Montag, 21. Oktober 2024

Buchrezension: Marie Benedict - Die Mitford Schwestern

Inhalt:

Zwischen den Weltkriegen dominieren die sechs Mitford-Schwestern die politische, literarische und gesellschaftliche Szene Englands – eine schöner, brillanter und exzentrischer als die andere. Als Diana sich von ihrem wohlhabenden Ehemann scheiden lässt, um einen faschistischen Führer zu heiraten, und ihre Schwester Unity ihr bis nach München folgt, gerät das Familiengerüst ins Wanken. Es geht das Gerücht um, dass Unity Mitford Hitlers Geliebte sei. 
Während die Nazis an Macht gewinnen, wird die Schriftstellerin Nancy Mitford misstrauisch gegenüber den ständigen Besuchen ihrer Schwestern in Deutschland. Als sie beunruhigende Gespräche belauscht und verräterische Dokumente entdeckt, muss Nancy eine schwere Entscheidung treffen, während Großbritannien in den Krieg gegen Deutschland zieht. 

Rezension: 

Die Mitford-Schwestern sind die Töchter eines Lords aus Oxfordshire und in höchsten aristokratischen Kreisen groß geworden. Die älteste Nancy ist Schriftstellerin und karikiert in ihren Romanen die britische Upperclass. Die hübsche Diana hat zum Leidwesen ihrer Eltern den Brauerei-Erben Guiness verlassen und sich in den Faschistenführer Sir Oswald Mosley verliebt. Unity ist dem Faschismus noch hemmungsloser verfallen und nach Deutschland gezogen, um ihrem Idol Adolf Hitler nahe zu sein. Nancy, eine überzeugte Sozialdemokratin, ist entsetzt über die politische Einstellung ihrer Schwestern und die politischen und militärischen Entwicklungen in Europa und wird vom Mann ihrer Cousine, Winston Churchill, gebeten, ihre Schwestern auszuspionieren und über ihre staatsfeindlichen Aktivitäten zu berichten, was sie in einen Gewissenskonflikt stößt.   

"Die Mitford-Schwestern" ist der sechste Band der Reihe von Marie Benedict, die sich bedeutenden Frauen (u.a. Agatha Christie und Rosalind Franklin) des vergangenen Jahrhunderts widmet. Mit dem aktuellen Band, der von 1932 bis 1941 handelt, wird ein dunkles historisches Kapitel lebendig. 

Der Roman wird abwechselnd aus den Perspektiven einer der drei von sechs Mitford-Schwestern erzählt. Viele historische Ereignisse und Persönlichkeiten werden erwähnt, so dass die fiktive Geschichte sehr authentisch wirkt und von einer umfangreichen Recherche über die damalige Zeit und das Leben der Mitford-Schwestern zeugt. 

Die Geschichte schildert die wesentlichen Ereignisse und politischen Entwicklungen vor Beginn des Zweiten Weltkrieges und der ersten Kriegsjahre, so dass sie von einigen Zeitsprüngen geprägt ist. Es dauert, bis eine Nähe zu den Charakteren aufgebaut werden kann, aber sodann ist anschaulich und lebendig beschrieben, wie die Frauen in Politik und Gesellschaft agieren, welche Strippen sie ziehen und wie insbesondere Diana und Unity ihren weiblichen Charme und ihren Einfluss nutzen, um den Faschismus zu fördern und die Männer, die sie lieben, zu unterstützen. Interessant sind dabei auch die privaten Einblicke, die man über Adolf Hitler erhält, der den freundlichen Gentleman mimt und die britischen Aristokratinnen für seine Zwecke nutzt.
Während das Verhältnis der Schwestern bröckelt und Nancy ihre Solidarität in Frage stellen muss, bleibt spannend, was noch alles passieren muss, bis Nancy bereit ist, Diana und ihre Pläne zu verraten.

Der Roman erweitert das geschichtliche Verständnis und ist trotz vieler historischer Fakten lebendig zu lesen. Die drei Mitford-Schwestern, die in den Fokus gerückt werden, erscheinen authentisch und werden derart zum Leben erweckt, dass man ihr Ansinnen nachempfinden, aber in Bezug auf Diana und Unity in keinem Fall gutheißen kann. Ihre Faszination für den Faschismus ist erschreckend und aufgrund ihres gesellschaftlichen Einflusses gefährlich.

Es ist ein Roman #gegendasVergessen, der eindrücklich zeigt, wie fließend der Übergang von Faszination zu blindem Fanatismus sein kann und dass der Einfluss von Frauen auch schon zur damaligen Zeit nicht unterschätzt werden durfte. 


Freitag, 18. Oktober 2024

Buchrezension: Heike Duken - Wie wir waren

Inhalt:

Zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sei könnten, sind seit jeher beste Freundinnen. Paula ist so sehr bemüht, alles richtig zu machen, doch fühlt sich in ihrem Leben nichts richtig an, ganz besonders nicht ihre Ehe. Zett dagegen ist unabhängig, furchtlos und lebenshungrig. Dass sie tief im Inneren dunkle Erinnerungen verborgen hält, weiß niemand, nicht einmal Paula.
Die beiden verbringen unvergessliche Tage auf einer griechischen Insel, Sommertage, die nie hätten enden sollen. Doch zu Hause wartet der Herbst, Krisen kommen auf die Freundinnen zu. Um sie zu meistern, müssen sie sich dem stellen, was sie einander verschwiegen haben. Denn eins wird immer Bestand haben: Das feste Band zwischen ihnen und der Glaube, dass alles gut wird. 

Rezension: 

Paula und Zett kennen sich seit sie vier Jahre alt sind und sind beste Freundinnen, obwohl sie charakterlich unterschiedlich sind und aus unterschiedlichen sozialen Verhältnissen stammen. Paula, die bei einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen ist, hat Zett immer um ihre intakte Familie beneidet, in der es Zett offensichtlich an nichts gefehlt hat. Auch sie möchte später eine Familie gründen, während Zett ihre Unabhängigkeit genießt. 
Nach der Schulzeit kommt es während eines gemeinsamen Urlaubs auf einer griechischen Insel zu einem heftigen Streit, der einen tiefen Riss in die Freundschaft bringt. Lange Zeit herrscht kein Kontakt mehr, da beide enttäuscht von der Unnachgiebigkeit der anderen sind. Erst zu ihrer Hochzeit lädt Paula Zett wieder ein und fortan sind die beiden wieder für einander da. Zett wird sogar Taufpatin von Paulas Tochter, aber weiterhin stehen Geheimnisse zwischen ihnen, während Zett ganz offensichtlich Paulas Ehemann ablehnt, was immer wieder zu Konflikten führt. 

Der Roman handelt von 1988 bis 2004 und ist aus den Perspektiven der beiden Hauptfiguren Paula und Zett - "wie Zorro" - geschrieben. Er erzählt eine jahrelange Freundschaft, die von Höhen und Tiefen geprägt ist. Beide Freundinnen können sich auf die andere verlassen, sind für einander da, wenn es nötig ist, haben jedoch Konfliktherde, die zwischen ihnen stehen, weshalb es immer wieder zu Streits und Phasen des Kontaktabbruchs kommt. 

Da Paulas Sichtweisen überwiegen, erhält man einen sehr guten Einblick in ihr Leben, was sie denkt und fühlt. Zetts Geheimnis bleibt hingegen lange im Dunkeln, so dass man erst später versteht, warum sie so einen zehrenden Lebenswandel hat und weshalb sie so hart im Umgang mit Paula ist, was ihre Männerwahl betrifft. 

Auch wenn das Cover eine Urlaubsidylle präsentiert, ist das Buch keine Wohlfühlgeschichte über eine die Jahre gewachsene unbeschwerte Freundschaft. Die Geschichte handelt von harten Themen wie häuslicher Gewalt und Alkoholabhängigkeit, die ungeschönt und realistisch den Roman und die Freundschaft zwischen den beiden Frauen bestimmen. 

Die Geschichte wird trotz ihrer Dramatik ruhig und empathisch erzählt. Es fällt leicht, sich in die Figuren hineinzuversetzen und ihre Verhaltensweisen nachzuvollziehen, selbst wenn sie immer wieder in falsche Fahrwasser gleiten und dieselben Fehler machen. Gerade das macht die Geschichte auch so authentisch, denn die Probleme, die Paula und Zett zu bewältigen haben, sind nicht leicht und alleine kaum zu lösen. Die innere Zerrissenheit und Hilflosigkeit ist spürbar und trotz aller Hindernisse bleibt die Freundschaft ein verlässliches Band, das für Hoffnung sorgt. 
Neben der sehr realistischen Darstellung der Lebensumstände und der Hürden für die Freundschaft, hat mir auch die nostalgische Zeitreise in die 1980er-, 1990er- und frühen 2000er-Jahre als Rahmen gut gefallen. 

Mittwoch, 16. Oktober 2024

Buchrezension: Melissa Wiesner - It all comes back to you: Kann die wahre Liebe jede Lüge verzeihen?

Inhalt:

Anna hat nichts außer ihrer Klugheit und dem Willen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Gabe hingegen hat alles: Er ist Klassenbester, in einer schicken Studentenverbindung – vor allem aber hat er eine große, warmherzige Familie. 
Annes und Gabes so unterschiedliche Lebenswege kreuzen sich an der Uni von Pittsburgh, als sie für dasselbe Projekt eingeteilt werden. Zum ersten Mal in ihrem Leben erfährt Anna, was es heißt, nicht allein zu sein. Gabe bringt sie zum Lachen, der Blick aus seinen silbergrauen Augen verwirrt sie und seine Familie nimmt sie mit offenen Armen auf. Dann findet Gabe etwas über Annas Mutter heraus und es kommt zu einem bösen Streit. 
Über 15 Jahre haben Gabe und Anna nur unregelmäßig Kontakt. Sie beendet ihr Studium in San Francisco und geht als Ärztin nach Jordanien. Eine Tragödie bringt Anna schließlich dazu, nach Pittsburgh zurückzukehren. Ist jetzt endlich der Zeitpunkt gekommen, Gabe ihr größtes Geheimnis anzuvertrauen? Aber was, wenn auch Gabe ein Geheimnis vor Anna hütet? 

Rezension: 

Anna und Gabe werden im Rahmen eines Projekts an der Universität Pittsburgh gemeinsam eingeteilt. Anna ist noch auf der Highschool, aber mit herausragenden Leistungen und der Chance auf ein Stipendium. Sie lernt vor allem, um aus der prekären Situation zu Hause zu entfliehen und muss nebenher auch noch Geld verdienen. Gabe, dem es an nichts fehlt und der jederzeit in den Schoß seiner liebevollen Familie zurückkehren kann, ahnt nicht, was Anna verbirgt.
Als er endlich einen Blick hinter die Fassade erhält, kommt es zu einem Streit, den Anna beinahe mit Gabes Familie brechen lässt, die sie so lieb gewonnen hat.
Als beide studieren, gehen sie getrennte Wege, sehen sich, während sie ihren Karrieren folgen, nur zu seltenen Gelegenheiten, bis Anna Jahre später nach Pittsburgh zurückkehrt. Anna fühlt sich wieder Zuhause, aber noch immer stehen unausgesprochene Wahrheiten zwischen Anna und Gabe, die sie voneinander trennen.

"It all comes back to you" erzählt eine Liebesgeschichte, die sich ganz allmählich aus einer Freundschaft heraus entwickelt, aber auch eine kraftvolle Geschichte über das Erwachsenwerden, die Überwindung von Traumas und die Suche nach Glück. Zu Beginn sind Anna und der etwas ältere Gabe wie Bruder und Schwester, als Gabe sich so fürsorglich ihrer annimmt und in die Familie integriert. Anna ist arm und musste früh Verantwortung für sich selbst übernehmen.

Die Geschichte ist süß und hoffnungsvoll, auch wenn sie tragische Elemente enthält. Annas Schicksal, was sie verheimlicht und wie tough sie dennoch ist, ist berührend und sorgt für spannende Konflikte. Gabe und seine Familie sind einfach perfekt und vermitteln das Traumbild einer intakten, harmonischen Familie. Das wirkt in seiner Penetranz einerseits kitschig, aber andererseits als Kontrast zu Annas Familie behaglich und schön.

Nach einem lebendigen Beginn erfolgen viele Zeitsprünge, in denen es nur alle ein bis drei Jahre zu Begegnungen von Anna und Gabe kommt, sich ihre Gefühle für einander jedoch ändern und intensivieren. Die langen Pausen sind ungewöhnlich, passen aber zu den Charakteren, die die Distanz aufrechterhalten, weil sie Angst vor Bindungen haben oder den anderen zu verletzen.

Trotz aller Dramatik entwickelt sich die Geschichte authentisch und man fiebert auf die Wiederbegegnung Gabes und Annas als Erwachsene hin, möchte aber auch erleben, wie sie sich durchs Leben kämpfen und wann sie bereit sind, ihre Geheimnisse zu offenbaren, um sich Erleichterung zu verschaffen. 
Während die Liebesgeschichte immer präsent, aber dennoch hintergründig ist, wünscht man sich, dass Anna endlich Gewissheit über ihre Mutter erlangt und Frieden mit der Vergangenheit schließen kann.
Die Geschichte ist stellenweise nahe am Kitsch, vermittelt dabei aber herzerwärmende Botschaften von Fürsorge, Zusammenhalt, Liebe und Versöhnung.