Freitag, 22. Dezember 2023

Buchrezension: Max Seeck - Waiseninsel (Jessica-Niemi-Reihe, Band 4)


Inhalt:

Kommissarin Jessica Niemi gerät in eine Auseinandersetzung, wird handgreiflich und prompt von einem Passanten gefilmt. Das Video geht viral und sie wird beurlaubt. Um Abstand zu gewinnen, fährt Jessica auf die zwischen Finnland und Schweden gelegenen Åland-Inseln. Dort trifft sie auf eine Gruppe älterer Menschen, die als Kinder während des Krieges fliehen mussten und hier auf der Insel in einem Waisenhaus lebten. Nun treffen sie sich wieder. Als einer der Alten tot aufgefunden wird, beginnt Jessica zu ermitteln. Denn bereits zuvor kamen zwei Menschen auf dieselbe mysteriöse Weise ums Leben. Alle drei Opfer scheinen mit der Legende um "Das Mädchen im blauen Mantel" im Zusammenhang zu stehen. 

Rezension:

Nachdem Jessica Niemi nach einer tätlichen Auseinandersetzung, die öffentlich bekannt wurde, vom Dienst beurlaubt wurde, begibt sie sich nach Smörregård, einer entlegenen Åland-Insel. Neben den Inhabern des Gasthofes sind ein schwedisches Pärchen und eine Gruppe älterer Menschen untergebracht, die nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Waisenhaus auf der Insel lebten und sich jährlich treffen. Als am Morgen eine von ihnen tot aufgefunden wird, ist Jessicas Polizeiinstinkt geweckt. Sie findet heraus, dass es auf der Insel bereits mehrere ähnliche Todesfälle gegeben hat und hört zudem von dem gruseligen Mythos des Mädchens im blauen Mantel, das 1946 von der Insel verschwunden ist, aber dennoch immer wieder von Menschen gesehen wurde. Selbst Jessica glaubt, sie in der Nacht, als die alte Frau ums Leben kam, gesehen zu haben. 

"Waiseninsel" ist Band 4 der finnischen Thrillerreihe um die Helsinkier Ermittlerin Jessica Niemi. Der Roman handelt im März 2020, weshalb die Corona-Pandemie mit landesweiten Einschränkungen in Finnland zum Thema wird, allerdings nur nebensächlich und nicht störend. Daneben gibt es Rückblenden in das Jahr 1946, als die älteren Gäste noch Kinder waren und in dem Waisenhaus auf der Insel lebten. 

Band 4 der Reihe ist mehr Krimi als Thriller, jedoch mit einer gelungen Kombination aus psychologischer Spannung und Mystik. Durch den Schauplatz des Archipels ist die Erzählung zudem atmosphärisch, was zu dem Grusel passt, den die mysteriöse Geschichte um das untote Mädchen verbreitet. 
Der Krimi ist durch die übersichtliche Anzahl an Protagonisten, die sich auf einer entlegenen Insel aufhält, auf der ein Mord passiert, für den nur einer von ihnen verantwortlich sein kann und in der Jessica wie eine Miss Marple ermittelt, klassisch aufgebaut. Dennoch ist es unheimlich spannend zu erfahren, wie Vergangenheit  und Gegenwart zusammenhängen und aus welchen Gründen die Menschen auf der Insel zusammengekommen sind, denn hier hat wirklich jeder etwas zu verbergen oder handelt aus einem anderen Motiv, als zunächst eindeutig scheint. 

Die Aufklärung des Falls ist insbesondere am Ende unheimlich wendungsreich, da sich letztlich jeder einzelne verdächtig macht und es schwierig macht, einen von ihnen kategorisch auszuschließen. 

Zudem wird die Handlung von der sehr speziellen Polizistin Jessica Niemi getragen, die befürchtet wie ihre Mutter an Schizophrenie zu erkranken und die immer wieder von Visionen, Stimmen von Toten in ihrem Kopf und Wahnvorstellungen heimgesucht wird und damit auch für ihre Vorgesetzte unberechenbar ist. Jessicas unkonventionelle Art, ihre besondere Auffassungsgabe und Instinkt geben der Reihe ihren besonderen Charme und Reiz. 
"Waiseninsel" ist weniger außergewöhnlich als die anderen Bände, aber damit nicht weniger fesselnd. 

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