Montag, 1. April 2019

Buchrezension: Vea Kaiser - Rückwärtswalzer

Inhalt: 

Als Onkel Willi stirbt, stehen der Drittel-Life-Crisis geplagte Lorenz und seine drei Tanten vor einer Herausforderung. Willi wollte immer in seinem Geburtsland Montenegro begraben werden. Doch da für eine regelkonforme Überführung der Leiche das Geld fehlt, begibt man sich kurzerhand auf eine illegale Fahrt im Panda von Wien Liesing bis zum Balkan. Auf der 1029 Kilometer langen Reise finden die abenteuerlichen Geschichten der Familie Prischinger auf kunstvolle Weise zueinander.

Mirl, die älteste der Schwestern, muss nach dem Krieg schon früh Verantwortung übernehmen und will nur weg aus dem elterlichen Gasthof, weg vom Land. Doch weder die Stadt noch ihre Ehe entwickeln sich so, wie sie es sich erträumte. Wetti interessiert sich bereits als Kind mehr für Tiere als für Menschen. Als Putzfrau im Naturhistorischen Museum kennt sie die Präparate der Sammlungen bald besser als jeder Kurator, und als alleinerziehende Mutter einer dunkelhäutigen Tochter schockiert sie die Wiener Gesellschaft. Und Hedi, die Jüngste im Bunde, lernt Willi zu einem Zeitpunkt in ihrem Leben kennen, an dem sie mit selbigem fast schon abgeschlossen hat. Denn die drei Schwestern haben in jungen Jahren einen schweren Verlust erlitten. Und sie alle geben sich die Schuld daran. 


Rezension: 

Lorenz ist ein Schauspieler, der derzeit keine Rolle hat und chronisch knapp bei Kasse ist. Als ihn dann auch noch seine Freundin Sophie verlässt und ihm die schon gewohnte Unterstützung entzieht, sieht sich Lorenz gezwungen, seine Wohnung unterzuvermieten und zieht kurzerhand zu seiner Tante Hedi und ihrem Langzeit-Lebensgefährten Willi. Dort gehen auch ihre beiden Schwestern Mirl und Wetti ein und aus, so dass Lorenz rund um die Uhr umsorgt wird und vor allem kulinarisch keine Wünsche offen bleiben. 
Unerwartet stirbt Willi an Herzversagen und sein Wunsch war es, in seiner Heimat Montenegro begraben zu werden. Dummerweise hat Hedi das Geld, das Willi für die Beerdigung zurückgelegt hat, in den veganen Online-Shop der Tochter investiert, so dass die Überführung durch einen Bestatter nicht bezahlt werden kann. Die Tanten beschließen, Willi selbst nach Montenegro zu bringen, denn 1029 Kilometer sind schließlich nicht weit und in einem halben Tag zu schaffen. Da keine von ihnen jemals Auto gefahren ist, muss Lorenz notgedrungen mit Willis Panda, Willi auf dem Beifahrersitz und den aufgeregten Tanten auf der Rückbank die Fahrt durchführen. Denn in der Familie wird Zusammenhalt noch groß geschrieben, bei den Prischingers galt von jeher das Motto "Niemand wird zurückgelassen". 

"Rückwärtswalzer" ist mehr als ein absurder Roadtrip einer Familie mit eigenwilligen Charakteren. Der Roman wechselt zwischen der Gegenwart in Wien und der Fahrt nach Montenegro und der Vergangenheit, die auf die Geschichte der Familie Prischinger zurückblickt, ab. Durch die Rückblenden werden die Leben der fünf Geschwister Mirl, Wetti, Hedi, Sepp und Nenerl von ihrer Kindheit in den 1950er-Jahren, ihrem Heranwachsenden und prägende Episoden aus ihrem Erwachsenenalter erzählt. Auf diese Weise lernt man Lorenz' Tanten, die auf den ersten Eindruck etwas abschreckend und überdreht wirken, besser kennen und man kann ihre Motive für die weitere Handlung nachvollziehen. 
Die persönliche Überführung Willis, um seinen letzten Wunsch zu erfüllen, rüttelt jede einzelne Figur wach und bedeutet für jeden einen Neuanfang. 

Die Geschichten aus der Vergangenheit berühren und haben mir besser gefallen als die Handlung in der Gegenwart, die unterwegs mit einer tiefgefrorenen Leiche zwar unterhaltsam, aber auch etwas gewollt komisch wirkte. 





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