Freitag, 28. Mai 2021

Buchrezension: Harriet Tyce - Lügen können töten

Inhalt:

Sadie ist kürzlich in das alte, efeubewachsene Haus ihrer verstorbenen Mutter in London gezogen. Ihre Tochter soll in der Stadt eine exklusive Schule besuchen. Diese Eliteeinrichtung ist extrem begehrt, unter den Schülern – und deren Eltern – herrscht Konkurrenz. Während Sadie versucht, ihrer Tochter die Eingewöhnung möglichst leicht zu machen, will sie gleichzeitig ihre Stelle als Anwältin in ihrer alten Kanzlei zurückbekommen. Tatsächlich hat sie die Möglichkeit, den Angeklagten in einem skandalösen, lügendurchzogenen Fall zu vertreten. Sie setzt sich für ihren Mandanten ein – fast schon zu sehr – und läuft Gefahr, ihre professionelle Distanz zu verlieren. Und auch in ihrem Privatleben durchschaut Sadie kaum noch, was Lüge und was Wahrheit ist. Doch diese Erkenntnis kommt zu spät. 

Rezension:

Nachdem Sadie Roper von ihrem Ehemann Andrew verlassen wurde, tritt sie notgedrungen das Erbe ihrer Mutter Lydia an und zieht mit ihrer zehnjährigen Tochter Robin zurück nach England in das Haus der verstorbenen Mutter. Das Erbe ist allerdings an eine Bedingung geknüpft, weshalb Sadie Bedenken hatte. Robin soll die Ashams School besuchen, auf die Sadie bereits gegangen ist. Die Schule ist elitär und vor allem die ehrgeizigen Eltern üben Druck auf die Schüler aus, treiben sie an, die Besten zu sein. 
Nach der Geburt ihrer Tochter hatte Sadie nicht mehr als Rechtsanwältin gearbeitet, möchte aber wieder in ihren Beruf zurückkehren. Mit Glück findet sie eine Anstellung als Junioranwältin in der Kanzlei, in der eine alte Freundin arbeitet, und soll dort die Verteidigung eines wegen sexuellen Missbrauchs angeklagten Lehrers unterstützen. Die Anschuldigung wiegt schwer, allerdings ist die Klägerin, eine 17-jährige Schülerin, wenig glaubwürdig. 

Das Buch besteht aus verschiedenen Handlungssträngen rund um Sadie und ihre Tochter und man ahnt zunächst nicht, wie diese zusammengehören könnten. Fraglich ist bereits Sadies Vergangenheit, das zerrissene Verhältnis zu ihrer Mutter, das seltsame Verhalten ihres Ehemanns und die fluchtartige Trennung. Zudem bereitet ihr Robin Sorge, die sich an ihrer neuen Schule unwohl fühlt und ganz offen ausgegrenzt wird. Auch Sadie hat als Berufstätige einen schweren Stand unter den Müttern. Das schon an Mobbing grenzende Verhalten der Mütter und ihrer Kinder ändert sich erst, als sie erfahren, dass Sadie früher die Schule besuchte und damit eine "von ihnen" ist. Plötzlich wird Sadie im Kreis der Mütter willkommen geheißen und kann den Einladungen kaum entfliehen. Dennoch ebbt das Konkurrenzdenken nicht ab, wobei sich der Druck auf Robins Mitschüler erhöht, denn ihre Zensuren sind tadellos. 

Ein weiterer, nur in knappen Kapiteln erzählter Handlungsstrang handelt von der verzweifelten Suche einer Mutter nach ihrer Tochter, die offenbar nach einem Wochenendausflug nicht zurückgekehrt ist. 

Nach einer anfänglich eher unerklärlichen Angst Sadies entwickelt sich die Geschichte gemächlich, die Spannung wird langsam aufgebaut, bevor man sich fragt, ob für Robin eine abstrakte oder konkrete Gefahr besteht und ob diese eher von ihrem undurchsichtigen Vater oder von den neidvollen, hysterischen Müttern ausgehen könnte. Auch ist unklar, wem Sadie wirklich trauen kann, wie ihre alte Freundin Zora einzuschätzen ist und was es mit ihren neuen Freundinnen auf sich hat. 
Unabhängig von Sadies Privatleben sorgt auch der Gerichtsprozess für Spannung, denn auch hier fällt es schwer einzuschätzen, wer vor Gericht lügt - die selbstbewusst auftretende Schülerin, die allerdings dazu neigt, sich in den Mittelpunkt zu drängen oder der verschüchterte junge Lehrer, der bei allen Schülerinnen äußerst beliebt ist. 

Ab einem gewissen Zeitpunkt ist der Aufbau des Romans durchschaubar und die kommenden Ereignisse lassen sich bereits erahnen, weshalb die Spannung sich am Ende trotz aller Dramatik nicht steigert, sondern abflacht. Auch wie die einzelnen Erzählstränge letztlich zusammengeführt werden, überzeugt nicht so ganz. Die Auflösungen und Erklärungen sind etwas kurz gegriffen und am Ende hat man das Gefühl, dass einfach zu viel auf einmal in die Geschichte gepackt wurde, so dass kein Handlungsstrang logisch und zufriedenstellend abgeschlossen wird. 

"Lügen können töten" ist ein rätselhafter Roman mit Thrillerelementen, bei dem es schwerfällt einzuschätzen, von wo die eigentliche Gefahr droht, die unterschwellig von Anbeginn vorhanden ist. Die Geschichte ist allerdings etwas überladen, weshalb die schnelle Auflösung am Ende nicht ganz befriedigend ist. 

2 Kommentare:

  1. Hallo Lena,
    ah, wie schade, dass die Handlung durchschaubar war und sich am Ende die Ereignisse überschlagen haben. Gerade durch den Klappentext hätte ich mir auch eine gehörige Portion Spannung im Roman erwartet. Ich danke dir für die aussagekräftige und hilfreiche Rezension.

    Liebe Grüße
    Tanja

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  2. Liebe Tanja,

    vielen Dank für dein Feedback! Ich hatte mir aufgrund des Klappentextes auch einen spannenderen Roman erwartet. Aber vielleicht steht deshalb bewusst "Roman" auf dem Cover und nicht "Thriller", um keine falschen Erwartungen zu wecken.

    Ich wünsche dir ein verbleibendes schönes Wochenende.

    Liebe Grüße
    Lena

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