Mittwoch, 18. Juli 2018

Buchrezension: Isabelle Autissier - Herz auf Eis

Inhalt:

Sie sind jung und verliebt und haben alles, was sie brauchen. Aber ihr Pariser Leben langweilt sie, also nehmen Louise und Ludovic ein Sabbatjahr und umsegeln die Welt. Bei einem Ausflug auf eine unbewohnte Insel vor Kap Hoorn reißt ein Sturm ihre Jacht und damit jegliche Verbindung zur Außenwelt mit sich fort. Was als kleiner Ausbruch aus dem Alltagsleben moderner Großstädter gedacht war, mündet urplötzlich in einen existenziellen Kampf gegen Hunger und Kälte. Nicht weniger aufreibend ist das psychologische Drama, das sich zwischen den Partnern entspinnt. Wer trägt die Schuld an der Misere? Wer behält die Nerven und trifft die richtigen Entscheidungen? Und was wird aus der Liebe, wenn es ums nackte Überleben geht? Herz auf Eis wagt sich an die Frage, was mit uns und unseren Beziehungen geschieht, wenn wir unsere Komfortzone verlassen.

Rezension: 

Louise und Ludovic sind ein frisch verliebtes Paar, das in Paris lebt. Während sie ihren Arbeitsalltag als eher langweilig empfinden, hat Louisa ihre Erfüllung in ihrem Hobby, dem Klettern, gefunden. Da packt auch Ludovic die Abenteuerlust. Als begeisterter Segler möchte er sich ein Jahr Auszeit nehmen und die Welt per Boot erkunden. Um die noch junge Beziehung nicht zu gefährden, willigt Louise in das Sabbatjahr ein und begibt sich mit Ludovic auf Weltreise. 

Beim Segeln zu den Antillen, über Patagonien und durch den Südatlantik in Richtung Südafrika werden sie ein gutes Team und auch Louise ist begeistert über die Horizonterweiterung. Als sie jedoch an eine Insel gelangen, die Naturschutzgebiet ist und nur zu Forschungszwecken genutzt werden darf, beschließt Ludovic an der Insel anzulegen und eine Bergtour zu machen. Auch als Louise vor einem Wetterumschwung warnt, weigert sich Ludovic, umzukehren. Regen und Sturm ziehen so stark auf, dass das Paar in der alten Walfangstation über Nacht Schutz suchen muss. 

Am nächsten Morgen ist ihr Segelboot unauffindbar mit ihren Vorräten und technischem Equipment verschunden. Louise und Ludovic bleiben nur die Kleidung, die sie am Leib tragen, ein Feuerzeug, zwei Äpfel und Müsliriegel. Sie sind ganz auf sich allein gestellt und keiner weiß, wo sie sich aufhalten. 

Es beginnt ein Kampf um das nackte Überleben, gegen Kälte und Hunger, aber auch die Liebe und Loyalität zu bewahren und auf Schuldzuweisungen zu verzichten. 

Der Roman ist in zwei Teile "Dort" und "Hier" aufgeteilt, so dass man als Leser nicht nur das schier hoffnungslose Abenteuer auf der Insel miterlebt, sondern auch erfährt, ob und in welchem Zustand Ludovic und Louise überleben und das Erlebte verarbeiten werden. 

Auf der Insel richten sie sich aus den Gegebenheiten notdürftig ein Zuhause ein, gelangen aufgrund der Temperaturen und des nahenden Winters, aber vor allem auch aufgrund der eingeschränkten Nahrungsmittel an die Grenzen des Erträglichen. Sie sind gezwungen, Pinguine niederzuknüppeln und sich von den wenig ergiebigen Fleischanteilen zu ernähren. Vier Pinguine pro Person und Tag sind nötig, um den nagenden Hunger zu stillen. Louise und Ludovic bauen körperlich ab, fühlen sich aufgrund ihres barbarischen Verhaltens kaum noch als Menschen. Moral und ethische Grundsätze spielen kaum noch eine Rolle und die Hoffnung auf ein rettendes Forschungsschiff sinkt stetig. Aus einer Reise, die unternommen wurde, um dem Alltag zu entfliehen und Freiheit zu erleben, wird eine Gefangenschaft auf einer unbewohnten Insel, abhängig von den Gegebenheiten der Natur. 

Sehr eindringlich beschreibt die Autorin den Überlebenskampf des Paares auf der Insel und wie sie letztlich physisch und psychisch am Rande ihrer Kräfte zu Einzelkämpfern werden. "Allein leben oder zu zweit sterben" ist die Frage, die sich Louise stellt und kaum mit ihrem Gewissen vereinbaren kann. Wie viel kann eine Liebe ertragen und ist im Überlebenskampf jeder Mensch ohne Rücksicht sich selbst der nächste?

Der zweite Teil des Romans handelt wieder zurück in der Zivilisation und ist lange nicht so spannend geschrieben wie der Aufenthalt auf der Insel. Hier wird Kritik an den Medien laut, die sich auf die Einzelschicksale stürzen und das Abenteuer öffentlichkeitswirksam und gewinnbringend vermarkten wollen, bevor es überhaupt eine Chance geben kann, das Trauma therapeutisch zu verarbeiten. 

"Herz auf Eis" ist eine interessante Mischung aus Abenteuerroman, psychologischer Studie und Gesellschaftskritik. Wie viel Menschlichkeit bleibt in einer derartigen Extremsituation übrig und wie kann das Erlebte und eigene Handeln rechtfertigen, ohne daran zu zerbrechen.    



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