Mittwoch, 4. Oktober 2023

Buchrezension: Jonathan Coe - Bournville

Inhalt:

Die Krönung Elizabeths II., Wembley 1966, der „Schokoladenkrieg“ zwischen England und der EU, James Bond und Prinzessin Diana, Brexit und Pandemie – das sind einige der Fixpunkte im langen Leben der Mary Lamb und ihrer weitverzweigten Familie. Mary ist Herz und Zentrum dieses Romans, als Tochter, Mutter und Großmutter. Das Beispiel von Marys Familie zeigt die Zerrissenheit Englands und gleichzeitig dessen Fähigkeit, in Krisensituationen zusammenzustehen. Nationalismus, latenter Rassismus, Tories oder Labour – die politischen Konflikte ziehen sich auch quer durch die Familie Lamb. Vielstimmig hören wir von Träumen, Enttäuschungen, aber auch vom Glück und der Liebe, die von Mary und den Ihren in der Kleinstadt Bournville gelebt werden. 

Rezension: 

Beginnend mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges werden sieben historische Ereignisse aus der Perspektive der fiktiven britischen Familie Lamb dargestellt. Dabei kommen verschiedene Personen aller Generationen zu Wort. Ein großer Stammbaum zu Beginn des Buches ist deshalb sehr hilfreich, um den Überblick über die handelnden Charaktere zu behalten.

Nach einem Prolog im März 2020, als die Corona-Pandemie das Leben bestimmte, erfolgt ein Rückblick und erzählt die Geschichte der Lambs vor dem Hintergrund historischer Ereignisse wie der Krönung der Queen, der Fußball-WM im Mutterland des Fußballs oder dem Tod von Prinzessin Diana fort.
Dabei fällt es schwer, einen Zugang zu den Figuren zu erhalten, denn die Perspektiven wechseln häufig. In den 75 Jahren Geschichte, die anhand von vier Generationen von Familienmitgliedern erzählt werden, liegt der Fokus mehr auf gesellschaftlichen Ereignissen und was die Figuren von außen erleben, als auf der Familiengeschichte der Lambs, die aufgrund der unterschiedlichen Charaktere, ihrer Ansichten und Verbindungen interessanter und tief gehender hätte gestaltet werden können. Statt einer fortlaufenden Geschichte ist der Roman durch die großen Zeitsprünge und Perspektivwechsel episodenartig geprägt, aber dabei ohne wesentliche Hoch- und Tiefpunkte.  

Der Autor macht Geschichte lebendig und stellt den gesellschaftlichen Wandel dar. Der Roman handelt von Patriotismus, Nationalismus, Rassismus, Europapolitik und enthält damit viele politische Themen. Durch Ironie und einen britische-trockenen Humor ist die Geschichte gerade am Anfang unterhaltsam und entwickelt eine Leidenschaft im Kampf um die britische "minderwertige" Schokolade, um Konflikte zwischen Deutschland und Britannien, England und Wales und die Ablehnung von Premierminister Boris Johnson. Globale Themen spielen in der Familienchronik eine wesentliche Rolle, das Schicksal der einzelnen Familienmitglieder ist dabei kaum relevant, weshalb es der Geschichte, die letztlich mehr Gesellschaftsroman als Familienepos ist,
 an Spannung und Emotionen mangelt. 

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