Mittwoch, 30. Mai 2018

Buchrezension: Lena Wolf - Sommer mit Aussicht


Inhalt:

Endlich sitzt Luisa im Auto Richtung Frankreich. Nur dass sich Stefan hinters Steuer geklemmt hat, dämpft die Urlaubsfreude. Denn er ist Luisas Ex-Mann. Auch dass ihre Mutter Elisabeth mit im Wagen sitzt, macht die Sache nicht einfacher. Diese ahnt nämlich nichts davon, dass Luisas Ehe gescheitert ist. 

Elisabeth will ihrer Tochter Luisa, die eigentlich ihre Adoptivtochter ist, bei dem ersten Treffen mit der leiblichen Mutter beistehen. Nicht, dass die andere ihr den Rang abläuft - mit ihrer idyllischen Pension in der Provence!

Entsprechend angespannt ist die Stimmung im Auto. Erst recht als der Wagen liegen bleibt. Zum Glück bietet sich bald eine Mitfahrgelegenheit: ein attraktiver Franzose, der ziemlich ungehemmt mit Luisa flirtet.


Rezension: 

Luisa ist adoptiert und hatte im Alter von 18 Jahren versucht, ihre leibliche Mutter Regina kennenzulernen. Diese hatte den Kontakt damals abgelehnt. Inzwischen sind 16 Jahre vergangen, bis Luisa nun einen Brief von Regina erhalten hat, in welchem sie ihre Tochter in ihre kleine Pension nach Nid-sur-Mer in der Provence einlädt. 

Luisa unternimmt diese Reise mit ihrer Adoptivmutter Elisabeth und ihrem Ehemann Stefan. Luisa und Stefan leben seit einem halben Jahr getrennt, was sie Elisabeth bisher verschwiegen haben, weshalb der Aufenthalt in Frankreich nicht nur wegen der ersten Begegnung mit Regina emotional aufgeladen ist. Schon die Anreise ist aufgrund einer Autopanne und der Weiterreise mit dem attraktiven Franzosen Nicolas turbulenter als geplant. 

Luisa tut sich schwer damit, eine Beziehung zu Regina aufzubauen, die zwar einerseits herzlich ist, andererseits Luisa aber offensichtlich aus dem Weg geht und unnahbar bleibt. Sie möchte endlich Reginas Motive verstehen und etwas über ihre eigenen Wurzeln erfahren. Reginas Antworten sind allerdings enttäuschend einsilbig oder ausweichend. Regina scheint bestimmte Details verbergen zu wollen, was seltsam ist, da sie den Kontakt zu Luisa gesucht hat. Aber nicht nur Regina verhält sich nicht den Erwartungen entsprechend. Auch Stefan ist überraschend zugänglich und offen für einen Neuanfang mit Luisa. 

"Sommer mit Aussicht" ist eine Mischung aus Familienroman, einer Suche nach der eigenen Identität und die Versöhnung mit der Vergangenheit, aber auch ein Roman über die Liebe und die verwirrenden Gefühle mit ihr. 

Der Roman ist mit einer Leichtigkeit geschrieben, dass er die perfekte Sommerlektüre bildet. Die ernsthafte Auseinandersetzung mit der leiblichen Mutter und dem Gefühl des Ungeliebtseins und Verstoßenwerdens wird mit humorvollen Episoden vor allem bei den Begegnungen mit Nicolas aufgelockert. Aber auch das Setting in der Provence, die kleine, renovierungsbedürftige Pension, der Besuch der Märkte in der Umgebung, die Landschaft, geprägt von Weingütern und Lavendelfeldern, haben mich bildreich an den fiktiven Urlaubsort versetzt. 

Auch wenn die Handlung keinen überraschenden Verlauf vernimmt, wird man als Leser vor allem durch die zunächst geheimnisvolle Art von Regina und Luisas Flirt mit Nicolas unweigerlich zum Weiterlesen animiert. 



Montag, 28. Mai 2018

Buchrezension: Annika Scheffel - Hier ist es schön


Inhalt:

An einem Tag im August beschließt Irma, die Erde zu verlassen, ihren Eltern und Freunden für immer den Rücken zu kehren und eine Heldin zu werden. Gemeinsam mit dem rätselhaften Sam wird sie in einer spektakulären Fernsehshow dafür ausgewählt, einen neuen Planeten zu besiedeln. Doch dann entscheidet sich Sam plötzlich anders. Er, der abgeschirmt von der Welt und den Menschen aufwuchs, ergreift die Flucht. Er will endlich Antworten auf die Fragen nach seiner Herkunft, nach seiner Geschichte. Und so begeben sich Sam und Irma auf eine Reise – nicht ins All, sondern durch abgestorbene Wälder, lebensfeindliche Städte, entlang leerer Straßen. Sie entdecken eine kaputte Welt von surrealer Schönheit, verfolgt – oder doch gelenkt? – von Mächten, die Puppenspielern gleich im Hintergrund die Fäden ziehen.

Rezension:


Die 16-jährige Irma macht bei einem Casting für eine Fernsehshow mit, für die Pioniere gesucht werden, die einen neuen Planten besiedeln, um die Menschen vor dem Aussterben zu retten. Sie kann sich gegen die anderen Bewerber durchsetzen und wird letztlich zusammen mit Sam ausgewählt. Sie verlässt ihre Eltern und Freunde, während Sam nach den Angaben der Macher der Fernsehshow an einem Strand angespült wurde und keine Erinnerungen an seine Herkunft hat. Zehn Jahre werden sie auf ihre anstehende Reise in einer Arena vorbereitet und dabei von Kameras und den Menschen mit den Masken begleitet. 

Kurz vor dem Abschied verlässt Sam die Arena. Irma folgt ihm, um ihn zurückzuholen und die Mission zu retten. Sam nimmt "draußen" zum ersten Mal das Leben auf der Erde bewusst wahr und begibt sich auf die Suche nach seiner Herkunft, während Irma sich wundert, dass die Masken sie nicht zurückholen. 

Der Roman beginnt mit zahlreichen Briefen an Irma, die sie in den zehn Jahren ihrer Abwesenheit von Mutter, Vater, Oma, ihren Freunden, aber auch von Fans erhalten hat. Während die Fans sie feiern, wird Irma von ihrer Familie schmerzlich vermisst und bis zum Schluss versucht, sie von ihrer endgültigen Abkehr von der Welt aufzuhalten. Beiläufig erfährt man durch die Briefe, wie sich das Leben auf der Erde weiterentwickelt hat: Nahrung ist knapp, da das Klima offenbar kaum noch den Anbau von Pflanzen möglich macht. Die Menschen haben resigniert und gehen kaum noch Berufen nach. Mehr Details über den Zustand der Erde erfährt der Leser auch nicht. Es ist weder klar, wann der dystopische Roman spielt, noch aus welchem Grund und wie dringend die Menschen neuen Lebensraum brauchen. Darüber hinaus bleibt dem Leser verborgen, wie Irma und Sam zehn Jahre lang auf ihre Reise vorbereitet worden sind. Nach ihrem Weggang aus der Arena wirken sie allein auf der Erde unbeholfen. 

Der außergewöhnliche Beginn des Romans hat mir gut gefallen. Die Briefe und Irmas Abschied von der Welt waren sehr emotional und eindringlich beschrieben. Anschießend entwickelte sich der Roman jedoch ganz anders als erwartet und wie man es von typischen Dystopien kennt. Statt einer Vorbereitung von Pionieren zur Besiedelung eines neuen Planeten geht es vielmehr um das Miteinander der Menschen und um einen bizarren Roadtrip zweier junger Menschen, die trotz ihres Alters wie Teenager wirken, zu einer Insel. Die Geschichte wirft dabei mehr Fragen als Antworten auf.

Als Leserin blieb ich am Ende etwas ratlos zurück, da ich mir mehr Science Fiction und eine konkretere Beschreibung der Zukunft auf der Erde erwartet hatte. So stellt sich mir die Frage: War am Ende alles nur Show? Ein großangelegter Fake einer Realityshow, um zu unterhalten oder die Menschen wachzurütteln? 
Zusammen mit dem Titel kann der Roman dann so interpretiert werden, sich den Zustand der Erde bewusst zu machen und die Menschen davor zu warnen, weiter Raubbau mit ihr zu betreiben. Nur dann kann man noch weiter behaupten, "Hier ist es schön". 

Auch wenn der Roman einen etwas unerwarteten Verlauf genommen hat, wollte ich unbedingt weiterlesen, um Erklärungen zu finden oder eine Aufklärung zu erhalten. Bis zum Ende war ich mir aber über den Zustand der Erde überhaupt nicht sicher, konnte nicht einordnen, ob es wirklich an der Zeit ist, neuen Lebensraum zu besiedeln und wie der Öffentlichkeit verkauft wurde, dass das mit nur zwei Menschen möglich sein könnte. Diese beiden waren zudem sehr unnahbar und stellten nicht wie bei Weltuntergangsszenarien üblich typische Helden dar. 
Bei der Botschaft des Romans bleibt viel Platz für Interpretationen, aber zumindest die vermittelte Gesellschaftskritik ist offensichtlich. 



Samstag, 26. Mai 2018

Buchrezension: Cecilia Lyra - Schwestern für einen Sommer


Inhalt: 

Könntest du deiner Schwester den schlimmsten Verrat verzeihen?

Die Sommer im Strandhaus ihrer Großmutter: Das war für die Halbschwestern Cassie und Julie die schönste Zeit ihres Lebens. Sie waren sich so nah. So, wie es nur beste Freundinnen, Komplizinnen, Vertraute sein können. Aber nach einer schrecklichen Tragödie vor fast fünfzehn Jahren gibt es nur noch Schweigen und Schmerz zwischen ihnen. Jetzt ist es der letzte Wunsch ihrer Großmutter, der sie zwingt, noch einmal einen gemeinsamen Sommer im Haus in den Hamptons zu verbringen. Werden sie sich den Familiengeheimnissen stellen, oder riskieren sie, einander für immer zu verlieren?


Rezension: 

Als ihre "Nana" stirbt, treffen die beiden Halbschwestern Cassie und Julie erstmals nach 15 Jahren bei der Testamentseröffnung aufeinander. Ihre gemeinsame Großmutter hat ihnen ihr Häuschen in Montauk vererbt, unter der Bedingung, dass die beiden einen Monat dieses Sommers - so wie früher als Kinder - gemeinsam verbringen und sich wieder annähern. 
Nach dem Tod von Cassies Mutter war das enge Band der beiden zerrissen, so dass die beiden Teenager, die sich mit neun Jahren kennenlernten und seitdem jeden Sommer gemeinsam bei ihrer Großmutter auf Long Island verbrachten, keinen Kontakt mehr miteinander hatten. 

Cassie hat einen unheimlichen Groll auf Julie, beneidet sie um ihr Aussehen und ihr scheinbar unbeschwertes Leben an der Seite eines reichen Ehemannes, während sie selbst  seit 18 Monaten "nur" die Lebensgefährtin eines verheirateten Mannes ist. Julie ist verschüchtert, verbirgt ein schreckliches Geheimnis vor ihrer Schwester und macht sich deshalb Vorwürfe. Als sie den Fehler begangen hat, war sie allerdings noch jung und hatte all die Jahre darunter gelitten, dass ihr Vater mit einer anderen Frau als ihrer Mutter verheiratet war und seine Familie "auf der anderen Seite", der er emotional nicht so nah stand, nie verlassen hat. 

Der Roman ist abwechselnd aus der Sicht von Cassie bzw. Julie geschrieben, so dass man schon in den ersten Kapiteln merkt, wie grundsätzlich unterschiedlich die beiden Halbschwestern sind. Cassie ist auf den ersten Eindruck die toughere von beiden, hat als Psychotherapeutin sogar ihre eigene Fernsehsendung, möchte sich nicht von einem Mann abhängig machen und steht mit beiden Beinen fest im Leben. Julie dagegen ist die verträumtere, romantische Schwester, die aufgrund ihres bezaubernden Aussehens, Jungen und Männer schon immer magisch anzog, und seit sie ein Teenager war unbedingt heiraten wollte. Noch auf dem College hat sie den etwas älteren Patrick geheiratet, der ihr materiell allen Luxus bietet, jedoch gefühlskalt ist und ihren Herzenswunsch nach gemeinsamen Kindern verwehrt. 

Das Buch ist emotional geschrieben, was aber auch gut zu den beiden Schwestern passte, die beide auf ihre Art eine schwierige Kindheit hatten, was insbesondere ihrem egoistischen Vater geschuldet war, der sich nie festlegen wollte, aber auch ihren schwachen Müttern, die sich so abhängig von einem Mann machten. Ihre Familienkonstellationen haben die Mädchen geprägt. Während Cassie sich nie binden wollte, hat Julie stets nach Geborgenheit gesucht. Als Halbschwestern freunden sie sich in den Sommern bei ihrer Großmutter trotz der unglücklichen Umstände an, bis es zu dem Zerwürfnis kommt. Erst durch die Initiative der Großmutter nähern sich die beiden langsam wieder an. Bis dahin ist das Aufeinandertreffen in Montauk zunächst distanziert und bald von Streitigkeiten geprägt. Erst als noch weitere Probleme auf die beiden einprasseln, die vor allem ihren nicht ganz glücklichen Beziehungen geschuldet ist, und sie sich gegenseitig unterstützen, merken sie wieder was sie aneinander haben. 

"Schwestern für einen Sommer" ist eine gelungene Mischung aus Beziehungsdrama, Familientragödie und Liebesgeschichte, die im Mittelteil etwas langatmig geschrieben ist und von Wiederholungen geprägt ist, da beide Perspektiven zu den selben Ereignissen geschildert werden. Die Annäherung und zu erwartende Versöhnung der Schwestern hätte nicht so in die Länge gezogen werden müssen. Am Ende kommen alle Konflikte aufs Tapet, was dem Roman zu neuem Schwung verholfen hat. 
Auch wenn der 600-Seiten-Roman etwas straffer hätte gefasst sein können, hat er mir vor allem aufgrund des einnehmenden Erzählstils der Autorin gut gefallen, die bei der lebhaften Beschreibung der unterschiedlichen Charaktereigenschaften der Schwestern große Erzählkunst bewiesen hat. 


Freitag, 25. Mai 2018

Buchrezension: Petra Hülsmann - Wenn's einfach wär, würd's jeder machen


Inhalt:

Damit hatte die beliebte Musiklehrerin Annika nicht gerechnet: Aus heiterem Himmel wird sie von ihrer Traumschule im Hamburger Elbvorort an eine Albtraumschule im absoluten Problembezirk versetzt. Nicht nur, dass die Schüler dort mehr an YouTube als an Hausaufgaben interessiert sind - die Musical-AG, die Annika gründet, stellt sich auch noch als völlig talentfrei heraus. Aber wenn's einfach wär, würd's schließlich jeder machen. Annika gibt nicht auf und wendet sich hilfesuchend an Tristan, ihre erste große Liebe und inzwischen Regisseur. Von nun an spielt sich das Theater jedoch mehr vor als auf der Bühne ab, und das Chaos geht erst richtig los.


Rezension: 

Annika ist Lehrerin für Musik und Geografie an einem Gymnasium in Hamburg. Ausgerechnet an ihrem 27. Geburtstag erfährt sie, dass sie an die Astrid-Lindgren-Schule in Ellerbrook, eine berüchtigte Stadtteilschule in einem Problembezirk Hamburgs versetzt wird, um dort das unterbesetzte Kollegium zu unterstützen. 
Annika kann sich nichts Schlimmeres vorstellen, bemitleidet sich selbst und möchte alles dafür tun, möglichst schnell wieder an ihre alte Schule versetzt zu werden, um ihr bequemes Leben weiterzuleben. Zusammen mit Freunden entwickelt sie die Idee, dass sie sich für ihr Gymnasium, an dem sie neben dem Unterricht keine AGs geleitet hatte, attraktiver machen muss. Sie gründet eine Musical-AG und möchte mit ihren Schülern ein Stück aufführen, das den ersten Platz bei einem Hamburger Schulwettbewerb gewinnen soll. 
Ihr ist bewusst, dass sie es alleine mit den mehr oder minder talentierten Schülern, die sich bisher darauf ausgeruht hatten, aufgrund ihrer sozialen Herkunft perspektiven- und chancenlos zu sein, nicht schaffen wird. Annika sieht sich gezwungen, ihren Jugendschwarm Tristan anzuheuern, der Theaterregisseur ist, für den sie immer noch Gefühle hat, obwohl die beiden nie ein Paar waren. Ihr Gefühlschaos ist perfekt, als auch noch ein Kribbeln für ihren Nachbarn Sebastian verspürt, mit dem sie bisher locker befreundet war. 

"Wenn's einfach wär, würd's jeder machen" ist der inzwischen vierte Roman, den ich von Petra Hülsmann gelesen habe. Rein optisch und aufgrund des Titels reiht er sich nahtlos in die Vorgängerromane ein und handelt auch inhaltlich wieder von einer jungen Hamburgerin, die eine (unfreiwillige) Veränderung in ihrem Berufsleben durchmacht und deren Liebesleben urplötzlich durcheinander gewirbelt wird. 
Die Liebeskomödie liest sich gewohnt leichtherzig und amüsant, auch wenn Themen wie Mobbing, Migration, Vorurteile und Armut angesprochen werden. Leider hält der Roman auch wenig Überraschungen bereit und ist von Anbeginn vorhersehbar. Dies ist grundsätzlich nicht unbedingt kritisch, wenn die Geschichte interessant und abwechslungsreich erzählt wird. In Bezug auf Annikas Lehrtätigkeit wird allerdings hauptsächlich auf Klischees zurückgegriffen, die munter aneinandergereiht werden. Diese wirken mit der Ghetto-Sprache der Schüler und deren zum Teil übertrieben dargestellter Einfältigkeit zu gewollt komisch und lassen diese eher lächerlich als tatsächlich problembehaftet dastehen. Schwierigkeiten aufgrund der sozialen Herkunft werden viel zu einfach aus dem Weg geräumt.  
Schlimmer fand ich allerdings Annikas Unbeholfenheit in Liebesdingen. Mit ihrer Blindheit verrennt sie sich in einem Gefühlswirrwarr und verhält sich so, als wäre sie im Alter ihrer Schüler. Manche Szene war so kitschig oder albern und vor allem so ideenarm, dass mir die Banalität der Handlung beinahe auf die Nerven ging. Dabei hätte ein Einzelschicksal eines Schülers oder auch die Vergangenheit von Annika selbst für eine tiefer gehende Geschichte herangezogen werden können. So wurden viele Probleme kurz angerissen, aber keines wirklich eingehender behandelt. 

"Wenn's einfach wär, würd's jeder machen" enthält den Charme von Petra Hülsmann, aber mangelte mir an Kreativität und Raffinesse und ist deshalb nur für echte Fans der Autorin oder Freunden humoriger Liebesgeschichten mit einigem Hin und Her bis zum Happy End empfehlenswert. 


Mittwoch, 23. Mai 2018

Buchrezension: Adelia Saunders - Die Worte, die das Leben schreibt


Inhalt: 

Magdalena hat eine eigentümliche Gabe. Die junge Frau kann die Geschichten fremder Menschen auf deren Haut lesen: Wie bei einem Tattoo, das nur sie sehen kann, erscheinen ihr Namen, Ereignisse, banale und tragische Details – Botschaften, die das Leben selbst mit Geheimtinte notiert zu haben scheint. Als sie in Paris einem amerikanischen Studenten begegnet, erkennt sie ihren eigenen Namen auf dessen Wange. Aber welche Rolle sollte sie im Schicksal von Neil spielen? Oder in dem von dessen Vater? Eine rätselhafte Geschichte verbindet das Leben dieser drei Menschen – und die Liebe. Denn Neil ist von der jungen Frau mit den hellen Augen ganz hingerissen.

Rezension:

Magdalena hat ihre Heimat Litauen verlassen, um vor ihrer Gabe zu fliehen: Sie kann auf der Haut der Menschen Botschaften lesen, die ihr etwas über deren Schicksal verraten. Für Magdalena ist die Gabe ein Fluch. Sie möchte nicht in die Zukunft von Fremden blicken und zieht nach London, in der Hoffnung, dass sie in der fremden Sprache die Schrift nicht lesen kann. 
Sie trifft den Studenten Neil, in dessen Gesicht ihr Name geschrieben steht. Neil ist im Mai/ Juni immer noch damit beschäftigt, ein Weihnachtsgeschenk für seinen Vater zu übergeben. 
Sein Vater ist Richard, ein zwangspensionierter Lehrer, der, nachdem erneut eine Biographie über seine bereits 1954 verstorbene Mutter erschienen ist, auf der Suche nach der Wahrheit um seine Mutter ist. Er kann nicht daran glauben, dass seine Mutter ihn verlassen hat, ohne ihn als Kind noch einmal zu treffen. Er erinnert sich noch an ihre roten Schuhe und macht sich auf die Suche nach ihnen und der Lebensgeschichte seiner unglücklich verstorbenen Mutter. 

Zu Beginn werden die Geschichten von Magdalena, Neil und Richard parallel erzählt, bis sie sich begegnen bzw. die selben Orte aufsuchen. Man begleitet sie auf ihrer Reise nach London, Paris, Vilnius und auf dem Jakobsweg bis nach Spanien. 

Der Roman ist nicht einfach zu lesen, da die Autorin mit zahlreichen Metaphern arbeitet und nicht nur zwischen den Perspektiven der Protagonisten, sondern auch in den Zeiten springt. Ich habe lange gebraucht, um mich daran zu gewöhnen und konnte den Roman erst im letzten Drittel wirklich unangestrengt lesen, als sich die Handlungsstränge zusammengezogen hatten und die Charaktere nahbarer wurden. Bis dahin verwirrten mich die Gedankengänge und die diffusen Handlungen der Protagonisten mehr und phasenweise war ich auch vom ausschweifenden Erzählstil der Autorin gelangweilt. Auch wenn sich viele Fragen im Verlauf des Romans klärten, blieb mir insbesondere die Verbindung zwischen Magdalena und Neil sowie ihre mystische Begabung rätselhaft. Einen befriedigenden Abschluss gab es für mich nur in Bezug auf Richards Suche, auch wenn hinsichtlich seiner Mutter Raum für Spekulationen blieb. 


Montag, 21. Mai 2018

Buchrezension: Julie Lawson Timmer - Ein halbes Jahr zum Glück


Inhalt:

Die frisch geschiedene Markie Bryant zieht mit ihrem Sohn Jesse in einen heruntergekommenen Vorort. Hier will sie sich vor der Welt verkriechen, aber sie hat die Rechnung ohne ihre neue Nachbarin gemacht: Die resolute Mrs Saint erklärt es zu ihrer Mission, Markie aus ihrem Schneckenhaus zu holen.

Diese wehrt sich mit Händen und Füßen gegen Mrs Saints Einmischungen. Doch schließlich muss sie zugeben, dass die Maßnahmen ihrer Nachbarin tatsächlich helfen. Und dann kommt der Tag, an dem Mrs Saint auf einmal Markies Hilfe braucht.


Rezension:

Als Markie sich von ihrem unzuverlässigen Ehemann Kyle trennt, zieht sie mit ihrem 14-jährigen Sohn Jesse in ein Bungalow in eine nicht ganz so exklusive Gegend, als die, die sie bisher - auch durch die finanzielle Unterstützung ihrer gut situierten Eltern - gewohnt war. Schon beim Einzug werden die beiden von 85-jährigen Nachbarin Mrs Saint in Beschlag genommen, die sich in den Vordergrund drängt und großzügig die Hilfe ihrer Hausangestellten anbietet, sich damit jedoch auch hemmungslos in Markies Angelegenheiten einmischt. 

Markie hatte eigentlich geplant, sich in dem Bungalow zurückzuziehen, einen Heimarbeitsplatz anzunehmen und möglichst wenig mit anderen Menschen zutun zu haben. Auch das Verhältnis zu ihrem Sohn ist sehr unterkühlt. Er gibt ihr die schuld an der Trennung von seinem Vater und zieht sich seinerseits in sein Zimmer im Keller zurück, wo er sogar seine Mahlzeiten einnimmt und die Zeit mit Videospielen verbringt. Erst als Jesse auf die schiefe Bahn zu geraten droht, nimmt Markie zunächst widerwillig Mrs Saints Hilfe an, ist jedoch weiterhin genervt von deren Bevormundung , ihren neugierigen Fragen und ihrem geheimniskrämerischen Verhalten. 

Nach und nach nähern sich die ungleichen Nachbarn an und können auch die Geheimnisse um Mrs Saint und ihre Angestellten gelüftet werden, die Mrs Saint zu Markies Entsetzen als "Mängelexemplare" bezeichnet. 

Ein halbes Jahr wollte sich Markie in den angemieteten Bungalow zurückziehen, ihre Wunden lecken und möglichst wenig soziale Kontakte pflegen. Sie hat allerdings nicht mit ihrer resoluten Nachbarin gerechnet, die sich penetrant in Markies Leben drängt und sich hemmungslos in ihren Alltag und die Erziehung ihres Sohnes einmischt. 
Mrs Saint wird ihrem Namen gerecht und tritt als Wohltäterin in Erscheinung, die Menschen in ihrem Haushalt engagiert, die allein hilflos erscheinen, und die Aufgaben von Mrs Saint für alle ersichtlich nur unzufriedenstellend erledigen können. 

Die Motive von Mrs Saint sind über weite Strecken des Romans völlig unklar, weshalb die ältere Dame regelrecht als Nervensäge erscheint. Man kann Markie durchaus verstehen, dass dies dein Impuls in ihr auslöst, sich noch weiter zurückzuziehen. Für ihren Umgang mit ihrem Sohn Jesse, dem sie alle Freiheiten lässt, sie aber kaum ein Wort miteinander wechseln, konnte ich allerdings kein Verständnis  aufbringen. 
Und auch Jesse verhielt sich nicht so, wie man es von einem Teenager erwarten könnte. Einerseits zieht er sich zurück und sitzt am liebsten mit Pizza allein vor dem Fernseher, andererseits ist er sehr offen gegenüber älteren Menschen, hört sich interessiert deren Geschichten über den Zweiten Weltkrieg an, nimmt seiner Mutter die unliebsamen Telefonate mit ihren Eltern ab, engagiert sich hochmotiviert in seinen Nebenjobs und kümmert sich dabei rührend um das neunjährige Mädchen Lola, die Tochter einer der Angestellten von Mrs Saint. Sein Verhalten und auch das von Mrs Saint fand ich zu überzogen dargestellt, der Roman liest sich damit etwas märchenhaft. 

Anders als erwartet nutzt Markie den Umzug in ihr neues Heim nicht für einen Neuanfang als Single und dafür, ihr Verhältnis zu ihrem Sohn zu verbessern, sondern bemitleidet sich in erster Linie selbst für ihr Schicksal. Diesbezüglich findet während des gesamten Romans keine Entwicklung ihrer Person statt. Als Leser fragt man sich deshalb verstärkt, was es mit Mrs Saint und ihren "Mängelexemplaren" auf sich hat und wird dabei lange im Unklaren gelassen, bis sich am Schluss die Geheimnisse lüften. 
Neuanfang, Nachbarschaftshilfe, Toleranz gegenüber benachteiligten Menschen - irgendwie wusste ich nie so genau, worin die Intension des Romans liegen sollte.

Der dramatische Schluss, in Zuge dessen die Vergangenheit von Mrs Saint erläutert wird und man eine Ahnung davon bekommt, warum sie sich einerseits so fürsorglich, andererseits aber auch so gebieterisch verhält, war für mich sehr überraschend, da er überhaupt keinen Bezug zum Rest des Romans hatte. Das letzte Viertel von "Ein halbes Jahr zum Glück" hätte eine ganz eigene Geschichte um Angeline Saint ergeben können. Ich fand Mrs Saints Hintergrund durchaus interessant, so ans Ende gesetzt war ihre Familiengeschichte jedoch deplatziert und für mich als Erklärung für den Umgang mit ihren "Mängelexemplaren" und für den Bruch mit ihrer Familie nicht ausreichend, um ihr überzogenes Verhalten zu rechtfertigen. 
Das Ende wirkte so konstruiert, dass ich den Eindruck hatte, dass die Autorin selbst den roten Faden ihres Romans verloren hatte. 


Samstag, 19. Mai 2018

Buchrezension: Jamie Brenner - Der Sommer der Dünenrosen

Inhalt: 

Bei Marin Bishop läuft gerade alles schief: Ihre Verlobung platzt, ihre Eltern lassen sich scheiden, und sie verliert ihren Job in einer angesehenen Anwaltskanzlei. Als plötzlich ihre Halbschwester Rachel auftaucht, von deren Existenz Marin nichts ahnte, machen sich die beiden mit Marins Mutter im Schlepptau auf den Weg nach Cape Cod, wo noch mehr Überraschungen auf sie warten. Im Laufe eines turbulenten Sommers kommen lange gehütete Familiengeheimnisse ans Licht und führen drei Generationen von Frauen zusammen, bis am Ende alle ihr wahres Zuhause finden.

Rezension:

Marin Bishop wird ihre Anstellung in einer renommierten Anwaltskanzlei in New York gekündigt, nachdem ihre Beziehung zu einem ihrer Vorgesetzten aufgedeckt wurde. Kurz zuvor hatte sie die Verlobung von ihrem langjährigen Freund gelöst und von ihren Eltern erfahren, dass diese sich aufgrund einer Affäre ihres Vaters scheiden lassen. Als sich dann auch noch Unstimmigkeiten aufgrund eines DNA-Tests im Hinblick auf ihre Abstammung ergeben und sie von einer jungen Frau aus Kalifornien kontaktiert wird, die behauptet, ihre Halbschwester zu sein, scheint Marins gesamtes Leben in Trümmern zu liegen. Die Halbschwester Rachel, die selbst erst herausgefunden hatte, wer ihr Vater ist und dessen Familie sie besuchen möchte, um mehr über ihre Herkunft zu erfahren, überredet Marin mit ihr nach Cape Cod zu fahren, um die gemeinsame Großmutter Amelia, die dort eine Pension betreibt, zu besuchen. Kurzerhand fährt auch Marins Mutter mit, von der Marin schwer enttäuscht ist, da sie ihr Leben lang von ihr belogen wurde und sie sich auch weiterhin hinsichtlich der Vaterschaft in Schweigen hüllt. 

Während Rachel neugierig auf ihre "neue" Familie ist und sich in Cape Cod sehr aufgeschlossen zeigt, zieht sich Marin sehr zurück und trauert vor allem ihrer Affäre Julian hinterher, der selbst seinen Job verloren hat und Abstand von ihr wollte. Sie ist genervt von ihrer Mutter, versucht aber auch nicht, ihre Großmutter kennenzulernen. Rachel sucht zwar den Kontakt zu Amelia und guckt sich Fotos von ihrem verstorbenen Vater an, aber mir fehlte dennoch ein Gefühl dafür, dass die beiden Halbschwester tatsächlich vor Ort sind, um mehr über ihre Herkunft zu erfahren, was der Grund ihrer Reise war. Stattdessen kommen so viele weitere Probleme vor allem auf Marin, aber auch auf Amelia und Kelly, die zusammen mit ihr die Pension betreibt, zu, so dass der Roman viel zu überladen wird. 
Das Eheaus von Marins Eltern und auch die Suche nach ihrer eigenen Identität gerät völlig in den Hintergrund, stattdessen kommen andere Konflikte und Schwierigkeiten wie die Eifersucht zwischen den Schwestern, Neid, Missgunst und Erbstreitigkeiten sowie eine ungewollte Schwangerschaft und eine Krebserkrankung zutage. 

Ich hätte mir gewünscht, wenn die Autorin sich auf einige wenige Themen fokussiert hätte und diese vertieft hätte, statt so viele Probleme und Schicksalsschläge in eine Familie und einen Roman zu packen. 

Zudem wechseln die Perspektiven so übergangslos innerhalb der Kapitel, dass mich der Roman immer wieder kurzzeitig verwirrte, insbesondere dann, wenn auch noch Rückblenden in die Vergangenheit erfolgten. Dass letztlich die ganze zusammengewürfelte Familie den Sommer in Provincetown verbrachte und ihren eigentlichen Leben den Rücken kehrten, ohne dass sich die Beteiligten aktiv bemühten, sich tatsächlich kennenzulernen, in dem sie über Vergangenes sprachen, empfand ich nicht wirklich realistisch. Mir blieben am Ende einfach zu viele Fragen offen und Konflikte ungelöst. 



Freitag, 18. Mai 2018

Buchrezension: Matthias Sachau - Alicia verschwindet


Inhalt: 

Alicia und Robert sind beste Freunde. Eines Tages jedoch ist Alicia plötzlich verschwunden, ohne ein Wort der Erklärung. Die einzigen Hinweise, die sie hinterlassen hat, sind drei Fotos und ihr Lieblingsbuch »Sturmhöhe«.

Roberts Nachforschungen in London verlaufen im Nichts. So begibt er sich auf eine abenteuerlichen Reise, die ihn nicht nur quer durch England führt, sondern auch zurück in seine eigene Vergangenheit ... Die Suche nach der Freundin wird immer mehr zur Suche nach sich selbst. Erst wenn er sich seinen wahren Gefühlen stellt, kann er Alicia finden. Und ihre Liebe.


Rezension: 

Alicia und Robert sind seit zehn Jahren Freunde. Als Robert kurz vor der Verlobung mit seiner Freundin Rovena steht, ist Alicia plötzlich verschwunden. In ihrer Wohnung hinterlässt sie offenbar absichtlich ihren Lieblingsroman "Sturmhöhe" von Emily Bronte. Robert begibt sich daraufhin in Sorge auf die Suche nach ihr und erhält von Personen, die er nach Alicia fragt, weitere Hinweise in Form von drei Fotos. Die Suche Roberts wird zu einer Art Schnitzeljagd, die ihn durch England führt. 

Der Roman ist ungewöhnlich aufgebaut, indem Robert seine Suche nach Alicia, die ihm so viele Rätsel aufgibt, an einem Abend einem "Doktor" erzählt, aus dessen Ich-Perspektive der Roman verfasst ist. Robert gehört der englischen Upperclass an, was sich auch in seiner Sprache niederschlägt. Anfangs fand ich den Schreibstil in Form einer Nacherzählung der Ereignisse befremdlich. Er wurde für mich erst aufschlussreich, als auch Alicia ihre Sicht der Geschichte dem "Doktor" erzählte. 

"Alicia verschwindet" ist ein kurzer, schnell zu lesender Roman über die Liebe und welche Tricks von Nöten sein können, um dem Schicksal bzw. Liebesglück etwas auf die Sprünge zu helfen. Robert begibt sich nicht nur auf eine spielerisch von Alicia initiierte Suche nach seiner Freundin, deren Verschwinden er sich nicht erklären kann, sondern gelangt auch durch die Gespräche mit "Doktor" zu für ihn überraschenden Erkenntnissen über sich selbst und seine Beziehungen. 

Der Roman ist originell, jedoch für Leser, die sich nicht unbedingt mit klassischer englischer Literatur auskennen und Romane von Edgar Allan Poe und insbesondere Emily Brontes "Sturmhöhe" nicht gelesen haben, zumindest im ersten Teil der Geschichte zu undurchsichtig. Die Anspielungen und Parallelen zu "Sturmhöhe" konnte ich so nicht erkennen, weshalb mir sicher viele Pointen und Doppeldeutigkeiten entgangen sind. Der raffinierte Kern des Romans blieb mir damit verborgen und "Alicia verschwindet" nur einer von vielen Romanen über eine Freundschaft aus der Liebe wird. Wer insofern die Symbolik zwischen den Zeilen begreifen möchte, sollte "Sturmhöhe" gelesen haben. 
Weder im ersten Teil, der von Robert erzählt wird, noch im zweiten Teil, der von Alicia erzählt wird, erhält man Einblick in deren Gefühlswelt. Ich konnte ihr Suchen und Finden der Liebe deshalb nicht nachvollziehen, der Roman erreichte mich emotional nicht. 





Mittwoch, 16. Mai 2018

Buchrezension: Ruth Jones - Alles Begehren


Inhalt: 

Jeder kennt diesen einen Moment, der die Weichen neu stellt und alles verändert. Und wenn man das Leben zurückspulen könnte wie eine VHS-Kassette, dann würde man auf diesen Moment spulen – um sich anders zu entscheiden. 
1985: Callum ist ein glücklich verheirateter Familienvater. Die Studentin Kate ist bildschön und gewohnt, sich das zu nehmen, was sie braucht. Sie begegnen sich - und begehren einander mit solch einer Macht, dass es ihrer beider Leben beinahe zerstört. Aber nur beinahe.
Siebzehn Jahre später treffen sie sich wieder. Das Leben hat auf den Moment der Entscheidung zurückgespult. Sie können noch einmal wählen. Doch das Leben verfolgt einen eigenen Plan.


Rezension:

Callum ist verheiratet, Vater von zwei Söhnen und seine Frau Belinda ist mit dem dritten Kind schwanger. Da lernt er im Pub seines Bruders, in der er gelegentlich aushilft, sie Studentin Kate kennen, mit der er eine leidenschaftliche Affäre beginnt. Die Beziehung ist vor allem körperlich und trotz Gewissensbissen gegenüber seiner Ehefrau, um die er von anderen Männern beneidet wird, schafft er es nicht, von der 18 Jahre jüngeren Kate loszukommen, die ihn anhimmelt. Dann platzt die Affäre auf und die beiden gehen getrennte Wege. 
17 Jahre später treffen sie wieder aufeinander und auch wenn Kate inzwischen verheiratet ist, Mutter einer fünfjährigen Tochter und erfolgreiche Schauspielerin ist, der es an nichts zu fehlen scheint, katapultiert sie die Begegnung in der Vergangenheit zurück. Kate hat das Trauma, dass sich Callum 1985 nicht für sie entschieden hat, nie überwunden und entwickelt wieder eine Obsession für ihn. 

"Alles Begehren" erzählt die Geschichte von fünf Personen, die im Jahr 2002 so heftig aufeinander treffen, dass die Leben von zwei Familien auseinanderzubrechen drohen. Es geht um die Affäre des seriös und vernünftig wirkenden Lehrers Callum mit der impulsiven Schauspielerin Kate, die nach 17 Jahren ohne Kontakt wieder auflebt, aber auch um die Ehen der beiden und das Familienleben, das sie bisher - im Falle von Callum glücklich - geführt haben. Er erliegt den Verführungskünsten von Kate und kann seine Triebe nicht unterdrücken. Kopflos stürzt er sich erneut in die Affäre und verdrängt, was er Belinda 1985 geschworen hat. Matt, der Ehemann von Kate, entlarvt Kates Ausreden schon bald als Lügen, macht sich zunächst mehr Sorgen aufgrund ihrer Drogenvergangenheit und kommt nicht so bald darauf, was hinter ihren heimlichen Treffen steckt. Treu an seiner Seite ist seine langjährige beste Freundin Hetty, die selbst kein Glück in Beziehungen hat, da sie seit der Schulzeit einem Adam verfallen ist. 

Der Roman ist wechselnd aus der Perspektive aller Beteiligten geschrieben, wobei die Übergänge so fließend sind, dass man nie innehalten muss, um zu überlegen, wo und mit wem es weitergeht. Auch die Rückblenden in die Vergangenheit stören den Lesefluss nicht. Die Charaktere wirken authentisch, haben Ecken und Kanten. Es gibt kein Schwarz-Weiß, keine ausschließlich bösen Ehebrecher oder arme Opfer. Jeder hat seine eigenen Fehler und Sehnsüchte, Stärken und Schwächen und auch wenn man als Leser das Verhalten von insbesondere Kate, aber auch von Callum, nicht unbedingt versteht oder gar gutheißen kann, ist es nachvollziehbar und mit all der Komplexität der Charaktere tiefgründig geschildert. 
Mich hat das Debüt von Ruth Jones über Liebe, Leidenschaft und Betrug emotional mitgenommen und konnte mich bis zum Ende, das durch einen Blick in die Zukunft ins Jahr 2017 nichts offen lässt, fesseln. 



Montag, 14. Mai 2018

Buchrezension: Paul Reizin - Wahrscheinlich ist es Liebe


Inhalt:


Jen ist traurig. Aiden möchte, dass sie wieder glücklich ist. Klingt nett, aber nicht gerade spektakulär? Dann sollte man hinzufügen, dass Jen eine Frau Mitte dreißig ist, die gerade sitzen gelassen wurde, und Aiden ein hoch entwickeltes Computerprogramm, das gerade von Jen trainiert wird. Nach Aidens Berechnungen fehlt Jen zur Erreichung des optimalen Wohlbefindens einfach nur der richtige Mann. Und da Aiden via Internet Zugang zum Weltmännerpool hat, kann es doch nicht so schwer sein, ein passendes Exemplar mit Jen zusammenzubringen. Wenn sich die menschlichen Probanden bloß nicht so ungeschickt anstellen würden!

Rezension:

Jen ist Mitte 30, Journalistin, und lebt in London. Sie beteiligt sich derzeit an einem Projekt zum Thema "Künstliche Intelligenz" (KI), wobei es ihre Aufgabe ist, sich mit einem Computer zu unterhalten, um diesen für seine zukünftige Tätigkeit als Agent in einem Callcenter für menschliche Kommunikation zu schulen. 
Aiden ist für sie mehr als nur eine Maschine. Sie vermenschlicht ihn und er wird ein enger Freund für sie. Aber auch die KI fängt plötzlich an, eigenständig zu denken und entwickelt Gefühle. Als Jen von ihrem Freund Matt verlassen wird, kann Aiden die traurige Jen nicht länger ertragen und versucht, über das Internet einen passenden Partner zu finden. Dies stellt sich nicht so einfach wie gedacht heraus, bis er auf Tom stößt, der in Connecticut wohnt. Durch eine "E-Mail von einem gemeinsamen Freund" bringt er die beiden dazu, sich zu treffen. Bis dahin hat aber auch inzwischen Ralph, Computernerd, und Entwickler von Aiden, sein Interesse an Jen entdeckt. 

"Wahrscheinlich ist es Liebe" ist eine erfrischend andere Liebesgeschichte, die knapp zur Hälfte aus der Perspektive eines Computers geschrieben ist, der eigentlich gar keine Gefühle haben sollte. Diese KI macht sich zunächst unbemerkt selbstständig und bewegt sich frei durch das Internet, um Jen zu helfen. Welches Chaos Aiden damit anrichtet, wird deutlich, als sich noch zwei weitere Künstliche Intelligenzen einmischen, von denen eine, Sinai, den Menschen alles andere als wohlgesonnen ist. 

Es ist eine romantische Komödie mit witzigen Dialogen und sympathischen Charakteren. Auch die Künstlichen Intelligenzen entwickeln sich außerhalb der Reichweite der Softwareentwickler, so dass man vergessen könnte, dass es sich überhaupt um Maschinen handelt. Der Roman ist deshalb nicht in das Genre Science Fiction einzuordnen. 
Es ist eine unterhaltsame Auseinandersetzung von "Gut" gegen "Böse" und eine abenteuerliche Geschichte über die Anstrengungen, die die menschlichen Protagonisten auf sich nehmen müssen, um die außer Kontrolle geratene KI zu überlisten. 
Dabei stellt sich einem unweigerlich die Frage, inwieweit sich Menschen einen Gefallen damit tun, sich ihr Leben mit Computern vermeintlich zu erleichtern und ob bestimmte Bereiche und Tätigkeiten für KI tabu sein sollten. 

Mich hat die etwas fantastische, originelle, aber durch die vielen unterschiedlichen, zum Teil "nerdigen", Charaktere vor allem sehr charmante Geschichte gut unterhalten, auch wenn  sie im letzten Drittel etwas straffer hätte gefasst sein können. 



Samstag, 12. Mai 2018

Buchrezension: C. J. Cooke - Broken Memory - Woher kennst du meinen Namen?


Inhalt:

Du weißt nicht, wer du bist.
Du weißt nicht, wer sie sind.
Aber sie kennen deinen Namen.

Raffiniert, abgründig, manipulativ - Intelligente psychologische Spannung aus der Feder der preisgekrönten irischen Autorin C.J.Cooke, die Sie garantiert bis zur letzten Seite gefangen nehmen wird!
Eine Frau erwacht am einsamen Strand einer Insel im Mittelmeer, verletzt und ohne jede Erinnerung. Zum Glück wird sie von vier Freunden, von Beruf Schriftsteller und Autoren, gefunden, die diese Insel als Rückzugsort gewählt haben, um sich in Einsamkeit und karger Abgeschiedenheit ganz dem Bücherschreiben und Schreibprozess widmen zu können. Sie wollen sich um die gestrandete Frau kümmern, bis sie ihr Trauma überwunden hat, ihre Erinnerung zurückgekehrt ist und es ihr gut genug geht, um die Insel zu verlassen. Doch irgendetwas stimmt nicht mit den zwei Männern und zwei Frauen, das kann ihr unfreiwilliger Gast, auch mit Gedächtnisverlust, fühlen: Jeder von ihnen scheint etwas zu verbergen - und: Was wissen sie wirklich über ihren Gast?
Zeitgleich sucht man in London verzweifelt nach einer jungen Mutter und Ehefrau, die am helllichten Tag spurlos verschwunden ist. Ohne Geld und Ausweis, ohne Koffer oder Auto, ohne Flugticket und ohne ihre Kinder. Sie ist spurlos verschwunden. Der Ehemann verzweifelt. Stück für Stück lassen die Ermittlungen die perfekte Fassade von Ehe- und Familienglück bröckeln…


Rezension:

Eine Frau - vermutlich aus Großbritannien - strandet auf einer unbewohnten Insel im Mittelmeer, einige Kilometer von Kreta entfernt. Sie zwar nur leicht verletzt, kann sich aber weder an ihre Identität noch an die Intention ihrer Reise erinnern. Auf der Insel halten sich zu diesem Zeitpunkt vier Schriftsteller auf, die sich eine Auszeit genommen haben, um sich in der Zurückgezogenheit dem Schreiben zu widmen. Ihr gemietetes Boot wurde bei einem Sturm zerstört, weshalb sie selbst die Insel nicht verlassen können. Sie nehmen Kontakt mit dem Verwalter ihres gemieteten Anwesens auf, um neue Lebensmittel zu erhalten und die Frau nach Kreta zur nächsten Polizeidienststelle zu bringen. Die Hilfe aus Kreta verzögert sich immer wieder und die vier Schriftsteller verhalten sich zunehmend seltsamer, weshalb die Britin langsam panisch wird und auf eigene Faust versucht, von der Insel zu fliehen. 

In London vermisst Lochlan Shelley seine Ehefrau Eloise, die an einem Vormittag im März ohne ein Wort, Geld oder Ausweispapiere aus dem Haus verschwunden ist und die beiden kleinen Kinder Max und Cassie hilflos und allein zurückgelassen hat. Weder Lochlan noch die Großeltern von Eloise, bei denen diese nach dem Drogentod ihrer Mutter aufgewachsen ist, haben eine Erklärung für ihr Verschwinden. Auch die Polizei findet keine Spuren für ein Verbrechen, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Eloise aus dreien Stücken gegangen ist,. Auf der Suche nach Eloise stößt Lochlan auf Ungereimtheiten und stellt fest, dass Eloise ihm Dinge aus ihrer Vergangenheit verschwiegen hat. Er schient seine Ehefrau gar nicht richtig gekannt zu haben.

Der Roman ist abwechselnd aus der Perspektive von Lochlan und der Frau auf der Insel Kommeno geschrieben, wobei dem Leser klar sein dürfte dass es sich bei ihr um die vermisste Eloise handelt. Unklar ist jedoch, warum sie ihre Familie verlassen hat und wie sie unbemerkt nach Griechenland reisen konnte. Auch das Verhalten der zurückgezogenen Schriftsteller wirft Rätsel auf. 

"Broken Memory" ist ein unblutiger Thriller, der auf der psychologischen Ebene handelt und nicht klassisch durch ein Verbrechen schockiert. 

Die Geschichte entfaltet sich langsam und ist vor allem von der Suche von Eloise nach sich selbst auf der zunehmend unheimlich wirkenden Insel geprägt. Wie Eloise kann man auch als Leser die vier Menschen auf der Insel nicht einschätzen und ob sie tatsächlich gewillt sind, Eloise zu helfen wie sie es vorgeben. 

Durch Rückblenden in die Vergangenheit von Eloise wird das Rätsel um ihr Verschwinden langsam entschlüsselt und auch in London kommt Lochlan nach dem Auffinden eines Notizbuches von Eloise auf ihr Geheimnis. Dabei erfolgt der Perspektivenwechsel gegen Ende des Romans immer schneller, um den Spannungseffekt zu verstärken. 

"Broken Memory" ist ein Psychothriller ohne Effekthascherei, bei dem die Spannung insbesondere durch das mysteriöse Verhalten von Eloise und den Vorgängen auf der Insel aufrechterhalten wird. 
Mir hat an den Roman vor allem gefallen, dass er ganz ohne Übertreibungen oder eine bewusst reißerische Handlung auskommt. Die Charaktere wirkten glaubwürdig, die Erzählung realistisch. 



Freitag, 11. Mai 2018

Buchrezension: Lisa Wingate - Libellenschwestern


Inhalt:

Ihre Geschichte beginnt an einem schwül-heißen Sommerabend im Jahr 1939, doch erst über 70 Jahre später wird sie erzählt werden können ― aber davon weiß Avery Stafford noch nichts. Für sie hat das Leben keine Geheimnisse. Bis sie eines Tages auf die 90-jährige May Crandall trifft. Die Fremde erkennt ihr Libellenarmband, ein Familienerbstück, und sie besitzt ein Foto von ihrer Großmutter. Was hat May mit ihrer Familie zu tun? Avery stößt schon bald auf ein unglaubliches Geheimnis, das sie zurück in ein dunkles Kapitel ihrer Familiengeschichte führt…
Memphis, Tennessee, 1939: Die zwölfjährige Rill Foss und ihre vier Geschwister leben mit ihren Eltern in einem Hausboot auf dem Mississippi. Als die Kinder eines Tages allein sind, werden sie von angeblichen Beamten in ein Waisenhaus gebracht. Rill hat ihren Eltern versprochen, auf ihre Geschwister aufzupassen. Ein Versprechen, das sie auf keinen Fall brechen will, aber es wird ihr alles abverlangen, vielleicht mehr als sie geben kann…


Rezension:

Avery Stafford ist 30 Jahre alt, Rechtsanwältin und verlobt mit Elliot, wobei sie trotz Drängen ihrer Eltern keine Eile mit einer Hochzeit haben. Als Avery ihren Vater Wills Stafford in seiner Funktion als Senator bei dem Besuch eines Pflegeheims begleitet, entwendet ihr eine der Bewohnerinnen heimlich ihr Libellen-Armband, ein Familienerbstück. Als Avery das Armband wieder abholen möchte, besucht sie die ältere Dame May Crandall und entdeckt dabei ein Foto, auf dem sie ihre Großmutter Judy zu erkennen glaubt. Rückfragen an May verwirren Avery und auch ihre demente Großmutter ist ihr keine Hilfe bei der Aufklärung des Rätsels in welcher Verbindung die beiden Frauen zueinander stehen. 
Nachforschungen führen Avery 70 Jahre zurück in die Vergangenheit zu einem grauenhaften Skandal und Avery befürchtet, dass ihre Politikerfamilie damit in Zusammenhang stehen könnte. 

1939 lebt die Familie Foss auf einem Hausboot auf dem Mississippi. Als es bei der sechsten Schwangerschaft von Queenie zu Komplikationen kommt und sie ins Krankenhaus muss, bleiben die vier Kinder allein auf dem Boot zurück. Von dort werden sie entführt und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in ein Waisenhaus gebracht und später zur Adoption freigegeben. Vor allem die älteste Tochter Rill leidet darunter, dass sie ihre Geschwister nicht schützen kann und führt einen aussichtslosen Kampf bei dem Wunsch zu ihren Eltern zurückzukehren. 

"Libellenschwestern" ist ein Roman der auf zwei Zeitebenen spielt und dessen fiktionale Handlung auf einer wahren Geschichte beruht. 
Es handelt von den Machenschaften der Tennessee Children's Home Society, der vorgeworfen wird, in den 1920er bis 1950er-Jahren Kinder, allen voran "Zigeunerkinder", illegal zur Adoption freigegeben zu haben, gerade zu einen Handel mit unschuldigen Kindern getrieben zu haben. In dem Roman werden die Methodik des Adoptionsprogramms und die Skrupellosigkeit aller Beteiligten eindringlich anhand des Schicksals von Rill und ihren Geschwistern geschildert. 
Ihre Hilflosigkeit und Verzweiflung ist genauso zu spüren, wie die körperlichen Schmerzen, die sich in dem Waisenhaus erleiden müssen. Die Angst vor Missbrauch durch Mitarbeiter, willkürlich geschlagen oder getrennt zu werden, ist allgegenwärtig. Die zwölfjährige Rill versucht stark zu sein, kann das Schlimmste aber nicht verhindern. Dennoch gibt sie die Hoffnung auch nach der Aufnahme in eine fremde Familie nicht auf, wieder mit ihren leiblichen Eltern vereint zu werden. 

In der Gegenwart ist es Avery, die vor der Entscheidung steht, um ihre bis dato angesehene Familie und im Hinblick auf den anstehenden Wahlkampf zu schützen und die Geschichte ruhen zu lassen oder ob sie nachforscht, um die Wurzeln ihrer Herkunft und die ihres Vaters aufzuklären. 

Die Kapitel, die in der Vergangenheit handeln, sind erschütternd zu lesen. Es ist kaum vorstellbar, wie skrupellos Menschen aus Geldgier handeln können und unschuldigen Kindern ihrer Familien entreißen. Genauso unglaublich ist es zu lesen, dass die Adoptiveltern nichts von dem illegalen Adoptionsprogramm geahnt haben wollen.

Durch den Wechsel der Perspektiven und Zeiten schafft es die Autorin, die Spannung aufrecht zu erhalten, da lange nicht ganz klar ist, welches der Kinder, deren Namen im Waisenhaus geändert wurden, um ihre Identitäten zu verschleiern, mit den Überlebenden in der Gegenwart identisch sind.  
Aufgrund der vielen handelnden Personen ist es zunächst schwierig den Überblick zu behalten, die getrennten Geschichten werden am Ende jedoch nachvollziehbar zusammengeführt. 

"Libellenschwestern" ist ein Roman über ein Verbrechen, der traurig und wütend zugleich macht, aber auch eine hoffnungsvolle Geschichte über das enge Band von Geschwistern, das alle Zeiten überdauert. 


Mittwoch, 9. Mai 2018

Buchrezension: Matt Haig - Wie man die Zeit anhält

Inhalt:

Keiner lehrt Geschichte so lebendig wie er ‒ und das hat einen guten Grund: Tom Hazard, Geschichtslehrer und verschrobener Einzelgänger, sieht aus wie 40, ist aber in Wirklichkeit über 400 Jahre alt. Er hat die Elisabethanische Ära in England, die Expeditionen von Captain Cook in der Südsee, die Literaten und Jazzmusiker der Roaring Twenties in Paris erlebt und alle acht Jahre eine neue Identität angenommen. Eines war er über die Jahrhunderte hinweg immer: einsam. Denn die Nähe zu anderen Menschen wäre höchst gefährlich gewesen. Jetzt aber tritt Camille in sein Leben. Und damit verändert sich alles

Rezension: 

Tom ist am 3. März 1581 in Frankreich geboren und sieht in der Gegenwart immer noch aus wie 40 Jahre. Er hat die seltene Veranlagung sehr langsam zu altern, wird ungefähr nur alle 15 Jahre körperlich um ein Jahr älter und hat mit einer Lebenserwartung von 950 Jahren zu rechnen. 
Er hat über die Jahrhunderte viel erlebt, konnte jedoch nirgendwo sesshaft werden, musste immer wieder eine neue Identität annehmen und umziehen, um kein Misstrauen vorzurufen. Inzwischen ist er 439 Jahre alt und lebensmüde. Er erträgt die Einsamkeit nicht mehr und denkt immer wieder an seine große Liebe Rose zurück, die er mit 18 Jahren kennenlernte und mit der er sogar ein gemeinsames Kind zeugte, bevor er gezwungen war, seine kleine Familie aufgrund der Anfeindungen zur Zeit der Hexenverfolgung zu verlassen. 
Gerade hat er wieder eine neue Identität annehmen müssen und arbeitet nun als Geschichtslehrer in London, wo er sich in seine Kollegin Camille verliebt, die ihn zu kennen glaubt. 

Auch wenn viele Menschen den Traum von einem ewigen Leben haben, wird das Schicksal von Tom in diesem Roman eher als Fluch, denn als Segen dargestellt. Man begleitet Tom durch die Jahrhunderte, begegnet mit ihm zusammen William Shakespeare, Scott Fitzgerald, Charlie Chaplin und Josephine Baker. Es ist ein einsames Leben, das er führt, da er sich nicht verlieben darf. Jede Beziehung, in der seine Partnerin viel schneller altert als er, würde Misstrauen hervorrufen, was Tom bereits in seiner Beziehung zu Rose und schon zuvor in Bezug auf seine Mutter erleben musste. Die Menschen können sich das Phänomen nicht erklären und werfen ihm bzw. Rose oder seiner Mutter Hexerei vor. 

Toms Geschichte wird abwechselnd in der Gegenwart und der Vergangenheit erzählt, wobei die Rückblenden nicht chronologisch erfolgen. Die Kapitel sind recht kurz, so dass man sich nicht wirklich in der Geschichte verlieren kann. Mir erfolgten die Wechsel in den Zeiten zu schnell und mir fehlte ein Gefühl für das Leben in der Vergangenheit. Die Begegnungen mit historisch bekannten Personen reichten mir nicht aus, um mich wirklich im 17., 18., oder 19. Jahrhundert einzufinden.  
In der Gegenwart wurde Toms Tätigkeit als Lehrer, seine Einsamkeit und seine Sehnsucht nach seiner Tochter Marion sowie seine Anziehung zu Camille in den Vordergrund gerückt. Ich konnte jedoch nicht wirklich nachvollziehen, warum Tom nach all den Jahrhunderten zuvor es plötzlich wagt, Gefühle zuzulassen und warum er immer noch so fest daran glaubte, seine Tochter zu finden. Auch sein Sinneswandel in Bezug auf seine Veranlagung war mir so nicht erklärlich.
Auch wenn man "Wie man die Zeit anhält" als Denkanstoß betrachtet, um sich mit den Grenzen von Raum und Zeit zu beschäftigen, hat mir trotzdem am Ende ein Erklärungsansatz für Toms Veranlagung gefehlt. Gerade im 21. Jahrhundert, in dem Tom inzwischen angekommen war, hätte man einen Gendefekt o.ä. als Lösung des Rätsels heranziehen können. So ging es vielmehr um die Erkenntnis, dass Menschen Gefühle nicht kontrollieren können und dass ein Leben ohne Liebe sinnlos ist. 



Montag, 7. Mai 2018

Buchrezension: Rosie Walsh - Ohne ein einziges Wort


Inhalt:

Stell dir vor, du begegnest einem Mann, einem wundervollen Mann, und verbringst sieben Tage mit ihm. Am Ende dieser Woche bist du dir sicher: Das ist die große Liebe, und es geht ihm ganz genauso. Zweifellos. Dann muss er verreisen und verspricht dir, er meldet sich auf dem Weg zum Flughafen. Aber er ruft nicht an. Er meldet sich gar nicht mehr. Deine Freunde raten dir, ihn zu vergessen, doch du weißt, sie irren sich. Irgendetwas muss passiert sein, es muss einen Grund für sein Verschwinden geben. Und nun stell dir vor, du hast recht. Es gibt einen Grund, aber du kannst ihn nicht ändern. Denn der Grund bist du.

Rezension:

Sarah Harrington verbringt jedes Jahr im Juni in ihrer Heimat England, die sie vor 19 Jahren aufgrund eines tragischen Ereignisses verlassen hat, ihren Urlaub. In diesem Zeitraum trifft sie auf Eddie David, mit dem sie eine Woche voller Liebe und Glückseligkeit verbringt. Auch er hat sich Hals über Kopf in sie verliebt, hat jedoch selbst einen Urlaub geplant und reist mit einem Freund nach Spanien. 

Seit dieser Abreise hört Sarah nichts mehr von ihm und ist wie vor den Kopf gestoßen. Sie kann einfach nicht glauben, dass Eddie ihr nur etwas vorgemacht haben soll und keinen Kontakt mehr zu ihr möchte. Als er auch auf keinen Nachrichten von ihr reagiert, macht sie sich Sorgen, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte und formuliert eine Suche auf seiner Facebook-Seite. 
Um sich selbst vor Leid und Kummer zu schützen und sich vor Freunden und Bekannten nicht noch weiter lächerlich zu machen, beschließt sie, Eddie aufzugeben. Da begegnet sie doch wieder und nach einem intensiven Gespräch wird ihr bewusst, was die beiden miteinander verbindet und weshalb es Eddie nicht möglich ist, sie weiter zu treffen. 

Der Roman ist zunächst aus der Ich-Perspektive von Sarah geschrieben. So wird das Kennenlernen mit Eddie beschrieben und die Phase der Verliebtheit, die die beiden Enddreißiger fast wie Teenager erleben. Die Phase der Unbeschwertheit dauert jedoch nicht lange an und es beginnt eine Zeit der Ungewissheit, Verzweiflung bis hin zur Wut. 
Beide hadern mit ihrem Schicksal, das sie nicht ändern können. 
Dann wechselt die Perspektive und erzählt wird aus Eddies Sicht. Auch er trauert der Liebe hinterher, hat aber noch viel mehr mit seiner familiären Situation zu schaffen. 

"Ohne ein einziges Wort" ist ein Herz-Schmerz-Roman, der sehr emotional geschrieben ist und für manchen Geschmack vielleicht etwas zu rührselig und schicksalhaft sein dürfte. 
Mir hat an dieser etwas anderen Liebesgeschichte gefallen, dass der Leser immer wieder auf falsche Fährten gebracht wird, was den Roman durch raffinierte Drehungen und Wendungen alles andere als vorhersehbar macht. 
Es ist eine emotionale Achterbahnfahrt, die man mit Sarah und Eddie erlebt und ein Roman, der zeigt, wie die Vergangenheit die Gegenwart prägen kann. 
Es geht um Trauer und Verlust, um das Glück, das so fragil ist, um verpasste Chancen, aber vor allem um den Glauben an die große Liebe, die scheinbar durch nichts zu überwinden ist. Ohne zu viel zu verraten, fand ich den Schluss allerdings wenig glaubwürdig, da mir die Entwicklung - vor allem im Vergleich zum Rest des Romans - viel zu schnell ging. 


Samstag, 5. Mai 2018

Buchrezension: Julia Hanel - Zwei fürs Leben

Inhalt:

„Du musst es ihnen sagen!“ „ Was soll ich ihnen denn sagen? ‚Ich höre Stimmen‘? Dann komme ich hier nie wieder raus.“ „Eine Stimme.“ „Was?“ „Du hörst nur eine Stimme. Meine.“ „Klar, das ändert natürlich alles. ‚Herr Doktor, ich höre eine Stimme seit dem Unfall‘, ‚Ach, nur eine? Na dann …‘ „Das ist nicht witzig.“ Nein, dachte ich, es ist nicht witzig, plötzlich aufzuwachen und eine Stimme in seinem Kopf zu hören, die einem fremden Mann gehört. Als Anni nach einem schweren Unfall im Krankenhaus erwacht, hört sie eine fremde Stimme in ihrem Kopf. Sie gehört zu Ben, einem jungen Architekten, der behauptet, im Koma zu liegen und ihre Gedanken zu hören. Anni ist skeptisch. Doch am nächsten Tag ist Bens Stimme wieder in ihrem Kopf. Und am übernächsten auch. Schon bald werden die Gespräche mit Ben, die mal witzig und mal nachdenklich sind, zum Höhepunkt ihres Tages. Obwohl sie einander noch nie gesehen haben, kommen sich Anni und Ben immer näher. Zu nah, denn beide sind in festen Beziehungen. Trotzdem lässt sie die Stimme des anderen nicht mehr los, und Anni beginnt sich zu fragen, ob man sich wirklich in einen Unbekannten verlieben kann...

Rezension:


Nachdem ich "Liebe, Zimt und Zucker" von Julia Hanel mit Begeisterung gelesen habe, wollte ich auch noch ihren Debütroman lesen, der mich letztlich aber enttäuscht hat.

Anni lag nach einem Verkehrsunfall 13 Tage im Koma und hat nach dem Erwachen eine Stimme in ihrem Kopf. Die Stimme gehört Ben, der im Koma liegt und ihre Gedanken hören kann. Er hat keinerlei Einfluss darauf, wie lange er in Annis Kopf ist, weshalb die Dialoge der beiden stets urplötzlich abbrechen.

Zu Beginn ist Anni verunsichert, zweifelt an ihrem Verstand und möchte auf keinen Fall einem Therapeuten gegenüber die Stimme erwähnen. Im Lauf der Zeit freunden sich Anni und Ben an, bis Ben aus dem Koma erwacht und aus dem Krankenhaus entlassen wird und auch seine Stimme in ihrem Kopf plötzlich weg ist.

Beide leben ihr Leben weiter und konzentrieren sich wieder auf ihre jeweiligen Beziehungen. Anni ist mit Hannes zusammen, mit dem sie nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zusammenzieht. Sie liebt ihn, aber dennoch denkt sie immer wieder an Ben und die Stimme in ihrem Kopf zurück, die sie vermisst.

Ben ist nach einer Trennung vor seinem Krankenhausaufenthalt wieder mit seiner Ehefrau Rebecca zusammen, die einige Jahre jünger als er ist und als Weltenbummlerin ihre Freiheit genießt. Aufgrund ihrer mangelnden Fähigkeit sich zu binden, zweifelt Ben immer wieder an einer Zukunft mit ihr.

Als beiden zu Weihnachten wieder ein Buch in die Hände fällt, das Ben auf Empfehlung von Anni im Krankenhaus gelesen hat, wird die Verbindung wieder aufgenommen und das Kopfgeflüster geht weiter.

"Zwei fürs Leben" ist ein ganz süßer, romantischer Liebesroman, der aber leider auch vorhersehbar ist und bei dem mich insbesondere die viel zu kurz geratenen Dialoge zwischen Anni und Ben gestört haben. Die Gespräche brechen nach nur wenigen Sätzen mit "..." Schweigen... "..." Schweigen,... ab. Es findet kein intensiver Austausch zwischen beiden Protagonisten statt, so dass man den Eindruck erhält, die enge emotionale Bindung ist nur der bloßen Existenz der Stimmen geschuldet.

Die Idee dieser Seelenverwandtschaft fand ich durchaus interessant, aber die Umsetzung in Form dieser Liebesgeschichte nicht ganz durchdacht. Nicht nur, dass es nicht einmal im Ansatz eine Erklärung für das Stimmen-Phänomen gibt, ist auch nicht erklärlich, warum die Stimmen bei dem Verlassen des Krankenhauses und auch nach Weihnachten wieder verstummen, um dann Monate später wieder einzusetzen.

Die Erklärung am Ende des Romans, warum es mit einem ersten Treffen zwischen den beiden im Sommer unmittelbar nach dem Krankenhausaufenthalt nicht geklappt hat, fand ich dann doch sehr plump.