Freitag, 2. Oktober 2020

Buchrezension: Michael Tsokos - Zerrissen (Die Fred Abel-Reihe, Band 4)

Inhalt:

Dr. Fred Abel muss vor Gericht in einem besonders schweren Fall von Misshandlung aussagen. Bei dem Opfer, einem kleinen Mädchen, handelt es sich ausgerechnet um die Nichte seiner langjährigen Kollegin Sabine Yao. Das Verhältnis zwischen den beiden Rechtsmedizinern ist dadurch äußerst angespannt.

Währenddessen findet Privatermittler Lars Moewig, Fred Abels alter Freund, in seinem Kickboxclub eine grausam zugerichtete Leiche in einem Boxsack. Lars muss wissen, wer in seinem Club Männer in Sandsäcke einnäht und bittet Abel um Hilfe. Schon bald führen ihre Nachforschungen sie in die Welt der libanesischen Drogen-Clans. Eine Schattenwelt, in der es weder Gefangene noch Zeugen geben darf, seien sie auch noch so jung und unschuldig. 

Rezension: 

In einer Wohnung in Berlin-Marzahn findet die Deutsch-Chinesin Mailin Zhou ihre knapp zweijährige Tochter schwer verletzt im Wohnzimmer auf. Die Kopfverletzungen sind so massiv, dass sie nicht durch einen einfachen Sturz verursacht sein können, wie der Rechtsmediziner Dr. Fred Abel feststellt. Besonders pikant ist, dass es sich bei dem Mädchen um die Nichte seiner Kollegin Sabine Yao handelt, die sich nicht vorstellen kann, dass ihre alleinerziehende Schwester die kleine Siara misshandelt hat. 
Unterdessen findet Lars Moewig in einem Boxsack in einem Kickbox-Studio eine männliche Leiche. Im Spind des Opfers werden Drogen aufgefunden. 
Die eigenmächtigen Ermittlungen des Privatdetektivs Moewig, der in der Leiche den Sohn seines Ziehvaters erkennt, führen zu einem libanesischen Clan, der in Berlin-Neukölln das Sagen hat. 

"Zerrissen" ist der vierte Band der Reihe um den Rechtsmediziner Dr. Fred Abel. Ich habe keinen Thriller der bisherigen Trilogie gelesen, aber der Einstieg in die Reihe ist auch ohne Vorwissen problemlos möglich. Die Fall aus "Zerrissen" ist unabhängig von den anderen Fällen und die bekannten Protagonisten der Vorgängerromane werden knapp vorgestellt, um sie in den Gesamtzusammenhang des Ermittlungskomplexes einordnen zu können. 

Der Thriller beginnend schockierend mit dem ungewöhnlichen Leichenfund im Boxsack und dem schwer verletzten kleinen Mädchen, wobei der Tathergang völlig unklar ist. Verschiedene Perspektiven und schnelle Szenenwechsel sorgen für einen dynamischen Verlauf der Handlung. Die kurzen Kapitel enden häufig mit Mini-Cliffhangern, so dass die Spannung kontinuierlich hoch gehalten wird. 
Der Autor ist selbst Forensiker. Seine fiktiven Szenarien basieren auf authentischen Fällen und echten Ermittlungen, was man auch "Zerrissen" anmerkt. Die Zusammenarbeit zwischen Rechtsmedizin und den Polizeikommissariaten ist schlüssig, die einzelnen Protagonisten sind glaubwürdig dargestellt. Im Zentrum der Handlung stehen die Rechtsmedizin und die Erfahrungen von Dr. Abel, die er im Laufe seiner Karriere gesammelt. Die Beschreibungen der Sektionen und Kriminaltechnik sind dabei aber nicht zu komplex, ergänzen die Ermittlungen der Kriminalbeamten und machen das Zusammenspiel rund. Die Atmosphäre Berlins in der Sommerhitze  - ein anonymes Hochhaus in Marzahn, das Multi-Kulti-Viertel Neuköllns rund um die Sonnenallee und die Ermittlungen und Untersuchungen in den Treptowers - wird dabei passend eingefangen. 

"Zerrissen" ist ein raffiniert konstruierter Thriller mit mehreren Erzählsträngen, die zu Beginn rein gar nichts miteinander zutun zu haben scheinen. Im Verlauf der Ermittlungen erkannt man vor allem durch die akribische Arbeit von Dr. Abel, der dadurch selbst in den Fokus des libanesischen Clans gerät, die Zusammenhänge beider Delikte. Der flüssige Schreibstil sowie die sympathische Hauptfigur und ihr glaubwürdiges persönliches Engagement tragen darüber hinaus entscheidend zum Lesevergnügen bei. True Crime at its best. 



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