Freitag, 1. Mai 2020

Buchrezension: Celia Anderson - Die kleinen Geheimnisse des Herzens

Inhalt:

May Rosevere, eine rüstige Dame in gesegnetem Alter, genießt ihren Lebensabend in dem kleinen Dorf Pengelly in Cornwall. Als Emily, die Enkelin ihrer Nachbarin, anreist, um ihr Leben neu zu ordnen, beobachtet May Emilys Bemühungen mit Interesse und Wohlwollen. Denn seit einem tragischen Vorfall vor ein paar Jahrzehnten, in den die Familien beider Frauen verwickelt waren, fühlt sich die alte Dame Emilys Familie gegenüber schuldig. May würde die Zeit wahnsinnig gerne zurückdrehen. Aber da es für sie selber schwierig ist, ihr Leben umzukrempeln und von vorne anzufangen, beschließt sie, stattdessen Emily zu helfen - wenn auch mit etwas unkonventionellen Methoden. 

Rezension:

May Rosevere ist 110 Jahre alt und lebt immer noch allein in ihrem Cottage in Pengelly in Cornwall. Ihr Nachbar, der alleinerziehende Vater Andy, hat ein Auge auf die rüstige alte Dame. Als im Dorf ein Projekt mit Leihomas und Leihopas initiiert wird, wird auch May daran beteiligt und zur Leihoma der 85-jährigen Julia, mit der sie seit Jahrzehnten ein sehr angespanntes Verhältnis pflegt. Als May jedoch von alten Briefen aus den 1950er- und 1960er-Jahren erfährt, die Julia in ihrem Haus hat und die Basis für einen Roman sein könnten, lässt May sich auf das Projekt ein. 

Mays Ziel ist es, 110 Jahre alt zu werden. Die Lebensenergie saugt sie sich aus Erinnerungen von anderen, geht sogar soweit, kleine "Souvenirs einzustecken, um von den Glücksmomenten, die sie durch sie empfindet, noch länger zu profitieren. Als May registriert, dass sie Julia durch den Diebstahl der Erinnerungen aus den Briefen immer weiter schwächt, bekommt sie Gewissensbisse. Auch die Vergangenheit, der Tod ihres Mannes Charles und die unglückliche Ehe, die sie führten, lassen sie nicht los. 

Erst durch die Ankunft von Emily, Julias Enkelin aus New York City, kommt es bei May zu einem Umdenken. Sie verspürt inzwischen sogar freundschaftliche Gefühle für Julia und möchte sie dabei unterstützen, dass Emily länger in Cornwall bleibt. Auch Andy soll seinen Teil dazu beitragen. 

Während des Lesens von "Die kleinen Geheimnisse des Herzens" fühlt man sich sehr anschaulich an die Küste Englands, an den kleinen Ort in Cornwall mit den überwiegend lebensälteren Bewohner versetzt. Die beiden älteren Damen May und Julia stehen im Zentrum der Geschichte und auch wenn sie meine Großmütter oder Urgroßmütter sein könnten, konnte ich mich sehr gut in die beiden hineinversetzen. May ist dabei der interessantere Charakter. Sie hat in ihrem langen Leben Fehler gemacht und andere verletzt, kommt aber an ihrem Lebensende zur Einsicht und möchte Wiedergutmachung üben. Aber auch Julia macht eine Veränderung durch, indem sie den Tod ihres kürzlich verstorbene Ehemannes Don verarbeitet und auch dank Emily wieder positiver in die Zukunft blicken kann. 

Der Zauber um die Macht der Erinnerungen verleiht dem Buch einen Hauch von Mystik und gibt der Handlung einen sehr interessanten Rahmen, steht aber neben den anderen Erzählsträngen nicht allein im Vordergrund. 

"Die kleinen Geheimnisse des Herzens" ist ein Roman über Familie, Freundschaft, das Älterwerden, Einsamkeit und Geheimnisse aus der Vergangenheit. Durch mehrere Wendungen kann der Spannungsbogen durchweg aufrechterhalten werden. Zudem besticht der Roman neben der vielschichtigen Geschichte durch facettenreiche Charaktere und eine warmherzige, unterhaltsame Erzählweise. 
Es ist eine so einnehmende Geschichte, dass man sich als Leser schon fast als Teil dieser solidarischen Dorfgemeinschaft fühlt. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass mir am Ende mancher Erzählstrang zu abrupt und mit einem Hauch von Kitsch zu gewollt positiv enden musste. 



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