Freitag, 29. Dezember 2023

Buchrezension: Clare Mackintosh - Spiel der Lügner (Ein Fall für Ffion Morgan, Band 2)

Inhalt:

Großbritannien hat eine neue TV-Sensation: In der Reality-Show "Exposure" stellen sich sieben völlig Fremde in den walisischen Bergen einem Wettbewerb. Auch Detective Ffion Morgan schaut zu, denn die Show wird ganz in der Nähe ihres Heimatdorfes aufgezeichnet, und ihre Postbotin ist eine der Kandidatinnen.
Die Teilnehmer der Show erfahren allerdings erst jetzt, worauf sie sich eingelassen haben: Jeder von ihnen hütet ein Geheimnis, das sein oder ihr Leben verändert hat. In dem teuflischen »Spiel« geht es um nichts Geringeres, als die Geheimnisse der Kontrahenten ans Licht zu bringen – live auf Sendung!
Schon in der ersten Nacht verschwindet ein Kandidat spurlos, offensichtlich in Panik. Als die Show immer weiter aus dem Ruder läuft und schließlich die erste Leiche auftaucht, steckt Ffion Morgan mitten in einer verzwickten Mord-Ermittlung: Jeder ihrer Verdächtigen hat ein Alibi – und ein Geheimnis, für das es sich zu töten lohnt.
Nur gut, dass der Fall sich nach England ausweitet, wo Detective Leo Brady nur zu gern seine Hilfe anbietet. 

Rezension: 

Eine neue Reality-TV-Show wird in Wales an der Grenze zu England gedreht. Die Kandidaten sind davon ausgegangen, dass sie sich für ein Survival Camp in den Bergen angemeldet haben, stattdessen geht es darum, vor laufender Kamera ihr dunkelstes Geheimnis zu enthüllen. Einer der Teilnehmer nimmt deshalb schon in der ersten Nacht Reißaus und wird vermisst.
Detective Constable Ffion Morgan von der walisischen Polizei macht sich zusammen mit ihrer neuen Kollegin Georgina auf die Suche nach Ryan, der als psychisch labil und gewalttätig gilt. Unterstützung erhalten sie von den Kollegen aus England und DS Leo Brady. Mit ihm hat Ffion bereits vor 17 Monaten zusammen an einem Mordfall in der Grenzregion gearbeitet und ist ihm auch privat näher gekommen. Nachdem sie die Beziehung nicht weiter forciert hat, ist ihr Verhältnis angespannt.
Während die fragwürdige TV-Show in den Medien auf ein geteiltes Echo trifft und der Produzent öffentlich angefeindet wird, ereignet sich ein Mord, der mindestens die bereits ausgeschiedenen Kandidaten der Show verdächtig macht, aber letztlich haben sie alle ein Geheimnis, das sich als Motiv eignet.

"Spiel der Lügner" ist nach "Die letzte Party" Band 2 der Reihe "Ein Fall für Ffion Morgan".

Sieben nicht prominente Fremde treffen in den Waliser Bergen für die TV-Show "Exposure" aufeinander, um das Geheimnis der anderen zu enthüllen, bevor ihr eigenes publik wird. Wie von Reality-Shows gewöhnt und auch vom voyeuristischen Publikum erwartet, werden die Teilnehmer nicht geschont, sondern täglich unter Druck gesetzt, ausgewählt und mit ihren tiefsten Ängsten in der "Beichtkammer" konfrontiert zu werden.

Aus wechselnden Perspektiven taucht man in die Handlung ein und erhält Einblicke in die beiden unterschiedlichen Ermittler, die undurchsichtigen Kandidaten und die Zuschauer vor den Fernsehern.
Die Aufklärung des Falls, der sich von einer Vermisstensuche zu einer Mordermittlung entwickelt, ist wie schon in Band 1 unterhaltsam und humorvoll, denn Ffion ist eine eigensinnige Ermittlerin, die aneckt und zusammen mit ihrem Tierheimhund Dave unkonventionell und reichlich chaotisch auftritt.

Im Verlauf der Handlung werden die perfiden Machenschaften der Produzenten hinter der TV-Show deutlich und dass es letztlich vor allem darum geht, die Quote zu erhöhen, ohne Rücksicht auf die persönlichen Befindlichkeiten der Kandidaten zu nehmen. Die Mehrzahl der Menschen möchte solche reißerischen TV-Formate sehen, aber dennoch ist die Realityshow auch vor Kritikern nicht gefeit.

Durch die überschaubare Anzahl der Verdächtigen, die aber alle ein Mordmotiv haben, sind die Ermittlungen nicht einfach und als Leser kann man nur spekulieren, wer der Täter ist. Auch die persönliche Involvierung von Ffion, die in der Grenzregion aufgewachsen ist und sowohl Teile der Crew als auch der Kandidaten kennt, geben der Geschichte eine spannende Note. Ihr Interessenkonflikt wird ihr sogar fast zum Verhängnis. 

Während die Polizei Verdächtige und ihre Alibis überprüft und wieder verwirft, erfährt man auch durch Rückblenden immer mehr Details über die handelnden Personen und den Hintergrund der TV-Show und auf welchen Geheimnissen und Lügen die Sendung aufgebaut ist. Die Eskalation der Situation ist deshalb nachvollziehbar und macht den Fall authentisch.  

"Spiel der Lügner" ist ein ausgeklügelter Kriminalfall um dunkle Geheimnisse, Ängste vor Bloßstellung und Verrat und ist vor dem Hintergrund der bitterbösen TV-Landschaft und den Intrigen zur Steigerung von Reichweite und Ruhm zudem am Puls der Zeit. Band 2 kommt nicht ganz an Band 1 heran, der fesselnder aufgebaut und atmosphärischer geschildert ist. 

Mittwoch, 27. Dezember 2023

Buchrezension: Tasmina Perry - Drei Tage Manhattan: Begleitung gesucht

Inhalt:

"Ältere Dame sucht nette Begleitperson für Abenteuer in Manhattan. Reisezeit 22. bis 26. Dezember." 
Amy Parrett, der jungen New-Yorkerin in London, kommt diese Anzeige wie gerufen. Statt den erhofften Heiratsantrag hat sie gerade einen Laufpass erhalten und ihr wäre nichts lieber, als die Festtage bei ihrer Familie zu verbringen. Die elegante Georgia Hamilton ist zwar genau ihr Gegenteil, gewinnt die spontane Amy aber sofort lieb. Als sie im weihnachtlichen Manhattan vom gebrochenen Herzen ihrer Begleiterin erfährt, beginnt sie die eigene tragische Liebesgeschichte zu erzählen, die zurück in die prunkvolle Londoner Ballsaison des Jahres 1958 reicht. Amy begreift, dass sie helfen könnte, Georgias tiefe Wunde zu heilen.

Rezension:

Die New Yorkerin Amy ist vor zwei Jahren nach London gezogen, um dort als Tänzerin Karriere zu machen. Nach einem Unfall arbeitet sie aufgrund einer Verletzung am Zeh jedoch übergangsweise in einem Restaurant und hatte sich von ihrem Freund Daniel kurz vor Weihnachten einen Heiratsantrag erhofft. Der angehende Diplomat weist sie stattdessen ab, um alleine nach Washington zu gehen und seine Karriere fortzusetzen. Amy passe nicht in die gehobenen Kreise, in denen er sich bewegt. 
Enttäuscht stößt Amy auf eine Anzeige, mit der eine ältere Dame eine Reisebegleitung über Weihnachten nach New York sucht. Für Amy kommt diese wie gerufen, kann sie so doch auch zu den Feiertagen ihre Familie besuchen. 

Der Roman handelt auch zwei Zeitebenen - im Sommer 1958 und im Dezember 2012, wobei die Geschichte von Georgia in der Vergangenheit einen größeren Anteil ausmacht. Georgia ist die ältere Dame, die als Jugendliche 1958 in die Londoner Gesellschaft eingeführt wurde und den Sommer über Debütantinnenbälle besuchte. Sie träumte davon, eine berühmte Schriftstellerin zu werden und verliebte sich in diesen Monaten in den Oxford-Studenten Edward. Georgia bewegt sich zwar in höheren Kreisen, kommt selbst aber aus eher ärmlichen Verhältnissen, da ihr Vater im Krieg gefallen ist. Es ist eher der Wunsch der Mutter, dass Georgia einen wohlhabenden potentiellen Ehemann findet. Georgia wirkt zwar bodenständig und nicht auf den Kopf gefallen, tritt bei den Bällen aber stets in Fettnäpfchen, weshalb Edward immer wieder als ihr Retter fungieren muss. Die Geschichte in der Vergangenheit ist sehr auf die Feierlichkeiten der Schönen und Reichen und eine Art Brautschau reduziert. 

Der Erzählstrang in der Gegenwart lag mir deshalb bis zur Ankunft in New York näher. Amy bildete sich rückblickend ein, dass ihre Beziehung zu Daniel nur daran gescheitert ist, dass sie mit den Gepflogenheiten der illustren Kreise nicht vertraut war. Sie bittet deshalb Georgia sie in die Regeln der Upper Class einzuweihen, weshalb diese ihr zunächst neue Outfits spendiert und einen Benimmkurs bietet. Diese Entwicklung der Geschichte enttäuschte mich, da ich sie wenig wirklichkeitsnah empfand. So ist der Handlungsstrang der Gegenwart im Vergleich zur Vergangenheit, in der zumindest etwas Leidenschaft zu spüren war, doch eher platt. Amys Anbiedern an eine - zugegebenermaßen etwas klischeehaft dargestellte - obere, versnobte Gesellschaftsschicht war für mich nicht nachvollziehbar und empfand diese fast schon als entwürdigend, insbesondere da ich bei ihrer Liebe zu Daniel keine Emotionen verspürte. 

Mit "Drei Tage Manhattan - Begleitung gesucht" erhält man Einblick in eine tragische Lebensgeschichte, die berührt, aber wirklich überzeugen konnte mich keiner der beiden Erzählstränge. Mir waren die Protagonistinnen, insbesondere Amy, dafür zu sehr auf das Suchen und Finden eines Märchenprinzens beschränkt. Als Charaktere blieben sie zu blass und ohne Persönlichkeit. 



Montag, 25. Dezember 2023

Buchrezension: Kristina Fritz - Die Wolkengucker

Inhalt:

Matt Williams kann nicht verstehen, warum seine kleine Tochter Mia so hingebungsvoll Wolken betrachtet. Sie sieht darin eine ganze Welt, für ihn sind es schlicht viele kleine Wassertröpfchen. Das ändert sich, als er und Mia die alte Wilma kennenlernen. In ihrer alten Münchener Villa trifft sich nämlich die Wolkengucker-Gesellschaft, eine Grüppchen der unterschiedlichsten Menschen. Hier teilt man nicht nur Mias Liebe zu den Zuckerwatte- und Sahneeis-Gebilden am Himmel, sondern noch viel mehr. 

Rezension: 

Die Freundin Margarete der fast 90-jährigen Wilma von Eidsfeld hat immer gern in die Wolken geblickt und darin Figuren und Gegenstände erkannt. Auch Wilma, ehemalige Hobbypilotin, ist fasziniert von den Wolken und gründet in Gedenken an ihre verstorbene Freundin die Vereinigung der Wolkengucker. Jeden Sonntag trifft man sich in der Villa der älteren Dame und guckt gemeinsam in die Wolken. Anfangs nur zögerlich, kommen später immer mehr Personen dazu, denn der Club dient bald nicht nur dazu, gemeinsam die vorüberziehenden Wolken zu betrachten, sondern sich gegenseitig Halt und Unterstützung zu geben. 

Wilma wird dabei liebevoll von ihrer Putzhilfe Ayla umsorgt, die den Job dringend benötigt und Wilma möglichst lange fithalten möchte. Nachbar Ferdinand Huber ist Mobbing-Opfer an seinem Arbeitsplatz und findet in dem Club eine Gemeinschaft. Besonders eifrig ist die achtjährige Mia, die mit ihrer Mutter das Phänomen der Wolken betrachtet hat und nach ihrem Tod allein mit ihrem Vater wohnt, der von der Trauer um seine Frau wie gelähmt ist. 

Kristina Fritz ist ein Pseudonym der Autorin Kristina Günak, die für ihre warmherzigen Geschichten über Liebe und Freundschaft bekannt ist. Auch "Die Wolkengucker" ist eine eingängige, herzerwärmende Erzählung. 
Sie wird aus wechselnden Perspektiven aller handelnden Personen beschrieben, wobei die resolute ältere Dame Wilma von Eidsfeld und ihre tatkräftige Haushaltshilfe Ayla Öztürk, die sie von ihrer Freundin Margarete übernommen hat, im Vordergrund der Handlung stehen. Alle Protagonisten haben ihr Päckchen zu tragen, haben Verluste erlitten, trauern oder fühlen sich unzulänglich. 
In der Gemeinschaft der Wolkengucker finden sie einen Halt und sind nicht mehr einsam, hilflos und alleine. Es entwickeln sich Freundschaften über Generationen und jede soziale Schicht hinweg. Die Vielfalt der unterschiedlichen Charaktere sorgt für unterhaltsame Szenen. Die Geschichte ist nicht rührselig oder kitschig und auch die Weisheiten der lebensälteren Wilma wirken nicht gekünstelt oder belehrend, sondern fügen sich rund in die Geschichte ein. 

Es ist eine tragikomischer Roman über Trauer und Freundschaft, der eine Wohlfühlatmosphäre schafft, denn es stehen weniger die Verluste, sondern vielmehr das Innehalten im Moment, das Zusammenwachsen in einer Gemeinschaft und ein optimistischer Blick in die Zukunft im Zentrum der Geschichte. Der Blick in den Himmel und die Beobachtung der Wolken ist dabei mehr symbolisch und ein Auftakt für Freundschaft und Zugehörigkeit, auch wenn man im Rahmen der Geschichte einzelne Fakten über Wolken dazulernen kann. 


Freitag, 22. Dezember 2023

Buchrezension: Max Seeck - Waiseninsel (Jessica-Niemi-Reihe, Band 4)


Inhalt:

Kommissarin Jessica Niemi gerät in eine Auseinandersetzung, wird handgreiflich und prompt von einem Passanten gefilmt. Das Video geht viral und sie wird beurlaubt. Um Abstand zu gewinnen, fährt Jessica auf die zwischen Finnland und Schweden gelegenen Åland-Inseln. Dort trifft sie auf eine Gruppe älterer Menschen, die als Kinder während des Krieges fliehen mussten und hier auf der Insel in einem Waisenhaus lebten. Nun treffen sie sich wieder. Als einer der Alten tot aufgefunden wird, beginnt Jessica zu ermitteln. Denn bereits zuvor kamen zwei Menschen auf dieselbe mysteriöse Weise ums Leben. Alle drei Opfer scheinen mit der Legende um "Das Mädchen im blauen Mantel" im Zusammenhang zu stehen. 

Rezension:

Nachdem Jessica Niemi nach einer tätlichen Auseinandersetzung, die öffentlich bekannt wurde, vom Dienst beurlaubt wurde, begibt sie sich nach Smörregård, einer entlegenen Åland-Insel. Neben den Inhabern des Gasthofes sind ein schwedisches Pärchen und eine Gruppe älterer Menschen untergebracht, die nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Waisenhaus auf der Insel lebten und sich jährlich treffen. Als am Morgen eine von ihnen tot aufgefunden wird, ist Jessicas Polizeiinstinkt geweckt. Sie findet heraus, dass es auf der Insel bereits mehrere ähnliche Todesfälle gegeben hat und hört zudem von dem gruseligen Mythos des Mädchens im blauen Mantel, das 1946 von der Insel verschwunden ist, aber dennoch immer wieder von Menschen gesehen wurde. Selbst Jessica glaubt, sie in der Nacht, als die alte Frau ums Leben kam, gesehen zu haben. 

"Waiseninsel" ist Band 4 der finnischen Thrillerreihe um die Helsinkier Ermittlerin Jessica Niemi. Der Roman handelt im März 2020, weshalb die Corona-Pandemie mit landesweiten Einschränkungen in Finnland zum Thema wird, allerdings nur nebensächlich und nicht störend. Daneben gibt es Rückblenden in das Jahr 1946, als die älteren Gäste noch Kinder waren und in dem Waisenhaus auf der Insel lebten. 

Band 4 der Reihe ist mehr Krimi als Thriller, jedoch mit einer gelungen Kombination aus psychologischer Spannung und Mystik. Durch den Schauplatz des Archipels ist die Erzählung zudem atmosphärisch, was zu dem Grusel passt, den die mysteriöse Geschichte um das untote Mädchen verbreitet. 
Der Krimi ist durch die übersichtliche Anzahl an Protagonisten, die sich auf einer entlegenen Insel aufhält, auf der ein Mord passiert, für den nur einer von ihnen verantwortlich sein kann und in der Jessica wie eine Miss Marple ermittelt, klassisch aufgebaut. Dennoch ist es unheimlich spannend zu erfahren, wie Vergangenheit  und Gegenwart zusammenhängen und aus welchen Gründen die Menschen auf der Insel zusammengekommen sind, denn hier hat wirklich jeder etwas zu verbergen oder handelt aus einem anderen Motiv, als zunächst eindeutig scheint. 

Die Aufklärung des Falls ist insbesondere am Ende unheimlich wendungsreich, da sich letztlich jeder einzelne verdächtig macht und es schwierig macht, einen von ihnen kategorisch auszuschließen. 

Zudem wird die Handlung von der sehr speziellen Polizistin Jessica Niemi getragen, die befürchtet wie ihre Mutter an Schizophrenie zu erkranken und die immer wieder von Visionen, Stimmen von Toten in ihrem Kopf und Wahnvorstellungen heimgesucht wird und damit auch für ihre Vorgesetzte unberechenbar ist. Jessicas unkonventionelle Art, ihre besondere Auffassungsgabe und Instinkt geben der Reihe ihren besonderen Charme und Reiz. 
"Waiseninsel" ist weniger außergewöhnlich als die anderen Bände, aber damit nicht weniger fesselnd. 

Donnerstag, 21. Dezember 2023

Buchrezension: Sonja Roos - Die Sonntagsschwestern

Inhalt:

Hanne, Mone und Jessy wurden schon früh von ihrem Vater verlassen – und damit auch von ihrer Mutter, die in tiefe Depressionen fiel und kaum noch für ihre Kinder sorgen konnte. Auf sich gestellt gaben die Schwestern einander Halt und wurden ein eingeschworenes Team. Doch Jahre später haben sie sich auseinandergelebt, und nur das sonntägliche Mittagessen bei Hanne verbindet die Familie. Das ändert sich, als bei Hanne eine tödliche Krankheit diagnostiziert wird. Ein Weckruf für Jessy und Mone, endlich ihre Probleme in den Griff zu bekommen, um für Hanne da sein zu können. Doch wird es den Sonntagsschwestern gelingen, ihren alten Zusammenhalt wiederzufinden, bevor es zu spät ist? 

Rezension

Hanne, Mone und Jessy sind Schwestern im Alter von Ende 20 bis Mitte 30. Nachdem der Vater vor mehreren Jahren bereits sang- und klanglos verschwunden ist und die bis dahin intakte Familie im Stich gelassen hat, ist die Mutter Helga in Depressionen verfallen und hat sie dem Alkohol zugeneigt. Die Mädchen waren damit faktisch ohne Eltern, weshalb die älteste Hanne Verantwortung übernommen hat. Noch heute trifft sich die ganze Familie jeden Sonntag bei ihr, die als perfekte Hausfrau und Mutter ihr Leben im Griff hat. Das soziale Gefüge ändert sich schlagartig, als Hanne lebensbedrohlich erkrankt und Helga, Mone, Jessy begreifen, wie kurz das Leben sein kann und das sie ihre eigenen, langjährigen Probleme anpacken müssen. 

"Die Sonntagsschwestern" ist eine einnehmende, dramatische Familiengeschichte, die aus wechselnden Perspektiven aller handelnden Personen erzählt wird. Auf diese Weise erhält man einen Einblick in die Leben der drei Schwestern, aber auch in die ihrer Lebenspartner. Jeder von ihnen hat sein Päckchen zu tragen und sieht sich nicht nur durch die Erkrankung von Hanne vor neue Herausforderungen gestellt. 

Jessy begegnet ihrer Jugendliebe Lukas wieder, die sie vor zehn Jahren derart enttäuscht hat, das sie einen Selbstmordversuch unternommen hat und nicht in der Lage ist, eine ernsthafte Beziehung zu führen. 
Mone ist ungewollt kinderlos, hat die Verbindung zu ihrem Mann Robert verloren und sich in eine Affäre geflüchtet. 

Die Geschichte ist emotional und bewegend, hat viele traurige, aber auch viele hoffnungsvolle Momente. Einerseits ist die Geschichte geprägt von Krankheit und Tod, der unausweichlich ist, andererseits aber auch von einer Annäherung der Schwestern und der ganzen Familie und dem engen und unverbrüchlichen Zusammenhalt, der zwischen ihnen besteht und der durch die Krankheit nur noch enger und wichtiger wird. 

Die Geschichte ergibt für jede Figur eine Wende, jeder Charakter macht eine Veränderung durch und entwickelt sich entscheidend weiter. 
Der Roman ist unterhaltsam und vielseitig, was gleichzeitig auch der größte Kritikpunkt an der Geschichte ist. In dem Roman werden so viele Probleme - Mobbing, Suizid, Krankheit, Tod, Alkoholismus, Kinderlosigkeit, Lebenslügen, Untreue und Eheprobleme - gewälzt, dass es für ein Buch und eine Familie zu viel ist. Auch wenn die Einzelschicksale nachvollziehbar bleiben und jedes für sich berührt, kann aufgrund der Fülle der Themen nicht jedes ausreichend vertieft werden. Der Roman hätte ohne Weiteres als Trilogie ausgelegt sein können. 

Obwohl ich den Eindruck hatte, dass "Sonntagsschwestern" etwas überladen an Schwierigkeiten und Sorgen war, konnte mich der Roman von Anfang bis Ende packen. Es ist eine dramatische Familiengeschichte mit bewegenden Einzelschicksalen, die zeigt, wie wichtig ein starkes Band ist und dass eine Familie vor allem in schlimmen Zeiten eng zusammenhalten kann und muss, um sich gegenseitig den nötigen Halt zu geben. Gleichzeitig ist es ein Buch über Neuanfänge und die Kraft der Vergebung. 

Der Autorin ist zudem gelungen, authentisch auf die Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), eine unheilbare, schwere Erkrankung des Nervensystems, aufmerksam zu machen, die aufgrund der geringen Fallzahlen viel zu wenig erforscht ist, weshalb die Diagnose ohne wesentliche Behandlungsmöglichkeiten so niederschmetternd ist. 

Montag, 18. Dezember 2023

Buchrezension: Corina Bomann - Die Farben der Schönheit: Sophias Triumph (Sophia 3)

Inhalt:

New York, 1930er Jahre: Sophia steht erneut vor einem Scheideweg in ihrem Leben. Soll sie den "Puderkrieg" hinter sich lassen und neu anfangen? Als ihre Freundin Henny überraschend vor ihrer Tür steht, schwer erkrankt, lässt sie ihre Entwürfe für eine eigene Kosmetiklinie ruhen und kehrt zu Helena Rubinstein zurück. Privates Glück findet sie in ihrer großen Liebe Darren, der ihr einen Heiratsantrag macht. Doch schließlich bricht der Krieg herein und droht, alles, was ihr lieb und teuer ist, zu zerstören. 

Rezension:

Sophia päppelt ihre opuimsüchtige beste Freundin Henny wieder auf, nachdem diese ihr damals in Paris treu zur Seite gestanden hatte. Nach der Kündigung von Miss Arden steht Sophia vor einer beruflichen Neuorientierung, träumt weiterhin vom Abschluss ihres Chemiestudiums und einer Selbstständigkeit. Zur Finanzierung ihrer Träume bewirbt sie sich erneut bei Helena Rubinstein und wird von ihrer unter der Bedingung neben Chemie auch noch Wirtschaft zu studieren wieder eingestellt. 
Unterstützung erhält sie von ihrem frischen gebackenen Ehemann Darren. Doch als die Ehe kinderlos bleibt und sich Darren 1942 freiwillig für die US-Army meldet, ziehen dunkle Wolken auf, die Sophia vor mutige Entscheidungen stellen.  

"Sophias Triumph" ist nach "Sophias Hoffnung" und "Sophias Träume" der abschließende dritte Band der Reihe "Die Farben der Schönheit" um die fiktive Figur Sophia Krohn, die in den "Puderkrieg" zwischen Elizabeth Arden und Helena Rubinstein gerät. 
Band 3 schließt nahtlos an Band 2 an und handelt von 1934 bis 1946. 

Der Roman ist sehr ereignisreich. In Sophias Leben passiert in den zwölf Jahren viel - beruflich und privat. Sie hatte sich bereits in den Jahren davor weg von einer naiven jungen Studentin entwickelt und ist spürbar erwachsen geworden. Sie ist beruflich erfolgreich und hat weiterhin Ambitionen, die unberechenbaren (Ex-)Chefinnen Elizabeth Arden, Helena Rubinstein und ihren unermüdlichen Konkurrenzkampf hinter sich zu lassen. Sie liebt ihren Ehemann, der sie zunächst auf Händen trägt, aber der Verlust ihres Sohnes und die Kinderlosigkeit stehen plötzlich über allem, was Darren zu einer übereilten Entscheidung drängt. 

Die fiktive Geschichte um Sophia Krohn enthält viele historische Details zum Leben der beiden Kosmetikvorreiterinnen und versetzt einen zudem bildhaft nach New York City in die 1930er- und 1940er-Jahre. Die Charaktere sind lebendig und authentisch, ihre Entwicklung nachvollziehbar. Die Schicksale bewegen und die vielen großen und kleinen Dramen, Höhen und Tiefen, die Sophia erleben und erleiden muss, machen die Geschichte unterhaltsam und lassen in diesem Band keine Längen aufkommen. Beruflich und privat gibt es unaufhörlich neue Impulse, die jedoch nicht überzogen oder aufgesetzt wirken. 

Sophia ist ein Charakter, den man gerne begleitet. Spannend und unterhaltsam zugleich, verfolgt man ihr Schicksal, ihre Entscheidungen und erntet ein versöhnliches Ende, in welchem alle noch offenen Fragen geklärt werden und freut sich über "Sophias Triumph".

Freitag, 15. Dezember 2023

Buchrezension: Juliet Ashton - Ein letzter Brief von dir

Inhalt:

Als Orla am Valentinstag einen Brief von ihrem Freund erhält, rechnet sie fest mit dem lang ersehnten Heiratsantrag. Doch bevor sie den Umschlag öffnen kann, kommt der schreckliche Anruf: Simon ist in London auf der Straße zusammengebrochen. Er ist tot. 
Orla steht unter Schock. Wie soll sie weiterleben ohne Sim? Und warum rät ihr sein bester Freund so eindringlich, die Valentinskarte nicht zu öffnen? Orla war doch Sims große Liebe. Und er ihre. 
Als Orla krank vor Kummer nach London reist, um mehr über Sims letzte Tage zu erfahren, wird ihr klar, wie wenig sie ihren Freund kannte. Und noch bevor sie die Valentinskarte öffnet und seine letzten Worte liest, ist sie selbst ein anderer Mensch geworden. 

Rezension: 

Orla Cassidy ist Anfang 30 und lebt in Tobercree, einem kleinen Ort in Irland, während ihr Freund Simeon als Schauspieler in London am Anfang seiner Karriere steht. Das Paar führt eine Fernbeziehung, denn die Grundschullehrerin hat nichts für die trubelige Stadt London übrig. Am Valentinstag erhält sie wie erwartet einen Brief von Sim, doch bevor sie ihn öffnen kann, erfährt sie, dass Sim vor wenigen Augenblicken an einer Lungenembolie gestorben ist. 
Orla, die eigentlich mit einer Verlobung am Valentinstag gerechnet hatte, ist am Boden zerstört. Um ihre Trauer um ihre große Liebe zu verarbeiten, reist sie nach London, um dort seine Wohnung auszuräumen und sein Tagebuch zu finden, das ihr mehr über Sim offenbaren könnte. 
Anders als erwartet, bleibt Orla länger als die geplanten zwei Tage in London. Sie freundet sich mit Sims lebensälteren Vermieterin an, findet eine Arbeit als Englischlehrerin, hält den Brief von Sim aber weiterhin verschlossen. Auch sein Tagebuch bleibt unauffindbar. 
Dann lernt sie Marek kennen, der einen ähnlichen Schmerz wie sie durchmachen musste, fühlt sie sich illoyal gegenüber Sam, auch wenn sie spürt, dass es eine Seite an Sim gab, die sie nicht wirklich kannte. Als Orla endlich den Brief liest, werden ihre Gefühle noch einmal durcheinander gewirbelt. 

"Ein letzter Brief von dir" ist aus der Perspektive von Orla geschrieben, gibt jedoch einzelne Einblicke in Sims verschollenes Tagebuch, das mehr Details über seinen Charakter offenbart. Während die trauernde Orla ihren Beinahe-Verlobten noch immer anhimmelt, zeigen seine Aufzeichnungen ein anderes, nicht gar so perfektes Gesicht von Sim. Orla ist zwar bewusst, dass Sim über eine gewisse Arroganz verfügte und sie eine leidenschaftliche, aber auch eine etwas einseitig beengende Beziehung führten, aber was er tatsächlich vor ihr verbarg, konnte sie nicht ahnen. 

London wird für Orla widererwarten zu einem neuen Anfang. Nie hätte sie gedacht, dass sie es länger als nur für ein paar (Urlaubs-)tage in der Metropole würde aushalten können. Dort verarbeitet sie ihre Trauer, versucht zu heilen und findet dabei neue Freunde. Dennoch hängt sie manisch an der Valentinskarte, die sie einfach nicht öffnen möchte und stattdessen regelmäßig mit dem rosafarbenen Umschlag spricht, als wäre er Sim persönlich. 
Die Ungewissheit über den Inhalt der Karte sowie das verschwundene Tagebuch, das Worte enthält, die Orla verletzen könnten, sorgen anfangs für Spannung bis der Roman eine Wende nimmt, Orla eine von Enttäuschung und Unsicherheit geprägte Wandlung macht und sich wie eine verblendete Stalkerin verhält. 

Der Roman entfaltet sich innerhalb eines Jahres langsam und die naive Orla vermittelt das Gefühl, jünger als 32 Jahre zu sein. Die Nebenfiguren sind dagegen charmant, auch wenn die Geschichte sehr auf Orla und ihre Trauer und ihre Verletztheit fokussiert ist. 
Es dauert bis Orla zu Erkenntnissen über Sim gelangt, die der/ dem Leser*in schon länger bewusst geworden sind. Je tiefer Orla in Sims Leben gräbt, desto mehr beginnt sie sich zu verlieren und merkt erst, als es schon fast zu spät ist, dass sie ihr neu gewonnenes Leben und die Fortschritte, die sie bereits gemacht hat, in Gefahr bringt.  

"Ein letzter Brief von dir" ist ein Roman über Liebe, Enttäuschung, Tod und Trauer, aber auch über Neuanfänge, Freundschaft und Vergebung, der eine gewisse Grundspannung entwickelt, aber phasenweise langatmig geschrieben ist. Dafür überrascht er mit einer nicht allzu vorhersehbaren (Liebes-)geschichte, die sich frei von Kitsch anders entwickelt als die typischen Erzählungen über junge Frauen, die ihren Liebsten verlieren und sich nach einer Phase der Trauer und Rückbesinnung auf sich selbst neu verlieben. 

Mittwoch, 13. Dezember 2023

Buchrezension: Annette Hess - Deutsches Haus

Inhalt:

Frankfurt 1963. Eva, gelernte Dolmetscherin und jüngste Tochter der Wirtsleute Bruhns, steht kurz vor ihrer Verlobung. Unvorhergesehen wird sie gebeten, bei einem Prozess die Zeugenaussagen zu übersetzen. Ihre Eltern sind, wie ihr zukünftiger Verlobter, dagegen: Es ist der erste Auschwitz-Prozess, der in der Stadt gerade vorbereitet wird. Eva, die noch nie etwas von diesem Ort gehört hat, folgt ihrem Gefühl und widersetzt sich ihrer Familie. Sie nimmt die Herausforderung an, ohne zu ahnen, dass dieser Jahrhundertprozess nicht nur das Land, sondern auch ihr eigenes Leben unwiderruflich verändern wird. 

Rezension: 

Eva Bruhns ist Dolmetscherin für Polnisch, wohnt noch zu Hause bei ihren Eltern und hilft dort im Wirtshaus "Deutsches Haus" an der Theke und in der Küche aus. Von ihrem Freund Jürgen, Erbe eines florierenden Versandhandels, erwartet sie einen Heiratsantrag. Zum Konflikt kommt es, als Eva in einer Gerichtsverhandlung, in der zahlreiche deutsche Kriegsverbrecher angeklagt sind, als Dolmetscherin arbeiten möchte. Auch ihre Eltern kommt ihr Engagement ungelegen, doch Eva setzt sich durch und übersetzt für die Opfer in dem schwierigen Prozess. Naiv ahnt Eva nicht, welche Gräueltaten die Zeugen der Anklage durchleben mussten, denn wie so vielen Deutschen war auch Eva nicht bewusst, was sich in den sogenannten Arbeitslagern ereignet hat. 

"Deutsches Haus" ist eine fiktive Geschichte über einen der Auschwitz-Prozesse, die ab Dezember 1963 unter anderem in Frankfurt am Main stattgefunden haben. 
Es ist eine Mischung aus historischen Fakten über Kriegsverbrechen und unmenschliches Leid und einer Geschichte über eine junge Frau, die berufstätig sein möchte und ihr Rechte gegenüber Verlobtem und Eltern proklamiert. 

Überwiegend aus der Perspektive von Eva geschildert, erlebt man die Gerichtsverhandlung mit und mit welchen Widerständen und Entscheidungen Eva auch privat zu kämpfen hat. Auch wenn man ein Gefühl für das körperliche und seelische Leid der Menschen in Auschwitz bekommt, werden während der Zeugenaussagen nicht die brutalsten Details geschildert. Auf  diese Weise ist der Roman leichter verdaulich und lässt Raum für Evas persönliche Weiterentwicklung und das Geheimnis, das in ihrer Familie brodelt, mit dem sie während des Prozesses konfrontiert wird. Daneben gibt es Einblicke in den Klinikalltag der älteren Schwester Annegret, die sich für den Leser auffällig merkwürdig verhält, was sich letztlich durch die Vergangenheit der Familie erklärt. 
Familie Bruhns ist ein Beispiel für so viele Mitläufer, die aus Angst und um sich selbst zu schützen, weggeguckt oder gar mitgemacht haben. Die Konfrontation von Eva mit der Wahrheit zeigt, wie schwierig der Umgang der Deutschen mit ihrer Geschichte in den 1960er noch war und mit welchen Gewissenskonflikten und Schuldgefühlen auch nachfolgende Generationen noch zu kämpfen haben. 

"Deutsches Haus" ist ein Roman gegen das Vergessen und über die schwierige Aufarbeitung der Naziverbrechen, aber auch eine unterhaltsame Familiengeschichte über das Zusammenleben und die Rolle der Frau in den 1960er-Jahren, die bildhaft geschildert ist und die/ den LeserIn authentisch in das Jahr 1963 versetzt. 
Der Roman weckt in jedem Fall Interesse für die Miniserie, die auf dem Buch basiert und für die Autorin auch das Drehbuch geschrieben hat. 

Montag, 11. Dezember 2023

Buchrezension: Jenny Colgan - Weihnachten in der kleinen Buchhandlung (Happy-Ever-After-Reihe 4)

Inhalt:

Als das Kaufhaus, in dem Carmen gearbeitet hat, kurz vor Weihnachten seine Pforten schließt, zieht sie widerstrebend zu ihrer Schwester nach Edinburgh. Sie soll dort eine kleine Buchhandlung übernehmen. Der Laden hat jedoch schon bessere Tage gesehen, es droht der Verkauf – wenn nicht ein Wunder geschieht. Carmen will schon alles hinwerfen, doch dann lässt sie sich bezaubern: von den verschneiten Straßen der Stadt, vom Charme der altmodischen Buchhandlung – und von dem attraktiven Star-Autor, der dort plötzlich auftaucht. Ob die Magie der Weihnacht ein Wunder wahr werden lässt?

Rezension: 

Nachdem Carmen ihre Arbeit in einem Kaufhaus verloren hat, zieht sie auf Drängen ihrer Mutter zu ihrer älteren Schwester Sofia nach Edinburgh. Diese ist mit ihrem vierten Kind schwanger und arbeitet als Anwältin, weshalb sie Unterstützung gut gebrauchen kann. Carmen ist zunächst skeptisch, ob der Umzug so eine gute Idee ist, denn die Schwestern stehen sich nicht sonderlich nahe und Carmen fühlt sich von ihrer perfekten Schwester unter Druck gesetzt.
Sofia vermittelt Carmen direkt einen Job in der Buchhandlung eines Mandanten, die in den roten Zahlen ist. Carmen packt dort hemdsärmelig an, sorgt für Ordnung und kann bald erste Kunden im Weihnachtsgeschäft anlocken. Dabei lernt sie gleich zwei Männer kennen, die ihr Interesse wecken. Und auch mit Sofia und ihren Kindern läuft es im trubeligen Alltag besser als gedacht. 

"Weihnachten in der kleinen Buchhandlung" ist der vierte Band der "Happy Ever After-Reihe", kann aber unabhängig von den ersten drei Teilen gelesen werden, da das Setting in Edinburgh und die Hauptfiguren im Vergleich zu der ländlichen Gegend und dem Bücherbus um die ehemalige Krankenschwester Lissa ganz anders sind. Der Roman hätte insofern auch als Standalone veröffentlicht werden können. 

Der Roman ist stimmungsvoll, denn die Beschreibung von der verwinkelten und bitterkalten Stadt Edinburgh zur Vorweihnachtszeit ist bildhaft. 
Auch Carmen, die vor einem Neustart steht und noch ihren Platz im Leben finden muss, wirkt als Hauptcharakter lebendig und authentisch. Andere Figuren wie ihr Chef McCredie oder die Männer, denen sie näher kommt, sind allerdings ein wenig überzeichnet. McCredie ist ein Eigenbrötler, der seine Buchhandlung mit seiner Trägheit in den Ruin getrieben hat und nun nur allzu leicht Carmen das Zepter in die Hand nehmen lässt. Autor Blair und Dendrologe Oke sind undurchsichtig und insbesondere Blair, der als Lebensberater fungiert, wirkt in seiner exzentrischen und aufgesetzten jammervollen Art nicht stimmig. Die Liebesgeschichten, bei denen kein Knistern oder romantische Stimmung zu spüren sind, bleiben jedoch im Hintergrund, wichtiger ist die Annäherung der beiden ungleichen Schwestern und der Aufbau einer Beziehung Carmens zu ihrem Neffen und Nichten. Das chaotische Familienleben ist amüsant und Charme hat zudem, dass die Nichten Phoebe und Pippa - die eine altklug, die andere trotzig - ein Abbild von Carmen und Sofia sind und eine ähnlich angespannte Schwesternbeziehung haben. 
McCredies Geschichte und ihn belastende Vergangenheit wird lediglich angerissen und versinkt in Bedeutungslosigkeit, hätte genauso gut gar nicht erwähnt werden brauchen. 

Carmen, der es an Selbstbewusstsein mangelt und die sich unzulänglich fühlt, macht im Verlauf des Romans eine spürbare Entwicklung durch und wirkt am Ende reifer und erwachsener. Passend zur Weihnachtszeit ist die Annäherung der ganzen Familie. Typisch für Jenny Colgan ist die bunte Vielfalt der Charaktere, worunter eben auch verschrobene Exemplare sind. Der Neubeginn nach anfänglichem Chaos gestaltet sich nach einem üblichen Muster, weshalb die Geschichte ohne besonderen Zauber nicht lang im Gedächtnis verbleiben wird. 
Mit "Winterträume in der kleinen Buchhandlung" ist bereits Band 5 der Reihe erschienen, der an Band 4 anknüpft und wieder im Winter an Carmens neuem Arbeitsplatz handelt.

Freitag, 8. Dezember 2023

Buchrezension: Jodi Picoult - Beim Leben meiner Schwester

Inhalt:

Die Entscheidung ist ihr schwer gefallen, unendlich schwer. Die aller wenigsten Menschen müssen eine solche Entscheidung jemals treffen. Doch als Anna Fitzgerald dreizehn Jahre alt ist, kann sie es nicht mehr ertragen. Längst weiß sie nicht mehr, wie viele Operationen sie über sich hat ergehen lassen müssen. Anna, darin besteht für sie kein Zweifel, ist nur zu einem Zweck geboren worden - mit ihrem Knochenmark ihrer leukämiekranken Schwester Kate das Leben zu retten. Immer wieder. Nie hat sie diese Rolle angezweifelt, bis heute. Aber nun ist Anna kein Kind mehr, und sie beginnt sich zu fragen, wer sie wirklich ist. Ob sie ohne Kate eine eigene Persönlichkeit wäre? Ob Sara und Brian, ihre Eltern, jemals einen eigenständigen Menschen in ihr gesehen haben? Anna weiß es nicht. Und sie beschließt, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen - ein Anwalt soll dafür sorgen, dass sie ihren Körper nie mehr für Kate zur Verfügung stellen muss.

Rezension: 

Anna Fitzgerald war als jüngere Schwester Zeit ihres Lebens für Kate da, denn Kate hat Leukämie und Anna stand als passende Spenderin jederzeit für jedweden Eingriff, Entnahme von Blut, Stammzellen und Gewebe zur Verfügung. Doch Kate hat immer wieder Rückschläge erlitten und der Blutkrebs kehrt hartnäckig zurück. Als Anna dreizehn Jahre alt ist, soll sie ihrer Schwester, deren Organe allmählich versagen, eine Niere spenden - und hat genug. Sie nimmt sich einen Rechtsanwalt, um ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung gegen ihre Eltern einzuklagen. 

Der Roman ist abwechselnd aus der Perspektive verschiedener Personen geschildert, darunter die Fitzgeralds bis auf Kate, Annas Anwalt Campbell Alexander und ihrer Vertrauensperson und Verfahrenspflegerin im Rechtsstreit Julia. Die Handlung ist auf wenige Tage in der Gegenwart beschränkt, die Sicht der Mutter Sara gibt die Vergangenheit und die ganze Leidensgeschichte der kranken Kate wieder. 

Jodi Picoult entwirft dabei ein erschreckendes und beklemmendes Szenario auf, das ethische und moralische Fragen aufwirft. Durch die Perspektivenwechsel und die eindringliche Schilderung dieser erschütternden Familientragödie fällt es leicht, sich in die Hauptfiguren hineinzuversetzen und ihr Verhalten zu verstehen. 
Die Eltern möchten ihr ältestes Kind retten und haben für diesen Zweck ein weiteres Kind gezeugt, das sie zwar auch innig lieben, das aber nur existiert, da es mit dem passenden Genpool als Organspenderin geplant war. Je älter Anna wurde, desto mehr spürt sie den Druck, der auf ihr lastet und dabei das Gefühl zu haben, nur zweite Wahl zu sein. Der Bruder Jesse fühlt sich von seinen Eltern überhaupt nicht wahrgenommen und rebelliert auf seine Weise. Brian und vor allem Sara setzen all ihre Hoffnung in die Genesung von Kate und verlieren dabei ihre anderen beiden Kinder aus den Augen. Anna hat neben Kate wohl das schwerste Los. Sie liebt ihre Schwester und hat bisher buchstäblich alles für sie gegeben, möchte als Teenager aber nun ihre eigenen Entscheidungen treffen und ist nicht bereit, das lebensrettende Organ für Kate zu spenden. Mit ihren Eltern kann sie nicht darüber reden und holt sich deshalb Hilfe bei einem Anwalt, der ihr zu ihrem Recht auf körperliche Selbstbestimmung verhelfen soll. 
Eine Wende kommt nicht ganz überraschend, macht die Lösung des Konflikts aber auch nicht leichter. Was Kate möchte, bleibt außen vor. Ob die Eltern Angst vor ihrer Entscheidung haben oder ihre Tochter vor Aufregung schützen möchten, ist schwer einzuschätzen. 
Das Ende ist hochdramatisch, weicht damit aber einer Entscheidung aus, was nach der intensiven Auseinandersetzung mit allen Argumenten unbefriedigend ist. 

"Beim Leben meiner Schwester" ist eine heftige, emotionale Geschichte, die alle Seiten betrachtet und einen schier unlösbaren Interessenkonflikt schildert. Die Handlung zieht in ihren Bann, stimmt nachdenklich, während die Familie zwischen Schuld und Hoffnung regelrecht zerrissen wird. 

Mittwoch, 6. Dezember 2023

Buchrezension: Karen Schaler - Das wunderbare Weihnachtshotel

Inhalt:

Haley Hanson, weiblicher Weihnachtsmuffel, arbeitet in einer Werbeagentur in Boston und flieht normalerweise um diese Zeit in die Karibik. Sie ist ehrgeizig, zur Partnerschaft in der Firma fehlt ihr nur noch der Etat einer Spielzeugfirma. Ihr Boss schickt sie ins "Christmas Camp" in ein Hotel in den Bergen, damit sie in Weihnachtsstimmung kommt. Sie will die Aktivitäten dort so schnell wie möglich abarbeiten, doch dann verliebt sie sich in den attraktiven Jeff, den Sohn des Besitzers. Als Jeff mitbekommt, dass Hayley seinem Vater geschäftlich unter die Arme greifen will, fühlt er sich von ihr verraten. Nun braucht es mehr als ein bisschen Weihnachtszauber, um die beiden zusammenzuführen.

Rezension: 

Haley Hanson ist ein ehrgeiziger Workaholic, die unbedingt eine Teilhaberschaft in der Werbeagentur erhalten möchte, in der sie arbeitet. Dafür benötigt sie den Auftrag einer Spielzeugfirma, aber ihr Chef traut der nüchternen Haley, die für Weihnachten nichts übrig hat, den Auftrag nicht zu. Um sich zu beweisen, soll sie zunächst eine Wochen an einem Christmas Camp teilnehmen, wo sie zur Besinnung kommen und ein Gefühl für weihnachtliche Traditionen entwickeln soll. 
Beim Tannenbaumschlagen, Schmücken und Weihnachtsscharade, Plätzchen und heißer Schokolade lernt sie den Sohn des Inhabers des Hotels kennen, der wie sie Single ist. Auch wenn ein Knistern zwischen ihnen von Anbeginn vorhanden ist, fällt eine Annäherung schwer, schließlich möchte Haley nur möglichst schnell die Aufgaben abarbeiten, um das Zertifikat zu erhalten und Jeff möchte einfach nur für seinen verwitweten Vater da sein und ihn überzeugen, das sich nicht mehr rentierende Hotel endgültig aufzugeben und sich stattdessen in seiner Nähe zur Ruhe zu setzen. 

Der Roman ist überwiegend aus der Perspektive von Haley geschrieben, die im Christmas Camp zu einer weihnachtlichen Gesinnung gelangen soll. Dies gelingt abrupt problemlos. Schon nach kürzester Zeit gibt Haley ihren Widerstand auf und findet Gefallen an den auferzwungenen Aktivitäten - und an Jeff. Auch er scheint die Zeit mit Haley zu genießen bis er sich von ihr hintergangen fühlt. 

Die Geschichte ist sehr süß, die Protagonisten, die beim Christmas Camp zusammenkommen, allesamt herzensgute Menschen, die sich gegenseitig liebhaben und für einander da sind. Bis auf das Missverständnis zwischen Haley und Jeff, das am Ende noch für Dramatik sorgen muss, herrschen Harmonie, Fürsorge und Dankbarkeit.

Der Roman hat das Ziel eine weihnachtliche Wohlfühlatmosphäre zu erzeugen, die Umsetzung ist allerdings sehr penetrant. Die Stimmung in dem Hotel ist durch das programmatische Abspulen weihnachtlich-winterlicher Aufgabe aufgesetzt und künstlich und übertrieben symbolträchtig. Weihnachtsmuffel Haley hat stets ein Weihnachtslied auf den Lippen, Teenager erfreuen sich mehr am Schneemannbauen und am Basteln statt an ihren Handys und das frisch verheiratete Paar, das sich seine eigenen Traditionen erarbeiten möchte, lernt die Notwendigkeit von Kompromissen.

Ohne Wendungen und Überraschungen ist die Geschichte seicht und langweilig, wird jedoch lebendig erzählt. Die Botschaft lautet auf sein Herz zu hören, um nicht nur den Zauber von Weihnachten zu erfahren, sondern auch an allen anderen Tagen im Jahr auf dem rechten Weg zu sein.

Montag, 4. Dezember 2023

Buchrezension: Maria von Welser, Waltraud Horbas - Die Unbestechliche

Inhalt:

Für Alice sind Zeitungsartikel von klein auf Fenster zur Welt, und so steht schon früh ihr Berufswunsch fest: Sie will Reporterin werden. Als sie mit 21 Jahren als Volontärin bei einem Lokalblatt antritt, beginnt eine abenteuerliche Reise durch die deutsche Medienlandschaft der 70er-Jahre. Doch die Gesellschaft mitgestalten zu wollen, ist keine leichte Zielsetzung – schon gar nicht für eine junge Frau mit Kind. Immer wieder werden ihr Steine in den Weg gelegt, vor allem von einem ihrer machtverliebten Chefs. Schnell begreift Alice, dass noch mehr zu dem Beruf der Journalistin gehört als der feste Wille und ein geschickter Umgang mit Menschen und Wörtern. 

Rezension: 

Alice Meißner fängt mit 21 Jahren und als junge Mutter Ende der 1960er-Jahre bei einer bayerischen Lokalzeitung an und versucht sich im Redaktionsalltag durchzusetzen und als Reporterin ernst genommen zu werden. Sie muss sich insbesondere gegenüber alten weißen Männern behaupten, die als Chefredakteure scheinbar willkürlich agieren und ihre Untergebenen in Teilen drangsalieren. Alice bleibt dabei unerschütterlich und entwickelt zusammen mit zwei Kolleginnen in der Redaktion eine Frauensolidarität, die sie auch vor dem cholerischsten Chef stärkt. 
Auch privat agiert Alice mutig, verlässt ihren Ehemann im Tausch gegen ihre Freiheit und erhält auch als alleinerziehende Mutter ihren Vollzeitberuf bei. 

Der Roman ist eng angelehnt an die Biografie von Maria von Welser, die als Moderatorin des ZDF-Magazins ML Mona Lisa bekannt wurde. 
Die Geschichte der Alice zeigt anschaulich, mit welchen Problemen sich junge Frauen vor allem beruflich, aber auch im Hinblick auf die Ehe und Erziehung von Kindern in den 1960er- und 1970er-Jahren ausgesetzt sahen. Alice schien ihrer Zeit ein Stück voraus zu sein. 
Zudem erfährt man viel über den Alltag in der Redaktion einer Tageszeitung, bei der es nicht nur auf jeden Satz sondern jeden Buchstaben und auf Tagesaktualität ankommt. Dabei werden politische und gesellschaftliche Ereignisse erwähnt, was das Buch einprägsam in die damalige Zeit einbettet. 

Der Erzählstil ist aufgrund der Zeitsprünge eher episodenartig. Oft fehlen geschmeidige Übergänge zwischen den einzelnen Kapiteln.

"Die Unbestechliche" handelt von Selbstbestimmung, Emanzipation und der Rolle der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft. Die Schwierigkeiten und Vorurteile, die es zum Teil auch heute noch gibt, sind nachvollziehbar geschildert und besonders prägnant ist, wie wichtig es ist, dass Frauen untereinander zusammenhalten und damit eine wirksame Front gegen Ungerechtigkeit und Ungleichheit aufstellen können. Zudem ist interessant, dass bestimmte Themen der damaligen Zeit wie Wirtschaftskrise, Inflation, Antisemitismus und Terror wieder oder immer noch so erschreckend aktuell sind. 
Aufgrund der vielen Sachinformationen und der etwas sehr gestrafften zeitlichen Darstellung der Lebensgeschichte bleibt die beruflich so toughe und mutige Alice dennoch etwas unnahbar, gerade weil ihr Privatleben eine nur vergleichsweise untergeordnete Rolle in dem Roman spielt. Der Kampf für die Rechte der Frau und Alices zielstrebiges Vorgehen sowie ihre Empathie für die Menschen und geschickter Umgang mit Worten sind die Elemente, die hervorgehoben werden und am Ende hängen bleiben. Das passt vielleicht zu einer Biografie, als Roman erscheint "Die Unbestechliche" zu wenig lebendig und steif. 

Samstag, 2. Dezember 2023

Buchrezension: Stephanie Butland - Hoffnung auf Papier

Inhalt:

In Loveday Cardews geliebtem Antiquariat in York ist es still geworden und einsam – wie in ganz England während des Corona-Lockdowns. Und das, obwohl die Menschen doch gerade jetzt Bücher am dringendsten brauchen, um ihr Herz zu weiten und der räumlichen und geistigen Enge zu entfliehen.
Da erhält Loveday den rührenden Brief eines alten Ehepaars: Rosemary und George wissen, dass ihre gemeinsame Zeit zu Ende geht, und bitten um einige Bücher, um noch einmal auf die Reise zu gehen – literarisch, auf der Bank ganz hinten in ihrem Garten am Meer.
Der Brief bringt Loveday auf eine Idee, mit der sie nicht nur ihr Antiquariat retten, sondern auch ganz verschiedenen Menschen durch diese dunklen Zeiten helfen kann. 

Rezension: 

Loveday Cardews Antiquariat "Lost for Words" in York hat schon bessere Tage erlebt. Loveday schafft es kaum ihre Geschäftsführerin Kelly zu entlohnen, geschweige denn sich selbst ein Gehalt zu bezahlen. Während der Corona-Pandemie und des Lockdowns ist es nachvollziehbar noch ruhiger geworden. Nach einem Brief eines älteren Ehepaares, das um die Zusendung für sie passender Bücher gebeten hatten, hat Loveday eine Idee zur Gewinnung neuer und alter Kunden. Sie veröffentlicht eine Anzeige für ihre Bücherapotheke mit Bestellung von Büchern auf Rezept. Neben einem Katalog für Bücher für jede Stimmungslage oder bestimmte Sehnsüchte, können die Kunden sich auch persönlich mit Wünschen nach einer individuell passenden Lektüre an das Antiquariat wenden. 

"Hoffnung auf Papier" ist eine Fortsetzung von "Ich treffe dich zwischen den Zeilen", kann aber auch ohne Vorwissen des Romans als eigenständige Geschichte gelesen werden. 
Das Buch handelt in einem Antiquariat, das nostalgisch anmutet, schildert jedoch auch die Situationen verschiedener Menschen in York und Umgebung, die sich mit der neuen Situation einer Pandemie im Jahr 2020 auseinandersetzen müssen. 
Einsamkeit aufgrund Lockdowns und Vereinzelung, Angst vor Ansteckung, Unsicherheit für die Zukunft, Geldnöte, Herausforderungen an Paarbeziehungen und Sorgen um geliebte Angehörige sind vorherrschende Gefühle, weshalb der Roman zunächst eine beklemmende und melancholische Stimmung verbreitet. Gerade in unsicheren Zeiten, wenn die Menschen den Halt von Freunden und Familie brauchen, können diese nicht für sie da sein. Bücher können zwar kein Ersatz für eine Umarmung, Zweisamkeit und körperliche Nähe sein, aber sie können Trost und Hoffnung spenden, eine Flucht aus der Realität bieten und Langeweile, Ängste und Einsamkeit für den Moment vertreiben. 

Auch wenn die vielen einzelnen kleinen Geschichten und Schicksale, die der Roman enthält, nicht in die Tiefe gehen können und man gerne mehr über den ein oder anderen Charakter und Familienkonstellation erfahren hätte, handelt er von Themen und Sorgen, die während der Hochphase der Pandemie alle Menschen betrafen, weshalb es leicht fällt, sich in die handelnden Figuren hineinzuversetzen und ihre Situation nachzuempfinden. Einzelne Personen wie das ältere Ehepaar Rosemary und George, die junge Mutter Zoe, die nach Hilfe suchende Jennifer oder auch Kelly und Loveday in dem Antiquariat rücken mehr in den Vordergrund, weshalb ihre persönlichen Geschichten auch mehr berühren. 

"Hoffnung auf Papier" ist eine warmherzige Geschichte, in der eine schier unerträgliche und nie zuvor dagewesene Situation die Menschen verwirrt, verunsichert und vereinsamen lässt. Bücher auf Rezept gegen die negativen Auswirkungen des Lockdowns sind ein Ausweg und Motivation und zeigen anhand verschiedener Beispiele die heilende Wirkung von Büchern und fiktiven Geschichten. Trotz aller Melancholie, Krankheit und Angst stimmt der Roman deshalb hoffnungsvoll. Er ist eine Hommage an Bücher und das Lesen und eine berührende Geschichte über Freundschaft und die Achtsamkeit und Fürsorge für die Menschen um uns herum. Nebenbei erhält man ganz viele Buchtipps für alle Typen von Lesern, die neugierig auf die Titel und ihre Geschichten machen. 

Freitag, 1. Dezember 2023

Buchrezension: Anders de la Motte - Stille Falle: Leonore Askers besondere Fälle (Leo Asker, Band 1)

Inhalt:

Eigentlich steht Kriminalinspektorin Leonore Asker kurz vor der Beförderung: Die Leitung der Abteilung für Schwerverbrechen in Malmö ist ihr so gut wie sicher. Stattdessen wird sie noch während der Ermittlungen in einem spektakulären Entführungsfall in ein Dezernat versetzt, von dem sie noch nie gehört hat: Ihre neuen Kollegen, allesamt Außenseiter und Nerds, nennen es nur »Abteilung für hoffnungslose Fälle«, denn hier landet, was bei der Polizei als unlösbar gilt.
Kurz darauf wird Leo ein Foto zugeschickt, das zwei Figuren in einer Modelleisenbahn-Landschaft zeigt. Das Bild ähnelt verblüffend dem letzten Instagram-Post der beiden entführten Teenager, von deren Fall Leo so abrupt abgezogen wurde. Weil ihre ehemalige Vorgesetzte nichts von Leos neuen Erkenntnissen wissen will, weiht sie ihren Kindheitsfreund Martin Hill ein, einen Experten für Lost Places. Sie ahnt nicht, dass sie ihn damit in größte Gefahr bringt. 

Rezension:

Kriminalkommissarin Leonore Asker ermittelt in einem Fall vermisster Jugendlicher, als sie aufgrund interner Querelen und Interessenkonflikten wegbefördert , aber eigentlich strafversetzt wird. Als Leiterin der Abteilung für besondere Fälle (und verlorene Seelen) hat sie es mit vermeintlich unwichtigen Fällen und ausrangierten Kollegen zu tun, die in den Katakomben des Polizeikommissariats Malmö untergebracht sind. Leo ersetzt den erkrankten Abteilungsleiter und stößt dabei auf eine interessante Theorie, die eine Verbindung zu dem Vermisstenfall aufweist, von dem sie abgezogen wurde.

"Stille Falle" ist der erste Band einer neuen Krimireihe um Kriminalinspektorin Leonore Asker, die unvermittelt in der Reserveabteilung, dem Dezernat für hoffnungslose Fälle, landet. Im Stockwerk Minus 1 sind die ausgemusterten Polizeibeamten, die sich ins Abseits manövriert haben und dort unkontrolliert ihr Dasein fristen. Leo, die Leiterin der Abteilung für Kapitalverbrechen hatte werden wollen, arbeitet von dort weiter an dem Vermisstenfall, zu dem ein paar Stockwerke über ihr in eine falsche Richtung ermittelt wird.

Der Kriminalfall wird aus wechselnden Perspektiven erzählt, so dass man als Leser Einblick in die Ermittlungen erhält, aber auch die Situation von Opfer und Täter miterlebt. Der Täter wird dabei nur als "der Troll" bekannt, weshalb die Identität lange im Verborgenen bleibt. Der Fall ist dadurch spannend aufgebaut und die Kürze der Kapitel trägt darüber hinaus zu einer fesselnden und dynamischen Schilderung bei.
Die Suche nach dem Täter, dem man dicht auf der Spur ist, ist wendungsreich und bringt Ermittler und Leser ein ums andere Mal auf eine falsche Fährte. Die skurrilen Charaktere, die in Teilen über unerwartete Talente verfügen, sorgen für Unterhaltung, ohne dass die Handlung an Ernsthaftigkeit einbüßen würde.

Einschübe aus Leos Vergangenheit geben mehr über ihre Persönlichkeit preis. Die schwierige familiäre Situation und ihr Kindheitstrauma bieten Potenzial für weitere Teile der Reihe, was dann auch das Ende des Romans beweist.


Mittwoch, 29. November 2023

Buchrezension: Corina Bomann - Die Farben der Schönheit: Sophias Träume (Sophia 2)

Inhalt:

New York, 1932. Sophia hatte nicht erwartet, je wieder glücklich zu sein. Nachdem sie in Paris ihr Kind verloren hatte, war sie verzweifelt. Doch in New York blüht sie auf: Ein Angebot von der charismatischen Elizabeth Arden bietet ihr eine unerwartete Chance. Unversehens gerät Sophia damit mitten in den „Puderkrieg“, der zwischen Elizabeth Arden und Helena Rubinstein tobt. Plötzlich stehen ihre Liebe, ihre Zukunft und ihr Glück auf dem Spiel. 

Rezension:

Nachdem Sophia einen anonymen Brief erhalten hat, der Unglaubliches enthüllt, kehrt sie zurück nach Paris um die Wahrheit über das Schicksal ihres Sohnes zu erfahren. Dort trifft sie jedoch auf eine Mauer des Schweigens, aber auch einen ambitionierten Detektiv, der ihr neue Hoffnung schenkt.
Nachdem ihr nach dem Verkauf von Helena Rubinsteins Kosmetikfirma gekündigt worden war, findet Sophia eine Anstellung bei Elizabeth Arden in New York, die damit die Konkurrenz ausforschen möchte. Statt im Labor arbeitet Sophia als Kosmetikerin, etabliert sich und darf wenig später ein neues Projekt von Miss Arden im ländlicheren Maine übernehmen.
Während Sophia beruflich voranschreitet, hält sie die Männer auf Abstand und lässt sie die Frage nach dem Verbleib ihres Sohnes nicht los.

"Sophias Träume" ist nach "Sophias Hoffnung" der zweite Band der Trilogie um den Puderkrieg zwischen Madame Rubinstein und Miss Arden. Der Roman setzt nahtlos an Band 1 fort und schildert Sophias weiteren Lebensweg, der durch die wechselnden Orte sowie kleinere und größere Dramen abwechslungsreich geschildert ist. Im Gegensatz zum ersten Teil kann Sophia in der Fortsetzung ihr berufliches Können nicht wirklich zeigen, ist fremdbestimmt und agiert passiv. Ihr scheint alles ohne große Anstrengung zuzufliegen, was sie trotz Schminke blass aussehen lässt. Ihr Weg hin zur Leiterin einer Schönheitsfarm ist deshalb nur wenig spannend skizziert. Auch ist schade, dass nur wenig Interaktion mit anderen stattfinden, nachdem es zum Bruch mit ihrer besten Freundin Henny gekommen war.

Die Geschichte wird gut in den historischen Kontext von Weltwirtschaftskrise und politischen Umbrüchen Ende der 1920er-/ Anfang der 1930er Jahre eingebettet. Sophias Rückkehr nach Berlin aufgrund eines unerwarteten Todesfalls zeigt die Veränderungen in Deutschland unter Hitler eindrücklich und wie wenig davon zunächst in Amerika zu erahnen war. Auch wird der Roman durch die Reise mit ihrem Ex-Geliebten Darren und aufgrund der Details, die sie über ihre Familie erfährt, lebendiger und emotionaler, bis es auch beruflich zu reichlich Konfliktpotenzial im Umgang mit den exzentrischen und dominanten Kosmetikunternehmerinnen kommt. 

Sophia geht in Band 2 weiter ihren Weg, durchlebt Höhen und Tiefen und entwickelt sich von einem naiven Mädchen zu einer reiferen jungen Frau, die aus ihren Fehlern gelernt hat. Sie handelt privat und beruflich umsichtiger, lässt dadurch jedoch nur wenige Menschen an sich heran und ist einsamer. Ihre Entwicklung ist nachvollziehbar und authentisch und macht - trotz einiger Längen in dem über 500 Seiten langen Wälzer - neugierig, wie es im abschließenden 3. Teil der Reihe "Sophias Triumph" mit ihr privat und beruflich weitergehen wird. 

Montag, 27. November 2023

Buchrezension: Silvia Hildebrandt - Trümmerland

Inhalt:

1941. Das nationalsozialistische Rumänien zu Beginn des Ostfeldzugs. Der Jungoffizier Ion "Nelu" Nicolescu bereitet sich auf den Kampf gegen die Russen vor. Bevor er an die Front versetzt wird, schwört er, seine Jugendliebe Andrada nach seiner erfolgreichen Mission zu heiraten. Aber Nelus Einheit wird unter das Kommando des deutschen Oberfeldwebels Schmidt gestellt, der seine rumänischen Untergebenen schikaniert. Aus Monaten werden Jahre und Nelu wird in der Schlacht um Stalingrad gefangen genommen. Während er in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager gefoltert wird, verliebt sich Andrada in den Bauern Cristian. Als Rumänien im Sommer 1944 die Fronten wechselt und nach und nach zu einem sozialistischen Staat umgebaut wird, werden aus alten Verbündeten Feinde, aus ehemaligen Feinden notwendige Partner. Für welche Seite entscheidet sich Nelu? Kann Andrada mit Cristian glücklich sein, während ihr Herz immer noch an einem gebrochenen Kriegsgefangenen hängt? 

Rezension:

Der Rumäne Nelu glaubt an den Sieg der Deutschen über die russischen Kommunisten und bereitet sich euphorisch und voller Stolz auf seinen Einsatz als Offizier vor. Seine Freundin Andrada tröstet er damit, dass er in wenigen Monaten schon wieder erfolgreich zurückkehren werde. 
Andrada hört nichts von Nelu an der Front, weiß jedoch auch, dass er nicht dafür gemacht ist, romantische, sehnsuchtsvolle Briefe zu schreiben. Aufmerksamkeit erhält sie stattdessen von ihrem Cousin Cristian, der eigentlich mit ihrer Schwester Nina zusammen ist. 
Während Nelu mit der rumänischen Division gelangweilt Stellung hält, kommt er seinem Kameraden Marius näher. Als ihre Armee weiter in den Osten vorrückt und sie nicht einmal gegen den Winter gerüstet sind, wird Nelu schmerzhaft bewusst, dass die rumänischen Soldaten nur als Vorhut für die Deutschen und Kanonenfutter vorangetrieben werden. 
Nach Beendigung des Krieges und dem Sieg der Russen entwickelt sich Rumänien vom faschistischen Königreich zu einem kommunistischen Staat. Die Folgen des Krieges betreffen Nelu, Andrada und Cristian auf unterschiedliche Art und Weise, erzählen eine Geschichte von Begehren, Enttäuschung, geplatzten Träumen, Armut, Unterdrückung und Politik im Wandel der Zeit. 

"Trümmerland" ist Band 1 einer dreiteiligen Buchreihe um die historische Entwicklung Rumäniens vom 1941 bis 1979. Der Roman selbst ist in drei Teile untergliedert, beginnt mit dem Zweiten Weltkrieg, wird zur Zeit des Wiederaufbaus 1950/ 1951 fortgeführt und endet mit der Entwicklung zur Unabhängigen Sozialistischen Republik Rumänien von 1956 bis 1968. 

Die fiktive Geschichte vor dem Hintergrund der Entwicklung Rumäniens wird aus den Perspektiven von Nelu und Andrada erzählt, die beide keine einnehmenden oder sympathischen Charaktere sind. Überhaupt sticht keine Figur in dem Buch positiv hervor. Die Kriegsereignisse und die Folgen für Land und Leute sind betrüblich und die Protagonisten böse, egoistisch, manipulativ, wankelmütig und unnahbar. 
So konnte mich nicht einmal die Liebesgeschichten für sich gewinnen, denn auch diese sind wenig liebe- oder gefühlvoll, sondern allein von einer körperlichen Anziehung geprägt. 

Der unübliche Schauplatz Rumänien hatte mein Interesse für den Roman geweckt, der den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen thematisiert und nicht in einem der gewohnten Länder Deutschland, Österreich, Frankreich oder Amerika handelt. Die Schilderungen über den Krieg sind einseitig von amourösen Beziehungen geprägt, die mich langweilten und weiter von den Charakteren entfernten, so dass mir ihr weiteres Schicksal schon fast egal wurde. 
Die Zeit des Wiederaufbaus handelt von einer eigenartigen Dreiecksbeziehung und weiteren Liebesabenteuern von Nelu, die seiner Romeo-Mission als geheimer Mitarbeiter der Securitate geschuldet ist. Während die verheiratete Andrada sich nach Nelu verzehrt, hysterisch oder überdreht agiert, ist sein Verhalten von Hass gegen das herrschende System, die Russen und die Deutschen geprägt. Cristian scheint hingegen stoisch zu akzeptieren, dass seine Frau für Nelu schwärmt und dabei sogar weitergeht, was augenscheinlich nicht ohne Folgen bleibt. 

Die Verhaltensweisen der Hauptfiguren sind kaum nachvollziehbar, die Dialoge hölzern und stupide, so dass die Geschichte stellenweise unfreiwillig und unpassend komisch ist. Die ewige Litanei an Selbstmitleid und Eifersüchteleien lässt weder eine charakterliche Weiterentwicklung zu, noch gestaltet sie die Geschichte interessant oder gar spannend. Die historischen und politischen Anteile daran bleiben oberflächlich und nicht nur aufgrund der Zeitsprünge bruchstückhaft. 

"Trümmerland" hat Erwartungen an einen historischen Roman über ein umkämpftes, zerrissenes Land geweckt, aber am Ende überwiegt der Eindruck einer leidvollen Geschichte voller unsympathischer Charaktere, in der weder das Land als solches noch seine Geschichte näher gebracht wurde.