. Dass ein Spendenempfänger eines Herzens Geschmäcker und Gewohnheiten des Spenders übernimmt, mag noch nachvollziehbar sein. Dass er damit aber die Seele übernimmt, ihn Erinnerungen überkommen und die beiden Menschen zu einer Person verschmelzen, war mir einfach zu abwegig. Zudem fragte ich mich, wie jemand Organspender sein kann, dessen Identität nicht geklärt ist. Auch die Rolle von Peter Stein als Polizeipsychologe und Psychotherapeut sowie leitender Ermittler in der Mordserie in Personalunion empfand ich wenig realistisch. 

"Das tote Herz" ist mehr ein Schauermärchen denn ein schockierender Psychothriller. 




Freitag, 16. Oktober 2020

Buchrezension: Søren Sveistrup - Der Kastanienmann

Inhalt:

Es ist ein stürmischer Tag in Kopenhagen, als die Polizei an einen grauenvollen Tatort gerufen wird. Auf einem Spielplatz liegt die entstellte Leiche einer jungen Frau. Und der Täter hat eine unheimliche Botschaft hinterlassen: Über dem leblosen Körper schwingt eine kleine Puppe aus Kastanien im Wind. Kommissarin Naia Thulin und ihr Partner Mark Hess stehen vor einem Rätsel. Denn die Figur trägt den Fingerabdruck eines Mädchens, das ein Jahr zuvor ermordet wurde – die Tochter der Politikerin Rosa Hartung. Und dann taucht ein zweites Kastanienmännchen auf. 

Rezension: 

Eine Frauenleiche wird grausam verstümmelt auf einem Spielplatz in Kopenhagen aufgefunden. Über ihr baumelt ein gebasteltes Kastanienmännchen. Motiv und Hintergrund für das Verbrechen an der Mutter eines achtjährigen Jungen sind unklar. Rätsel wirft vor allem das Kastanienmännchen auf, an dem der Fingerabdruck von Kristine Hartung gefunden wird. Das sechsjährige Mädchen ist die Tochter der Sozialministerin Rosa Hartung und war vor einem Jahr spurlos verschwunden. Der Fall gilt als aufgeklärt, da ein psychisch kranker Mann aufgrund von Indizien gefasst wurde und gestanden hatte, das Mädchen ermordet zu haben.

Mit dem aktuellen Mordfall sind die beiden Kriminalkommissare Naia Thulin und Mark Hess betraut, wobei insbesondere Hess, der bei seiner Verwendung bei Europol negativ aufgefallen und gerade zurück nach Kopenhagen geschickt worden ist, drängt, dass es eine Verbindung zwischen dem aktuellen Mord und der Entführung der kleinen Hartung geben musss. Dann passiert ein weiterer Mord. Wieder ist es eine junge Mutter und wieder wird ein Kastanienmännchen mit einem Fingerabdruck von Kristine Hartung gefunden.

Nach einem Prolog im Jahr 1989 setzt die Handlung im Oktober der Gegenwart ein und erstreckt sich über einen Monat. Der Psychothriller schockiert zunächst durch die Grausamkeit des Mörders und ist zudem so facettenreich und dynamisch erzählt, dass man als Leser durchgehend von der Handlung gefesselt ist. Die stetigen Perspektivwechsel sorgen für einen allumfassenden Überblick über die Geschehnisse ohne zu viel zu verraten.
Es herrscht eine unbehagliche Stimmung, da aufgrund der Symbolik des Kastanienmanns und der verstümmelten Frauenleiche mit weiteren Opfern zu rechnen ist. Dies gilt es für Thulin und Hess zu verhindern und dem Täter zuvorzukommen. Die Ermittlungen gestalten sich jedoch schwierig, da der Täter der Polizei stets einen Schritt voraus zu sein scheint und innerhalb der Polizeistrukturen in Kopenhagen kein Interesse besteht, den spektakulär aufgeklärten Mord an der Politikertochter Hartung wieder aufzurollen. 
Thulin und Hess - beide starke und nur bedingt teamfähige Charaktere - haben dabei eine ganz unterschiedliche Herangehensweise und sorgen für kurzweilige und spannende Ermittlungsansätze, die zum miträtseln anregen. Immer dann wenn man denkt, kurz vor der Aufklärung des Falls zu sein, schafft es der Autor durch wohl dosierte Plottwists zu überraschen und der Handlung eine neue Richtung zu geben. 

"Der Kastanienmann" ist ein komplexer, aber wohl durchdachter, schlüssiger Fall, der durch zwei interessante und eigenwillige Ermittler bearbeitet wird und auf den über 600 Seiten niemals langweilig wird. Es ist ein blutiger Psychothriller und wendungsreicher Pageturner, der niemals langweilig wird, ohne Effekthascherei auskommt und mit akribischer, authentischer Kriminalarbeit überzeugt. 



Mittwoch, 14. Oktober 2020

Buchrezension: Michael Christie - Das Flüstern der Bäume

Inhalt: 

Jacinda Greenwood weiß nichts über ihre väterliche Familie, deren Namen sie trägt. Sie arbeitet als Naturführerin auf Greenwood Island, doch die Namensgleichheit, so glaubt sie, ist reiner Zufall. Bis eines Tages ihr Ex-Verlobter vor ihr steht. Im Gepäck hat er das Tagebuch ihrer Großmutter. Jahresring für Jahresring enthüllt sich für Jacinda endlich ihre Familiengeschichte. Seit Generationen verbindet alle Greenwoods eines: der Wald. Er bietet Auskommen, ist Zuflucht und Grund für Verbrechen und Wunder, Unfälle und Entscheidungen, Opfer und Fehler. Die Folgen all dessen bestimmen nicht nur Jacindas Schicksal, sondern auch die Zukunft unserer Wälder.

Rezension: 

Jacinda Greenwood arbeitet auf Greenwood Island als Pilger- und Naturführerin. Die kanadische Insel beherbergt ein Luxus-Ferienresort, das den Reichen vorbehalten ist, denn im Jahr 2038 ist die Natur auf der Erde weitestgehend zerstört. Nur auf Greenwood Island gibt es noch eine größere Anzahl von Bäumen, die vom Welken verschont geblieben sind.
Jacinda ging bisher davon aus, dass die Namensgleichheit ein reiner Zufall ist, doch dann bekommt sie Besuch von ihrem Exfreund, der ihr das Tagebuch ihrer Großmutter übergibt. Sie erfährt darin alles über ihre familiären Wurzeln, die eng mit den Bäumen verbunden sind. 

"Das Flüstern der Bäume" erzählt neben dem apokalyptischen Szenario einer zerstörten Natur eine eindrucksvolle Familiengeschichte, die sich über 130 Jahre erstreckt. Die Erzählweise ist dabei ungewöhnlich raffiniert. Angelehnt an die Jahresringe eines Baumstammes, beginnt die Geschichte am Ende im Jahr 2038 und wird sodann rückwärts bis zum Kern im Jahr 1908 erzählt, bevor sie wieder ihre Kreise über die Jahre 1934, 1974 und 2008 zieht, bis sie am Ausgangspunkt, dem äußersten Jahresring 2038 angelangt. 

Die Geschichte handelt von den zerstrittenen Brüdern Everett und Harris - einer ein reicher Holzfällerunternehmer, der andere ein straffälliger Eremit, der die Zuckerahornbäume für Sirup anzapft - einem entführten Mädchen, das sich als erwachsene Frau zu einer kompromisslosen Kämpferin für den Umweltschutz entwickelt, die die Bäume mehr liebt, als die Menschen. 
Jeder Abschnitt ist, geprägt von den Protagonisten, die gerade im Mittelpunkt stehen, ganz unterschiedlich in seiner Erzählweise. Es sind schockierende Einzelschicksale, deren Leid ungeschönt geschildert wird sowie ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel um ein entführtes Mädchen. Eine Einteilung in Gut und Böse ist schwer möglich, denn jeder Charakter hat seine Ecken und Kanten und weder nur gute oder nur schlechte Seiten. Durch den empathischen Schreibstil ist es jedoch möglich, sich in jede einzelne Figur hineinzuversetzen und Verständnis für ihre Motivation und ihr Handeln aufzubringen. Auch wenn die einzelnen Abschnitte jahrelang auseinanderliegen, sind sie inhaltlich doch eng miteinander verbunden und entwickeln eine Sogwirkung. Obwohl man weiß, wie die Geschichte endet, ist es spannend zu erfahren, welche Ereignisse und Entscheidungen der Vorfahren Jacindas dazu geführt haben, dass sie allein auf Greenwood Island ist und bisher ihre Familiengeschichte und eigene Herkunft nicht kannte.  

"Das Flüstern der Bäume" ist eine tragische Familiengeschichte, die ungewöhnlich aufgebaut ist und den Leser durch diese Erzählweise in den Bann zieht und gleichzeitig mit der recht düsteren Aussicht auf eine Zukunft, in der die unberührte Natur nur noch reichen Urlaubern vorbehalten ist, schockiert und zum Nachdenken anregt, ob der Klimawandel noch zu stoppen ist. 





Montag, 12. Oktober 2020

Buchrezension: Mandy Baggot - Winterzauber in Mayfair

Inhalt: 

Ihr steht das schlimmste Weihnachten aller Zeiten bevor, davon ist die junge Lehrerin Emily Parker überzeugt. Von der Liebe enttäuscht, hängt nun auch ihr geliebter Job am seidenen Faden. Denn ihre Chefin brummt ihr das Weihnachtsmusical der Schule auf – und das, obwohl Emily völlig unmusikalisch ist. Doch dann gabeln ihre Schüler den skandalumwitterten Popstar Ray Stone nach einer durchzechten Nacht verkatert im Schulschuppen auf. Könnte er Emilys Rettung sein? Vielleicht wird dieses Weihnachtsfest ja doch das schönste, das Emily je hatte. 

Rezension: 

Emily Parker ist Lehrerin an einer Grundschule in London. Sie ist sehr ambitioniert und kümmert sich mehr um ihre Schützlinge, als sie eigentlich sollte, weshalb es häufiger zu Konflikten mit der Direktorin kommt. Auch in der Liebe hatte sie wenig Glück und muss sich erst noch an das Alleinleben in ihrer Wohnung gewöhnen.
In diesem Winter soll sich E
mily auch noch um das jährliche Schulmusical kümmern und fühlt sich damit überfordert. Da begegnet sich zufällig dem gefallenen Popstar Ray Stone, der mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen hat und eine Unterkunft benötigt. Kurzerhand zieht er bei Emily ein und hilft ihr bei den Vorbereitungen für das Musical. Beide profitieren von der Nähe des anderen, haben aber jeder eine Vergangenheit, die sie nicht loslässt. 

"Winterzauber in Mayfair" ist das jährliche Winter-/ Weihnachtsbuch, das von der Autorin Mandy Baggot erscheint. Es handelt im November und Dezember im winterlichen London, weshalb das Weihnachtsfest erst am Ende des Romans im Vordergrund steht und sich das Buch deshalb jetzt im Herbst schon gut lesen lässt. 
Emily ist eine sympathische, etwas unsichere junge Frau, die sich seit ihrer letzten Beziehung zurückgezogen hat. Ray ist dagegen ein berühmter Popstar, der ebenfalls das Herz auf dem rechten Fleck hat, jedoch mit üblen negativen Schlagzeilen in der Presse erschienen ist. 
Die Liebesgeschichte der beiden ist sehr authentisch erzählt. Man spürt von Anbeginn, dass die beiden zusammenpassen und es ist schön zu lesen, wie sie sich nur ganz zögerlich einander annähern und Vertrauen schöpfen. Beide hatten enttäuschende Erlebnisse mit ihren letzten Partnern, haben zudem noch mit beruflichen Problemen zu kämpfen und bangen um ihre Zukunft. 
Die Autorin schafft ein heimeliges, winterliches Flair, während Weihnachtslieder komponiert und Weihnachtsmärkte besucht werden. Durch die Zweisamkeit von Emily und Ray, die erst rein freundschaftlich ist, bewältigen sie ihre Probleme und stellen sich zögerlich den Geistern der Vergangenheit. 
"Winterzauber in Mayfair" ist eine lebensnahe, kurzweilige Geschichte über die Liebe, Freundschaft und Neuanfänge, die stimmungsvoll in den Herbst/ Winter passt und am Ende Weihnachten als ein Fest der Liebe und Vielfalt über die Konfessionen hinweg feiert. Das ist, wie der Titel verspricht, ganz zauberhaft, bis das Buch im Epilog dann doch noch ins Kitschige abdriftet. 


 


Samstag, 10. Oktober 2020

Buchrezension: Nancy Springer - Der Fall des geheimnisvollen Fächers (Ein Enola-Holmes-Krimi: Band 4)

Inhalt: 

Lady Cecily wendet sich mit einer verzweifelten verschlüsselten Botschaft an Enola. Sherlock Holmes‘ kleine Schwester begreift sofort, dass sie ihrer Freundin helfen muss, bevor es zu spät ist – aber wie? In ihrem bisher kompliziertester Fall geht Enola in ganz London auf Spurensuche, bis sie die abscheuliche Wahrheit entdeckt: Lady Cecily wird gefangen gehalten und soll gegen ihren Willen verheiratet werden! Enola muss ihre eigene Freiheit riskieren und sich mit ihrem Bruder Sherlock zusammentun, um ihre Freundin zu retten. Kann Enola ihrem Bruder vertrauen? Und können sie Cecily rechtzeitig befreien? 

Rezension:

Enola Holmes begegnet zufällig Lady Cecily Alistair wieder, dem Mädchen, dem sie wenige Monate zuvor vor ihrem Entführer gerettet hat. Cecily ist abgemagert und wird von ihren Tanten streng bewacht. Enola macht sich Sorgen um sie und kann eine versteckte Botschaft von Cecily entschlüsseln, die sie als Hilferuf deutet. Ihre Nachforschungen ergeben, dass Cecily gegen ihren Willen verheiratet werden soll. Das kann Enola als Tochter einer Frauenrechtlerin nicht zulassen und versucht Cecily aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. Dabei trifft sie auf ihren Bruder Sherlock Holmes, der von Cecilys Mutter engagiert wurde. Enola, die sich mittels Tarnungen und ihrer Identität als Sekretärin Ivy Meshle bisher erfolgreich vor ihren Brüdern in London verstecken konnte, ist unsicher, ob sie ihrem Bruder vertrauen und zur Befreiung von Cecily mit ihm zusammenarbeiten kann. 

"Der Fall des geheimnisvollen Fächers" ist der vierte Band der Jugendbuch-Krimireihe um Enola Holmes, der cleveren kleinen Schwester von Sherlock Holmes. Er schließt nahtlos an den dritten Teil an und handelt 1889 im viktorianischen London. Die zeitgenössische Atmosphäre wird wieder durch die besondere, etwas altertümliche Sprache und die bildhafte Beschreibung der Stadt anschaulich eingefangen. Enola ist einsam und weiterhin auf der Sprache und die bildhafte Beschreibung der Stadt anschaulich eingefangen. Enola ist einsam und weiterhin auf der Suche nach ihrer verschwundenen Mutter, wird aber durch die Begegnung mit der unterdrückten Lady Cecily von ihren Nachforschungen erneut abgelenkt. Sie möchte Cecily unbedingt helfen, muss dafür aber ihre Tarnung aufgeben und läuft damit Gefahr, von ihren älteren Brüdern in ein Internat verbracht zu werden. 

Der bisher letzte auf Deutsch erschienene Band der Reihe ist für mich der gelungenste. Der Fall um die eingesperrte Lady Cecily, der die Zwangsverheiratung droht, ist spannend und durch die Rätsel, die es darum zu lösen gilt, kurzweilig. Auch bei der Dechiffrierung der Codes, über die Enola mit ihrer Mutter kommuniziert, wird man als Leser zum Knobeln angeregt. 
Enola kennt man inzwischen aus drei Geschichten; in der vierten wird sie aber noch nahbarer, denn ihre Gefühlswelt nimmt einen größeren Raum ein. Für eine 14-Jährige ist sie unglaublich selbstständig, jedoch einsam und leidet unter der verwirrenden Abwesenheit ihrer Mutter, von der sie sich im Stich gelassen fühlt. Auch der Zwiespalt im Hinblick auf die Beziehung zu ihren Brüdern ist deutlicher herausgearbeitet. Einerseits ist ihr insbesondere Sherlock ein Vorbild, das sie bewundert und dessen Nähe sie sucht, andererseits hat sie Angst davor, Sherlock und Mycroft blind zu vertrauen und damit zu riskieren, ihre erkämpfte Freiheit aufzugeben. 
Der Kriminalfall und seine Lösung sind einleuchtender als in den Vorgängerromanen und es macht Spaß, zusammen mit Enola die kniffligen Rätsel zu lösen und ihren klugen Gedankengängen zu folgen. Sie ist eine sympathische junge Heldin, die mutig und clever handelt, in diesem Band jedoch bei den Gedanken um ihre schwierige Familienkonstellation auch ihre weiche Seite zeigt. Band 4 bietet damit spannender Unterhaltung, Emotionen und vor allem wieder ganz viel Charme. 


Buchrezension: Nancy Springer - Der Fall der verhängnisvollen Blumen (Ein Enola-Holmes-Krimi: Band 3)

Inhalt:

Dr. Watson, Sherlock Holmes’ Rechte Hand, ist verschwunden. Der Meisterdetektiv ist ratlos. Enola, die den freundlichen Dr. Watson mag, möchte der trauernden Ehefrau helfen. Doch sie zögert – Ermittlungen im unmittelbaren Umfeld ihres Bruders könnten ihre Freiheit gefährden, denn wenn sie entdeckt wird, werden ihre Brüder Mycroft und Sherlock sie sicher ins Internat schicken. Als sie aber einen geheimnisvollen Blumenstrauß in Dr. Watsons Haus bemerkt, dessen Blüten allesamt den Tod symbolisieren, muss sie schnell handeln. Denn offenbar steht Dr. Watsons Leben auf dem Spiel. Sie schlüpft in ihre bisher anspruchsvollste Verkleidung und macht sich auf die Suche. Kann sie Dr. Watson rechtzeitig aufspüren? Und was haben die beiden seltsamen Schwestern mit dem Verschwinden des Doktors zu tun?

Rezension: 

Da Enola davon ausgeht, dass ihre Tarnung bei der Lösung des Falls um die verschwundene linkshändige Lady aufgedeckt worden ist, schließt sie das Büro des Wissenschaftlichen Perditors Dr. Ragostin. Um sich weiterhin vor ihren Brüdern verstecken zu können, benötigt sie eine neue Identität und schlüpft in die Rolle der feinen Lady Viola Everseau, was mit enormem Aufwand verbunden ist. 

Als Enola erfährt, dass der Arzt und beste Freund ihres Bruders, Dr. Watson, vermisst wird, möchte sie helfen, denn er war auch ihr gegenüber zuvorkommend und hilfsbereit. Zudem ist ihr Ehrgeiz geweckt, da selbst Meisterdetektiv Sherlock Holmes ratlos ist. Bei einem Besuch von Dr. Watsons Ehefrau fällt ihr ein Blumenstrauß aus, der jedoch keine freundlich gemeinte Geste zu sein scheint. Enola versteht die Sprache der Blumen, die in dem Strauß allesamt nichts gut verheißen und den Tod symbolisieren. Dr. Watsons scheint sich in Lebensgefahr zu befinden...

"Der Fall der verhängnisvollen Blumen" ist der dritte Band der Reihe um Enola Holmes, der gewitzten jungen Schwester von Sherlock Holmes. Er schließt inhaltlich nahtlos an Band 2 an und handelt im Jahr 1889 in London. Nach wie vor ist Enola auf der Suche nach ihrer verschwundenen Mutter, muss dabei aber aufpassen, nicht von ihren Brüdern entdeckt zu werden. Das schlaue Katz-und-Maus-Spiel wird insofern fortgesetzt. Auch nutzt Enola erneut chiffrierte Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften, um Kontakt mit ihrer Mutter aufzunehmen. Dies gestaltet sich allerdings immer schwieriger, da inzwischen auch ihre Brüder die Kommunikation entdeckt und entschlüsselt haben. 

Den Fall um den verschwundenen Dr. Watson empfand ich als spannender aufgebaut, als die Fälle in den Vorgängerbänden, auch wenn es in diesem Fall sehr viele Zufälle und glückliche Begegnungen sind, die Enola auf die richtige Spur führen. 
Der Roman ist wiederum sehr kurzweilig zu lesen und es macht Spaß, Enola bei ihren abgetarnten Ermittlungen zu begleiten und zusammen mit ihr die Rätsel zu lösen. Ich mag den Charme der Buchreihe, die einen sehr anschaulich in das London zum Ende des 19. Jahrhunderts versetzt. Bei diesem Band gefiel es mir besser, dass die Sozialkritik nicht so sehr im Vordergrund stand, sondern mehr erzählerische Sorgfalt auf die Lösung des kniffligen Kriminalfalls verwendet wurde. 




Freitag, 9. Oktober 2020

Buchrezension: Nancy Springer - Der Fall der linkshändigen Lady (Ein Enola-Holmes-Krimi: Band 2)

Inhalt: 

Enola versteckt sich in London noch immer vor dem genialsten Detektiv der Welt, ihrem eigenen Bruder Sherlock Holmes, und wartet auf weitere verschlüsselte Nachrichten ihrer Mutter. Als sie zufällig von der verschwundenen Lady Cecily erfährt und in den faszinierenden Kohlzeichnungen der offenbar sehr begabten Künstlerin eine Seelenverwandte erkennt, übernimmt Enola die Ermittlungen. In verschiedenen Verkleidungen auf den dunklen Londoner Straßen unterwegs und immer auf der Hut vor Mördern und Verbrechern, muss Enola die Hinweise entschlüsseln: eine angelehnte Leiter, ein gerissener Verkäufer, politische Flugblätter… Um Lady Cecily zu retten, riskiert Enola mehr als sie sollte – und kommt dabei auch ihrem Bruder unerwartet nahe. 

Rezension:

Enola ist inzwischen in London sesshaft geworden und hat sich mit einem Büro für verschwundene Gegenstände und Personen selbstständig gemacht. Um vor ihre Brüdern im Verborgenen zu bleiben, lebt und arbeitet sie mit wechselnden Identitäten, ist tagsüber wahlweise Sekretärin Ivy Meshle des imaginären Inhabers des Detektivbüros Dr. Ragostin oder seine Ehefrau, während sie nachts als stumme Nonne die Armen im East End Londons versorgt. 

Enola ist weiterhin auf der Suche nach ihrer verschwundenen Mutter, mit der sie mittels Chiffren in Zeitungen und Zeitschriften heimlich kommuniziert. Abgelenkt wird sie dabei vom Verschwinden der jungen Lady Cecily Alistair, die eines nachts im Nachtgewand aus ihrem Schlafzimmer entschwand. Enola fühlt sich mit der Gleichaltrigen, die wie sie nach mehr Freiheit drängte, verbunden und versucht sie aufzuspüren. Dabei muss sie einerseits auf der Hut vor all den dunklen Gestalten in den Armenvierteln Londons sein und andererseits vor ihrem Bruder Sherlock, der ihn inzwischen auf der Spur ist. 

"Der Fall der linkshändigen Lady" ist der zweite Band der Enola Holmes-Reihe, der smarten kleinen Schwester des Meisterdetektivs und handelt wenige Monate später im Frühjahr 1889. Der Roman ist ähnlich aufgebaut wie Band 1 und handelt einerseits von der Suche nach der Mutter unter Verwendung kniffliger Geheimbotschaften und andererseits von der Lösung eines ominösen Kriminalfalls, in den sich die junge Enola einmischt. 

Die Atmosphäre Londons Ende des 19. Jahrhunderts wird anschaulich eingefangen und wieder spielen die Unterdrückung der Frau, der Kampf der Arbeiterklasse, die Unterschiede von Arm und Reich und der Wunsch nach Freiheit eine übergeordnete Rolle, während der Ermittlungen und Spurensuche. Der Roman ist kurzweilig und spannend und es macht Spaß zu lesen, wie Enola die Menschen an der Nase herumführt und sich immer wieder neue clevere Verkleidungen ausdenkt. Sie ist eine Heldin, mit der man sich gerne identifiziert, da sie mit ihrer Auffassungsgabe und ihrem logischen Denkvermögen ihrem großen Bruder in nichts nachsteht. 

Die Hintergründe und die Aufklärung des Falls um die verschwundene junge Lady sind etwas abenteuerlich, passen damit allenfalls zur Zielgruppe der jugendlichen Leser, während ich den Eindruck hatte, dass die politischen Themen dafür etwas zu viel Raum einnehmen und in der Intensität etwas ermüdend und zu plakativ sein könnten. Enola habe ich jedoch ins Herz geschlossen und freue mich auf weitere Teile der charmanten Buchreihe. 



Buchrezension: Nancy Springer - Der Fall des verschwundenen Lords (Ein Enola-Holmes-Krimi: Band 1)

Inhalt: 

Anders als ihre berühmten älteren Brüder Sherlock und Mycroft führt Enola Holmes ein freies aber abgeschiedenes Leben auf dem Land – bis eines Tages ihre Mutter verschwindet und ihr neben versteckten Banknoten auch einige verschlüsselte Hinweise hinterlässt. Heimlich macht sich Enola auf den Weg ins düstere viktorianische London, um ihre Mutter zu suchen. Doch dort wird sie in die Entführung eines jungen Lords verwickelt und muss in zwielichtigen Gegenden vor mörderischen Gaunern fliehen – immer auf der Hut vor ihren scharfsinnigen Brüdern, die sie zur Erziehung in ein Internat stecken wollen. Wird sie es zwischen all dem Chaos schaffen, die Hinweise zu entschlüsseln und gleichzeitig dem Internat zu entkommen? 

Rezension: 

Als Enolas Mutter an ihrem 14. Geburtstag verschwindet, begegnet sie zum ersten Mal nach zehn Jahren wieder ihren älteren Brüdern Mycroft und Sherlock Holmes. Insbesondere Mycroft verurteilt die Emanzipationsanstrengungen seiner Mutter und wie sie die jüngere Schwester erzogen hat. Er meldet sie deshalb in einem Internat an, wo sie eine angemessene Erziehung genießen soll. Enola denkt jedoch nicht daran, ihren Brüdern zu gehorchen, sondern möchte ihre Mutter, die ihr verschlüsselte Botschaften und ausreichend Bargeld hinterlassen hat, auf eigene Faust finden. Auf ihrem Weg nach London wird sie auf den Fall des verschwundenen jungen Lords Basilwether aufmerksam. Von der Neugier gepackt, beginnt sie zu recherchieren und begibt sich damit selbst in Gefahr. 

"Der Fall des verschwundenen Lords" ist der erste Band um die deutlich jüngere Schwester des Meisterdetektivs Sherlock Holmes. Es ist ein Jugendkrimi, der zur viktorianischen Zeit im Jahr 1888 in England handelt. 

Enola ist eine smarte und mutige 14-Jährige, die ihren älteren Bruder Sherlock für seinen Spürsinn bewundert und nach dem Verschwinden ihrer Mutter eigene detektivische Ambitionen entwickelt. Das Buch ist atmosphärisch geschrieben und fängt die Zeit Ende des 19. Jahrhunderts bildlich ein. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich, dem Leben auf dem Land und dem in der Stadt sowie zwischen Männern und Frauen wird anschaulich mit der Geschichte verbunden. Sie liest sich kurzweilig und im Falle des rätselhaften Verschwindens von Mutter Holmes mit den hinterlassenen Chiffren auf Grundlage des Lexikons der Sprache der Blumen durchaus spannend und regt zum mitraten an, während der titelgebende Fall des verschwundenen Lords eher eine untergeordnete Rolle spielt und etwas schnell abgehandelt wird. 

Das Buch ist in sich geschlossen, bietet aber im Hinblick auf die charakterliche Weiterentwicklung von Enola und ihren Neuanfang in London sowie die noch nicht abgeschlossene Suche nach der Mutter viel spannenden Stoff für die nachfolgenden fünf Bände, von denen bereits drei in Deutschland erschienen sind. 
Die charmante Geschichte um Sherlock Holmes clevere kleine Schwester ist für jugendliche Leser, aber auch für Erwachsene geeignet, die sich auf eine kluge Abenteuergeschichte einlassen möchten. 



Mittwoch, 7. Oktober 2020

Buchrezension: Iona Grey - Als die Nacht uns Sterne schenkte

Inhalt: 

1926: Die junge Selina Lennox genießt ihre Jugend in der Londoner High Society in vollen Zügen. Exquisite Kleider, ausschweifende Partys, Champagner und Skandale, so kann es für immer weitergehen. Doch dann trifft sie in einer schicksalhaften Nacht auf Lawrence Weston. Für den mittellosen Künstler ist jeder Tag ein Kampf – gegen den Hunger und für das Ziel, mit seinen Bildern auf die Missstände im Land aufmerksam zu machen. Selina und Lawrence ist klar, dass sie nicht in die Welt des jeweils anderen gehören, und dennoch ist da etwas, das sie unaufhaltsam aufeinander zutreibt. Die beiden verbringen einen magischen, leidenschaftlichen Sommer miteinander. Doch sie wissen, dass dieser nicht für immer andauern kann. 

Rezension: 

Die 21-jährige Selina Lennox ist eine der "Bright Young People". Sie stammt aus privilegiertem Haus und lebt ein Leben, das aus Partys und Alkohol besteht. Mit ihrem Verhalten weckt sie auch das Interesse der Presse, die auf der Suche nach Skandalen ist. Eines Nachts begegnet sie dem mittellosen Künstler Lawrence Weston. Die beiden verlieben sich ineinander, obwohl ihre Beziehjung nicht standesgemäß ist. Sie verbringen 1925 einen leidenschaftlichen Sommer miteinander, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Ein Ende ist jedoch unvermeidbar, denn Selina fühlt sich an die gesellschaftlichen Konventionen gebunden. 

Der Roman handelt im Jahr 1936 und ist überwiegend aus der Perspektive von Alice, der kleinen Tochter von Selina erzählt, die ihre Mutter vermisst, die mit ihrem Vater auf Geschäftsreise in Asien ist. Selina schreibt Alice Briefe und gibt ihr kleine Rätsele auf, mit denen sie mehr über die Vergangenheit ihrer Mutter erfährt. In Rückblenden wird der Leser mit der Liebesgeschichte von Selina und Lawrence konfrontiert. 

"Als die Nacht uns Sterne schenkte" ist ein historischer Roman, der auf zwei Zeitebenen handelt und aus wechselnden Perspektiven geschildert ist, die unvermittelt innerhalb der Kapitel wechseln. Einen wesentlichen Part nimmt dabei die traurige Situation der neunjährigen Alice ein, die im Haus ihrer Großeltern, wo ihr nur von den Angestellten Wertschätzung und Zuneigung entgegengebracht wird, auf die Rückkehr ihrer Eltern, insbesondere die ihrer Mutter, wartet. Sehnsüchtig erwartet sie die Briefe ihrer Mutter, die ihr darin von der langen Reise durch exotische Länder berichtet. 
Die Liebesgeschichte im Jahr 1925 geht im Vergleich dazu ein wenig unter. Ich fand sie zudem wenig glaubwürdig, da ich zwischen Selina und Lawrence kaum Emotionen verspürte und ich vor allem Selinas Entscheidung gegen Lawrence nicht nachvollziehen konnte. Statt für die Liebe entschied sie sich für ihr luxuriöses Leben, was so gar nicht zu ihrer freiheitsliebenden Persönlichkeit passen wollte. 

Der Roman ist zunächst sehr gemächlich erzählt. Über weite Teile passierte mir während der Schilderung von Selinas Freundeskreis und der gemeinsamen Partyabende oder der Einsamkeit Alices zu wenig, bis es im letzten Drittel zu einer Wendung kam, die die beiden Erzählstränge enger miteinander verband. Das offene Geheimnis, das dabei zutage kam, war von Anbeginn vorhersehbar, nicht aber die Tragik für die Hauptfiguren, die von einem weiteren Schicksalsschlag erschüttert wurden. 

"Als die Nacht uns Sterne schenkte" ist ein historisches Drama der leisen Töne, von dem ich mir aufgrund des Klappentextes eine emotionale Liebesgeschichte erwartet hatte, die dann jedoch nur einen Teilaspekt des Romans ausmachte und mich im Gegensatz zu den anderen tragischen Ereignissen in der Familie nur wenig berühren konnte. Auch vermisste ich eine zeitgenössische Atmosphäre der 1920er- und 1930er-Jahre. Die Geschichte hätte letztlich zu jeder Zeit handeln können. 

Montag, 5. Oktober 2020

Buchrezension: Arno Strobel - Die App: Sie kennen dich. Sie wissen, wo du wohnst.

Inhalt: 

Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Hamburg-Winterhude, ein Haus mit Smart Home, alles ganz einfach per App steuerbar, jederzeit, von überall. Und dazu absolut sicher. Hendrik und Linda sind begeistert, als sie einziehen. So haben sie sich ihr gemeinsames Zuhause immer vorgestellt.
Aber dann verschwindet Linda eines Nachts. Es gibt keine Nachricht, keinen Hinweis, nicht die geringste Spur. Die Polizei ist ratlos, Hendrik kurz vor dem Durchdrehen. Konnte sich in jener Nacht jemand Zutritt zum Haus verschaffen? Und wenn ja, warum hat die App nicht sofort den Alarm ausgelöst?
Hendrik fühlt sich mehr und mehr beobachtet. Zu recht, denn nicht nur die App weiß, wo er wohnt. 

Rezension: 

Als der Chirurg Dr. Hendrik Zemmer nach einem Notfall nachts  nach Hause kommt, ist seine Verlobte Linda spurlos verschwunden. Hendrik glaubt nicht daran, dass Linda ihn ohne ein Wort des Abschieds und der Erklärung verlassen hat und verständigt die Polizei. Diese unternimmt zunächst nichts, da es keinen Hinweis auf ein Verbrechen gibt. Mit einem Aufruf auf Facebook sucht Hendrik nach seiner Verlobten und wird bald darauf von einer Frau kontaktiert, deren Mann vor Kurzem ebenfalls einfach so verschwunden ist. Auch eine Psychologiestudentin, die zuletzt ein Praktikum beim LKA Hamburg absolvierte und Kontakte in die Hackerszene hat, wird auf die Suche aufmerksam und versucht Hendrik zu helfen. Sie weiß von einem dritten mutmaßlichen Entführungsfall. Wie Hendrik und Linda verwendeten auch die beiden anderen Haushalte das Smart Home-System "Adam", durch das sich offenbar jemand Zutritt zu den Häusern verschaffte. 

"Die App: Sie kennen dich. Sie wissen, wo du wohnst." ist ein moderner Psychothriller, der von den Gefahren der Smart Home-Technik handelt. Der Thriller verliert sich nicht in Details zur Technik oder zum Darknet und ist deshalb leicht verständlich geschrieben. Durch die kurzen Kapitel ist die Geschichte sehr temporeich und entfaltet schnell eine eigene Dynamik. Das Buch ist auch durchaus interessant und unterhaltsam zu lesen, verliert aber durch den zweiten Handlungsstrang, der aus Sicht der (unbekannten) Opfer geschrieben ist an Spannung, da das Motiv für die Verbrechen zu leicht vorhersehbar wird. Spannend fand ich dennoch zu erfahren, welcher Zusammenhang zu "Adam" bestand. 

Die Figuren, denen Hendrik begegnet, sind überwiegend undurchschaubar. Selbst die Polizisten wirken zweifelhaft, so dass man nicht weiß, wem man tatsächlich trauen kann.
Durch die eigenmächtigen Ermittlungen und die vielen Zufälle, die zur Aufklärung beitrugen, fand ich die Handlung etwas konstruiert. Auch hatte ich mir mehr Schrecken durch Adam erwartet und war von der Auflösung etwas ernüchtert. 

Das Potenzial der Geschichte wurde meiner Meinung nach nicht ganz ausgeschöpft. Durch den zweiten Handlungsstrang verlor sich der Fokus auf die Smart Home-Technik ein wenig und war letztlich nur Mittel zum Zweck. Die Gefahren eines Missbrauchs und einer Rundumüberwachung hätten noch deutlicher herausgestellt werden und für Schockmomente sorgen können. 
Dennoch fand ich "Die App" unterhaltsam geschrieben und habe den Thriller innerhalb weniger Stunden gelesen. 



Samstag, 3. Oktober 2020

Buchrezension: Veit Etzold - Final Control

Inhalt:

Vielleicht hätte Tom den Teufel sofort erkennen können. Doch er braucht einen Investor, und der charismatischen Milliardär Dairon Arakis verfügt über die nötigen Mittel.
Als Tom begreift, worum es Arakis wirklich geht, ist es beinahe zu spät: Über ein riesiges Hedge-Fonds-Konsortium hat der Milliardär italienische Banken reihenweise in den Bankrott getrieben und Europa steht kurz vor einem Bürgerkrieg. Die Regierungen sehen sich vor eine Wahl gestellt, die vom Teufel selbst kommen könnte: totales Chaos oder totale Überwachung. In dieser Situation scheint die von Arakis angebotene chinesische Sicherheitstechnologie die einzige Lösung zu sein. 

Rezension: 

Tom Bayne ist auf der Suche nach einem Investor für sein Start-up CUMO, das in der chinesischen Stadt Shenzhen seinen Sitz hat. CUMO hat ein Programm entwickelt, das Körperwerte des Menschen erfasst und auswertet. Es geht dabei um Künstliche Intelligenz der Gesundheitsvorsorge, kann aber auch die totale medizinische Überwachung bedeuten. Unterstützung findet Tom von dem Milliardär Dairon Arakis, der jedoch nicht ganz uneigennützig handelt. 

"Final Control" ist ein Politthriller mit einem aktuellen Plot um (staatliche) Überwachung, Fake News, Finanzrisiken, Manipulation und dem Zusammenspiel der ganz unterschiedlichen Interessen der Staaten bzw. Staatenbündnisse Europa, China und USA. 

Die Kapitel sind dabei extrem kurz gehalten, umfassen überwiegend nur ein bis vier Seiten, was der Geschichte zwar Dynamik verleiht, es dem Leser bei den hochkomplexen Themen aber auch extrem schwierig macht, die Materie zu durchdringen und den einzelnen Handlungssträngen in Deutschland, Italien, Schweiz, Hong Kong, China, Brasilien und USA zu folgen. Ich habe nach mehr als der Hälfte des Buches kapituliert, da ich weder einen Zugang zu einem der vielen verschiedenen Protagonisten erlangen, noch mich die Handlung fesseln konnte. Ich hatte das Gefühl, das mir dafür das Fachwissen zu den wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen fehlte und ich mit den Begriffen aus Finanzwesen und Cyberspace, mit denen der Autor um sich schleuderte, schlichtweg überfordert war. 

"Final Control" mag akribisch recherchiert sein, mit dem abgehackten Schreibstil und der oberlehrerhaft wirkenden Zurschaustellung diverser berühmter Zitate, die dann auch noch auf Englisch und Deutsch wiedergegeben wurden, konnte ich nur wenig anfangen. Ich fand das Buch mit der andauernden Kritik an der Skrupellosigkeit Chinas und Naivität Europas sehr anstrengend zu lesen und habe es letztlich abgebrochen, da ich trotz der spannenden Ausgangssituation des Zwiespalts aus Sicherheit und digitaler Kontrolle das Interesse an der Handlung verloren habe.