Montag, 25. Februar 2019

Buchrezension: Henriette Dyckerhoff - Was man unter Wasser sehen kann

Inhalt:

Als ihre Mutter verschwindet, kehrt die junge Luca in ihre Heimat zurück, nach Ronnbach, jenen kleinen Ort zwischen waldigen Hügeln und tiefhängendem Himmel, wo sie zwischen Mutter und Großmutter aufwuchs, zwischen zwei Frauen, die einander das Leben schwermachten. Luca verstand nie, warum, doch nun sucht sie nach Antworten, und bald erkennt sie, dass die Geschichte ihrer Familie ihren Anfang nahm, als das Ronnetal in den Sechzigern gegen den Willen einiger geflutet werden und ein ganzes Dorf versinken sollte. 

Rezension: 

Luca wohnt in Berlin und arbeitet bei ihrem Freund in einem kleinen Lebensmittelladen. Zu ihrer Familie im Sauerland, die davon ausgeht, dass Luca in Berlin studiert, hat sie kaum Kontakt. Umso überraschter ist Luca, als ihre Mutter einen Besuch ankündigt. Luca wartet, doch Marion kommt nie bei ihr an. Ihr Wagen wird unweit ihres Wohnortes an der Ronnetalsperre gefunden. Luca fährt in ihre Heimat, wo sie wieder bei Oma Grete einzieht, bei der sie größtenteils aufgewachsen ist. Für sie ist die Rückkehr auch eine Reise in die Vergangenheit, denn die Zeit im Dorf scheint stehengeblieben zu sein. 
Vor Ort versucht Luca herauszufinden, wo ihre Mutter sein könnte, da die Polizei nichts unternimmt und sich auch Grete keine Gedanken um den Verbleib ihrer Tochter macht. Marion ist zwar schon immer ein unsteter Charakter gewesen, von dem Luca sich ungeliebt und wenig beachtet fühlte, sie traut ihrer Mutter aber dennoch nicht zu, dass sie ohne ein Wort verschwindet, noch dazu, da sie sie in Berlin besuchen wollte. 

"Was man unter Wasser sehen kann" ist eine fesselnde Familiengeschichte über drei Generationen Frauen, die schon immer ein angespanntes Verhältnis zueinander hatten sowie die Geschichte über ein Dorf, das dem Bau einer Talsperre zum Opfer gefallen ist. Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt: die Gegenwart im September 2015 aus der Sicht von Luca und in der Vergangenheit, eine Zeitspanne von Ende der 1950er bis Mitte der 1960er-Jahre aus der Perspektive von Cord, der wie so viele Dorfbewohner sein Eigentum für den Bau der Talsperre aufgegeben musste. 

Der Schreibstil ist sehr bildlich und atmosphärisch. Die Abgeschiedenheit des Dorfes, in dem sich in den letzten fünf Jahren der Abwesenheit von Luca nicht viel geändert hat, ist durch ihre Wiederkehr und das Treffen auf alte Bekannte spürbar. Zudem geht von dem Stausee, in den sich schon Personen hinuntergestürzt haben sollen, eine sagenhafte Anziehungskraft aus. 

Lucas Suche nach ihrer Mutter ist gleichzeitig eine Suche nach ihrer eigenen Identität und wo sie im Leben hin möchte. Mühevoll erfährt sie in Gesprächen mit den Dorfbewohnern, die lieber über als miteinander reden, Dinge aus ihrer Kindheit, die sie als Kind nicht einordnen konnte und aus der jüngsten Vergangenheit, wie sich Marion seit Lucas Auszug verhalten hat. Oma Grete ist keine Hilfe, sie hüllt sich in Schweigen und scheint mit ihrer Tochter endgültig gebrochen zu haben. 

"Was man unter Wasser sehen kann" ist eine Mischung aus beklemmendem Familiendrama und einem Spannungsroman mit Krimielementen, der den Leser nicht nur durch die Suche nach und Sorge um Marion, sondern auch durch die bildgewaltige Beschreibung der Umgebung und die schwer einzuschätzenden Charaktere fesselt. 



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