Donnerstag, 22. September 2016

Buchrezension: Per J. Andersson - Vom Inder, der mit dem Fahrrad bis nach Schweden fuhr, um dort seine große Liebe wiederzufinden

Inhalt:

Alles, was man zum Glück braucht, ist Vertrauen und ein Fahrrad 1975 lernt Pikay in Neu-Delhi durch Zufall die junge Schwedin Lotta kennen und verliebt sich unsterblich in sie. Als Lotta zurück nach Schweden geht, setzt sich Pikay kurz entschlossen auf ein altes Fahrrad und fährt ihr hinterher.

Diese Geschichte erzählt vom unglaublichen Schicksal des kastenlosen Pradyumma Kumar, genannt Pikay. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, kennt er nur Extreme: Mal wird der talentierte Porträtzeichner von Indira Gandhi eingeladen, sie zu malen, mal muss er hungern und schläft auf der Straße. Eines Abends taucht neben seiner Staffelei ein blondes Mädchen auf – und eine unglaubliche Liebesgeschichte nimmt ihren Anfang. Als Lotta zurück nach Schweden geht, stehen die Chancen schlecht für die beiden – wäre da nicht ein altes Fahrrad. Damit macht sich Pikay auf den Weg, um die 7.000 km von Asien nach Europa zurückzulegen. Auch zahlreiche Rückschläge können ihn nicht aufhalten, bis er schließlich tatsächlich in der Heimat Lottas ankommt, einer völlig anderen Welt.

Um das Happy End gleich zu verraten: Heute sind die beiden seit über 35 Jahren verheiratet, haben zwei Kinder und leben auf einem alten Bauernhof in der Nähe von Borås.

Rezension:


Das Buch mit dem unkommoden Titel, der wohl an Bestseller wie "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" erinnern soll, ist weniger ein Roman um eine große Liebesgeschichte als vielmehr die Biographie über einen Inder.

Pikay wächst in purer Armut in Indien auf, die Familie gehört nicht einmal der untersten Kaste an. Schon unmittelbar nach seiner Geburt wird Pikay prophezeit, dass er eine weiße Frau aus einem fernen Land mit dem Sternzeichen Stier heiraten wird.
Als "Unberührbarer" schon zu Schulzeiten unterdrückt, macht er sich auf den Weg nach Neu Delhi, um dort als Straßenkünstler zu arbeiten und Menschen zu porträtieren. Er ist so talentiert, dass er nicht nur Passanten, sondern auch prominente Politiker zeichnet. Auf diese Weise lernt er die Schwedin Lotta kennen, die mit einer kleinen Reisegruppe auf der Hippieroute im VW Bus nach Indien gereist ist und genau auf die Prophezeiung passt. Pikay verliebt sich auf den ersten Blick in sie und möchte sie heiraten, was traditionell der einzige Weg ist, um ihr nahe zu sein. Er erhält den Segen seines älteren Bruders und des Vaters für die Vermählung, aber Lotta reist dennoch zurück in ihre Heimat.

Die beiden schreiben sich sehnsüchtige Briefe, aber Pikay reicht diese "Fernbeziehung" auf Dauer nicht aus. Er beschließt, mit einem Damenrad nach Schweden zu reisen, auch wenn er keine Vorstellung davon hat, wo sich dieses Land überhaupt befindet. Neben einiger Widrigkeiten und Hürden erfährt er jedoch viel Unterstützung auf seiner Reise, so dass er letztlich "nur" bis Istanbul radeln muss. Von dort geht der Weg mittels gesponserter Zugtickets über Wien und Kopenhagen nach Göteborg. In Schweden ist ihm vieles fremd, er integriert sich jedoch schnell und gründet mit Lotta eine Familie.

Die Biographie des Inders Pikay ist nett zu lesen, hat allerdings bis zur Mitte des Buches ihre Längen. Die Hälfte des Buches handelt vom Leben Pikay in der Armut in Indien, dem ungerechten Kastenwesen und Pikays Versuchen, sich umzubringen. Dann lernt er Lotta kennen und begibt sich ihretwegen auf die sicher beschwerliche Reise nach Schweden.

Der Buchtitel und auch der Klappentext sind etwas missverständlich. Weder ist das Buch eine Liebesgeschichte, noch fährt Pikay tatsächlich mit dem Fahrrad nach Schweden. Die eigentlich faszinierende Geschichte wird von Andersson sehr sachlich und emotionslos geschildert. Die Liebe der beiden zueinander wird auch beim Wiedersehen nicht wirklich deutlich, Lotta bleibt dem Leser völlig fremd. Es hatte fast den Anschein, dass Pikay Lotta allein aufgrund der Prophezeiung wiedersehen muss. Auch kommt die Schilderung der beschwerlichen Reise aufgrund des großen Umfangs der jungen Jahre Pikays etwas kurz. Wäre nicht klar, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt, hätte ich die Erzählung als unrealistisch empfunden.


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