Samstag, 11. Januar 2020

Buchrezension: Anita Shreve - Das Gewicht des Wassers

Inhalt: 

Der Segeltörn der Fotoreporterin Jean mit ihrer Familie, ihrem Schwager und dessen Freundin sollte eigentlich der Recherche eines über 100 Jahre zurückliegenden Mordes an zwei jungen Norwegerinnen dienen. Doch schon bald entsteht an Bord des Bootes eine Atmosphäre von erotischer Spannung und Eifersucht, die unweigerlich in einer dramatischen Katastrophe endet. 

Rezension:

Die Fotografin Jean ist zusammen mit ihrem Ehemann Thomas, ihrer fünfjährigen Tochter Billie und ihrem Schwager Rich sowie dessen Freundin Adelaide auf einem Segelschiff vor den Isles of Shoals vor der Ostküste der USA unterwegs, um über einen historischen Mordfall zu recherchieren, der sich 1873 auf einer der Inseln ereignet hatte und nur unzufriedenstellend aufgeklärt wurde. 

Auf dem Schiff ist die Atmosphäre angespannt. Jean beobachtet Thomas und Adelaide mit Argusaugen, fürchtet, ihr Mann könnte eine Affäre mit der jungen, anmutigen Frau haben. Die Katastrophe passiert erst am Tag ihrer Abreise, als ein Sturm aufzieht und die fünf der Natur schutzlos ausgeliefert sind. 

Der Roman ist aus der Perspektive von Jean geschrieben, die sich fortlaufend mit Adelaide vergleicht, deshalb unsicher wirkt und sich kaum auf ihre Recherchearbeiten konzentrieren kann. In einer Bibliothek vor Ort hat sie Dokumente über die Gerichtsverhandlung gefunden sowie die Tagebuchaufzeichnungen aus dem Jahr 1899 von Maren Hontvedt, der einzigen überlebenden Zeugin des Mordfalls. Sie berichtet, wie sie 1868, jung und frisch verheiratet, von Norwegen in die USA immigrierte, wie sich ihr einsames Leben auf der Insel Smuttynose gestaltete, ihre Schwester und ihr Bruder nach dem Tod des Vaters nachfolgten und was sich in der Mordnacht ereignete, als ihre Schwester Karen und ihre Schwägerin Anethe brutal getötet wurden. Während die Auszüge aus der Gerichtsverhandlung übergangslos die Erzählung in der Gegenwart durchbrechen, sind die Abschnitte aus den Tagebüchern von Maren deutlich länger und durch eigene Kapitel von der Gegenwart gelöst. 

Es ist schade, dass die beiden Handlungsstränge nicht miteinander verknüpft werden, so dass der Eindruck entsteht, zwei verschiedene Geschichten parallel zu lesen. Jean reflektiert oder kommentiert die Ereignisse von 1868 bis 1873, mit denen sie konfrontiert wird, in keinster Weise. 
Augenscheinlich sind dennoch die Parallelen, denn beide Frauen befinden sich auf engstem Raum mit anderen Personen - Jean auf dem Segelschiff und Maren in dem kleinen Häuschen auf Smuttynose, in dem sie mit bis zu fünf weiteren Personen wohnte. Darüber hinaus sind sie von den Gezeiten und dem Wetter geplagt, Sturm, Regen und Kälte schutzlos ausgeliefert. 

Das Beziehungsdrama in der Gegenwart auf dem Segelschiff weiß nicht so recht zu überzeugen. Die Charaktere bleiben blass, ihre Motive vage und Konflikte unausgesprochen. Vordergründig ist die Eifersucht und das Misstrauen Jeans, das ihre Gedanken beherrscht. 

Die Enden beider Erzählstränge sind furios, werden aber zu nüchtern und übereilt geschildert, so dass die Spannung durchweg auf einem eher niedrigen Niveau bleibt und die Schicksale der Frauen nicht emotional packen können. 



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