Samstag, 30. Juli 2022

Buchrezension: Klara Hveberg - Lehne deine Einsamkeit sanft an meine

Inhalt:

Rakel hat es nie verstanden, Freunde zu finden. Ihre besten Freunde sind die Buchstaben, Zahlen und Phantasiefreund David. Außerdem hat sie ein Talent für Missverständnisse im besten Sinne: Wenn andere die Treppe nehmen, gleichen die Stufen in Rakels Augen einer Klaviatur. Wenn andere zwei sich kreuzende Boote beobachten, sieht Rakel einen Kuss auf den Gewässern der Fjorde.
Als sie zum Studium nach Oslo zieht, lernt sie den Mathematikprofessor Jakob kennen. Er arbeitet an einem Roman über Sofja Kowalewskaja, die erste Frau, die Mathematikprofessorin wurde. Zu ihrem Vorgesetzten hatte sie ein enges Verhältnis, und auch Rakel und Jakob gehen eine Liebesbeziehung ein. Doch Rakel wird krank und phantasiert vom Bett aus über Sofjas Leben, sucht nach Antworten in Zahlen, Musik und Literatur. Kann Sofja ihr helfen, sich selbst und ihre Beziehung zur Welt und zur Liebe zu verstehen? 

Rezension: 

Rakel hat sich schon immer mit Zahlen wohler gefühlt als mit Menschen, hatte nie viele Freunde, aber dafür eine enge Beziehung zu ihren Eltern, vor allem zu ihrem Vater, der Wissenschaftler ist. Mit 19 Jahren und ihrem Faible für Mathematik zieht sie nach Oslo um zu studieren. Dort trifft sie auf den doppelt so alten Jakob, einen Dozenten, der von ihrem schnellen Verstand und ihrer Leidenschaft für mathematische Rätsel, Beweise und Herleitungen fasziniert ist. 
Rakel verliebt sich in den verheirateten Mann und gibt sie ihm mit Haut und Haar hin. Als sie krank wird, ist er ihr einziger Halt. Neben der Diskussion über Mathematik lesen sie Gedichte und Jakob schreibt ihr selbst Gedichte. Sie leben in ihrer eigenen Welt, in der es nur sie beide gibt. 
Während ihre nicht weiter diagnostizierte Krankheit fortschreitet und Jakob ihr Versprechungen macht, seine Frau zu verlassen, wenn die Kinder älter sind, macht Rakel Karriere als Akademikerin bis die Krankheit ihren Tribut fordert.

Rakel ist eine hochintelligente junge Frau, der es schwerfällt, auf andere Menschen zuzugehen und Bindungen einzugehen. Umso enger wird die Verbindung zu ihrem Professor, in dem sie in Bezug auf ihre Leidenschaft für Lyrik und Mathematik einen Seelenverwandten findet. Sie ist einerseits intelligent und andererseits schrecklich naiv. So entwickelt sich die Beziehung nach einem altbekannten Muster. Der verheiratete Mann macht Versprechen, vertröstet die unerfahrene Frau und wiegt sie damit in Sicherheit - wird sich aber letztlich nie für die Affäre und gegen die Familie entscheiden.

Rakel wird schon während der Beziehung zu Jakob krank, wobei die Krankheit nie benannt wird, so dass nur spekuliert werden kann wie groß die Rolle ihrer Psyche bei den körperlichen Symptomen ist.
Als sie nicht mehr arbeiten kann, beschäftigt sie sich intensiv mit dem Leben der Mathematikerin Sofja Kowalewkaja, das so viele Parallelen zu ihrem eigenen Leben aufweist. Rakel möchte von Sofjas Fehlern lernen, um nicht so unglücklich zu werden wie sie.
Während man im ersten Teil des Romans ein Verständnis für Algebra, Stochastik und damit verbundene Fragestellungen haben sollte, um den Dialogen von Rakel und Jakob zu folgen, sollte man im zweiten Teil ein Interesse für klassische Musik aufbringen.

Es ist ein Roman, der sich im Wesentlichen auf die Gefühlswelt und Gedanken von Rakel konzentriert und deshalb etwas eintönig ist. 
Zudem ist es schon fast deprimierend zu lesen, wie Rakel ihr Potenzial nicht ausschöpft und so viel Zeit mit Jakob verschwendet. 
Vor allem auf den letzten Seiten, in denen sich Rakel gedanklich wirr mit historischen Persönlichkeiten beschäftigt, ist das Buch recht zäh. Man gelangt zu keinen neuen Erkenntnissen über Rakel, die einerseits so rational und wissenschaftlich denken kann, andererseits jedoch so künstlerisch, emotional und verletzlich ist, und ihre weitere Zukunft. 
"Lehne deine Einsamkeit sanft an meine" ist keine Liebesgeschichte als solche, sondern eine Geschichte über Einsamkeit, denn selbst als Rakel Jakob noch regelmäßig sieht, ist sie doch allein mit sich und ihren Träumen von einer anderen Zukunft.

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