Samstag, 18. Juni 2022

Buchrezension: Charlotte Brontë - Villette

Inhalt:

Im Mittelpunkt von Charlotte Brontës drittem großen Roman steht erneut eine bewegende Frauenfigur: Nach einer glücklos unsteten Jugend findet die unscheinbare Lucy Snowe in der Fremde Anstellung im Mädchenpensionat der kaltherzigen Madame Beck. Als ihre aufkeimende Liebe zum jungen Schularzt Dr. John unerwidert bleibt, droht die Einsamkeit sie zu erdrücken. Doch dann entdeckt Lucy ihre Zuneigung zu dem eigenwilligen Literaturprofessor Paul Emanuel. 

Rezension:

Die verwaiste Britin Lucy Snowe verlässt England und tritt in einem Pensionat in Villette eine Stelle als Englischlehrerin an, obwohl sie zu Beginn kein Wort Französisch spricht. Die Direktorin Madame Beck nimmt sie bei sich auf, kontrolliert sie jedoch auf Schritt und Tritt, weshalb ihr nur wenig Privatsphäre bleibt. 
Lucy wirkt unscheinbar, fast grau und gar schüchtern und wird von anderen Menschen, insbesondere dem gehobenen Bürgertum, kaum wahrgenommen. Doch sie ist intelligent und anpassungsfähig und verdient sich schnell den Respekt von ihren Schülerinnen. 
Lucy vereinsamt in dem Pensionat. Die Einsamkeit macht sie schwach und schwermütig. Nach einem Zusammenbruch wird sie von ihrer Patin Louisa Bretton aufgenommen, die ihr zusammen mit ihrem Sohn, dem Arzt den Mädchenpensionats, das Leben in Villette zeigt. Lucy geht es bald körperlich besser, aber sie leidet an der unerfüllten Liebe zu Doktor John, der jedoch in Vergessenheit gerät, als sie sich für den zänkischen Professor Monsieur Paul zu interessieren beginnt, der sie reizt und herausfordert. 

Der Roman ist der letzte aus der Feder von Charlotte Brontë, wurde erstmalig im Jahr 1853 veröffentlicht und ist lange nicht so bekannt wie ihre Werke "Sturmhöhe" oder "Jane Eyre". Er ist aus der Ich-Perspektive von Lucy Snowe geschrieben, die den/ die Leser*in direkt anspricht. Sie hat eine scharfe Beobachtungsgabe, verrät dem Leser viel, aber nicht alles. Gerade in Bezug auf ihre Gefühle ist sie sehr zurückhaltend. Vergleicht man dem Roman mit der Biographie von Charlotte Brontë erkennt man Parallelen, weshalb anzunehmen ist, dass Brontë in der Geschichte in dem fiktiven Städtchen Villette ihre eigenen Erfahrungen verarbeitet hat. 

Die Geschichte wird sehr detailliert erzählt, was ich etwas zäh und langatmig fand und mich das Buch des Öfteren zur Seite legen ließ. Sie spielt sich lange überwiegend in den Gedanken von Lucy ab und beschränkt sich auf die Beschreibung der Menschen, denen sie begegnet. Gerade die unsympathischen Figuren beschreibt sie auf eine einmalige, fast schon ironische Art und Weise, die durchaus unterhaltsam ist. Lucy hat genügend Selbstbewusstsein, um abfällig über die Schwächen und den Hochmut der Angehörigen des gehobenen Bürgertums zu denken und diese abzuwerten. Ab dem zweiten Drittel des Romans, als Lucy auch Pfade abseits der Mauern des Pensionats geht und sich gegenüber dem launischen Monsieur Paul zu beweisen versucht, wird die Geschichte etwas lebendiger. 
Das Ende und wie Lucy ihren Lebensweg bestreiten wird, ging mir, im Vergleich zu der davor sehr langatmig und detaillierten geschilderten Geschichte, etwas zu einfach und zu schnell. 

Die Stimmung des Romans ist durchgängig melancholisch und düster bis hin zu mystisch und gruselig. 

Der Roman handelt im Viktorianischen Zeitalter, ist aber durch die behandelten Themen wie das Streben nach Unabhängigkeit, Neuanfang, Einsamkeit und Liebe zeitlos. Es ist ein Klassiker, der sich ohne wesentliche Hoch- und Tiefpunkte unaufgeregt liest und für den man sich Zeit nehmen sollte. 

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