Ein Test im Büro bringt die Gewissheit: Teresa Borsig ist schwanger. Von der Idee einer Familie fühlt sie sich gleichzeitig angezogen und abgestoßen. Da sind die Erinnerungen an ihre Kindheit, an Distanz, Disziplin und Schläge. In der Abtreibungsklinik von den Schwestern zum Schlucken der Tablette gedrängt, geht Teresa in den Widerstand: Sie will doch Mutter werden. Nein, Mama will sie werden. Kann man geben, was einem selber fehlt? Das Gesundheitssystem nimmt die Schwangere auf wie einst die Eltern. Effizient. Kalt. Man will doch nur ihr Bestes. Und ihr Baby in einem Wärmebett isolieren. Wie hoch ist die Überlebenswahrscheinlichkeit ihres Säuglings? Ärzte und Schwestern sprechen über ihren Kopf hinweg. Teresa schreit. Sie solle sich mal nicht so wichtig nehmen, sagt das Krankenhaus.
Rezension:
Teresa ist schwanger. Nicht verhütet, aber dennoch ungeplant, ist sie mit der Situation völlig überfordert. Ein Termin zur Abtreibung wird kurzfristig abgesagt und dann bereitet sich Teresa zusammen mit ihrem Freund Erk auf die Schwangerschaft und die Geburt vor. Die werdenden Großeltern freuen sich, auch wenn sie es von dem unverheirateten Paar (noch) nicht erwartet hatten. Teresa ist weiterhin verunsichert, spürt keine Freude, sondern nur Bedenken. Sie erinnert sich an ihre eigene Kindheit, die unterkühlte Erziehung der Mutter, die hohen Erwartungen und mütterliche Strenge, nur das Beste für das Kind zu wollen. Während Teresa sich fragt, ob sie eine gute Mutter sein und ihrem Kind mehr Wärme schenken kann, gelangt sie in den Prozess der Geburtsvorbereitung. Neben den routinemäßigen Untersuchungen und Planungen zum Gebärtermin prasseln gut gemeinte Ratschläge von Freunden, Kollegen und anderen Müttern auf sie ein. Statt Sicherheit zu gewinnen, spürt Teresa weiterhin nur Angst, kann diese aber nicht artikulieren und steht unter dem Druck einfach nur funktionieren.
Der Titel "MTTR" wird auch aufgrund des Covers, das an weibliche Anatomie erinnert, mit Mutter assoziiert, eine verkürzte Form ohne Vokale. MTTR steht jedoch für "Mean Time to Repair", ein Begriff aus der Technik für die Durchschnittszeit, die benötigt wird, um etwas nach einem Ausfall zu reparieren.
So kurz wie der Titel sind auch die Sätze in dem Roman, die abgehetzt und brutal wie ein Befehlston klingen. Fehlende Worte, die die Sätze unvollendet, aber nicht unverständlich lassen, machen das Lesen noch etwas sperriger, unbequemer und unterstreichen damit Teresas unausgeglichene Gefühlswelt.
Der Roman beschreibt einerseits Schwangerschaft, Geburt und die ersten Tage danach und damit das Mutterwerden als solche, wobei der Fokus nicht auf der Freude über dieses Wunder der Natur liegt, sondern auf all den Sorgen und Unsicherheiten, die sich für die werdende Mutter ergeben. Daneben ist das Buch eine Auseinandersetzung mit der Kälte der erfahrenen familiären Erziehung und der Angst, deshalb selbst nicht zu genügen.
"MTTR" liest sich weder sprachlich noch inhaltlich leicht. Der verkürzte Schreibstil und die wörtliche Rede ohne Anführungszeichen sind fordernd, die Geschichte des Mutterwerdens voller Verunsicherung und ohne die Fähigkeit, Störendes auszusprechen und Gefühle zu zeigen.
Teresa und ihre Eltern sind extreme Beispiele für eine toxische Eltern-Kind-Beziehung, wobei es anstrengend zu lesen ist, wie passiv und wehrlos sich Teresa verhält und sich grundsätzlich von allen Ratschlägen und Informationen rund um Schwangerschaft und Geburt verunsichern und an sich zweifeln lässt, ohne den Mut zu finden, aus dem System, in das sich gepresst fühlt, auszubrechen.
"MTTR" ist ein mutiges Buch über die Schattenseiten des Mutterwerdens; ein wenig mehr Euphorie, natürlichen Mutterinstinkt, Selbstverständlichkeit und die Zielsetzung, aus Fehlern zu lernen und Dinge besser zu machen, wie man sie in der eigenen Kindheit als negativ erfahren hat, hätte ich mir dennoch gewünscht. So wird Mutterwerden und Muttersein doch sehr einseitig betrachtet.
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