Montag, 20. September 2021

Buchrezension: Anja Jonuleit - Das letzte Bild

Inhalt:

Als die Schriftstellerin Eva zufällig auf ein Phantombild in einer Zeitung stößt, gerät ihr Leben plötzlich aus den Fugen. Es ist das Bild einer Frau, die im November 1970 im norwegischen Bergen gewaltsam zu Tode gekommen ist und deren Identität nie aufgedeckt wurde. Doch warum sieht diese Frau ihrer Mutter zum Verwechseln ähnlich? Als Eva die Mutter mit ihrer Entdeckung konfrontiert, weiß sie sofort, dass sie auf ein dunkles Familiengeheimnis gestoßen ist, dem sie auf den Grund gehen muss. Eine Reise nach Norwegen führt Eva Schritt für Schritt in die Vergangenheit einer Fremden voller Rätsel. 

Rezension: 

Als Eva in einer Zeitung auf einen ungeklärten Todesfall einer Frau in Norwegen stößt, die im November 1970 ums Leben gekommen ist und bisher nicht identifiziert werden konnte, wird sie stutzig ob der Ähnlichkeit des Phantombilds mit ihrer Mutter. Als sie diese darauf anspricht und sie direkt abblockt, wird Eva misstrauisch und beginnt zu recherchieren. Sie stößt auf zerrissene Fotos und ahnt, dass sich hinter dem Schweigen ihrer Mutter ein düsteres Familiengeheimnis verbirgt. Eva begibt sich nach Norwegen und kann durch einen DNA-Test klären, dass sie mit der tot aufgefunden Frau verwandt ist. Es handelt sich um die seit ihrer Kindheit vermisste Zwillingsschwester ihrer Mutter. Eva ist fassungslos und möchte wissen, was mit Margarete geschehen ist. 

Der Roman beruht auf einem realen norwegischen Kriminalfall um die "Isdal-Frau", der bis  heute nicht aufgeklärt ist. Die Autorin hat sich von den Ungereimtheiten um die unbekannte, deutschstämmige Frau, die offenbar niemand vermisste, inspirieren lassen und eine fiktionale Geschichte darum verfasst. 
Die Geschichte handelt auf zwei Zeitebenen und erzählt in der Vergangenheit Ende der 1960er/ Anfang der 1970er-Jahre von Margarete, die sich quer durch Europa auf die Suche nach ihrer Mutter und Schwester gemacht hat, die sie 1944 in den Kriegswirren verloren hatte. 
In der Gegenwart wird die Recherche ihrer Nichte geschildert, die nicht fassen kann, dass der Todesfall ihrer Tante trotz Indizien für eine Tötung durch Fremdverschulden als Selbstmord zu den Akten gelegt wurde. Mit Hilfe eines norwegischen Polizisten und einer engagierten Übersetzerin versucht sie die letzten Lebenswege von Margarete zu rekonstruieren, ihre Tante besser kennenzulernen und herauszufinden, wie sie tatsächlich ums Leben gekommen ist. 

Der Roman ist auf beiden Zeitebenen spannend geschildert. Es ist bis zum Schluss nicht vorhersehbar, wie Margarete gestorben ist und wer ein Motiv für einen Mord gehabt haben könnte. Es ist eine Mischung aus Familiendrama und (historischem) Kriminalroman, der mit vielen Details aus dem realen Kriminalfall gespickt ist. Diese Aneinanderreihung von Fakten über unterschiedliche Identitäten, Verschleierung ihrer Herkunft, Hotelaufenthalte in unterschiedlichen Orten, diverse Männerbekanntschaften und Reisewege lassen den Roman etwas überladen wirken. Für die fiktionale Geschichte hätte es dieses Festhalten an Einzelheiten aus der realen Polizeiakte nicht gebraucht und zieht die Geschichte durch häufige Wiederholungen in die Länge. Im Vergleich dazu kommen die Charaktere zu kurz. Weder Eva, noch Margarete kommt man wirklich nahe, insbesondere Margarete bleibt ein Phantom. Auch die Nebencharaktere, die in einer rein fiktionalen Geschichte sicher eine entscheidendere Rolle gespielt hätten, bleiben blass. Über Evas Mutter Ingrid und auch ihre Großmutter Resi erfährt der Leser wenig. Es bleibt unklar, wie sie mit dem Verschwinden von Margarete umgegangen sind und was sie getan haben, um dieses Aufzuklären. 

In der Gegenwart agiert Eva mit größerem Spürsinn als die Polizei, was diese nicht gut aussehen lässt. Ihr Engagement ist aufgrund ihres verwandtschaftlichen Bezugs zu der Toten jedoch nachvollziehbar. Die Aufklärung des Falls sorgt zumindest in der fiktionalen Geschichte für ein befriedigendes Ende, war mir aber im Vergleich zu dem langen, detailreichen Vorlauf jedoch etwas plötzlich und übereilt. 
Für meinen Geschmack hätten dem Roman mehr Fantasie der Autorin und ein weniger krampfhaftes Festhalten an harten Fakten der Geschichte gut getan. Dennoch fühlte ich mich während der spannenden Suche nach der Wahrheit gut unterhalten. 

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