Freitag, 3. März 2023

Buchrezension: Anna Shinoda - Die Mitte von allem

Inhalt: 

Clare liebt ihren Bruder Luke über alles – er ist ihr strahlender Held, mit dem sie Abenteuer erlebt, der ihr das Schwimmen beibringt und der sie beschützt. Seit ihrer Kindheit sitzt Luke jedoch immer wieder im Gefängnis. Als er nun nach vier Jahren frühzeitig entlassen wird, hofft sie, dass er sich dieses Mal geändert hat. Aber bald darauf wird Luke erneut verhaftet. Während Clares Eltern versuchen, den schönen Schein zu wahren, und Luke immer wieder mit offenen Armen empfangen, beginnt Clare, an seiner Unschuld zu zweifeln. War er nur zur falschen Zeit am falschen Ort? Als Clare schließlich selbst in Lukes Machenschaften hineingezogen wird, will sie wissen, wer ihr Bruder wirklich ist. Sie geht der Vergangenheit auf den Grund. Doch was sie dort findet, übertrifft ihre schlimmsten Befürchtungen. 

Rezension: 

Clare ist 17 Jahre alt, als ihr älterer Bruder Luke nach vier Jahren - wieder einmal - aus dem Gefängnis entlassen wird. "Zur falschen Zeit am falschen Ort", so haben seine Eltern scheine Schuld vor ihrer Tochter und ihrem Sohn Peter jedes Mal verdrängt. Inzwischen begreift Clare allerdings, dass Luke nicht immer nur Pech gehabt haben und unschuldig verurteilt worden sein kann. Sie liebt ihn dennoch abgöttisch, hat er seinen kleinen "Piepmatz", wie er sie liebevoll nennt, stets beschützt, macht sich aber Sorgen, wie lange Luke wieder bei ihnen sein wird oder ob er wieder in eine Abwärtsspirale geraten wird. 

Währenddessen herrscht eine angespannte Atmosphäre zu Hause, die dafür sorgt, dass die Eltern aus Gereiztheit und Fürsorge noch strenger zu Clare sind, die sich das ausgerechnet in den Sommerferien nicht gefallen lassen möchte, aber gleichzeitig auch nicht aus ihrer Haut kann, die gewissenhafte Schülerin und folgsame Tochter zu sein. 

Der Roman schildert den Sommer, als Luke vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wird und erneut beim Versuch einer Bewährung zu scheitern droht. Er ist aus der Sicht von Clare geschrieben, die persönlich die liebe volle Seite ihres Bruders kennt, aber auch sieht, wie Luke von der Kleinstadt als Verbrecher stigmatisiert wird. Sie wünscht ihm, dass er Arbeit findet und endlich Fuß fassen kann, fühlt sich von ihren Eltern aber auch ungerecht behandelt, da Luke stets mit offenen Armen empfangen wird und ihr wegen jeder Kleinigkeit Bestrafungen drohen. 

Unterbrochen wird die Gegenwart durch Rückblenden aus Clares Kindheit und wie sei ihren Bruder damals erlebt hat. 

"Die Mitte von allem" ist ein Jugendroman, der ein packendes Familiendrama schildert. Durch die einfühlsame Schilderung aus Sicht der jungen Clare, kann man sich sehr gut in ihre Situation hineinversetzen und bewundert sie einfach nur dafür, wie sie die Situation bei ihren Eltern so stoisch erträgt. Sie ist eine Musterschülerin und hilfsbereite, brave Tochter, was von ihren Eltern aber nicht honoriert wird. Diese erlauben Clare wenig und bestrafen die fast volljährige Tochter nur zu gerne mit diversen Schikanen. Das mittlere Kind Peter geht dabei etwas unter und ist der einzige, der zu Luke auf Distanz geht. 
Bis auf Clare, die ihrem Alter entsprechend noch etwas naiv, dafür aber umso liebenswerter ist, polarisieren die Charaktere, sind oft unfair und anstrengend, weshalb die Geschichte so aufwühlend ist.

Berührend ist für den Leser zu erkennen, wie ein Familienmitglied eine ganze Familie zugrunde richten kann. Die Eltern sind hilflos und fokussieren sich auf ihre Jüngste und schränken ihre Freiheit ein, nachdem sie ihrem älteren Sohn offenbar zu viel davon gegönnt haben. Luke nehmen sie dennoch im Alter von 29 Jahren wieder in ihrem Haus auf, kommen aber nicht so nah an ihn heran, um ihn vor dem kriminellen Milieu zu schützen. 

Dramatisch, emotional und fesselnd geschrieben, verfolgt man gespannt, ob dieser Sommer in einer Katastrophe enden wird und wie Clare damit leben kann, einen Straftäter zu lieben. Die Hoffnung bleibt, dass Luke die Kurve kriegt, nicht wieder straffällig wird und damit auch die Familie von Sorge, Schuld und steter Unsicherheit befreit.


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