Samstag, 31. März 2018

Buchrezension: Estelle Laure - Während ich vom Leben träumte


Inhalt:

Darf das eigene Glück auf dem Leid eines anderen gründen? Noch vor einem Jahr hätte Eden diese Frage mit einem klaren Nein beantwortet. Doch seit ihrem Krankenhausaufenthalt auf der Koma-Station ist alles anders. Eden hat sich verliebt. In Joe, den Freund einer anderen Koma-Patientin, die mit dem Tod ringt und zu der Eden eine unerklärliche Verbindung hält. Sie spürt, was die andere denkt und fühlt. Deshalb kommt Eden sich vor wie eine Verräterin und ist voller Zweifel und Schuldgefühle. Sie wagt es nicht, um Joe und für ihr Glück zu kämpfen. Schließlich begreift sie, dass Liebe auch bedeuten kann, den anderen gehen zu lassen.

Rezension:

Die 18-jährige Eden lag nach einem Sturz in einen Fluss, bei dem sie sich den Kopf verletzt hatte, zwei Wochen im Koma. Sie erwacht im Krankenhaus, wo sie weitere zwei Wochen verbringt und sich in dieser Zeit für die Komapatientin Jaz und ihren Freund Joe zu interessieren beginnt.
Eden kann ihre Träume nicht richtig einordnen und interpretiert sie schließlich als Nahtoderfahrungen, worüber sie zunächst aber nicht spricht. Sie leidet unter Stimmungsschwankungen, ist unausgeglichen und ist darüber irritiert, dass ihr Zwillingsbruder Digby jetzt mit ihrer besten Freundin Lucille zusammen ist.
Sie freundet sich mit Joe an, dem sie ihre Gedanken anvertraut, lernt im Gegenzug mehr über ihn und sein Verhältnis zu Jaz und beginnt auch mit Hilfe einer Psychotherapie ihr Trauma zu verarbeiten.

Vor dem Lesen war mir nicht bewusst, dass es sich bei dem zweiten Buch von Estelle Laure um eine Art Fortsetzung von "Gegen das Glück hat das Schicksal keine Chance", in welchem Eden als Freundin der Protagonistin Lucille ein Nebencharakter ist. Diese Vorgeschichte wäre für das Verständnis der Charaktere hilfreich gewesen.
Eden ist nach dem Erwachen aus dem Koma übellaunig und scheint der Welt ein wenig entrückt. Zunächst wirkte es fast so, als wäre sie bei dem Unfall lieber ums Leben gekommen, was ich mir nur mit einer Depression aufgrund ihres Traumas erklären konnte, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass es allein an der Beziehung ihres Bruder zu ihrer besten Freundin oder der Frage, ob sie je wieder Ballett würde tanzen können, liegen konnte.
Auch wenn man tief in die (wirre) Gedankenwelt von Eden eintaucht, konnte ich ihre Gefühle nicht nachvollziehen und sie nicht wirklich verstehen. Nicht nur der Grund für ihre Unausgeglichenheit, die sich im Verlauf des Romans erübrigte, sondern auch ihre Anziehung zu Joe blieb mir rätselhaft.
Darüber hinaus empfand ich den Roman als etwas zu mystisch angehaucht. Der Bezug zu Jaz, ihre Erinnerungen aus der Zeit des Komas, das was sie gesehen haben will und in ihren Vorstellungen immer noch sieht, empfand ich als zu mysteriös.
Anders als erwartet liegt das Hauptaugenmerk des Romans nicht auf einer Liebesgeschichte zwischen Jugendlichen und einem schlechten Gewissen gegenüber einer hilflosen Dritten, sondern vielmehr auf der Traumaverarbeitung und der Beschäftigung, ob es ein Leben nach dem Tod gibt bzw. wie es in der Zwischenwelt aussehen könnte.



 

Freitag, 30. März 2018

Buchrezension: Sarah Haywood - Der Kaktus: Wie Miss Green zu küssen lernte


Inhalt:

Susan Green mag keine Überraschungen. Oder Emotionen. Oder Menschen. Was Susan Green hingegen mag, ist ihr Job als Versicherungsmathematikerin. Ihre Kakteensammlung. Und, die Kontrolle über ihr Leben zu haben. Susan Green kommt wunderbar alleine klar. Doch als gleich mehrere Schicksalsschläge Susans Routine durcheinanderwirbeln, muss sie mit Mitte vierzig lernen, dass nichts im Leben planbar ist. Und dass es nie zu spät ist, sein Herz zu öffnen.

Rezension:

Susan Green ist 45 Jahre alt und lebt allein in einer kleinen Wohnung in London. Sie sieht sich als unabhängige, emanzipierte Frau, die weiß, was sie will. Sie hat einen Beruf als Versicherungsmathematikerin, der zu ihr passt, distanziert sich allerdings von Kollegen und Nachbarn. Sie kümmert sich lieber um ihre bescheidene Kakteensammlung, als Freundschaften zu pflegen. Eine Ausnahme ist Richard, ihr Freund mit gewissen Vorzügen, mit dem sie sich einmal wöchentlich trifft, um etwas Kulturelles zu unternehmen und mit dem sie auch ins Bett geht.
Ihr Leben ändert sich, als ihre Mutter stirbt und ihrem in ihren Augen nichtsnutzigen Bruder Edward den lebenslangen Nießbrauch ihres Haus überlässt und Susan sich damit um ihr Erbe betrogen fühlt. Erstaunt von der Erkenntnis, dass sie in ihrem Alter ungewollt schwanger ist, beginnt sie um ihr Erbe zu kämpfen und versucht zu beweisen, dass Edward das Testament zu seinen Gunsten beeinflusst hat.
Bei dem Versuch, das Testament anzufechten, macht Susan eine Entdeckung, die sie noch weiter aus der Bahn wirft.

Susan wirkt auf andere Menschen so stachelig wie ihre Kakteen, da sie nicht in der Lage ist, emotionale Beziehungen aufzubauen. Sie ist im Umgang mit den Menschen zu direkt und lebt ihr eigenes, zurückgezogenes Leben, dass viele als einsam empfinden würden. Sie möchte "Herrin" ihres "eigenen Schicksals" sein, gibt sich unnahbar und braucht ihrer Meinung nach keine Freunde, da sie sich von niemandem abhängig machen möchte.
"Was mir an Familie und anderen engen persönlichen Beziehungen fehlt, wird mehr als kompensiert durch mein reiches inneres Leben, das so viel konstanter und verlässlicher ist."
Auf diese Weise schützt sie sich vor Verletzungen, möchte jeden Bereich ihres Lebens selbst bestimmen, bezeichnet sich selbst als "willensstark und teflonbeschichtet".

Susans Charakter hat auf den ersten Eindruck fast autistische Züge, so wenig empfänglich ist sie für tiefer gehende Beziehungen mit anderen Menschen. Im Verlauf des Romans erfährt man jedoch, was die Hintergründe für ihr zurückgezogenes Leben und ihre ablehnende Haltung gegenüber anderen ist.
Wie nebenbei fließen Erinnerungen in die Handlung ein, die Susan offensichtlich seit Jahren zurückdrängt, durch die man sich und ihr Verhalten aber zu verstehen lernt. Susan möchte sich schlicht vor Verletzungen schützen und lässt darum niemanden näher an sich heran.

Als sie ihre Mutter verliert und der Einfluss ihres Bruders wächst und sie selbst sich noch an den Gedanken gewöhnen muss, Mutter zu werden, hat sie Angst, die Kontrolle über ihr sonst so strukturiertes zu verlieren. Sie sieht sich mit so vielen Veränderungen auf einmal konfrontiert, die es ihr nicht mehr ermöglichen, ihr geregeltes Leben wie gewohnt zu gestalten. Sie erlebt plötzlich Emotionen und Gefühle, die ihr fremd sind und ist auf die Hilfe von anderen angewiesen. So wird ihre Nachbarin Kate zu einer guten Freundin und auch Rob, der Freund ihres Bruders Edward, zu einem unerwarteten Verbündeten.

Graeme Simsion lobt den Roman als "originell, bezaubernd und absolut glaubwürdig" und in der Tat erinnert Susan ein wenig an Don Tillman, den Protagonisten aus Simsions "Das Rosie-Projekt". Wie Don hat Susan ihre unerschütterlichen Grundsätze und eine streng geordnete Lebensweise, die perfekt für sie ist, aber keinen Raum für andere Menschen lässt. Die Veränderungen in ihrem Leben und der Kontrollverlust, mit dem sie zurecht kommen muss, bewirken jedoch, dass sie sich persönlich verändert und weiterentwickelt.

"Der Kaktus" ist ein Roman mit einer erfrischend ungewöhnlichen und auf ihre Art sehr liebenswürdigen Hauptpersonen, deren raue Fassade im Verlauf des Romans zu bröckeln beginnt. Er unterhält mit einem klugen trockenen Humor und überrascht durch Wendungen, die dem Roman immer wieder eine neue Richtung geben.
Susan ist einfach nur ein schrulliger Charakter, der beginnt, aktiver am Leben teilzuhaben, sondern ein Mensch, der aufgrund ihrer Lebensgeschichte einen Schutzmechanismus entwickelt hat. Dieser Hintergrund zu Susan gibt der unterhaltsamen Geschichte Tiefgang.
Es war mir ein Vergnügen zu lesen, wie Susan sich verändert, an ihren Herausforderungen wächst und wie aus der stacheligen Versicherungsmathematikern eine immer noch sehr eigenwillige, aber viel offenere, dem Leben zugewandtere Frau in den besten Jahren wird. 



Donnerstag, 29. März 2018

Buchrezension: Guadalupe Nettel - Nach dem Winter


Inhalt:

Claudio ist Lektor in einem Verlag und lebt seit vielen Jahren in New York, nachdem ihn der tragische Verlust seiner ersten großen Liebe aus seiner Heimatstadt Havanna vertrieben hat. Cecilia studiert in Paris. Seit ihrer Kindheit in Mexiko hat sie ein besonderes Faible für Friedhöfe und liebt es, zwischen den Gräbern des Père-Lachaise spazieren zu gehen. Als Claudio und Cecilia sich über gemeinsame Freunde in Paris kennenlernen, verlieben sie sich ineinander, obwohl sie beide in andere Beziehungen verwickelt sind. Über die Distanz hinweg tauschen sie E-Mails, Gedanken, selbst zusammengestellte Musikcompilations aus. Doch als Cecilia nach New York fliegt, um Claudio zu besuchen, entwickelt sich ihre Beziehung ganz anders als erwartet. 

Rezension: 

Claudio ist gebürtiger Kubaner und lebt seit einigen Jahren als Lektor in New York. Dort hat er ein Verhältnis mit der etwas älteren, verheiraten Ruth, die er nur abfällig als seine "Cougar" bezeichnet. 
Cecilia ist Studentin und vor Kurzem von Mexiko nach Paris gezogen. Dort lebt sie in einem kleinen Apartment unmittelbar neben dem Friedhof Père-Lachaise. Sie verliebt sich in ihren Nachbarn Tom, der wie sie eine Vorliebe für Friedhöfe hat. Als dieser vorübergehend in seine Heimat Sizilien reist, lernt Cecilia über eine Freundin Claudio kennen. Dieser fühlt sich von der schönen Mexikanerin magisch angezogen und schreibt ihr nach seiner Abreise nach New York sehnsuchtsvolle Briefe, obwohl sie nur einen Nachmittag zusammen verbracht haben. Claudio besucht sie wenig später in Paris und lädt Cecilia auch zu sich nach New York ein, wobei sich ihr Aufenthalt dort anders gestaltet als gedacht, da er es trotz seiner wachsenden Abneigung nicht geschafft hat, sich von Ruth zu trennen. 

Die Geschichte von Cecilia und Claudio entwickelt sich zunächst parallel. So begegnen sie sich erst ab knapp der Hälfte des Romans. Die Beziehung zu einander ist stark einseitig geprägt, geht überwiegend von Claudio aus, während Cecilia eher eingeschüchtert von seinem Werben wirkt. Der Schwerpunkt der Erzählung liegt, anders als von mir gedacht, eher auf der Beziehungen von Claudio und Ruth sowie Cecilia und Tom, die beide auf ihre Art kompliziert und nicht glücklich sind. 
Der Roman dreht sich um Einsamkeit, unerfüllte Liebe und Beziehungen, die keine Zukunft zu haben scheinen. Mit Bezug auf die Friedhöfe, die besucht werden und die sowohl psychischen als auch physischen Erkrankungen, mit denen die Protagonisten sich konfrontiert sehen, ist es ein morbider, beklemmender und fast schon deprimierender Roman. 
Letztlich ist die scheinbare Liebe von Claudio und Cecilia nur Teil einer größeren Geschichte, in der Claudio als von sich selbst überzeugter, arroganter Liebhaber in Erscheinung tritt, während Cecilia von ihren Ängsten bestimmt wird und in Paris für sich allein verloren wirkt. Claudio ist ein schwieriger Charakter, der wenig Sympathien weckt, weshalb es am Ende auch so scheint, als würde er vom Schicksal für sein Verhalten bestraft werden. Cecilia klammert sich dagegen so sehr an die Liebe zu Tom, die ihr mehr wert wird, als ihr eigenes Leben. 
Aufgrund des Klappentextes hatte ich mir unter dem Roman etwas anderes vorgestellt und war über den Verlauf der Geschichte deshalb etwas irritiert. 





Mittwoch, 28. März 2018

Buchrezension: Catherine Isaac - Was in unseren Sternen steht


Inhalt:

Ein Sommer in der Dordogne. Der Duft von Lavendel, ein altes Château, im Fluss schwimmen, Bordeaux trinken. Ein Traum – nur nicht für Jess. Denn dort lebt Adam: Ihre große Liebe, der Vater ihres Kindes, aber auch der Mann, der ihr das Herz gebrochen hat. Nur wenige Monate nach der Geburt ihres Sohnes hat Jess sich von ihm getrennt. Mittlerweile ist William zehn Jahre alt und seinen Vater kennt er kaum. Adam hat sich in Frankreich ein neues Leben aufgebaut und führt das Château de Roussignol, ein Hotel, malerisch gelegen inmitten von Lavendelfeldern und Kiefernwäldern. Mit diesem Urlaub erfüllt Jess den Herzenswunsch ihrer Mutter. Sie ist überzeugt, Vater und Sohn müssen endlich eine Beziehung zueinander aufbauen. Und auch Jess kann davor nicht länger die Augen verschließen. Denn anders als die meisten Menschen hat sie bereits erfahren, was in ihren Sternen steht, und daher eine Mission: Vater und Sohn müssen sich ineinander verlieben, dafür hat sie einen Sommer lang Zeit. Doch auch ihre eigenen Gefühle für Adam sind längst nicht so abgeschlossen, wie sie dachte. Und wie lebt man, wenn man seine eigenen Sterne kennt? Wie hält man das Glück fest?

Rezension:

Jess ist alleinerziehende Mutter eines zehnjährigen Sohnes. Nur wenige Wochen nach der Geburt hatte sie sich von ihrem Freund und Vater des Kindes, Adam, der offensichtlich noch nicht bereit war, Verantwortung für eine Familie zu übernehmen, getrennt. Adam wohnt inzwischen in Frankreich und hat seinen Traum, den Umbau eines Châteaus zu einem Feriendomizil in der Dordogne wahr gemacht.

Nachdem Adam seinen Sohn immer nur sporadisch gesehen hat, besuchen ihn Jess und William dieses Jahr für drei Wochen in den Sommerferien in Roussignol. es ist vor allem der Herzenswunsch ihrer kranken Mutter, die möchte, dass Vater und Sohn sich besser kennenlernen und endlich engeres Verhältnis zueinander aufbauen, den Jess erfüllen möchte.

Um den Urlaub bei ihrem Exfreund erträglicher zu machen, verbringen auch ihre besten Freundinnen Natasha und Becky die Ferien auf dem Anwesen des malerischen Château. Jess ist überrascht, was sich Adam aufgebaut hat, aber gleichzeitig auch enttäuscht davon, dass er sich zunächst rar macht und kaum Zeit mit William verbringen möchte. Sie bekommt den Eindruck, dass er noch immer der verantwortungslose Lebemann wie vor zehn Jahren ist.
Doch schon wenig später unternehmen Vater und Sohn nicht mehr nur gezwungenermaßen Zeit miteinander und Jess muss sich eingestehen, dass es aufgrund ihre besonderen Situation die richtige Entscheidung war, Adam und William zusammenzubringen und dass sie nach wie vor Gefühle für Adam hat.

"Was in unseren Sternen steht" ist ein Roman über eine junge Frau, die mit einem nur schwer zu ertragenden Schicksal leben muss und auf Bitten ihrer im Pflegeheim lebenden Mutter ihren Exfreund besucht, um ihm und ihrem Sohn die Möglichkeit zu geben, eine Beziehung zueinander aufzubauen, insbesondere um für William einen weiteren Anker in seinem Leben zu platzieren.
Auch wenn der Urlaub in Frankreich - drei Wochen bei ihrem Exfreund - Jess zunächst große Überwindung gekostet hat, wusste sie, dass der Wunsch ihrer Mutter eine vernünftige Entscheidung war, die sie ihrem Sohn zuliebe treffen musste. Womit Jess allerdings nicht gerechnet hatte, war, dass sie sich wieder in ein Gefühlschaos wie vor zehn Jahren stürzen würde, als ihr Adam das Herz gebrochen hatte.

Der erst Roman, der von Catherine Isaac nicht unter einem Pseudonym erschienen ist, ist ein ergreifender Roman über das starke Band einer Familie, den Zusammenhalt von Freunden und die Liebe, die einem unerwartet begegnet. Es ist aber auch ein Roman über ein schwertes Los und eine Erkrankung, mit der Jess' Mutter akut zu kämpfen hat. Einen Kampf, den sie nicht gewinnen können wird und der Jess auch aufgrund ihrer eigenen Zukunft und der ihres Sohnes schwer belastet.

Durch das idyllische Setting in einem Château in der Dordogne im Osten Frankreichs ist das Buch ein perfekter Roman für den Sommer(urlaub). Der Aufenthalt der Briten in Frankreich, von Kess und ihrem Sohn, von Natasha und Becky mit ihrer lebhaften Familie ist abwechslungsreich mit allen Höhen und Tiefen, die es in Familie und Partnerschaft gibt, beschrieben. Durch den empathischen Schreibstil der Autorin fühlt man sich eng mit den sympathischen und authentisch gezeichneten Charakteren verbunden.

Die schöne Sommerstimmung wird jedoch durch Jess' Familiengeschichte getrübt, eine verheerenden Krankheit, die die Familie fest in ihrem Bann hat sowie durch alte Missverständnisse und lang gehegte Geheimnisse.
Der Roman spielt im Sommer 2016, durch Rückblicke aus Jess' Perspektive, die mühelos mit der gegenwärtigen Handlung verwoben sind, erfährt der Leser jedoch auch, was vor zehn Jahren zwischen Jess und Adam vorgefallen ist.

Mir hat die Mischung aus ausgelassener Urlaubsstimmung an diesem schönen Ort, ernsthafter Themen und Tragik, das Auf und Ab von Jess' Gefühlswelt, Enthüllungen, die den Roman so abwechslungsreich gestalten und in neue Bahnen lenken, sehr gut gefallen. Der Schluss gibt meiner Euphorie über den herzzerreißenden Roman jedoch einen entscheidenden Dämpfer. Mir war das Ende zu kitschig und Hollywood-like und hätte in abgeschwächter Form der Wiederbelebung der Liebe von Jess und Adam - nicht ganz so bemüht perfekt - der Geschichte mehr Authentizität gegeben.



Montag, 26. März 2018

Buchrezension: Annette Lies - Drei aus dem Ruder


Inhalt:


Henriette, Mieke und Coco haben nichts gemeinsam – außer dasselbe Problem: eine handfeste Lebenskrise! Als alle drei in der psychosomatischen Klinik Seeblick landen, lauern unbequeme Fragen im Gepäck: Warum will ich immer perfekt sein? Sage ich oft genug Nein? Was ist, wenn Muttersein doch nichts für mich ist? Und nicht zuletzt: Wie konnte mein Leben nur so aus dem Ruder geraten?! Sich selbst als Chefin, Ex-Ehefrau und Geliebte zu entfliehen, ist jedoch leichter gesagt als getan. Und am Ende scheint nur eine einzige Therapie anzuschlagen – Freundschaft.

Rezension:

Henriette ist verheiratet, praktizierende Gynäkologin und hat Zwillinge, die gerade flügge werden. Sie ist vor ein Auto gelaufen und sich nicht sicher, ob sie es nicht absichtlich getan hat, weshalb sie sich auf Anraten eines guten Freundes und selbst Psychiaters für sechs Wochen in die Klinik "Seeblick" nach Prien am Chiemsee begibt.
Dort trifft sie auf die 28-jährige Mieke, die unter Zwängen leidet und von einem verheirateten Mann schwanger ist. Sie weiß nicht, ob sie das Kind behalten soll.
Coco von Kost ist Fernsehköchin, die unter Ängsten leidet und derzeit in einen Prozess wegen Steuerhinterziehung verwickelt ist, den ihr Mann verschuldet hat.
Die drei haben Einzelgespräche mit Therapeuten und nehmen an Gruppentherapien teil. Letztlich ist es aber die gemeinsame Zeit und die intensive Beschäftigung mit ihren individuellen Krisen, die sie während des Aufenthalts in der Klinik verbringen, die sie trotz aller Unterschiede zu Freundinnen macht.

Der Roman "Drei aus dem Ruder" wird aus der Perspektive der 50-jährigen Henriette erzählt und beschreibt den sechswöchigen Aufenthalt der drei Frauen in der psychosomatischen Klinik. Trotz des vorherrschenden Themas von psychischen Erkrankungen wie Zwangsstörungen oder Depressionen ist der Roman sehr locker und unterhaltsam geschrieben.
Der Roman handelt weniger von den therapeutischen Maßnahmen an sich und mit Sicherheit stellt sich in Klinikalltag in der Realität auch anders dar, sondern viel mehr von den gemeinsamen Aktivitäten der drei Frauen, die ihre Lebensmodelle miteinander vergleichen und durch die neutralere Betrachtung der anderen bis zum Ende ihres Aufenthalts erkennen, was sie wirklich möchten und damit einen Weg aus ihrer Krise finden können.
Auch wenn der Roman keinen großen Anspruch erhebt und einfach nur der Unterhaltung dient, zeigt er ein realistisches Bild der modernen Frau, die im Alltag als Mutter, Karrierefrau, Tochter und Ehefrau ihr persönliches Glück aus den Augen verliert und so in eine Krise geraten kann, aus der sie ohne fremde Hilfe nicht mehr herauskommt.

"Drei aus dem Ruder" ist ein Buch über Frauenpower und eine Hommage auf die Freundschaft.


Samstag, 24. März 2018

Buchrezension: Norbert Horst - Kaltes Land


Inhalt:

Er hat Macht, er hat Geld, doch seine Identität kennt niemand. Aus dem Dunkel zieht er die Fäden und handelt mit allem, was viel Geld bringt: Drogen, Waffen und Menschen. Sein Glück: Mit dem Flüchtlingsstrom kommen viele Verzweifelte nach Deutschland und müssen abtauchen. Unter ihnen findet er die willfährigen Handlanger für seine Geschäfte. Als einer von ihnen an einem verschluckten Päckchen Kokain stirbt, ermittelt Kommissar Steiger. Steiger, der sich mit seinen Chefs anlegt, der aber Gerechtigkeit will um jeden Preis, auch für die, die offiziell gar nicht existieren. Er wird nicht aufgeben, bis er ihn gefunden hat – den Mann im Hintergrund. 

Rezension:

Ein junger Mann mit Migrationshintergrund wird in einer Wohnung in einem Dortmunder Problemviertel tot aufgefunden. Sein Körper war regelrecht ausgeschlachtet, die Organe des Verdauungstrakts entnommen worden. Die Obduktion ergibt, dass er an einer Überdosis Kokain verstorben ist und vermutlich eine große Anzahl an Päckchen der Droge geschluckt haben muss, die ihm nach seinem Tod entnommen worden sind. 

Bei dem Bodypacker handelt es sich um einen Asylsuchenden, der keine Aussicht auf ein Bleiberecht in Deutschland gehabt hätte und der in seiner Verzweiflung bereit war, für einen falschen Pass und genügend Geld zum Leben, sich an einen skrupellosen Drogendealer zu verkaufen. 
Die Ermittlungen sind durch die falschen Identitäten und die Angst der Flüchtlinge vor Abschiebung sowie der mächtigen Hintermänner des Drogenkartells erschwert. 

"Kaltes Land" ist der dritte Kriminalroman aus der Kommissar Steiger-Reihe von Norbert Horst, in der Kriminalhauptkommissar Thomas Adam, genannt Steiger, ermittelt. 
Es ist der erste Krimi des Autors, den ich gelesen habe, was auch ohne Vorkenntnisse der beiden Vorgängerromane problemlos möglich ist. 
Norbert Horst ist selbst aktiver Polizist, der in zahlreichen Mordkommissionen ermittelt hat. Seine Kenntnisse der internen Polizeiarbeit lassen den Roman sehr authentisch erscheinen. Der Fall um die für Drogengeschäfte ausgenutzten Flüchtlinge ist nach dem Flüchtlingsstrom nach Deutschland im Jahr 2015 brandaktuell. Laut BKA-Angaben sind derzeit ca. 6.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland vermisst. Jeder Asylbewerber sollte bei seiner Einreise nach Deutschland bundesweit registriert und die  Fingerabdrücke abgenommen werden. In diesem Kriminalfall wird das System umgangen und die jungen Flüchtlinge bereits vor der erkennungsdienstlichen Behandlung von den Kriminellen mit gefälschten Pässen ausgestattet, die ihnen einen Aufenthaltsstatus in Deutschland garantieren. Auf diese Weise kann ihre wahre Identität nicht zurückverfolgt werden. Sie selbst machen sich erpressbar und sind den Drogendealern hilflos ausgeliefert. 

Kommissar Steiger ist für mich ein sehr angenehmer Polizeibeamter, da er nicht - wie in vielen anderen Romanen - als Egozentriker, Held, der sein eigenes Ding durchzieht oder mit zahlreichen privaten Problemen beaufschlagt ist, beschrieben wird. So wirkt nicht nur seine Persönlichkeit, sondern auch der Fall durch die eigenen Erfahrungen des Autors, die zweifellos in den Roman eingeflossen sind, sehr realistisch. 
Die sehr detaillierte Beschreibung der Ermittlungen mit vielen Kollegen im Hintergrund von Steiger sind aber schon so normal, dass die Spannung des Roman darunter leidet. Zudem wurde die Problematik des kniffligen Falls um die Scheinidentitäten und die gefälschten Dokumente mehrfach wiederholt. 

Durch Horst gewinnt man einen guten Einblick in die Arbeit eines Kriminalhauptkommissars in einem Fall mit einem sehr interessanten Hintergrund. Der Kriminalfall liest sich authentisch wie ein Zeitungsbericht, war mir jedoch in seiner Detailverliebtheit zu langatmig und konnte mich deshalb nicht allumfassend packen. Ich empfand die Umstände der Flüchtlinge und das scheinbar so einfach durchzuführende Verbrechen wesentlich interessanter, als die Lösung des Falls und wer letztendlich hinter des Missbrauchs der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge für die Drogengeschäfte steckte. 







Freitag, 23. März 2018

Buchrezension: Gayle Forman - Manchmal musst du einfach leben


Inhalt:

Maribeth Klein, Anfang 40, in New York, ist so damit beschäftigt, die perfekte Mutter von kleinen Zwillingen, Ehefrau und Mitarbeiterin zu sein, dass sie vor lauter Stress gar nicht merkt, dass sie einen Herzinfarkt hatte. Erst als sie nach einer Notoperation völlig geschwächt wieder zu Hause ist und begreift, dass Familie und Job ihr keine Möglichkeit lassen, zu Kräften zu kommen, trifft sie eine unglaubliche Entscheidung: Sie packt eine kleine Tasche und geht.

Rezension:


Maribeth Klein ist 44 Jahre alt, verheiratet und Mutter von vierjährigen Zwillingen. Die Familie wohnt in New York, wo Maribeth bei einer Zeitschrift arbeitet. Der Alltag aus Beruf, Haushalt und Kinderbetreuung stresst sie dermaßen, dass sie einen Herzinfarkt erleidet und es selbst gar nicht mitbekommt. Bei der Untersuchung im Krankenhaus kommt es zu Komplikationen, weshalb Maribeth am offenen Herzen notoperiert werden muss. Nach wenigen Tagen wird sie aus der Klinik entlassen und sieht sich mit ihrem alten Trott konfrontiert. Weder ihr Ehemann Jason, noch ihre Adoptivmutter, die sich um die Kinder kümmert, sind ihr eine große Hilfe. Körperlich geschwächt und mit Schmerzen in der Brust wird ihr die psychische Belastung zu groß, dass sie eine Tasche packt und ihre Familie verlässt.

Sie verordnet sich selbst eine Auszeit und mietet sich anonym ein Apartment in Pittsburgh, wo sie zur Ruhe kommen möchte. Dabei versucht sie ihre Adoptiveltern ausfindig zu machen, um mehr über ihre Verwandtschaft und ihre Krankheitsgeschichte in Erfahrung bringen zu können.

Maribeth ist eine Frau, die mittels künstlicher Befruchtung schwanger geworden ist und sich nun, überfordert von Zwillingen und einem Beruf, den sie sie für das finanzielle Auskommen der Familie ausüben muss, im Alltag auftreibt. Sie möchte es allen Recht machen und denkt dabei nie an sich. Selbst als sie den Herzinfarkt erleidet, denkt sie darüber nach, welche Termine die Kinder am Wochenende haben und was sie darüber hinaus noch zu erledigen hat. Ihr Mann Jason ist selbst beruflich eingespannt und ihr keine Entlastung.

Es ist schier unglaublich, was eine Mutter dazu bringen kann, ihre vierjährigen Kinder und ihren Ehemann zu verlassen, ohne dass es einen großen Streit gegeben hätte. Maribeth ist einfach müde und geht. Auch mit dem Abstand von zu Hause hat sie kein schlechtes Gewissen. Sie taucht unter anderem Namen unter und meldet sich weder bei ihrem Mann, noch ihrer Adoptivmutter oder Freundin. So kaputt und hilflos ist Maribeth.

Selbst wenn man Maribeths Verhalten nicht gut heißen kann, kann man ihre Angst vor einem erneuten Infarkt und ihr Gefühl der Ausweglosigkeit nachvollziehen. Wäre der Roman aus Sicht von Jason geschrieben, wäre Maribeth die Rabenmutter, die ihre Familie im Stich lässt. So geht sie einen mutigen, wenn auch sehr extremen Schritt und ist zum ersten Mal in ihrem Leben egoistisch.

Der Roman regt zum Nachdenken an, da das Dilemma einer berufstätigen Mutter unter Strom viele Frauen betrifft. Man fragt sich, was Maribeth und Jason hätten besser machen können, um zu verhindern, dass Maribeth zu so einer drastischen Maßnahme greift. Hatten sie nur ein Kommunikationsproblem?

Abgeschieden von zu Hause beschäftigt sich Maribeth mit ihrer Adoption und verdrängt die Gedanken an Mann und Kinder, auch wenn sie ihren Zwillingen zumindest Briefe schreibt, die sie jedoch nicht abgeschickt. Sie lebt ein ganz anderes, einfaches Leben, das so endgültig wirkt, dass man als Leser lange im Unklaren ist, wie dieser Roman enden wird.

Am Schluss war ich dann jedoch enttäuscht, dass eigentlich keine Lösungsvorschläge formuliert worden sind. Der Roman endet mit vielen offenen Fragen - sei es in Bezug auf Maribeths Alltag, ihre Beziehung zu Jason, das Verhältnis zu ihren Zwillingen, ihren Beruf oder die Suche nach ihrer leiblichen Mutter. Viele Erzählstränge wurden für meinen Geschmack nicht zu Ende geführt, weshalb ich mir bei diesem Roman einen Epilog gewünscht hätte. Davon abgesehen war die Geschichte, in der die Ehefrau einmal nicht diejenige ist, die verlassen wird, sehr interessant zu lesen.



 

Mittwoch, 21. März 2018

Buchrezension: Steven Uhly - Marie


Inhalt: 

Der zwölfjährige Frido erzählt seiner kleinen Schwester Chiara eine aufwühlende Gutenachtgeschichte. Sie handelt von einem alten Mann, der ein Baby stiehlt. Als Chiara kurz darauf ihrer Mutter davon erzählt, reagiert diese schockiert. Im Affekt schlägt sie ihre Tochter. Von diesem Moment an gerät die kleine Familie aus dem Gleichgewicht. Veronika Kelber reibt sich auf zwischen ihrem Leben als Alleinerziehende und dem Anspruch, eine gute Mutter zu sein. Und dann ist da noch der Schmerz einer unsichtbaren Wunde, Schuldgefühle und die Erinnerung an ein furchtbares Versagen.

Rezension:

Veronika Kelber ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern, dem 12-jährigen Frido, der zehnjährigen Mira und der sechsjährigen Chiara. Ihr Mann hat die Familie wegen einer anderen Frau verlassen, als sie mit Chiara schwanger war. 

Veronika ist als berufstätige Frau mit der Situation in der 65-qm-Wohnung und der Verantwortung, die auf ihr lastet, völlig überfordert. Frido ist jetzt der "Mann im Haus" und derjenige, der sich um seine jüngeren Schwestern kümmert. Chiara erzählt er eine Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruhen soll. Er habe sie in der Zeitung gelesen. Es geht um einen älteren Mann, den Besitzer des Kiosk auf dem Weg zu seiner Schule, der ein Baby gestohlen haben soll. Chiara ist gebannt von der Geschichte und entsetzt und stellt immer mehr Fragen, bis auch die Mutter die Geschichte hört und ausrastet. 

"Marie" erzählt die Geschichte von "Glückskind" weiter, kann aber unabhängig von diesem Roman gelesen werden. Er ist eine Familientragödie, in welcher das Versagen der Eltern in aller Deutlichkeit aufgezeigt wird. Die Mutter schafft es kaum, den Kindern regelmäßig das Abendessen zuzubereiten, geschweige denn, dass sie ihnen Liebe und Geborgenheit vermittelt. Sie ist zwar in der Wohnung anwesend, aber nicht für die Kinder da, weshalb der älteste Frido ganz selbstverständlich die Aufgaben der Mutter übernimmt, so gut er kann. 

Der Vater hält sich dagegen aus allem heraus und beschränkt sein Engagement auf die Unterhaltszahlungen, die ihm auch zu viel sind. Notgedrungen holt er die Kinder an einzelnen Wochenenden zu sich, wobei er immer nur zwei Kinder bei sich haben möchte und sich für die umgänglicheren beiden, Frido und Chiara, entscheidet. Veronika lenkt sich in der Zeit mit Alkohol und One-Night-Stands ab. 

Die Perspektiven werden schnell gewechselt, so dass man Einblick in die Sichtweise der Mutter, aber vor allem auch in die der Kinder auf ihrem unterschiedlichen Wissensstand erhält. Fassungslos betrachtet man als Leser diese schier ausweglose Situation und leidet mit den Kindern, die keine regelmäßigen Mahlzeiten erhalten und auf sich allein gestellt sind und trotzdem noch brav ihre Hausaufgaben erledigen und zur Schule gehen. Krampfhaft versuchen sie, den Anschein von Normalität aufrechtzuerhalten, um eine Mutter zu schützen, die ihnen so wenig Liebe schenkt. 

Man fragt sich, was in der Vergangenheit, von der man nur Bruchstücke erfährt, vorgefallen ist, und wie Ereignisse mit der Geschichte, die Frido erzählt hat und deshalb von einem schlechten Gewissen geplagt ist, in Zusammenhang stehen. Etwas Schreckliches wurde über die Jahre totgeschwiegen und kocht jetzt wieder hoch, woran die Mutter endgültig zu zerbrechen scheint. Man muss zwischen den Zeilen lesen können, da vieles nur angedeutet, nicht aber explizit geschildert wird. 

Es ist eine schockierende, einfühlsam erzählte Geschichte über eine Familie, die sich selbst überlassen ist und bei der es erst zur finalen Katastrophe kommen muss, bis Hilfe geleistet wird. Fassungslos ist man bis zum Schluss von der Handlung gefesselt und muss einfach weiterlesen, wie die Kinder den Alltag auf sich gestellt bewältigen. 
Besonders erschütternd an der Geschichte ist, dass sie so authentisch anmutet und dass sich solche Familientragödien tagtäglich hinter verschlossen Türen ereignen. 

Da ich selbst "Glückskind" nicht gelesen habe, hätte ich mir gewünscht, wenn man als Leser zumindest im Epilog oder einem Nachwort noch mehr über die Vergangenheit erfahren hätte, um die aktuellen Ereignisse besser einordnen zu können. 



Montag, 19. März 2018

Buchrezension: Tanja Wekwerth - Das Leben ist ein Seidenkleid


Inhalt:

Ein Kleid kann ein Leben verändern, sagt Maja. Jede Nacht sitzt sie allein an ihrer Nähmaschine und zaubert bestickte Mäntel oder raffinierte Röcke – die kaum jemand zu Gesicht bekommt. Dazu fehlt ihr der Mut. Bis sie sich mit Leonhard anfreundet, einem sanftmütigen älteren Herrn. Seit dem Tod seiner Frau Luise hat niemand mehr ihr Ankleidezimmer betreten dürfen, niemand außer Maja. Dort, zwischen Petticoats und Maßband, stellt sie mit Leos Hilfe bald fest, dass Lebensträume keinem Schnittmuster folgen.

Rezension:

Maja arbeitet als Verkäuferin in der Abteilung für Damenoberbekleidung in einem Kaufhaus, wo sie sich von ihrer Vorgesetzten Hanneliese, die nur auf Profit aus ist, schikanieren lässt. Maja glaubt daran, dass Kleidung zu den Menschen passen muss und ihnen nur dann Glück bringt. Als gelernte Schneiderin näht sie derzeit nur nachts Kleidung für sich selbst, träumt aber davon, von ihrer Leidenschaft leben zu können.
An den Wochenenden fährt sie Essen für Senioren aus und lernt dabei den rüstigen Rentner Leonard kennen, der mit einer Schneiderin verheiratet war, die bereits vor 40 Jahren verstorben ist. Er hat allerdings in ihre, Ankleidezimmer all ihre Sachen aufbewahrt, die er Maja stolz zeigt. Sie ist begeistert von den Kleidern und Schnittmustern und hört sich die gut gemeinten Ratschläge von Leo an, der sie förmlich dazu drängt, mehr aus ihrem Leben zu machen und nicht als Verkäuferin zu versauern.

Von Tanja Wekwerth hatte ich "Madame Cléo und das große kleine Glück" gelesen, ein zauberhafter Roman, der mir sehr gut gefallen hat, weshalb ich an von "Das Leben ist ein Seidenkleid", angelehnt an den Klappentext, ähnliche Erwartungen hatte.

Mir war die Geschichte um Maja, die eingeschüchtert von ihrer Mutter, nie gewagt hat, ihren Traum der schneidernden Modedesignerin zu leben, zu verkitscht.
Maja war mir zu übertrieben selbstlos, wie sie sich für die anonymen Kundinnen im Kaufhaus oder für die Senioren eingesetzt hat. Jeden Tag hat sie sich aufs Neue mit ihrer Chefin bei der Beratung der Kundinnen gestritten, obwohl diese ihr mehrfach mit Kündigung gedroht hatte. Für die Senioren hat sie bereitwillig gekocht, falls das Essen nicht gut war. Selbst Heiligabend hat sie lieber die alten Menschen zu sich in die Wohnung eingeladen, als mit ihrer Mutter zu feiern.
Die Freundschaft zu Leo entwickelte sich schnell sehr innig. Ich empfand es als ein wenig seltsam, dass sie Leo nach wenigen Wochen als ihren "besten Freund" bezeichnete, hätte ihn eher als väterlichen Freund gesehen.
Durch die Begegnung mit seinem Enkel Jack ergab sich unweigerlich eine Liebesgeschichte, die viel zu halbherzig gestaltet war und die der Roman nicht gebraucht hätte. Jack war selbstverständlich seit Jahren in festen Händen, aber unglücklich mit seiner Beziehung und auch Leo hätte sich Maja viel besser als seine Lebensgefährtin vorstellen können. Seine derzeitige Freundin war im Vergleich zu Maja ein oberflächliches Biest, das so gar nicht zu Jack passte.

Die Geschichte war damit sehr vorhersehbar, empfand ich als übermäßig dramatisch, auch wenn die Aussagen wie "Kleider machen Leute", der Ruf nach einem stärkeren Band zwischen den Generationen und dem Mut, seine Träume zu leben, grundsätzlich schöne Vorstellungen sind. Dennoch - weniger Zufälle, Drama, Klischees und Schmalz hätten dem Roman sehr gut getan. Der Zauber der Geschichte kam so einfach nicht bei mir an und auch für den Gutmensch Maja ohne Ecken und Kanten konnte ich nur wenig Sympathien entwickeln. Alle weiteren Personen waren zudem sehr stereotyp, entweder einseitig gut oder böse. Vielschichtigere Charaktere hätten dem Roman zumindest etwas Abwechslung verleihen können.



Samstag, 17. März 2018

Buchrezension: Kristina Valentin - Ein Sommer und ein ganzes Leben


Inhalt:

Katharina denkt an ihre Kinder, sie denkt an ihre Kunden, und viel zu selten denkt sie an sich selbst. Bis sie ihren neuen Nachbarn David kennenlernt, der sie charmant und schlagfertig zum Lachen bringt. David sitzt im Rollstuhl und schweigt über seine Vergangenheit genauso hartnäckig wie Katharina über ihren großen Schmerz. Immer wieder begegnen sich die beiden im Garten unter der alten Kastanie. Und für Katharina beginnt der überraschendste Sommer ihres Lebens.

Rezension:

Katharina ist Mitte 30, verwitwet und Mutter eines neunjährigen Jungen und einer vierjährigen Tochter. Als ihre beste Freundin Kerstin beruflich für drei Jahre nach Barcelona zieht, nimmt Katharina deren Angebot an, sich in der Zeit um ihre kleine Villa in Braunschweig zu kümmern und zieht mit den Kindern dort ein. Sie ist dankbar, dass sie sich damit die Miete für ihre Wohnung sparen kann, da sie als selbstständige Mediatorin künftig auch nicht mehr die Praxisräume ihrer Freundin und Kollegin Inge nutzen kann.

Schon bald lernt sie Kerstins Nachbarn David kennen, der nach einem Unfall im Rollstuhl sitzt. Er bietet ihr einen Job, bei dem sie sein Chaos aus Unterlagen sortieren und ablegen soll. Da sie damit keine Probleme wegen der Kinderbetreuung hat, nimmt sie den Nebenverdienst im Nachbarbungalow gern an.
Katharina gefällt es, wie selbstbewusst und scheinbar problemlos David mit seiner Behinderung, die für ihn gar keine ist - schließlich behindern nur andere ihn und seinen Rollstuhl - umgeht und empfindet nach anfänglichen Hemmungen schnell mehr für ihn als nur Freundschaft. Zum ersten Mal kann sie sich nach dem tragischen Tod ihres Mannes vorstellen, sich nach all den Jahren wieder an einen Mann zu binden. Und auch David hat die Hoffnung, dass Katharina als alleinerziehende Mutter genau die richtige Frau an seiner Seite sein könnte.

"Ein Sommer und ein ganzes Leben" ist eine Geschichte über Liebe und die Ängste, die einer Beziehung im Weg stehen können.
Katharina und David sind beide Charaktere, die erwachsen sind und mitten im Leben stehen und in der Vergangenheit Einschneidendes erlebt haben, das Konsequenzen hat, die sie ihr Leben lang begleiten werden. Für David ist es die inkomplette Querschnittlähmung und für Katharina der Tod ihres Mannes, der sie zur alleinerziehenden Mutter werden ließ. Katharina trauert nun seit neun Jahren und hatte mit einem Beruf und zwei Kindern bisher zudem keinen Freiraum sich auch noch um eine Beziehung zu bemühen. David hat die Frauen bisher auf Abstand gehalten, da er sie nicht mit seinen Einschränkungen belasten wollte. In diesem Sommer sind jedoch beide mutig genug, einen Schritt weiter zu gehen.

Kristina Valentin hat mit diesem Roman nicht nur eine unterhaltsame, sommerliche Liebesgeschichte mit sehr sympathischen Charakteren geschaffen, sondern auch versucht, die Perspektive eines Menschen mit Behinderung in den Fokus zu rücken. David ist ein Mensch, der sich nicht auf seine Behinderung reduzieren lassen möchte. Er ist erfolgreich im Beruf und im Alltag selbstständig. Nicht er hat ein Problem mit seinem Handicap, sondern die Menschen, die ihm begegnen oder nur flüchtig kennen.
Die Autorin möchte mit der Geschichte zeigen, dass Behinderung nicht immer mit Krankheit, Leid und Drama verbunden sein muss, sondern dass es Menschen - zehn Millionen in Deutschland - sind, die wie alle Menschen Sorgen und Probleme, aber auch Freude und ganz normalen Alltag haben. Das Leben ist so vielseitig und überall gibt es Licht und Schatten. Das Buch setzt ein Zeichen für Toleranz, klärt auf und das auf sehr unterhaltsame Art und Weise ohne belehrend zu sein.



Freitag, 16. März 2018

Buchrezension: Anne Reinecke - Leinsee


Inhalt: 

Karl ist noch nicht einmal 30 und hat sich schon als Künstler in Berlin einen Namen gemacht. Er ist der Sohn von August und Ada Stiegenhauer, "dem" Glamourpaar der deutschen Kunstszene. Doch in der symbiotischen Beziehung seiner Eltern war kein Platz für ein Kind. Nun ist der Vater tot, die Mutter schwer erkrankt. Karls Kosmos beginnt zu schwanken und steht plötzlich still. Die einzige Konstante ist ausgerechnet das kleine Mädchen Tanja, das ihn mit kindlicher Unbekümmertheit zurück ins Leben lockt. Und es beginnt ein Roman, wild wie ein Gewitter, zart wie ein Hauch.

Rezension:

Karl ist der Sohn des sehr erfolgreichen Künstlerehepaares Stiegenhauer, der seit Jahren keinen persönlichen Kontakt mehr zu seinen Eltern hatte. Als sich sein Vater August im Alter von 57 Jahren tötet, weil die geliebte Ehefrau Ada unheilbar an einem Gehirntumor erkrankt ist, kehrt Karl an seinen Geburtsort Leinsee zurück. Er empfindet keine Trauer für den Tod seines Vaters und bringt die Beerdigung hinter sich, bei der Karl, der in Berlin unter anderem Namen als Künstler arbeitet, erstmals von der Presse als Sohn der Stiegenhauers identifiziert wird. Durch die Berühmtheit seiner Eltern steigt auch sein Marktwert als Künstler, was Karl nie wollte. Er geht nicht zur Eröffnung seine Ausstellung in Berlin und bleibt in Leinsee, um den Tod seiner Mutter abzuwarten, die nach einer Notoperation am Gehirn im Koma liegt. 

Entgegen der Erwartung der Ärzte über lebt Ada, erwacht aus dem Koma und erkennt in Karl ihren Ehemann August wieder. Zum ersten Mal erfährt Karl Wertschätzung durch seine Mutter und wird von ihr geliebt. Er genießt diese seltsame Beziehung zu ihr, kümmert sich um sie und arbeitet sogar im Atelier der Eltern mit ihr zusammen. 

Im Garten der Villa taucht immer wieder in achtjähriges Mädchen aus der Nachbarschaft auf. Tanja, die im Gegensatz zu den anderen Kindern keine Angst vor Karl hat. Sie beginnen damit, sich gegenseitig kleine Geschenke zu machen, indem sie den Kirschbaum dekorieren oder den Garten mit kleinen Handgriffen umgestalten. 

Als seine Lebensgefährtin Mara, die überraschend aus Berlin anreist, Tanja vertreibt, hält auch Karl nichts mehr in Leinsee. Er kehrt nach Berlin zurück, wo er von Mara getrennt, in einem Atelier am Tempelhofer Feld arbeitet und wohnt. 

Erst sechs Jahre später geht er nach Leinsee zurück, wo Tanja inzwischen ein Teenager geworden ist. Sie verzeiht Karl und so entwickelt sich ihre ungewöhniche Freundschaft weiter. 

Karl ist ein verschlossener Mensch, der von seinen Eltern, die ihn als Kind in einem Internat untergebracht haben, wo sie ihn nie besucht haben, schwer enttäuscht ist. Für Ada und August gab es immer nur die beiden als Paar, für ein Kind war kein Platz. Karl wollte nie im Schatten seiner Eltern stehen und hat sich deshalb unter Pseudonym einen Namen als Künstler erarbeitet. Zurück in Leinsee kommt all der Frust über seine Eltern wieder hoch, zumal sie einen Assistenten beschäftigen, der sich wie selbstverständlich in Karls Kinderzimmer eingerichtet hat. Karl hat nachvollziehbarerweise einen Hass auf diesen "Buddy Holly", der die Rolle des Sohnes übernommen hat. 

Ablenkung und Leichtigkeit erfährt Karl durch Tanja, zu der er als 26-jähriger Mann unnatürlich intensive Gefühle entwickelt. Tanja ist ein Symbol für Mut und Unbeschwertheit, was Karl in seiner Kindheit fehlte. Er ist regelrecht fixiert auf sie, hofft jeden Tag aufs Neue, dass sie sich zeigt. 

Der Roman handelt nicht nur von einer Künstlerfamilie, sondern ist auch passend dazu aufgebaut. Jedes Kapitel hat eine farbengebende Überschrift wie "Kanarienvogelgelb und silber", "Gottweiß", "Salamirot" oder "Kaugummigrau" und steht für Karls Gefühlswelt. 

"Leinsee" ist ein außergewöhnlicher Roman, der mal melancholisch, mal wütend, mal traurig ist, der mich aber auch verwirrt und nachdenklich gemacht hat . Sehr skurril sind Karls Verhaltensweisen in der Villa der Eltern und seine Annäherung an das Kind, die einem Versteckspiel gleicht, die mehr als merkwürdig, schon fast grenzwertig ist. 

Die Heimkehr nach Leinsee wird für Karl zu einem Neuanfang. Beschrieben wird die Persönlichkeitsentwicklung von Karl von 2005 bis zur Gegenwart, in der Karl parallel zu Tanja erwachsen wird. 
Es ist ein Roman über Selbstfindung und eine Liebesgeschichte außerhalb der Norm mit überraschenden Wendungen. Er hat durch die sonderbaren Einfälle von Karl, die er nie in Frage stellt, oder gar sich selbst reflektiert, einen hohen Unterhaltungswert. 



Mittwoch, 14. März 2018

Buchrezension: Tracy Buchanan - Die Mitternachtsschwestern


Inhalt:

Willows Kindheit war unbeschwert – bis zu dem Tag, an dem ihre geliebten Eltern bei einem Schiffsunglück starben. Als sie Jahre später eine Einladung zu einer Ausstellung erhält, auf der Fotografien von wunderschönen Unterwasserwäldern gezeigt werden, bekommt sie Zweifel an ihrer Version der Vergangenheit. Denn der Fotograf hat Willows Mutter Charity geliebt. War die Ehe ihrer Eltern nicht so perfekt wie gedacht? Und warum erfuhr sie nie von dem tragischen Verlust, der Charitys Leben vor Jahrzehnten zerriss? Um Antworten zu finden, muss Willow den Spuren ihrer Mutter folgen – und die führen sie um die ganze Welt und tief unter die Oberfläche des Wassers.

Rezension:

Willow hat ihre Eltern bei einem Schiffsunglück vor 20 Jahren verloren, als sie sieben Jahre alt war. Sie ist daraufhin bei ihrer Tante Hope in Busby-on-Sea aufgewachsen.
Im August 2016 taucht sie zum Schiffswrack, in dem noch eine Handtasche ihrer Mutter Charity gefunden wird. Diese wirft Fragen auf, so dass Willow nach langer Zeit zurück in ihren Heimatort fährt und ihre Tante besucht, um sie mit dem Inhalt der Handtasche zu konfrontieren. Hope möchte allerdings nicht über die Vergangenheit sprechen. Als Willow dann auch noch eine Einladung für eine Fotoausstellung über die geheimnisvolle Welt der Unterwasserwälder findet, die an sie gerichtet war, die Hope ihr allerdings unterschlagen hat, möchte sie unbedingt den Fotografen treffen, der ihre Mutter gekannt hatte und herausfinden, was Hope ihr weiterhin verschweigen möchte.
Willow folgt dabei Charitys Spuren zu den faszinierenden Unterwasserwäldern, die die passionierte Taucherin besucht hat.

Der Roman handelt nicht nur im Jahr 2016, sondern wird auch aus Sicht der jungen Charity im Zeitraum 1976 bis 1996 erzählt. Die beiden Erzählstränge sind durch die gleichen Schauplätze, die Charity und Willow zu unterschiedlichen Zeiten aufsuchen, miteinander verbunden.
Durch die Tauchexkursionen und die mir bisher unbekannte Existenz der Unterwasserwälder mutet der Roman etwas mythisch an und ist sehr atmosphärisch erzählt. Es geht um tragische Ereignisse der Vergangenheit, von denen Willow bisher n Schutz genommen worden ist und die sie zur Klärung ihrer Wurzeln und ihrer eigenen Identität in Erfahrung bringen möchte.

Durch den Schmerz, den die Schwestern Charity und Hope in ihrer Jugend erleiden mussten und von dem Willow nichts ahnt, durchzieht den Roman eine Traurigkeit und Melancholie. Auch Willow, die unter dem Verlust ihrer Eltern und der scheinbar lieblosen Erziehung durch die Tante leidet, unterstreicht diese Grundstimmung.

"Die Mitternachtsschwestern" ist ein auf beiden Erzählsträngen spannender Roman über lang gehegte Geheimnisse und die Suche nach der Wahrheit. Nicht nur die weiblichen Hauptpersonen sind authentisch dargestellt, auch die Nebencharaktere überzeugen mit einer gewissen Undurchschaubarkeit. Man kann sich über weite Teile nicht sicher sein, wer manipuliert und wer etwas zu verbergen haben könnte.
Es ist eine lesenswerte Familiengeschichte, die zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar ist und die am Ende noch einmal durch eine schockierende Wendung überrascht. Mir hat der Roman nicht nur aufgrund der interessanten Handlung, bei der alle Fäden am Ende geschickt zusammenlaufen und wodurch der rätselhaft verbitterte Charakter der Hope verständlich wurde, sondern auch wegen der anschaulichen Beschreibung der Unterwasserwelten sehr gut gefallen.



Montag, 12. März 2018

Buchrezension: Catharina Junk - Bis zum Himmel und zurück


Inhalt:

Drama, Crime und Love-Stories. Als Drehbuchautorin kann Katja unzählige Leben leben, ohne selbst große Gefühle zu riskieren. Perfekt also. Okay, manchmal kommt Ratko vorbei, aber Liebe ist das eigentlich nicht. Doch als Katja eine Familienserie entwickeln soll, klappt es mit dem Schreiben plötzlich nicht mehr. Ihre eigene Familie ist nämlich ein Trümmerhaufen. Als sich dann ihre Mutter mit einer erschütternden Neuigkeit meldet, wie aus dem Nichts eine Halbschwester auftaucht und Katja ständig an Joost denken muss, kann sie sich nicht länger vor ihrer eigenen Geschichte verkriechen. Die muss nämlich dringend neu geschrieben werden.

Rezension:

Katja arbeitet als Drehbuchautorin für die Serie "Wache Mitte", ist jedoch genervt von der egozentrischen Hauptdarstellerin Dorit und inzwischen auch gelangweilt von der Serie, die ihr 25-jähriges Jubiläum feiert. Sie schreibt deshalb an einer Familienserie um einen Apfelhof im Alten Land, kommt allerdings mit diesem Konzept für einen anderen Sender nicht weiter. Sie erinnert sich während des Schreibens immer wieder an ihre eigene zerbrochene Familie und erhält dann auch noch einen Anruf von ihrer Mutter, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr gatte, dass ihr Vater einen Schlaganfall hatte und im Koma liegt. Zu diesem hatte sie noch länger keinen Kontakt mehr und ist regelrecht schockiert, als plötzlich ein Mädchen bei ihr vor der Tür steht, die behauptet, ihre Halbschwester zu sein und sie bittet, ihren gemeinsamen Vater zu besuchen.

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive der 26-jährigen Katja geschrieben, so dass man ihr, ihren Gedanken und Gefühlen sehr nahe kommt. Von Anbeginn spürt man als Leser, dass es ihr nur scheinbar gut geht, dass sie etwas belastet und dass sie trotz ihres Berufs, ihrer besten Freunden Alexa und dem "Irgendwie-Lebensgefährten" Ratko gehemmt ist und nicht aktiv am Leben teilnimmt.

In Rückblenden erinnert sich Katja an ihre Kindheit und ein tragisches Ereignis, das ihre Familie hat auseinanderbrechen lassen und durch das man ihr Verhalten in der Gegenwart verstehen kann. Sie hatte seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihren geschiedenen Eltern und wird durch den Anruf ihrer Mutter und der Begegnung mit der neuen Familie ihres Vaters wieder mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert, die so schmerzhaft ist, dass sie sie erfolgreich zu verdrängen versucht hatte. Nicht einmal ihr Freund Ratko weiß, was Katja erlebt hat und woher ihre Narben stammen.

"Bis zum Himmel und zurück" ist ein Roman, der ein trauriges Ereignis zum Hintergrund hat, der aber nicht nur beklemmende und nachdenklich machende Elemente enthält. Durch die unterschiedlichen und sehr liebevoll entwickelten, ungewöhnlichen Charaktere halten sie sich mit humorvollen Stellen die Balance.

Es ist ein Roman über eine Familie, die an einem schlimmen Ereignis zerbrochen ist. Vater, Mutter und Tochter waren damals nicht in der Lage, es gemeinsam zu verarbeiten. Jeder von ihnen ist anders damit umgegangen, hat sich dem Alkohol zugewandt, ist davon gelaufen oder hat ein neues Leben angefangen.

15 Jahre später begleitet man Katja bei ihrer persönlichen Entwicklung und wie sie als Erwachsene versucht, ihr Kindheitstrauma zu verarbeiten. Sie beginnt, sich selbst zu vergeben und zu erkennen, dass auch sie ein Recht darauf hat glücklich zu sein.

"Bis zum Himmel und zurück" ist ein abwechslungsreicher, sehr unterhaltsamer Roman mit einem ausgewogenen Anteil an humorvollen und traurigen Elementen, der herzerfrischend geschrieben ist und der nicht an der Oberfläche bleibt. Auch der Schluss, der kein perfektes Happy End erzwingt, hat mir gut gefallen und jeglichen Kitsch vermieden.



Samstag, 10. März 2018

Buchrezension: Heidi Swain - Frühling im Kirschblütencafé


Inhalt:

Lizzie Dixon steht vor einem Scherbenhaufen, als sie von ihrem Freund anstelle des langersehnten Heiratsantrags den Laufpass bekommt. Sie kehrt zurück in ihre Heimatstadt und schlüpft bei ihrer besten Freundin Jemma unter, die gerade das alte Café am Marktplatz gekauft hat. Die Renovierung des kleinen Ladens weckt wunderbare Erinnerungen an ihre Jugend, und so erfüllen die Freundinnen sich einen lang gehegten Traum: Lizzie wird Teilhaberin und bietet im Café Nähkurse an. Doch kann sie ihr altes Leben wirklich hinter sich lassen? Und dann ist da noch Ben, der sie zu Schulzeiten nie eines Blickes gewürdigt hat. Als sie gezwungenermaßen zu Mitbewohnern werden, kribbelt es erneut in Lizzies Bauch.

Rezension:

Elizabeth Dixon rechnet zu ihrem Geburtstag eigentlich mit einem Heiratsantrag ihres Freundes Giles, wird stattdessen aber eiskalt von ihm abserviert. Da sie in seiner Wohnung und in seiner Firma in London gearbeitet hat, steht sie nun vor dem Nichts. Gescheitert kehrt sie in ihren Heimatort Wynbridge zurück, wo ihre beste Freundin gerade dabei ist, ein Café zu eröffnen. Lizzies Vater schenkt ihr einen Teil seines Erbes, mit dem sie in das Café einsteigen kann und bezieht sie Wohnung darüber. Sie entdeckt ihre alte Leidenschaft für das Handarbeiten, insbesondere das Nähen wieder, und bietet im Café Kurse an. Sie nutzt geschickt den Trend des Selbermachens und des Upcyclings und kann sich vor interessierten Teilnehmerinnen kaum retten.
In Wynbridge begegnet sie ihrem alten Highschool-Schwarm Ben wieder und fühlt sich nach wie vor zu ihm hingezogen. Dieser scheint jedoch kein Interesse an einer Beziehung zu ihr zu haben, zudem trauert sie noch Giles hinterher und bekommt aus London das Angebot, ein bereits bestehendes, florierendes Nähcafé zu übernehmen. Lizzie ist verunsichert, wo sie ihr Leben neu aufbauen soll.

"Frühling im Kirschblütencafé" ist ein Roman über Liebe, Freundschaft und Familie und den Mut, seine eigenen, lang gehegten Träume zu verwirklichen. Es geht um einen Neuanfang im Leben und darum, sich mit den schwierigen Entscheidungen auseinanderzusetzen, die damit verbunden sind.
Lizzie kommt etwas verschämt und naiv nach Hause zurück, wo sie ohne Vorbehalte liebenswürdig von ihrer besten Freundin und ihrem Ehemann aufgenommen wird. Auch zu ihren Eltern findet sie einen innigeren Zugang, nachdem sich ihre Mutter durch ein aufrüttelndes Erlebnis zu ihrem Besten verändert hat.

Der Roman rund um die Selbstfindung von Lizzie und den Beginn ihrer Selbstständigkeit ist ein wenig kitschig verträumt und der Verlauf der Handlung vorherzusehen.
Lizzies Sehnsucht nach einem Mann an ihrer Seite war zwar allgegenwärtig, die sich abzeichnende Liebesgeschichte war mir allerdings zu emotionslos. Die Gefühle zwischen Ben und Lizzie waren für mich nicht richtig nachvollziehbar. Für mein Empfinden sind zwischen den beiden keine Funken übergesprungen, zumal sie auch als Teenager nie eine Beziehung zu einander hatten.
Die Wirrungen um den Journalisten Jay, den "Bösewicht" der Geschichte, gaben dem Roman zwar neue Impulse, sein Verhalten war allerdings etwas unglaubwürdig.
Das Setting in der fiktiven Kleinstadt und der liebevollen Wiederbelebung eines alten Cafés hat mir jedoch gut gefallen und wirkte authentisch.
"Frühling im Kirschblütencafé" ist ein leicht und schnell zu lesender Roman ohne große Überraschungen, der besonders für Frauen mit Interesse am Selbermachen zu empfehlen ist, mir jedoch nicht länger im Gedächtnis bleiben wird.



Freitag, 9. März 2018

Buchrezension: Hannah Kent - Wo drei Flüsse sich kreuzen


Inhalt:

Irland 1825: Die 14-jährige Mary soll der verwitweten Bäuerin Nora mit deren schwer behindertem Enkel Michael zur Hand gehen. Der kleine Junge, so munkelt man im Dorf, sei ein Wechselbalg, ein Feenkind, und mache die Kühe krank. Mary gibt nichts auf das Gerede, doch als Nora davon hört, reift in der einsamen, verzweifelten Frau eine ungeheuerliche Idee: Wenn es ihr gelingt, den Wechselbalg zu vertreiben, würde sie den gesunden Michael wiederbekommen und endlich wieder eine echte Familie haben. Getrieben von Angst und Aberglaube und unterstützt durch die geheimnisvolle Kräuterfrau Nance ist sie bald bereit, alles zu versuchen – und Mary fällt es immer schwerer, sich gegen die beiden Frauen durchzusetzen.

Rezension:

Der Roman handelt in einem irischen Tal von November 1825 bis März 1826.
Nóra hat vor Kurzem erst den Tod ihrer Tochter Johanna verkraften müssen, als ihr Mann überraschend an einer Herzattacke stirbt. Sie ist nun allein mit ihrem Enkel Micheál, um den sich ihr Mann bislang überwiegend gekümmert hat, nachdem der Schwiegersohn nicht für das unterentwickelte Kind sorgen wollte.
Micheál ist vier Jahre alt, kann sich aber nicht artikulieren und seine Beine nicht bewegen. Nóra empfindet den "Krüppel" als Last, versteckt ihn, und heuert auf dem Markt die 14-jährige Magd Mary an, die sich um das Kind kümmern soll.

Mary macht sich Sorgen um das Kind und wie es von Nóra behandelt wird. So hatte sie mit Hilfe von Brennnesseln versucht seine Beine zum Gehen zu bewegen. Als sie dann glaubt, dass es sich um ein Wechselbalg handeln könnte, dass ihr vom Feenvolk im Austausch gegen ihren Enkel untergeschoben wurde, wendet sie sich an die Heilerin Nance Roche. Diese unterstützt Nóra in dem Glauben, dass es sich bei Micheál um ein Feenkind handelt und versucht die Fee zunächst mit verschiedenen auszutreiben, bis die Frauen zum Äußersten gehen und das Kind im eiskalten Fluss ertränken.

Nach "Das Seelenhaus" hat Hannah Kent wieder einen Roman geschrieben, der Anfang des 19. Jahrhunderts handelt und auf wahren historischen Ereignissen basiert. Es spielt in einer Zeit und an einem Ort, in welchem Aberglaube, Mythen und Traditionen eine große Rolle spielen, um sich manche Begebenheiten zu erklären.
Der Roman ist atmosphärisch geschrieben, so dass man sich als Leser in das kalte, von Armut geprägte irische Tal hineinversetzt fühlt. "Wo drei Flüsse sich kreuzen" ist wie ein Schauermärchen. Es ist schier unglaublich zu lesen, was Menschen aus Hilflosigkeit und Aberglauben einem kleinen Kind antun, um in einer Art Exorzismus das Böse aus ihm auszutreiben. Sehr eindringlich ist beschrieben, wie der arme, wehrlose Junge von seiner Großmutter und der vermeintlichen Heilerin gequält wird bis er letztlich stirbt und Nóra Leahy sowie Nance Roche des Mordes angeklagt werden.

Es ist eine beklemmende Geschichte über Traditionen und Mythen, an denen sich arme Menschen festhalten, um Erklärungen für die Dinge zu finden, die sie nicht kennen und für die sie sich schämen.
Der Roman ist besonnen, aber durchaus brutal erzählt und fesselt bis zum traurigen Ende. 



Mittwoch, 7. März 2018

Buchrezension: Kristin Hannah - Die Nachtigall


Inhalt:

Zwei Schwestern im besetzten Frankreich: Vianne, die Ältere, muss ihren Mann in den Krieg ziehen lassen und wird im Kampf um das Überleben ihrer kleinen Tochter vor furchtbare Entscheidungen gestellt. Die jüngere Isabelle schließt sich indes der Résistance an und sucht die Freiheit auf dem Pfad der Nachtigall, einem geheimen Fluchtweg über die Pyrenäen. Doch wie weit darf man gehen, um zu überleben? Und wie kann man die schützen, die man liebt?

Rezension:

Nachdem ihre Maman verstorben war, schickte der vom Ersten Weltkrieg gebrochene Vater Julien Rossignol seine beiden Töchter zu ihnen fremden Menschen ins drei Stunden von Paris entfernte Carriveau. Während die Ältere, Vianne, früh schwanger wird und Antoine Mauriac heiratet, fühlt sich die jüngere Isabelle allein und ungeliebt. Sie ist ein aufsässiger Teenager und wird verschiedenen Schulen und Internaten verwiesen.
Als der Krieg ausbricht, wird Antoine 1939 als Soldat einberufen und nun fühlt sich auch Vianne verloren. Sie klammert sich an ihre beste Freundin und Nachbarin Rachel, deren Mann ebenfalls eingezogen wurde.
1940 ist Frankreich von den Deutschen besetzt und Vianne muss einen Soldaten der Wehrmacht in ihrem Haus aufnehmen. Isabelle verliebt sich währenddessen in den Aufständischen Gaëton und schließt sich der Résistance an. Unter der Deckbezeichnung "Nachtigall" rettet sie abgestürzte alliierte Piloten aus England und Amerika über die Pyrenäen nach San Sébastian.
Die sonst so angepasste Vianne, die sich auch mit dem deutschen Wehrmachtssoldaten arrangieren konnte, spürt die Auswirkungen des Kriegs, sorgt sich um ihre Tochter, ihren in einem Arbeitslager in Deutschland befindlichen Mann und um ihr eigenes Überleben in einem zunehmend unsicheren Land. Als dann auch noch Rachel, eine Jüdin, von den Nationalsozialisten deportiert wird, kann sie erstmals die Beweggründe ihrer Schwester, zu der sie durch den großen Altersunterschied von zehn Jahren nie ein enges Verhältnis hatte, verstehen und ist bereit, selbst mehr Risiken einzugehen.

"Die Nachtigall" erzählt die Geschichte zweier unterschiedlicher Schwestern während des Zweiten Weltkrieges in Frankreich, welche divergierenden Einstellungen sie haben und wie diese ihre Handlungen beeinflussen. Vianne ist die häusliche der beiden, die nur in Frieden und Sicherheit mit ihrer Familie leben möchte. Isabelle ist die Rebellin, die den Ist-Zustand in Frankreich nicht akzeptieren kann und die schon mit gerade einmal 19 Jahren bereit ist, ihr Leben für ihre Überzeugungen zu riskieren.
Der Roman ist abwechselnd aus der Perspektive von Vianne bzw. Isabelle und sehr detailliert geschildert, so dass die Handlung - sei es in Bezug auf die Schilderung von Isabelles illegalen Aktivitäten unter ihre falschen Identität als Juliette Gervaise für die Widerstandsbewegung oder hinsichtlich des Zusammenlebens von Vianne mit dem Soldaten Wolfgang Beck - etwas pointierter hätten sein können.
Die Schicksale beider Frauen sind trotz der Längen packend und berührend. Beide sind auf ihre Art starke Persönlichkeiten und machen den Kriegsereignissen geschuldet eine deutliche Entwicklung durch.

„In der Liebe finden wir heraus, wer wir sein wollen; im Krieg finden wir heraus, wer wir sind.“

In dem Roman wird deutlich, wie wichtig die Rolle der Frau während der Abwesenheit der Männer im Kampfeinsatz oder Kriegsgefangenschaft wurde und wie diese über sich hinausgewachsen sind. Als Leser kann man die unerträgliche Situation unter den im Laufe der Kriegsjahre immer aggressiver werdenden Nationalsozialisten im besetzten Frankreich nachvollziehen, wie die Frauen und Kinder unter den Entbehrungen, Hunger, Kälte, Armut und verzweifelter Angst lebten.
Spannend bleibt es zu erfahren, ob Isabelle und Gaëton trotz ihrer Ideale ihre Leben für den Widerstand zu opfern, zueinander finden werden und ob Vianne ihren Mann wieder sehen wird.

Neben der Schilderungen im Zeitraum 1939 bis 1945 enthält das Buch einzelne sehr kurze Kapitel über eine ältere Frau im Jahr 1995 in Amerika. Auch wenn man erahnen kann, um wen es sich dabei handelt, hätte ich mir diesbezüglich eine ausführlichere Beschreibung gewünscht, zumal unklar bleibt, wann, weshalb sie nach Amerika gegangen ist und wie es ihrer Schwester nach dem Krieg ergangen ist. Dies hätte den ohnehin schon episch langen Roman abgerundet.



Montag, 5. März 2018

Buchrezension: Nikola Scott - Zeit der Schwalben


Inhalt:

Ein Sommer, der alles verändert.
Es ist ein goldener Sommer im England der späten 50er Jahre: Die 16-jährige Elizabeth ist begeistert von den jungen Leuten, die sie auf dem Anwesen der Freunde ihrer Eltern in Sussex kennenlernt. Sie erlebt unbeschwerte Tage mit Ausflügen, Picknicks und Partys. Und sie verliebt sich prompt...
London, 40 Jahre später. Nach dem Unfalltod ihrer Mutter erhält Adele Harington einen mysteriösen Anruf: Ein Mann spricht von "neuen Spuren" und nennt immer wieder ein Datum. Und dann steht plötzlich eine Fremde vor der Tür und behauptet, Teil der Familie zu sein.

Rezension:

Adele Haringtons Mutter Elizabeth ist gerade ein Jahr tot, als eine Frau erscheint, die behauptet, eine Tochter von Elizabeth zu sein. Phoebe ist wie Addie am 14. Februar 1960 geboren und unmittelbar nach ihrer Geburt adoptiert worden.
Adele hatte nie ein inniges Verhältnis zu ihrer verschlossenen Mutter, kann sich jedoch unmöglich vorstellen, dass diese ihre Zwillingsschwester weggeben haben könnte. Bevor sie ihren Vater fragen kann, erleidet dieser einen Herzinfarkt und wird ins Krankenhaus eingeliefert.
Phoebe lässt nicht locker und schließlich ist die Beweislast so erdrückend, dass Addie erkennen muss, tatsächlich 40 Jahre um ihre Seelenverwandte bracht worden zu sein und dass der Vater, bei dem sie aufgewachsen ist, nicht ihr leiblicher Vater ist. Addie und Phoebe machen sich gemeinsam auf den Weg nach Sussex, wo ihre Mutter die Jahre 1958 und 1959 als Jugendliche verbracht hat, nachdem ihre Mutter an Krebs verstorben war.

Der Roman handelt im Jahr 2000 mit der Spurensuche der beiden Zwillingsschwestern und wie sie ihre eigene Herkunft und die Geschichte ihrer Mutter durch Nachforschungen und die Tagebucheinträge von Elizabeth aufdecken.
In Rückblicken erfährt man, was sich Ende der 50er-Jahre ereignet hat und wie die Umstände von Elizabeths Schwangerschaft und der Geburt ihrer beiden Mädchen waren.

"Zeit der Schwalben" ist eine Familiengeschichte auf zwei Zeitebenen, wobei die Gegenwart den größeren Anteil hat. Erzählt wird die Geschichte von drei Frauen und ihren Beziehungen zu ihren Müttern bzw. Töchtern und eine Suche nach der eigenen Identität.
Durch Tagebucheinträge von Elizabeth erhält man einen guten Einblick in die Gefühlswelt der jungen Frau, die mit 17 Jahren von ihrem streng religiösen Vater weggeschickt wurde, als ihre Mutter im Sterben lag. Erschreckend ist zu lesen, wie mit jungen, ungewollt Schwangeren in den 50er-Jahren umgegangen wurde und was Elizabeth durchgemacht haben muss.
Aber auch Adeles innere Zerrissenheit, das Gefühl von ihrer Mutter nicht richtig angenommen worden zu sein, und die distanzierte Beziehung zu ihrer jüngeren Schwester Venetia ist sehr eindringlich und nachvollziehbar erzählt.
Der Roman mutet ein wenig melancholisch an und berührt, da man als Leser spürt, dass Adele ihr Leben lang unbewusst auf der Suche war. Erst am Ende, als alle Spuren zusammengeführt werden und Phoebe und Adele ihre Herkunft aufgeklärt haben, ist Addie auch für eine Beziehung zu ihrem langjährigen Freund Andrew offen und mutig genug, beruflich einen Neuanfang zu wagen. Neben der gefühlvollen Familiengeschichte und der Suche nach Wahrheit ist "Zeit der Schwalben" damit auch ein Selbstfindungsroman, der mich sowohl auf dem historischen Erzählstrang, der so traurig und brutal war, als auch auf der zeitgenössischen Ebene, auf der Addie zu ihren Wurzeln findet, berührt und bis zum Ende perfekt unterhalten hat.