Freitag, 9. Juni 2023

Buchrezension: Stine Volkmann - Das Schweigen meiner Schwestern

Inhalt:

Vor über zwanzig Jahren waren Jenni, Mona, Sonja und Kaja das letzte Mal gemeinsam auf Langeoog. Jetzt kehren sie als erwachsene Frauen zur Beerdigung ihrer Mutter zurück auf die Insel. Zuverlässig wie das Rauschen des Meeres und der Geruch von Salz, sind alle Erinnerungen an ihre Sommer auf der Insel wieder da: Zwischen ausgelassene Strandtage, Mutproben und erste Küsse mischen sich die heftigen Auseinandersetzungen ihrer Eltern und die Frage nach Schuld und Sühne. Denn die Schwestern eint ein dunkles Geheimnis, das sie hat verstummen lassen, das keiner von ihnen Ruhe lässt, bis heute nicht. 

Rezension: 

Die Familie Neumann verbringt jedes Jahr den Sommerurlaub auf Langeoog. Die vier Schwestern fühlen sich in ihrem zweiten Zuhause wohl, genießen die Tage am Meer und haben auf der Insel über die Jahre hinweg Freundschaften geschlossen. Der Sommer 1998 verändert jedoch alles und wird der letzte gemeinsame Urlaub der Familie auf Langeoog sein. 
Zwanzig Jahre später ist die Mutter nach langem Krebsleiden gestorben und hatte den Wunsch, auf Langeoog beigesetzt zu werden. Sonja, die das Ferienhaus auf der ostfriesischen Insel geerbt hat, lebt seit dem Tod des Vaters auf der Insel. Die anderen Schwestern müssen anreisen und es ist die älteste Jenni, die sich regelrecht zwingen muss, zurückzukehren. Zu tief sitzt das Trauma, zu belastend ist die Schuld und das Geheimnis, das die Schwestern verbindet und entzweite.
All die Jahre haben die Schwestern ihre eigenen Leben gelebt und es vermieden sich zu treffen, um die Geschehnisse von damals zu verdrängen und zu begraben. 

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven der vier Schwestern im Alter von sechs bis achtzehn Jahren, was sich im Sommer 1998 ereignet hat. In der Gegenwart im November 2018 treffen sie erstmalig nach längerer Zeit wieder aufeinander, um ihre Mutter auf Langeoog beizusetzen. 

Während die Schwestern in jungen Jahren trotz ihres Altersunterschieds eng zusammenhielten, ihre Freizeit miteinander verbrachten, Geheimnisse teilten, die jüngeren ihre älteren Schwestern bewunderten und die älteren auf ihre jüngeren Schwestern aufpassten, haben sich Jenni, Mo, Sonja und Kaja als Erwachsene entfremdet. 

Spannend ist zu erfahren, was sich im Sommer 1998 ereignet hat, das so zerstörerisch gewesen sein muss, dass die Familie am Ende entzwei brach. Ein Streit der Eltern führt zur Eskalation, lügen offenbaren sich und ein Vertrauen wird zerstört, das nicht mehr zu kitten scheint. Neben der Sorgen um die Eltern haben aber auch die Schwestern ihre Geheimnisse, machen Erfahrungen mit Jungs, erleben die erste Liebe und haben mit Selbstzweifeln zu kämpfen. Die Situation spitzt sich zu und eine Katastrophe scheint sich anzubahnen, denn eine ungute Atmosphäre ist spürbar. Nach einem Point of No Return ist schöne Urlaubsstimmung umgeschlagen, was bleibt ist Hilflosigkeit, Schuld, Gewalt und Angst. 

Auch zwanzig Jahre später ist die Stimmung zwischen den Schwestern angespannt. Im Vordergrund steht nicht die Trauer um die verstorbene Mutter, sondern ihre zerrüttete Geschwisterbeziehung, gegenseitiges Misstrauen, Eifersucht und gegenseitige Schuldzuweisungen. Während ein Teil der Schwestern sichtbar gemüht ist, einander anzunähern, ist ein Teil zurückhaltend bis gleichgültig. Neben den traumatischen Ereignissen aus dem letzten Sommerurlaub scheint noch mehr zwischen ihnen zu stehen, aus Provokationen werden wieder Konflikte.
Die Charaktere sind individuell und lebendig gezeichnet. Jede Schwester wird in ihrer Einzigartigkeit dargestellt und so fällt es schwer, gleichgut hinter jede Fassade zu blicken, jedoch leicht ihre Verletzungen, Ängste, Wut und Unsicherheiten nachzuempfinden.  

"Das Schweigen meiner Schwestern" ist eine tragische Familiengeschichte, die durch die langsame Annäherung an verborgene Geheimnisse und unverzeihliche Taten spannend geschildert ist. Das anfängliche Drama entwickelt sich zu einem regelrechten Thriller. 
Die Erzählung ist auf beiden Zeitebenen gleichermaßen spannend, die Dynamik unter den Schwestern packend und lebensecht. Der Wechsel zwischen den Handlungssträngen und Protagonisten erhöht die Spannung, zahlreiche Wendungen machen das Ende unabsehbar. 

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