Mittwoch, 4. Oktober 2017

Buchrezension: Theresa Hannig - Die Optimierer


Inhalt:

Im Jahr 2052 hat sich die Bundesrepublik Europa vom Rest der Welt abgeschottet. Hochentwickelte Roboter sorgen für Wohlstand und Sicherheit in der sogenannten Optimalwohlökonomie. Hier werden alle Bürger von der Agentur für Lebensberatung rund um die Uhr überwacht, um für jeden Einzelnen den perfekten Platz in der Gesellschaft zu finden.

Samson Freitag ist Lebensberater im Staatsdienst und ein glühender Verfechter des Systems. Doch als er kurz vor seiner Beförderung beschuldigt wird, eine falsche Beratung erteilt zu haben, gerät er in einen Abwärtsstrudel, dem er nicht mehr entkommen kann. Das System legt alles daran, ihn zu optimieren ... ob er will oder nicht. 


Rezension:

2052 gibt es weder Deutschland noch die EU mehr, sondern die Bundesrepublik Europa, zu der sich die wohlhabenden mitteleuropäischen Staaten zusammengeschlossen haben. Die soziale Marktwirtschaft wurde durch die sogenannte Optimalwohlökonomie abgeschafft. Das System wird dominiert von der Agentur für Lebensberatung, die für jeden Bürger seinen Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften entsprechend die passende Tätigkeit findet. "Jeder an seinem Platz"  - so lautet auch die allgegenwärtige Grußformel. 
Da bereits viele Tätigkeiten von Robotern übernommen werden, ist nicht mehr jeder Mensch nützlich. Für diese ist die Kontemplation vorgesehen, das sozialverträgliche Nichtstun.  

Samson Freitag lebt in München und ist Lebensberater, der an das System glaubt. Für ihn ist seine Arbeit seine Berufung und er glaubt fest daran, für jeden Menschen den richtigen Platz in der Gesellschaft zu finden. Durch sogenannte Korrekturvermerke, die der Verbesserung des Systems dienen, sammelt er darüber hinaus Sozialpunkte, um sein Ziel der nächsten Beförderung zu erreichen. 

Doch plötzlich gerät sein angepasstes und überkorrektes Leben aus den Fugen, als seine Freundin ihn verlässt und seine Eltern bei der Straftat erwischt werden, tierisches Fleisch statt dem umweltfreundlichen Synthfleisch zu konsumieren. Auf einen Schlag verliert Samson hunderte von Sozialpunkte und auch seine letzte Lebensberatung wird ihm zum Verhängnis. In einer fortwährenden Abwärtsspirale fällt er aus dem System...

"Die Optimierer" ist ein Roman, der knapp 40 Jahre in der Zukunft spielt und eine Dystopie, ein pessimistisches Szenario unserer Gesellschaft darstellt. 
Die Geschichte ist aus der Perspektive von Samson geschrieben, der zunächst nicht unsympathisch wirkt, sondern vergleichbar mit einem spießigen deutschen Beamten ist. Im weiteren Verlauf wird jedoch klar, dass es Samson weniger um eine Verbesserung der Gesellschaft oder um eine Optimierung des Systems geht, sondern dass er nur sein egoistisches Ziel der 1000 Sozialpunkte verfolgt. Mit seinem Ich-bezogenen Verhalten hat er sich wenig Freunde gemacht, so dass er bei seinem Absturz ganz allein dasteht. Er stellt einen systemkonformen Mitläufer dar, der ohne selbst darüber nachzudenken, alle neuen Gesetze und Regelungen akzeptiert. Seine Eltern und seine Freundin Melanie, die mit einer robotergesteuerten Welt, in der der einzelne Mensch wertlos und ersetzbar ist, nichts anfangen können und dagegen rebellieren, kann Samson nicht verstehen. 

Der Roman ist zwar durch die eingeführten neuen Techniken, die das Leben der Menschen subjektiv verbessern science-fiction-artig, aber entwirft nicht so ein utopisches Szenario, dass die Welt von morgen, wie sie geschildert wird, als unrealistisch erscheint. Anders als in anderen Dystopien ist der Protagonist kein Held, der gegen ein herrschendes System einer düsteren Zukunftsaussicht ankämpft, sondern es unterstützt und nicht weiter hinterfragt. Auch als er aus dem Raster fällt, zweifelt er die unmenschliche Gesellschaft nicht an, sondern versucht wieder ein Teil von ihr zu werden. 

Mir hat die Idee hinter dem Roman, die Perspektive einer perfekten Gesellschaft, optimiert von Robotern und Rund-um-die-Uhr-Überwachung, gut gefallen. Die Beschreibung der neuen Welt wirkte zu Beginn des Romans etwas unbeholfen, da auf wenigen Seiten viele Erklärungen durch beispielsweise Radiowerbung erfolgte, statt sie die Neuerungen fließend in die Erzählung einzubauen. Nach dieser Einleitung ließ sich der Roman - bis auf die Träume von Samson, die ich nicht so richtig zu deuten wusste - flüssig lesen. 
Das Ende des Absturzes von Samson war allerdings etwas verworren, für mich zu verkürzt geschrieben. 

Dennoch vermittelt der Roman Kritik daran, was passiert, wenn man sich sklavisch an ein System hält, mit der Masse mitschwimmt und die negativen Folgen der vollkommenen Optimierung ohne staatsfreien Raum nicht mehr wahrnimmt oder gar dagegen ankämpft. 


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