Mittwoch, 15. Mai 2019

Buchrezension: Christoph Dörr - Im Luftschloss wohnt kein Märchenprinz

Inhalt: 

Meeresbiologin Anna liebt ihr ruhiges Leben an der Ostseeküste und vor allem ihren Beruf. Auf Männergeschichten hat sie gerade keine Lust, wenn überhaupt sucht sie die Liebe und kein Abenteuer. Doch plötzlich ändert sich alles, denn ihre Mutter verstirbt unerwartet, und Anna muss zurück in ihre Heimat bei Köln reisen. Wer kümmert sich jetzt um ihren Bruder und den kauzigen Vater? Anna merkt, dass weder das Familienleben noch der Märchenwald, den sie dort betreiben, wirklich rund laufen. Sie denkt sich: Wenn mein Leben Kopf steht, laufe ich eben auf Händen weiter. Zwischen Renovierung, chaotischen Helfern und Schneewittchens Geheimnis findet Anna zu sich selbst und vielleicht sogar einen Märchenprinzen. 

Rezension:

Anna Herzig ist 40 Jahre alt und arbeitet als Meeresbiologin an der Ostsee, wobei sie sich engagiert für den Umweltschutz einsetzt. Als ihre Mutter überraschend stirbt, kehrt sie für ein Sabbatical zurück in ihre Heimat Auendorf bei Köln, um ihren überforderten Vater zu unterstützen, der dort einen kleinen Freizeitpark betreibt. Der Märchenwald hat schon bessere Tage gesehen, wirkt leicht heruntergekommen und die Besucher bleiben schon länger aus. Während ihr Vater den Märchenwald, der tief in den roten Zahlen steckt, ohne seine Ehefrau Ilse verkaufen und sich resigniert zur Ruhe setzen möchte, möchte Anna den Lebenstraum ihrer Mutter und ihres Großvaters noch nicht aufgeben und bittet um Aufschub des Verkaufs, um den Märchenwald retten zu können. 

Anna wirkt für ihr Alter jung und agiert recht blauäugig bei den Maßnahmen zur Renovierung zum Erhalt des Märchenwaldes. Trotz aller Widrigkeiten, zu denen auch eine dominante Tante zählen, die einen Verkauf für ein schnelles Erbes erzwingen möchte, mit denen Anna zu kämpfen hat, um das Werk ihres "Märchenopas" vor der Pleite zu retten, kümmert sich Anna auch noch liebevoll um ihren älteren behinderten Bruder Flori. 

Der Märchenwald mit seinen zahlreichen Figuren, die die Grimmschen Märchen inszenieren, wirkt nostalgisch, aber durch die echten Tiere gleichzeitig lebendig und mutet wie ein schöner Kindheitstraum an. Es ist nachvollziehbar, dass Anna dem Freizeitpark, dem neues Leben eingehaucht werden muss, nicht ohne Weiteres aufgeben möchte, allerdings kehrt sie ihrem Leben in Warnemünde und ihrem Traumberuf auch sehr einfach den Rücken. 

Der Roman ist humorvoll geschrieben, wobei die Dialoge stellenweise etwas künstlich und gewollt wirkten. Der Verlauf der Handlung ist sprunghaft, was dadurch gefördert wird, dass weitere Handlungsstränge eröffnet werden, die aber nur halbherzig fortgesetzt werden. So spielen Floris Behinderung oder die Behandlung von Minderheiten, die Zweifel von Anna um verpasste Chancen und die Frage, wo sie ihren Lebensmittelpunkt sieht und ein Relikt im Märchenwald immer mal wieder eine Rolle, verwirren jedoch eher als die Geschichte interessanter zu gestalten. Die Liebesgeschichte, die so nebenbei erzählt wird, überzeugt mangels Emotionen überhaupt nicht. Der Titel ist deshalb meiner Meinung nach unglücklich gewählt, da er eine andere Erwartungshaltung weckt. Annas "Märchenprinz" passte nicht zu ihr und benahm sich am Ende nicht nachvollziehbar unterwürfig und schlichtweg lächerlich. 

Mich konnte die Handlung nur am Anfang gut unterhalten, der Mittelteil war sehr zäh, das Ende unrealistisch oder positiver ausgedrückt: märchenhaft. Die Wendungen sind zu glücklich gewählt, um der Geschichte gezwungen zu einem Happy End zu verhelfen. 
Der Märchenwald hatte bei mir das Interesse für den Roman geweckt und als Rahmen für die Handlung wirklich gut gefallen, der holprige Handlungsverlauf und die lieblose Liebesgeschichte haben mich dagegen enttäuscht
Die Recherche um die Echtheit des Relikts haben ein großes Fragezeichen bei mir hinterlassen, ob die Schlussfolgerung den Fantasien des Autors entsprungen ist oder tatsächlich einen realen Hintergrund hat. Ein Nachwort oder Quellenbelege hätte ich diesbezüglich aufschlussreich gefunden.  


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