Samstag, 15. Dezember 2018

Buchrezension: Chloe Benjamin - Die Unsterblichen

Inhalt:

Wie würdest du leben, wenn du wüsstest, an welchem Tag du stirbst? Sommer 1969: Wie ein Lauffeuer spricht sich in der New Yorker Lower East Side herum, dass eine Wahrsagerin im Viertel eingetroffen ist, die jedem Menschen den Tag seines Todes vorhersagen kann. Neugierig machen sich die vier Geschwister Gold auf den Weg. Nichtsahnend, dass dieses Wissen für jeden von ihnen auf unterschiedliche Weise zum Verhängnis wird. Simon, den Jüngsten, zieht es Anfang der 1980-er Jahre nach San Francisco, wo er nach Liebe sucht und alle Vorsicht über Bord wirft. Klara, verwundbar und träumerisch, wird als Zauberkünstlerin zur Grenzgängerin zwischen Realität und Illusion. Daniel findet nach 9/11 Sicherheit als Arzt bei der Army. Varya wiederum widmet sich der Altersforschung und lotet die Grenzen des Lebens aus. Doch um welchen Preis? 

Rezension:

Die vier Geschwister Simon, Klara, Daniel und Varya suchen im Jahr 1969 eine Wahrsagerin auf, die sich in ihrem Viertel niedergelassen hat und die angeblich den individuellen Todestag vorhersehen kann. Nichtsahnend welche Auswirkungen dieses vermeintliche Wissen über das eigene Lebensende auf die sieben bis 13-Jährigen haben wird, erfahren sie, dass nur Varya ein hohes Alter von 88 Jahren erreichen wird. 
Die Wege der Geschwister trennen sich. Während Simon und Klara gemeinsam nach San Francisco gehen, wo sie sich mehr Freiheit erhoffen, bleiben Daniel und Varya in New York bei ihrer verwitweten Mutter. Simon kann seine Homosexualität endlich ausleben, Klara ihren Traum der Magier erfüllen, Daniel studiert bodenständig Medizin und die zielstrebige Varya widmet sich der Primatenforschung. 
Im Hinterkopf vergessen sie dabei nie die Voraussage der Wahrsagerin. 

Der Roman ist nach dem Besuch der Wahrsagerin aus der Sicht jeweils eines der vier Geschwister geschildert. Beginnend mit dem Jüngsten Simon werden die Leben bis zum Tod erzählt. Dabei ist es spannend zu sehen, was die Vorhersage aus den Geschwistern macht. Dabei sieht man sich als Leser auch selbst mit den Fragen konfrontiert: Kann man einer solchen Vorhersage Glauben schenken? Lebt man risikoreicher, wenn man weiß, das man ohnehin früh sterben wird oder sollte man gerade deshalb nicht eigentlich vorsichtig sein und jedes Risiko vermeiden? In wiefern kann es einen Placebo-Effekt geben bzw. wird der Tod durch eine Art selbsterfüllende Prophezeiung selbst herausgefordert?

Alle vier Schicksale sind anders und werden in einer unterschiedlichen Intensität chronologisch erzählt. So erfährt man zunächst viel über Simon, dessen Leben man von seiner Kindheit bzw. Jugend bis zum Tod verfolgt. Anschließend wird der Fokus auf Klara gelegt, die Simon am nächsten stand und sich mit der Prophezeiung im Hinterkopf in den Alkohol flüchtet. Anschließend kommen die beiden älteren Geschwister Daniel und Varya, die sich von ihren jüngeren Geschwistern enttäuscht abgewandt haben, zum Zuge. Sie werden in anderen Lebensabschnitten betrachtet und haben wiederum mit ganz anderen Ängsten zu kämpfen. Während Daniel nicht an die Vorhersage glauben möchte, eine Wut in sich trägt und sich an der Wahrsagerin rächen möchte, führt Varya ein zurückgezogenes, einsames Leben, das voller Zwänge ist und in dem sie genauso eingesperrt wirkt, wie die Äffchen, an denen sie forscht.  
Es ist ein Roman, der zum Nachdenken anregt, wie man selbst in so einer Situation reagieren würde. Möchte man seinen Todeszeitpunkt tatsächlich wissen und wie lebt man dann darauf hin? 
"Die Unsterblichen" hinterfragt, wie viel der Mensch selbst entscheiden kann und wie viel Schicksal ist. 
Mir hat die Idee und die Umsetzung der Geschichte sehr gut gefallen und für mich die Botschaft herausgeholt, dass es besser ist, wie von der Natur vorgegeben, das eigene Lebensende nicht zu wissen, aber dennoch jeden Tag so zu leben, als ob es der letzte wäre. 



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen