Freitag, 18. April 2025

Buchrezension: Georgina Moore - Die Garnett Girls

Inhalt:

Margos und Richards Liebesgeschichte war verboten und leidenschaftlich. Als sie zerbrach, schloss sich Margo im Schlafzimmer ein und überließ ihre drei jungen Töchter sich selbst. Jahre später unterhält die charismatische Margo Garnett Liebhaber und Freunde in ihrem Cottage auf der Isle of Wight und weigert sich, jemals über ihre schmerzhafte Vergangenheit zu sprechen. 
Doch ihr Schweigen verhindert, dass ihre nun erwachsenen Töchter endlich ihr Glück finden können. Rachel möchte mit ihrer Familie nach London zurückkehren, wird aber von der Verantwortung für ihr geliebtes, aber langsam verfallendes Familienhaus als Geisel gehalten. Die verträumte Imogen fühlt sich unter Druck gesetzt, ihren netten und rücksichtsvollen Verlobten zu heiraten, obwohl ihr Leben sie in eine andere Richtung zieht. Und die wilde, leidenschaftliche Sasha wird von einem Geheimnis belastet, dass die Garnett Girls in ihren Grundfesten erschüttern könnte. 

Rezension: 

Margo hat gegen den Willen ihrer Eltern früh ihre große Liebe Richard geheiratet, einen Poet mit Hang zum Alkohol. Die drei gemeinsamen Kinder konnten dabei auch nichts daran ändern, dass Richard immer weiter dem Alkohol verfallen ist und Margo schließlich verlassen hat. Depressiv hat Margo ihre Kinder sich selbst überlassen und die älteste Rachel hat sich um ihre Geschwister Imogen und Sasha gekümmert. 
Jahre später wohnt Rachel mit ihrem Ehemann Gabriel und zwei Kindern in ihrem Elternhaus auf der Isle of Wight, das Margo immer noch nutzt, um dort ihre ausschweifenden Partys zu feiern. Rachel lebt nur noch ihren Kindern zu Liebe auf der Insel und würde lieber in London leben. Imogen wohnt wie Sasha in London und sieht sich unter Druck gesetzt, ihren Freund William zu heiraten, der ihr einen Heiratsantrag gemacht hat. Die jüngste Sasha hingegen ist verheiratet, mit ihrem Mann Phil jedoch nicht mehr glücklich, der zunehmend jähzornig und kontrollierend ist. 
Alle drei Töchter leiden auf unterschiedliche Weise unter dem Verlust des Vaters, der auch zu einem ambivalenten Verhältnis zur Mutter geführt hat. 

Das Leben der Garnett Girls ist von der Abwesenheit des Vaters bestimmt. Für Mutter Margo ist Richard ein Tabuthema. Selbst mit ihren erwachsenen Töchtern spricht sie nicht über ihre große Liebe. Sie möchte nur das Beste für ihre Mädchen, vor allem verlässliche Ehemänner.
 
Ihre Töchter stehen unter Druck und möchten es ihrer dominanten Mutter stets recht machen, sehnen sich jedoch nach der leidenschaftlichen Liebe wie Margo und Richard sie hatten.
Je mehr sie ihre eigenen Bedürfnisse hinter dem Berg halten und ihre eigenen Geheimnisse hüten, desto weiter steigt das Konfliktpotential innerhalb der Familie.
Trotz der vielen unausgesprochenen Wahrheiten, trifft man sich regelmäßig in der Strandvilla Sandcove, feiert Partys mit zu viel Alkohol und hält an alten Traditionen fest.

Durch die Schilderungen aus wechselnden Perspektiven ist die Geschichte, die in London und der Isle of Wight handelt, abwechslungsreich und gibt Einblicke in die Leben aller Garnett-Frauen. Diese sind sich grundsätzlich ähnlich, aber im Detail doch verschieden. Der enge Zusammenhalt der drei Schwestern ist spürbar, jedoch auch die Verbundenheit mit der Mutter, die zu viel Raum einnimmt.

Es spielen sich größere und kleinere Dramen ab,  Affären, Lügen und Geheimnisse, die zu einer seifenopernartigen Melodramatik führen, aber durch die vermittelten Hintergründe zu den Charakteren und ihren inneren Konflikten, die sie steuern, plausibel sind. 
Das Schweigen über die Vergangenheit ist eine Belastung, die schwer über allen schwebt und während die jüngste Schwester schon rebelliert und ein Tabu bricht, ist es letztlich auch Margo, die lernt, dass ein Abschluss mit der Vergangenheit nötig ist und sie für ihre Töchter über ihren Schatten springen muss.

"Die Garnett Girls" ist eine Familiengeschichte mit interessanten Frauenfiguren, in der die Beziehungen untereinander in den Mittelpunkt rücken. Der Roman zeigt einen engen Zusammenhalt, der für Verlässlichkeit sorgt, aber auch die Notwendigkeit, sich abzunabeln und eigene Entscheidungen zu treffen, um sein persönliches Glück zu finden. Durch die schwelenden Geheimnisse und drohenden Konflikte entsteht eine dramatische Spannung, die einen Lesesog entwickelt. Zudem kann eine authentische Entwicklung der Charaktere nachvollzogen werden. 


Mittwoch, 16. April 2025

Buchrezension: Anna Hope - Wo wir uns treffen

Inhalt:

Als der Egomane Philip Brooke stirbt, kommen seine Kinder Frannie, Milo und Isa für fünf Tage auf dem gewaltigen Familienanwesen in Sussex zusammen. Haupterbin Frannie hat hier vor Jahren die Führung übernommen. Sie will die Ländereien renaturieren und für ihre siebenjährige Tochter eine Zukunft schaffen. Doch der unstete Milo hat andere Pläne – und den Segen seines Vaters dafür. Isa kämpft gegen innere Dämonen, sie hat die Tochter von Philips langjähriger Geliebter zur Beerdigung eingeladen. Und die kennt das wahre Erbe der Brookes aus den Zeiten des Empire. "Wo wir uns treffen" ist ein meisterlich komponierter Familienroman über die Beziehungen, die uns für immer prägen, über ererbten Besitz und historische Verantwortung – feinsinnig, klug und packend bis zum Schluss. 

Rezension:

Philip Brooke ist gestorben und die Familie kommt zusammen, um ihn zu beerdigen. Die Trauer ist verhalten, denn Philip hat seiner Frau und seinen Kindern Verletzungen zugefügt, die ihre Leben bestimmt haben. Frannie ist als Älteste der Geschwister die Alleinerbin von 400 Hektar Land und einem maroden Haus in Sussex. Das Erbe ist millionenschwer, aber auch eine enorme Last. Zusammen mit ihrem Vater hatte sie das Projekt Albion entwickelt, ein Konzept zur Renaturierung der Landschaft, und möchte dies weiter führen. Neben der Erbschaftssteuer, die ihr Kummer bereitet, ist es ihr jüngerer Bruder Milo, der Anspruch auf einen Teil des Grundstücks erhebt, das er für ein Therapiezentrum nutzen möchte. Die jüngste Isa kehrt nur ungern an den Ort zurück, der sie mit ihrer Jugendliebe verbindet. Sie überrascht den Rest der Familie zudem mit einem unerwarteten Gast. In Erwartung einer größeren Beerdigungszeremonie hatte sie die Tochter der Geliebten ihres Vaters eingeladen. Mit der Offenbarung, die die junge Amerikanerin macht, hat jedoch niemand gerechnet. 

Der Roman handelt an fünf Tagen rund um die Beerdigung des Familienoberhaupts und wird aus wechselnden Perspektiven aller Beteiligten erzählt. Jede der Figuren hat eigene Erinnerungen an Philip Brooke, die wenig schmeichelhaft oder sogar schmerzhaft sind. Ein keiner Lichtblick in der niederdrückenden Erzählung ist Enkelin Rowan, die unabsichtlich ulkig ist. Die Siebenjährige betrachtet den Tod ihres Großvaters emotionslos und rein aus wissenschaftlicher Sicht.  

Die Brookes sind eine dysfunktionale Familie, die ein Anwesen besitzt, das für sie kein Zuhause war. Der Vater war stets abwesend, die Mutter hilflos, die Kinder unglücklich und auf der Flucht. 
Vordergründig ist nicht die Trauer, sondern der Abschied von einem Mann, der ein Narzisst war und erst im Alter nicht mehr nur an sich selbst dachte und ein zukunftsweisendes Projekt initiierte. 

Durch die Darstellung aus der Sicht von acht Personen, die Narben, die sie haben und die Schwierigkeiten, die mit dem Anwesen verbunden sind, ist die Geschichte kleinteilig und bleibt in vielerlei Hinsicht nur an der Oberfläche. 
Die Geschichte ist dialoglastig und nahezu ereignislos. Auch wenn es während der Beerdigung durch den unerwarteten Gast zu einem dramatischen Höhepunkt kommt, entwickelt die Geschichte keine Spannung. Am Ende ist Philip zwar unter der Erde, aber fast alle anderen Schicksale blieben unbefriedigend offen. 

Neben den vielen persönlichen Problemen handelt der Roman von einer Erblast und der Verantwortung für die Fehler vorangegangener Generationen. Wieviel Schuld tragen wir noch Jahrhunderte später? Kann und muss es eine Wiedergutmachung geben und wie soll diese funktionieren? 

Montag, 14. April 2025

Buchrezension: Holly Ringland - Die sieben Geheimnisse meiner Schwester

Inhalt:

Das letzte Mal, als Esther Wildings geliebte ältere Schwester Aura gesehen wurde, ging sie am Ufer entlang Richtung Meer. Ihr Verschwinden lässt Esther und ihre Eltern entwurzelt und einander entfremdet zurück. Was ist wirklich geschehen, und vor allem: warum? Auras Leben war schon vor ihrem Verschwinden geheimnisvoll, und so lässt Esther sich schließlich vom Tagebuch ihrer Schwester auf die Reise schicken. Von Tasmanien über Kopenhagen auf die Färöer Inseln folgt sie den Spuren, die Aura hinterlassen hat: sieben archaische Märchen, die von Frauen und Verwandlungen erzählen; dazu geheimnisvolle Verse, die Aura geschrieben und sich auf den Rücken hatte tätowieren lassen. Esther findet die Wahrheiten, die sie sucht, und mehr als das: die grenzenlose Liebe zwischen Schwestern und die Kraft, Veränderung und Heilung zuzulassen, indem sie die ganze Fülle von Trauer und Freude spürt. 

Rezension: 

Ein Jahr nach dem Verschwinden ihrer älteren Schwester Aura kehrt Esther widerwillig in ihre Heimat Tasmanien zurück, um an einer Gedenkfeier für ihre Schwester teilzunehmen. Familie und Freunde trauern um die junge Frau, die zuletzt gesehen wurde, wie sie in Richtung Meer ging. Esther hat den Verlust nicht verkraftet, bewegt sich zwischen Schuldgefühlen, Einsamkeit und Wut und sabotiert ihr Leben, in dem sie sich nicht mehr Zuhause fühlt.
Auf Drängen ihrer Eltern, die Auras Tagebuch gefunden haben, reist Esther auf den Spuren ihrer Schwester nach Dänemark und auf die Faröer, um eine Erklärung für Auras Verschwinden zu finden. 
In ihrem Tagebuch erzählt Aura durch Bilder von Skulpturen und Zitate aus Märchen und Sagen ihre Geschichte, die sich auch heimlich auf ihren Rücken hat tätowieren lassen. Für Esther ist es ein schmerzhafter Weg zu erfahren, wie wenig sie über ihre Schwester wusste. Gleichzeitig ist es ihr Weg der Trauerbewältigung und zu einem neuen Gefühl für sich selbst.

Die Geschichte handelt im Jahr 2011, die Schwestern sind in den 1980ern groß geworden. Es wird immer wieder Bezug auf die 1980er, auf Musik, Filme und Bekleidung genommen. Passend dazu gibt es von der Autorin Playlists mit der im Buch erwähnten Musik, die auf Spotify abrufbar sind. 

Der Roman wird fast ausschließlich aus der Perspektive von Esther - der Schwanenschwester - erzählt, die nach dem Verlust ihrer geliebten älteren Robbenschwester den Halt im Leben verloren hat. Sie verheimlicht ihrer Familie ihren Job als Tellerwäscherin, tröstet sich mit unverbindlichem Sex und zu viel Alkohol. Der nicht verarbeitete Verlust belastet die Familie und die Beziehungen untereinander. Erst das Auffinden von Auras Tagebuch bietet die Chance herauszufinden, was der Grund für ihr Verschwinden sein könnte. Getragen von den Erinnerungen an die gemeinsame Kindheit und Jugend und von der Dechiffrierung der Botschaften und Symbole in Auras Tagebuch, begibt sich Ester auf eine lange Reise des Abschiednehmens.

Sieben Märchen und Sagen über Selkies, Schwäne und Frauen, die ihre Stimmen und ihre Schwerter erheben, kennzeichnen Auras und Esthers Weg. Esther begegnet dabei nicht nur den starken Frauen in ihrer Familie, sondern auch zahlreichen Fremden, die sie liebevoll auffangen und unterstützen sowie Personen, zu denen Aura abseits Australiens Kontakt geknüpft hatte. Durch Gespräche und die Deutung der kryptischen Verse im Tagebuch offenbaren sich Auras Geheimnisse und ein tief sitzender Schmerz.

Der Roman führt an malerische Orte, die bildhaft beschrieben werden. Er handelt von Schwesternliebe und von Trauer und ist schwermütig geschrieben. Die Geschichte entfaltet sich langsam und ist mit der Entschlüsselung der Fabeln und Mythen und Übertragung auf Auras Leben metaphorisch und in Teilen wiederholend. Die Verbindung zu den keltischen Ahninnen und zu den kraftvollen Geschichten über Verwandlungen ist faszinierend, aber man sollte für diese Art der Spiritualität und Folklore offen sein.

"Die sieben Geheimnisse meiner Schwester" ist eine Geschichte voller Schmerz und Sehnsucht, die analog zu den Märchen eine Transformation beschreibt. Der Roman ist sehr symbolträchtig und feiert geradezu die Stärke der Frauen, ihre Verbundenheit und Solidarität, aber auch die Möglichkeit und den Mut für eine Veränderung und Verwandlung.