Montag, 24. Mai 2021

Buchrezension: Joséphine Nicolas - Tage mit Gatsby

Inhalt:

Mai 1924: Zelda und F. Scott Fitzgerald beschließen, ein Jahr lang der Hektik New Yorks zu entfliehen. Das rebellische Südstaatenmädchen hat sich an Scotts Seite zum glamourösen Star jeder Party entwickelt. Aber während er in Südfrankreich an ›Der große Gatsby‹ schreibt, dem Roman, der Schulden begleichen und ersehnten Weltruhm bescheren soll, fängt der lebenshungrige Flapper an, sich zu langweilen.
Und zum ersten Mal seit Langem beschäftigen Zelda Gedanken an die eigene künstlerische Selbstverwirklichung. Sie begreift, dass Scott ihr Talent für seine Bücher ausnutzt und ihre Schreibambitionen geschickt verhindert. Als junge Mutter überfordert und als Ehefrau enttäuscht, stürzt sich Zelda in den "Sommer der tausend Partys" und beginnt eine Liaison mit dem Piloten Édouard Jozan. Die Ménage-à-trois ist der Auftakt eines bühnenreifen Ehedramas, gleichzeitig befeuern Zeldas Kapriolen Scotts Kreativität – ungeniert bedient er sich an ihrer beider Leben, um seinen Jahrhundertroman über verlorene Illusionen und die große Liebe zu schreiben. Wird das schillernde Literatenpaar die Krise überstehen? 

Rezension:

Zelda und Scott Fitzgerald sind in den 1920er-Jahren das Glamourpaar in New York, das ein ausgelassenes und zügelloses Leben führt. Scott hat bereits einen Erfolg mit seinem Roman "Diesseits vom Paradies" gefeiert und möchte diesen noch übertrumpfen. Für die Zeit des Schreibens erwartet er Ruhe und die Unterstützung durch seine Ehefrau Zelda. 1924 gehen sie deshalb gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter Scottie von New York nach Südfrankreich, Während Scott Selbstzweifel plagen und er aus Geldnot immer wieder gezwungen ist, für das Schreiben von Kurzgeschichten die Arbeit an seinem Roman zu unterbrochen, langweilt sich Zelda, fühlt sich einsam, ungeliebt, unfrei und ohne sinnvolle Aufgabe nutzlos. Von Scott vernachlässigt, geht sie eine Affäre mit einem französischen Piloten ein und verliebt sich in ihn. Die ständigen Provokationen, Streitigkeiten, Eifersucht und der massive Alkoholkonsum werden zu einer Belastungsprobe für die Ehe, sind gleichzeitig aber auch eine Inspiration für Scott und seinen Roman "Der große Gatsby". 
Zeldas Ambitionen, Texte zu schreiben und zu veröffentlichen, werden von Scott niedergemacht. In seinen Augen ist er der hauptberufliche Schriftsteller und sie die Frau an seiner Seite. Dabei hat er wenig Hemmungen, schamlos aus ihren Briefen und Tagebüchern abzuschreiben und ihre Formulierungen als seine eigenen zu verwenden. Aber auch mit Zeldas Zustimmung werden ihre Texte aus der finanziellen Not teilweise unter Scotts Namen veröffentlicht, da das Honorar für männliche Autoren weitaus höher ausfällt. 

Der Roman schildert die Monate des Ehepaares Zelda und F. Scott Fitzgerald, als dieses sich eine bewusste Auszeit in Europa genommen hat, damit Scott in Ruhe an seinem Roman, in den er so große Hoffnungen für einen Welterfolg setzte, arbeiten konnte. In "Der große Gatsby" beschreibt er die Entzauberung des amerikanischen Traums. 

"Tage mit Gatsby" wird aus der Sicht der damals noch jungen Zelda erzählt, die es liebte, im Mittepunkt zu stehen, sich selbst als  moderne Frau ansah und die so gerne gleichberechtigt wie ihr Mann ihre eigenen Texte veröffentlicht sehen wollte. Ihre innere Zerrissenheit, die Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung ist spürbar. 
Sowohl Scott als auch Zelda sind auf den ersten Eindruck nicht sympathisch, denn sie neigen zu Arroganz, Dekadenz und führen ein hedonistisches Leben im Hier und Jetzt. Doch beide haben sie auch eine melancholische Seite, denn Schönheit und Erfolg sind vergänglich, weshalb sie mit Selbstzweifeln kämpfen und dem Alkohol zugeneigt sind. 

Durch die bildhaften Beschreibungen und die authentischen Dialoge werden Zelda und Scott Fitzgerald wieder lebendig. Auch kann man sich als Leser*in sehr gut in die Epoche der Roaring Twenties hineinversetzen, hat den Luxus und die ausschweifenden Partys, regelrechte Gelage, aber auch die schäbigen Hotels vor Augen. 

Das Buch ist nah an der Lebensgeschichte des Glamourpaares geschildert, wobei das "flapper girl" Zelda Fitzgerald in den Mittelpunkt gerückt wird, die sich selbst häufig nur noch als Figur wahrnahm, wenn Wirklichkeit und Fiktion sich miteinander vermischten. Nicht nur ihre Texte wurden von Scott verwendet, auch sie als Person war seine Muse, die er literarisch verarbeitete. Während Scott für sein literarisches Schaffen berühmt wurde, zeigt die Geschichte aus Zeldas Perspektive, dass Scott tatsächlich auf seine Frau und ihre Kreativität angewiesen war und er möglicherweise auch deshalb ihre Affäre mit dem französischen Piloten zuließ und niemals in eine Scheidung eingewilligt hätte. 

Diese toxische Ehe wird dramatisch und spannend erzählt und zeigt zwei schillernde Persönlichkeiten, die sich nach einer glücklichen und euphorischen Anfangszeit langsam in den Abgrund ziehen. 

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