Patience ist Anfang 30, steht immer noch auf Take That und hat auch sonst einen sehr ausgeprägten Sinn für Humor. Sie liebt ihre ältere Schwester Eliza, obwohl sie findet, dass die gerade kompletten Blödsinn anstellt und ihr Verlobter Ed eine ziemliche Niete ist. Auch bei ihren Eltern Louise und Pete läuft es alles andere als rund. Manchmal würde Patience gern eingreifen, nur geht das leider nicht: Sie hat das Rett-Syndrom, eine durch einen Gendefekt ausgelöste schwere Entwicklungsstörung, deshalb kann sie nur sehr rudimentär mit ihrer Umgebung kommunizieren. Nun soll sie einer experimentellen Gen-Therapie unterzogen werden, die ihr helfen könnte, tatsächlich so etwas wie ein normales Leben zu führen. Doch will Patience, will ihre Familie für die bloße Chance auf Normalität tatsächlich alle möglichen Nebenwirkungen in Kauf nehmen?
Rezension:
Louise Willow ist gelernte Krankenschwester und kümmert sich aufopferungsvoll um ihre 30-jährige Tochter, die am Rett-Syndrom leidet, einem Gendefekt, der vor allem Mädchen betrifft und die neurologische Entwicklung stört. Patience kann weder sprechen noch sich eigenständig bewegen. Sie ist rund um die Uhr auf Pflege angewiesen. Ihr Vater Pete liebt sie genauso wie ihre Mutter, doch er arbeitet im Ausland und ist deshalb wenig präsent, um sich um die Hürden des Alltags zu kümmern. Die ältere Tochter Eliza ist gesund, hatte aber als Kind darunter gelitten, dass stets Patience im Mittelpunkt stand. Als 37-jährige Frau hat sie mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen, die sie vor ihrer Familie verschweigt, was sie immer weiter unter Druck setzt und einsam macht.
Währenddessen liegt Patience im Bett und beobachtet die Welt um sich herum. Sie ist in ihrem Körper gefangen und kann auf äußere Einflüsse nur minimal reagieren, registriert jedoch genau, was um sie vorgeht.
Als Louise von einer Studie erfährt, die den Gendefekt reversibel machen könnte, setzt sie alle Hoffnungen auf die Therapie, denn sie möchte ein besseres Leben für Patience. Pete sieht dagegen die Risiken und möchte Patience vor möglichen negativen Folgen bewahren. Er liebt Patience so wie sie ist und ist der Meinung, dass auch sie selbst mit ihrem Leben, in dem es ihr weder an Pflege noch Liebe und Zuneigung mangelt, an nichts fehlt. Louise und Pete beharren auf ihren Standpunkten und wissen nicht, wie sie das Dilemma lösen sollen. Eliza wird als Schlichterin verpflichtet.
"Besonders glücklich" ist eine emotionale Geschichte um die Frage, was ein Leben lebenswert macht. Im Fokus ist die Lebenssituation der vier Hauptfiguren, aus deren Perspektive die Geschichte abwechselnd geschildert wird. Auf diese Weise fällt es leicht, sich in jedes Familienmitglied der Willows hineinzuversetzen und ihre Gefühle zu verstehen. Als Leser*in sind besonders die Einblicke in Patiences Gedanken interessant, von denen ihre Eltern und Eliza nichts ahnen. Sie ist eine aufgeweckte junge Frau mit Vorlieben und Interessen, kann sich jedoch nicht artikulieren.
Der Konflikt, vor dem die Eltern stehen, wird ausführlich betrachtet. Beide Meinungen und Argumente für und gegen die Gentherapie sind nachvollziehbar und verständlich. Es fällt selbst schwer, sich zu entscheiden, was das Beste für die Patientin ist. Ist die Chance auf eine Umkehr des Gendefekts das Risiko der Nebenwirkungen wert? Und: Möchte Patience überhaupt etwas an ihrer Situation ändern?
Patiences Krankheit und die Folgen für die Familie sind jedoch nur ein Aspekt des Romans. Ihre Schwester Eliza wurde nach 15 Jahren von ihrem Verlobten verlassen und traut sich nicht, sich ihren Eltern zu offenbaren. Sie fühlt sich gescheitert und möchte ihre Eltern vor einer Enttäuschung bewahren. Andererseits stehen auch die Eltern der beiden Töchter vor den Scherben ihrer Ehe und bergen Probleme, die sie mit sich selbst ausmachen. Jeder von ihnen möchte stark sein und die anderen schützen.
Alle Charaktere und wie sie mit ihren schwierigen Entscheidungen hadern, sind überzeugend dargelegt. Die Geschichte ist lebendig und durch die verschiedenen Sichtweisen abwechslungsreich gestaltet.
Der Roman handelt von ernsten Themen, die bewegen und zu Tränen rühren, macht allerdings nicht schwermütig. Voller Empathie für die Figuren und einem feinsinnigen Humor, der sich vor allem durch Patiences freche Beobachtungsgabe ergibt, entsteht ein lebendiges Porträt einer Familie, die trotz aller Probleme zusammenhält und durch Liebe verbunden ist.
Es ist ein augenöffnendes Buch, das zeigt, wie Menschen mit Behinderungen behandelt werden und wie sie die Welt aus ihrer Sicht sehen und darin die kleinsten Dinge wertschätzen.
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