Samstag, 19. Februar 2022

Buchrezension: Ronald H. Balson - Esthers Verschwinden

Inhalt:

Deutschland, 1946: Eli Rosen und sein Sohn sind knapp dem Tod entkommen und warten in einem Lager für Displaced Persons auf ein Visum nach Amerika. Eli setzt alles daran, an Informationen über seine Frau zu gelangen. Esther verschwand im besetzen Polen, als er versuchte, seine Familie mit einem Pakt vor den Deutschen zu retten. 
Chicago, 1965: Mithilfe einer Journalistin versucht Eli, ein Komplott aufzudecken, das bis ins Polen der Kriegsjahre reicht. Und endlich kommt er der Wahrheit um das Verschwinden seiner Frau näher. 

Rezension: 

Lublin/ Polen, 1939-1943: Als die Deutschen 1939 Polen angreifen und Lublin besetzen, spitzt sich die Lage insbesondere für die polnischen Juden zu. Eli Rosen führt zusammen mit seinem Vater Jakob eine Baufirma in Lublin. Der Angestellte Max Poleski, der im Gegensatz zur Familie Rosen nicht jüdisch ist und mit den deutschen Nazis kooperiert, übernimmt die Geschäftsführung der Firma. Poleski verspricht Eli als Gegenleistung seinen Schutz und tatsächlich ist die Familie Rosen durch zusätzliche finanzielle Leistungen an Poleski privilegierter als andere jüdische Familien. 

DP-Lager Föhrenwald/ Oberbayern, 1946-1947: Eli Rosen und sein Sohn Isaak sind nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges in einem Lager für Displaced Persons untergebracht und warten auf ein Visum für die Auswanderung nach Amerika. Seine Frau Esther Rosen wird vermisst. Als Eli erfährt, dass ein Max auf dem Schwarzmarkt amerikanische Visa anbietet, geht er davon aus, dass es sich bei dem Mann um Poleski handelt, den er für das Verschwinden seiner Ehefrau verantwortlich macht. Er involviert die amerikanische Militärregierung und setzt alles daran, Poleski seiner Verbrechen zu überführen. 

Chicago/ Amerika, 1965-1966: Eli Rosen ist inzwischen in Amerika angekommen und auf einer geheimen Mission. Zusammen mit der amerikanischen Journalistin der Chicago Tribune, Mimi Gold, versucht er eine Verschwörung aufzuklären. 

Der Roman handelt auf drei Zeitebenen und wird dabei nicht chronologisch erzählt, sondern wechselt in längeren Abschnitten zwischen den Jahren während des Zweiten Weltkrieges, unmittelbar danach und 1965 hin und her. Die Wechsel erfolgen abrupt und ohne inneren Zusammenhang, so dass ich mich schwertat, jeweils wieder in die Geschichte hineinzufinden. Zudem wird man als Leser in allen drei Abschnitten mit einer großen Anzahl an Protagonisten konfrontiert, was nicht ganz einfach macht, den Überblick über die handelnden Personen zu behalten. 

Der Autor vermischt eine Geschichte um die Familie Rosen mit historischen Fakten zum Holocaust. Die Beschreibungen in Lublin und Föhrenwald sind anschaulich und zeigen das Leid, das die jüdische Bevölkerung durchmachen musste, eindrücklich. Durch zahlreiche kleine Details wird deutlich, wie akribisch der Autor bei seiner Recherche war, allerdings wirken die vielen Fakten auch sehr nüchtern und sachlich. Mir fehlte dadurch ein Gefühl für die Figuren. Auch empfand ich es als irritierend, dass der dritte Erzählstrang nicht mehr aus Elis Perspektive geschildert wird, sondern seine Rolle geheimnisvoll bleibt. 

Aufgrund des Erfolgs der Vorgängerromane von Ronald H. Balson hatte ich hohe Erwartungen an "Esthers Verschwinden", die sich leider nicht erfüllten. 
Der Roman behandelt mit dem Holocaust ein wichtiges und ernstes Thema #gegendasvergessen, konnte mich aber weder fesseln noch innerlich berühren. Den ersten Erzählstrang, in welchem Eli enteignet und immer wieder aufs Neue auf die Versprechungen Poleskis hereinfällt, empfand ich ermüdend, der zweite Erzählstrang konnte mich durch die Suche und Überführung des Visumhändlers mehr packen. Der jüngste Handlungsstrang war mir mit den Themen Vietnamkrieg, Rüstungsindustrie, Geldwäsche, politische Seilschaften, Korruption und der sehr abenteuerlichen Aufklärung illegaler Machenschaften ranghoher Personen aus Politik und Wirtschaft. 
Die Wechsel zwischen den Zeiten erfolgen willkürlich und unterbrechen den ohnehin schon mühsamen Lesefluss. Für meinen Geschmack legte der Autor zudem einen zu großen Aspekt auf die Schilderung historischer Fakten, denn auf die Erzählung einer lebendigen Geschichte mit einnehmenden Charakteren. Dennoch ist es ein eindrücklicher Roman über die Rolle von Kriegsgewinnlern und einem nicht enden wollenden Kampf um Gerechtigkeit. 

2 Kommentare:

  1. Servus!
    Bisher sehe ich nur sehr durchwachsene Rezensionen zu diesem Buch. Ich habe die Vorgänger auch gelesen und die haben mir großteils gefallen, obwohl ich einige falsche Angaben entdeckt habe, aber das halt so. Hier scheint der Autor aber jede Menge Themen zusammengemicht zu haben. Ich denke, ich lasse lieber die Finger davon.
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Hallo Martina,

      ich kenne die anderen Romane des Autors nicht, habe mich aber von den begeisterten Rezensionen anstecken lassen, weshalb ich unbedingt sein neuestes Werk lesen musste. Ich fand es wirklich sehr durchwachsen und den dritten Stern hat es auch nur bekommen, weil ich die Thematik grundsätzlich wichtig finde. Zudem fand ich es interessant, auch einmal einen Roman zu lesen, der während des Zweiten Weltkriegs in Polen und nicht in Deutschland handelt.
      Du hast ja auch schon so viele historische Romane zum Holocaust gelesen, so dass du dir dieses meiner Meinung nach getrost schenken kannst. Vielleicht kann ein nächster Roman wieder mehr überzeugen.

      Liebe Grüße
      Lena

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