Freitag, 17. Mai 2019

Buchrezension: Erika Bianchi - Wir sind nicht wie Eidechsen

Inhalt: 

Alles beginnt mit einer Beerdigung. Der Familienpatriarch Zaro ist tot, und das toskanische Dorf Ponte a Emo trägt ihn zu Grabe. Nur seine Tochter Isabelle ist nicht gekommen, denn sie und Zaro verbindet eine Geschichte, deren Wurzeln so tief reichen, wie die Verletzungen, die daraus resultierten. Die Nacht, in der Isabelle gezeugt wurde, schien das Schicksal der Frauen in der Familie zu bestimmen – auch das von Isabelles beiden Töchtern, gerufen Eidechse und Kolibri, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Erzählt von unserer Zeit bis zu der Nacht, in der alles begann, nimmt diese Familiengeschichte von vier Generationen Gestalt an, in der es Liebe und Einsamkeit gibt, aber auch Tiergeschichten und Träume, die vererbt werden wie Schätze.  

Rezension: 

Während der Tour de France 1948 begegnet die 15-jährige Französin Lena dem Radsportler Zaro Checcacci und wird nach einer gemeinsamen Nacht ungewollt schwanger. Neun Monate später bringt sie Isabelle zur Welt, die von Zaro nie akzeptiert werden wird. 
Je älter Isabelle wird, desto verletzter ist sie über diese Tatsache, fühlt ungeliebt und hat deshalb später auch Probleme, ihren beiden Töchtern Cecilia und Marta die benötigte Liebe entgegen zu bringen, fühlt sich gar um ein freies Leben betrogen und hadert mit der Mutterschaft, die durch die gefühlte Konkurrenz mit ihren Töchtern ihre Ehe bedroht. 1989 verlässt Isabelle den Vater ihrer Kinder für den Franzosen Jules, kehrt Rom und ihren Töchtern den Rücken und zieht nach Paris. Vor allem die jüngere der beiden Töchter, die damals 12-jährige Cecilia, hat diesen Verlust nie verwunden und spürt ihrer Mutter gegenüber eine unverzeihliche Wut, die sie in die Magersucht treibt. Nur durch das restriktive Essverhalten hat sie das Gefühl, überhaupt etwas in ihrem Leben kontrollieren zu können. 

Die Geschichte beginnt mit dem Tod von Zaro und einer Rückblende auf die verhängnisvolle Nacht, in der Isabelle gezeugt wurde und wird fortan rückwärts erzählt. Es ist eine ungewöhnliche Familiengeschichte, die in Italien und Frankreich handelt und sich von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart über vier Generationen erstreckt. 
Zu Beginn benötigt es einiges an Konzentration, die handelnden Personen zu überblicken, um die Familienbande zu erfassen. Die Perspektiven wechseln je Kapitel, ohne dass eine Kennzeichnung erfolgt. Alle Charaktere wirken jedoch glaubwürdig, ihre Motive nachvollziehbar, so dass die Handlung vor allem durch die polarisierenden Protagonisten Isabelle und Cecilia bald einen Sog entwickelt. 

Es geht um verletzte Gefühle, Enttäuschung, die sich mitunter in Wut und Hass manifestiert. Sehr eindringlich wird dargestellt, wie ein Ereignis in der Vergangenheit sich auf die nachfolgenden Generationen auswirken und ihr Glück bedrohen kann. Ein Kind, das nie geliebt wurde oder sich stets unerwünscht gefühlt hat, wird nie eine gute Mutter sein können. Statt Mutterinstinkt und Geborgenheit dominiert Konkurrenz, Neid und Ablehnung. Schlüssel kann nur die Versöhnung sein, um sich aus dem Teufelskreis aus Enttäuschungen zu retten und so wirkt das Ende trotz jahrelang angewachsener Verbitterung versöhnlich. 

Den Rahmen des Familiendramas bilden die Gute-Nacht-Geschichten von Martas und Cecilias Vater Carlo aus der Tierwelt, in welchen er die Verhaltensweisen von verschiedenen Tieren im Hinblick auf das Paarungsverhalten und die Aufzucht der Nachkommen für seine Töchter spannend erzählt und für den Leser unweigerlich Parallelen zu den Menschen und handelnden Personen gezogen werden können. 




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen