Montag, 2. März 2020

Buchrezension: Katya Apekina - Je tiefer das Wasser

Inhalt:

Edie und Mae sind Schwestern. Die Mutter der beiden hat versucht sich umzubringen, und nun werden sie weggeschafft, aus ihrem Heimatkaff in Louisiana nach New York, aus der Obhut einer labilen Fantastin zum weltberühmten Schriftstellervater, der die Familie vor Jahren verließ. Für Edie bedeutet die neue Umgebung einen unverzeihlichen Verrat, für Mae die langersehnte Möglichkeit der Befreiung. Schnell kommt es zum Bruch. Während die eine einen verzweifelten Rettungsversuch unternimmt, lässt sich die andere ein auf die Zuneigung des Vaters und die Bitte, ihm beim Schreiben seines neuen Romans über die Mutter zu helfen. Alle sind sie getrieben von einer Obsession: Verstehen, was zwischen ihnen, was tief in ihnen vor sich geht. 

Rezension: 

Die beiden Schwestern Edie und Mae, 16 bzw. 14 Jahre alt wohnen seit dem Selbstmordversuch ihrer Mutter Marianne bei ihrem Vater Dennis, der die Familie vor zwölf Jahren verlassen hatte. Für die beiden Mädchen ist Dennis, der berühmte Romanautor aus New York, ein Fremder. Während Edie ihn von Grund auf ablehnt und am liebsten wieder zurück nach Hause zu ihrer Mutter nach Louisiana möchte, sucht Mae die Liebe ihres Vaters. 

Edie ist ein aufmüpfiger Teenager, die stur ihren eigenen Willen durchsetzen möchte und ihrem Vater gar keine Chance gibt. Ihre Mutter ist für sie ein Opfer, um die sie sich kümmern möchte. Mit ihrer einerseits stoisch liebevollen, aber gleichzeitig überheblichen Art merkt sie nicht, dass sie damit Unmögliches versucht. 
Die jüngere Schwester Mae hat keine Erinnerungen mehr an die Zeit mit ihrem Vater, hegt keinen Groll gegen ihn, sondern möchte ihm unbedingt gefallen. Sie sieht ihrer Mutter Marianne ähnlich und beginnt, ihre Verhaltensweisen zu imitieren. Sie schlüpft in eine Rolle, um ihrem Vater eine Muse für seinen aktuellen Roman zu sein, wie es früher schon Marianne war. Sie steigert sich dabei in einen Wahn und verliert bald jeden Bezug zur Realität. 
Dennis Lomack bleibt passiv, hat keine Kontrolle über seine Teenager-Mädchen und versagt als Vater. Für ihn steht allein die Fertigstellung seines Romans im Vordergrund und dabei opfert er rücksichtslos seine Tochter. 

"Je tiefer das Wasser" ist eine Familientragödie, die aus sehr vielen verschiedenen Perspektiven geschrieben ist, wobei insbesondere Edith in der Gegenwart 1997 und Mae als Rückblick als Figuren im Vordergrund stehen. Die anderen Personen, die zu Wort kommen und die Erzählung der Mädchen geschickt ergänzen und abrunden, sind Menschen aus dem Umfeld der Familie - Verwandte, Freunde, aber auch Nachbarn. Durch die kurzen Abschnitte, die durch Zeitungsartikel, Interviews, Briefe, Telefonate oder Ärzteberichte ergänzt werden sorgen für Dynamik und Abwechslung. 
Durch die vielen kleinen Details und Rückblenden in die Vergangenheit, erhält der Leser nach und nach ein Gesamtbild von der Familie, angefangen vom Kennenlernen von Marianne und Dennis bis zum katastrophalen Höhepunkt 1997 in New York. 

Der Roman schildert sehr drastisch eine kaputte Familie und welche ungesunden Beziehungen die Mitglieder miteinander pflegen und so beschädigt wie sie sind, auch mit anderen Personen eingehen. Es herrschen Neid, Eifersucht und Missgunst bis zu Hass, aber auch eine unheimliche Leidenschaft, die von allen Personen ausgeht. Sie alle sind auf der Suche nach Liebe und Anerkennung und entwickeln dabei einen blinden Wahn. 

Die Geschichte fesselt durch die Abgründe, die sich auftun. Auch wenn alle Charaktere auf ihre Art beschädigt sind, kann man ihre Beweggründe und vor allem die Denkweisen der beiden Mädchen, in die man tiefe Einblicke erhält, sehr gut nachvollziehen. Die Handlung ist auf eine faszinierende Art verstörend und lässt einen nicht mehr los. "Je tiefer das Wasser" ist inhaltlich und stilistisch ein ungewöhnlicher und bemerkenswerter Roman. 




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen