Freitag, 31. Oktober 2025

Buchrezension: Ruth Ware - Hinter diesen Türen

Inhalt:

Rowan Caine nimmt eine Stelle als Kindermädchen in einem einsam gelegenen Haus in Schottland an, bei einer scheinbar perfekten Familie mit vier Töchtern. Doch ihr Traumjob wird für Rowan zum Albtraum. Die Atmosphäre im Haus ist extrem unheimlich. Sie fühlt sich ständig beobachtet – nicht nur von den Überwachungskameras, die in jedem Zimmer hängen. Dann findet sie die ominöse Warnung eines früheren Kindermädchens an die unbekannte Nachfolgerin Und es geschehen immer mehr beängstigende, unerklärliche Dinge. Auch das Verhalten der Kinder wird immer seltsamer – bis es schließlich einen tragischen Todesfall gibt. Und Rowan gerät unter Mordverdacht. Um ihre Unschuld zu beweisen, greift sie zu einem verzweifelten Mittel. 

Rezension: 

Rowan Caine ergattert einen Traumjob als Kindermädchen in einem viktorianischen Haus in den schottischen Highlands einer Familie mit vier Kindern. Während die älteste Tochter auf ein Internat geht, ist Rowan für zwei Mädchen im Grundschulalter und ein Baby verantwortlich.  Schon an ihrem zweiten Arbeitstag ist Rowan auf sich allein gestellt, da die Eltern kurzfristig auf Geschäftsreise müssen. Ganz allein ist jedoch nicht, denn alle Räumen in dem Smart Home werden von Kameras überwacht, auf die die Eltern Zugriff haben und der hilfsbereite Gärtner Jack wohnt gleich nebenan. 
Rowan hat sowohl mit der Technik des Hauses als auch mit den aufmüpfigen Kindern zu kämpfen, die sie offensichtlich ablehnen. Schon vier Nannys zuvor hatten Heatherbrae House schnell wieder verlassen. Rowan lockte die lukrative Bezahlung und so hatte sie alle Warnungen ignoriert. Nun fürchtet sie sich nachts von den Geräuschen im Haus und ist verängstigt von den Schauermärchen, die über das Haus erzählt werden, in dem bereits ein Kind gestorben ist. 

Das Ende des Romans wird gleich zu Beginn vorweggenommen. Das Kindermädchen ist inhaftiert, da sie für den Tod eines der Töchter der Elincourts verantwortlich gemacht wird. Sie erzählt rückblickend in einem Brief an einen Strafverteidiger, von dem sie sich Hilfe erhofft, ihre Geschichte. Sie beteuert darin ihre Unschuld, auch wenn sie zugibt, Fehler gemacht zu haben. 

Die Atmosphäre in dem Haus, das aufgrund seines Alters eine eigene Geschichte mit düsterer Vergangenheit hat und gleichzeitig ein hochmodernes Smarthome ist, in dem nahezu alles technisch gesteuert ist, ist beklemmend. Dazu kommen des Nachts schlürfende Geräusche, die vermuten lassen, dass sich noch jemand im Haus aufhält, Gegenstände, die verschwinden und woanders wieder auftauchen, und die Erzählungen über ein Kind, das in dem Haus vergiftet wurde. 

Auch wenn die Geschichte einem bekannten Konzept aus Horrorhaus und locked-room-Szenario folgt und im Wesentlichen nur Alltagsszenen eines überforderten Kindermädchens geschildert werden, ist die Geschichte spannend und abwechslungsreich, durch die Geheimnisse, die allmählich offenbart werden - über das Haus, über die Familie und über Rowan selbst. 

"Hinter diesen Türen" ist ein atmosphärischer Psychothriller, der in ruhigem Tempo erzählt wird und durch den subtilen Grusel und interessante Wendungen fesselt. Am Ende geht es allerdings ein wenig schnell und auch wenn alle Fragen geklärt werden ist die Auflösung in Form eines Briefes enttäuschend profan.   

Mittwoch, 29. Oktober 2025

Buchrezension: Jojo Moyes - Das Haus der Wiederkehr

Inhalt:

Lottie und Celia sind in dem Küstenstädtchen Merham wie Schwestern aufgewachsen. Während Celia gegen die Enge der Kleinstadt aufbegehrt, liebt Lottie den idyllischen Ort und vor allem das Meer. Besonders fasziniert sie ein prächtiges Art-déco-Haus direkt am Strand, in dem eine bunte Gruppe von Künstlern lebt. Gemeinsam tauchen Celia und Lottie ein in eine aufregende, unkonventionelle Welt. Bis Celia eines Tages ihren Verlobten Guy mit nach Hause bringt – und vom ersten Augenblick an weiß Lottie, dass er ihre große Liebe ist …
Ein halbes Jahrhundert später erwacht das Haus am Strand wieder zum Leben - und mit ihm seine Geheimnisse. Den damaligen und heutigen Bewohnern stellt sich die Frage: Kann man die Vergangenheit je hinter sich lassen? 

Rezension: 


Lottie und Celia sind in der englischen Küstenstadt Merham wie Schwestern aufgewachsen, nachdem Lottie während des Zweiten Weltkrieges aus London zur Familie Holden gekommen war. Gerade erwachsen, fühlen sie sich von dem modernen Haus Arcadia am Meer angezogen, das von Künstlern bewohnt wird, die so ganz anders sind, als die engstirnigen Menschen in dem verschlafenen Ort.
Als Celia ihrer Familie ihren Verlobten vorstellt, den sie in London kennengelernt hat, ist es für Lottie Liebe auf den ersten Blick. Sie kann Guy nicht widerstehen, auch wenn sie gegenüber der Familie Skrupel hat, die über zehn Jahre für sie gesorgt hat.
50 Jahre später wird Innenarchitektin Daisy beauftragt, das alte Haus am Meer zu einem Hotel umzubauen. Mrs. Bernard, die sich um das Haus gekümmert hat, soll sie dabei unterstützen, sein ursprüngliches Wesen zu erhalten. Privat steht Daisy als junge, vom Vater ihres Kindes verlassene Mutter, vor einem Scherbenhaufen und auch in Merham stößt sie wegen der geplanten Eröffnung des Hotels, das für mehr Leben in dem Ort sorgen wird, auf Ablehnung einiger Bewohner.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen, die nicht kapitelweise abwechselnd dargestellt werden. Nach einem Drittel erfolgt der Wechsel von der Vergangenheit in die Gegenwart, die wiederum aus wechselnden Perspektiven der handelnden Personen erzählt wird. 
Roter Faden ist dabei das Haus Arcadia, das in beiden Zeitebenen eine Rolle spielt sowie Trennungen und unglückliche Liebesgeschichten. Die Stimmung ist deshalb vor allem in Bezug auf die dramatische Vergangenheit gedrückt und von Bitterkeit und Frustration geprägt. 

Während der Erzählstrang der Gegenwart zugänglicher ist, fällt es schwer, sich in der Vergangenheit in die Charaktere hineinzuversetzen. Weder ist eine Freundschaft zwischen Lottie und Celia zu spüren, noch ist die Liebe, die Lottie bei der ersten Begegnung mit Guy empfindet und sie alles vergessen lässt, nachzuvollziehen. Auch ihre Annäherung im weiteren Verlauf ist gefühllos und das Ende der Romanze klischeebeladen.
Die Gegenwart fühlt sich authentisch an, und auch wenn die Hauptfiguren darin mit Problemen zu kämpfen haben, ist der Teil der Geschichte nicht so sehr mit negativen Schwingungen besetzt. Allerdings entwickelt sich die Handlung kaum weiter und kann nicht mit Überraschungen oder Aufdeckung von Geheimnissen aufwarten. Wie sich die Schicksale zwischen Vergangenheit und Gegenwart verbinden, ist eher belanglos.  

"Das Haus der Wiederkehr" ist einer der ersten Romane von Jojo Moyes, der neu erschienen ist. Hierbei stand offenbar der kommerzielle Faktor im Vordergrund, die Geschichte erreicht nicht die Qualität ihrer späteren Romane. In zwei Erzählsträngen aufgeteilt, fehlt es insbesondere der Vergangenheit an dem typischen Charme und Witz der Autorin, liebenswerten Charakteren und echten Emotionen. Die plausiblere Gegenwart hat nahbare Figuren, e
ntwickelt sich zu ereignislos und hätte dementsprechend gestrafft werden können, klärt aber zumindest alle noch offenen Fragen im Hinblick auf den Verbleib der Personen aus dem Jahr 1955.   

Montag, 27. Oktober 2025

Buchrezension: Ella Berman - Before we were innocent

Inhalt:

Bess ist überrascht, als ihre Freundin Joni plötzlich vor ihrer Tür steht. Seit sie vor zehn Jahren von jeglicher Mittäterschaft am Tod ihrer Freundin Evangeline freigesprochen wurden, haben sie sich nicht mehr gesehen. Nun bitte Joni Bess um einen Gefallen. Sie braucht ein Alibi. Bess hat keine andere Wahl, als Ja zu sagen. Denn sie ist Joni noch etwas schuldig. Und sie beginnt sich zu fragen, ob damals wirklich alles so war, wie sie immer glaubte. 

Rezension: 

Vor zehn Jahren haben die drei Freundinnen Bess, Joni und Evangeline nach dem Highschool-Abschluss einen Sommer auf dem Anwesen von Evangelines Familie auf der griechischen Insel Tinos verbracht, der tragisch endete. Nur Bess und Joni kehrten wieder nach Kalifornien zurück. Auch wenn sie von einer Schuld am Tod Evs freigesprochen worden waren, haftete den Teenagern das durch die Medienberichterstattung verursachte negative Image an, die sich auf die privilegierten Mädchen stürzten und sie als gefühlskalt, rücksichtslos und verdorben darstellten.  
Während Joni als Motivationsrednerin Berühmtheit erlangt und ein Buch geschrieben hat, hat sich Bess zurückgezogen und ein Leben in der Öffentlichkeit vermieden. Als Joni unerwartet vor ihrer Tür steht und sie um ein Alibi bittet, als ihre Lebensgefährtin spurlos verschwunden ist, kommen Erinnerungen in Bess hoch, die Joni noch etwas schuldet. Auch die Medien sehen Parallelen in dem Fall um die vermisste junge Frau. 
 
Der Roman wird aus der Perspektive von Bess erzählt, wobei zwischen der Vergangenheit im Jahr 2008 und der Gegenwart im Jahr 2018 gewechselt wird. Aufgrund der eingeschränkten Sicht ist ungewiss, ob es sich bei Bess um eine unzuverlässige Erzählerin handeln könnte. 
Die Geschichte wird spannend aufgebaut, denn die Umstände des Todes der dritten Freundin Ev werden erst im weiteren Verlauf der Handlung offenbart. Zudem ist unklar, ob Joni etwas mit dem Verschwinden ihrer Lebensgefährtin zu tun hat, denn sie ist die einzige, die sich nicht um sie sorgt. Auf beiden Zeitebenen droht die Situation zu eskalieren, was die Spannung und Dramatik steigert. Unterstützt wird dies durch die andauernden Schuldgefühle und Gewissensbisse von Bess. 
 
Eifersucht, Misstrauen und der Hang zu gegenteiligen Verletzungen prägen den Sommerurlaub auf Tinos, der eigentlich ein unbeschwerter letzter Girlstrip vor dem Collegebeginn werden sollte. Die Allianzen der drei wechseln mehrfach, während zwischen Langeweile und Trinkgelagen häufig gestritten wird. 
Der vermeintliche Unfalltod verändert alles, macht alle Zukunftspläne zunichte und belastet Bess auch noch zehn Jahre später. Im Glauben, immer noch in Jonis Schuld zu stehen, lässt sie sich überreden, ihr ein falsches Alibi zum Zeitpunkt des Verschwindens ihrer Freundin zu geben. 
 
Der Roman handelt von fragilen, toxischen Freundschaften, von Manipulation und verhängnisvollen Entscheidungen. Offensichtlich ist, dass die Mädchen sich nach Wochen der Langeweile an einem entlegenen Urlaubsort nicht gut getan haben, weshalb man sich die Frage stellen muss, wie viel Schuld sie am Tod von Ev haben - direkt oder indirekt. Spannend ist die Parallele in der Gegenwart, als sich die Geschichte in Teilen zu wiederholen scheint und sich eine Schuldfrage erneut stellt. Eindrücklich ist dabei die Rolle der Medien dargestellt, die eine Hetzjagd eröffnen und Unsicherheit schüren. Auch wenn der Roman etwas langatmig beginnt, entwickelt er sich zunehmend zu einer fesselnden Mischung aus True Crime, Drama und Thriller über die Dynamik und Vertrauensbasis von Freundschaften sowie die Konsequenzen unserer Handlungen.

Freitag, 24. Oktober 2025

Buchrezension: Emily Stone - Mein Dezember mit dir

Inhalt:

Schon eine halbe Ewigkeit begleitet Lexie ihr Glas der Wünsche, das ihre tief verborgenen Sehnsüchte enthält. Und fast genauso lange hat sie ihren Vater weder gesehen noch gesprochen. Als sie unerwartet die Nachricht seines plötzlichen Todes erreicht, ist sie zunächst am Boden zerstört. Doch Lexies Vater hat ihr ein Vermächtnis hinterlassen: Ein Jahr lang soll sie gemeinsam mit Theo sein florierendes Reiseunternehmen in Bath leiten. Theo, der nicht nur unfassbar gutaussehend, sondern auch unwiderstehlich ist … Er könnte Lexies Herz aus Eis zum Schmelzen bringen. Was sie jedoch nicht weiß: Ihr Vater hat nicht nur sein Erbe, sondern auch ein großes Geheimnis vor ihr verborgen. 

Rezension:

Nach einer herben Enttäuschung hat Lexie in den letzten zehn Jahren den Kontakt zu ihrem Vater, der die Familie verlassen hatte, als Lexie noch ein kleines Mädchen war, gemieden. Auch seine letzten Annäherungsversuche hat sie zurückgewiesen, ohne zu wissen, dass Richard schwer krank ist. Umso überraschter ist sie, als sie nach seinem Tod die Hälfte seines Reiseunternehmens in Bath erbt. Die andere Hälfte erhält Theo, Richards Geschäftsführer, mit dem ihn auch eine Freundschaft verband. Lexie, die am liebsten auf Reisen ist, sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält und bislang nicht daran gedacht hat, sesshaft zu werden, möchte die Firma am liebsten verkaufen. Das Testament sieht jedoch vor, dass Lexie und Theo das Reiseunternehmen ein Jahr gewinnbringend weiterführen müssen, bis sie eine Entscheidung treffen dürfen.

"Mein Dezember mit dir" ist kein klassischer Winter-/ Weihnachtsroman, denn man verfolgt die Entwicklung Lexies im Verlauf eines Jahres, wobei Ende und Anfang zeitlich im Dezember angesiedelt sind. Der Titel im englischen Original "A Winter Wish" trifft die Handlung deshalb besser, denn Lexies Wunschglas, das sie seit ihrer Kindheit überallhin mit sich führt, spielt eine nicht unerhebliche Rolle.

Lexie, die selbst am liebsten unterwegs ist und ein ungebundenes Leben führt, erbt ein Reiseunternehmen, das sie an einen Ort bindet. Reisen ist in dem Roman nicht nur im wörtlichen Sinn gemeint, sondern auch als Symbol für Lexies persönliche Reise. Lexie wurde von ihrem Vater als junges Mädchen verlassen und auch später vor den Kopf gestoßen, was Narben hinterlassen hat. Aus Angst vor Schmerz und Enttäuschungen kann sich Lexie nicht fest binden und führt deshalb lieber ein Nomadenleben. Durch das Erbe erhält sie allerdings die Chance, auch eine andere Seite ihres Vaters kennenzulernen, was ihr den Weg eröffnet, sich mit der Vergangenheit auszusöhnen.

Der Roman handelt von Trauer, Abschiednehmen, zweiten Chancen und einem Neuanfang. Lexies widerstreitende Gefühle hinsichtlich ihres Vaters sind dabei authentisch und nachvollziehbar geschildert. Ihre Rolle als vermeintlich zweite Geige hinter Richards neuer Familie ist nur allzu verständlich. Romantische Gefühle bleiben hingegen aus, denn die Funken zwischen Lexie und Theo wollten schon nach der anfänglich eher aufgesetzten Rivalität nicht wirklich überspringen.
"Mein Dezember mit dir" ist der dünnste der bisher vier erschienenen Romane von Emily Stone und gleichzeitig der einfallsloseste. Die Geschichte ist sowohl in Bezug auf den Fortgang des Reiseunternehmens als auch die Liebesgeschichte zwischen Lexie und Theo vorhersehbar. Es gibt die erwartbaren Höhen und Tiefen, Erfolge und Misserfolge sowie Missverständnisse bis zum Happy End. Das erfolgt dann geballt für alle handelnden Charaktere, was jedoch gerade in Bezug auf Weihnachten und einen friedlichen Jahresabschluss ein anheimelndes Gefühl hinterlässt. 

Mittwoch, 22. Oktober 2025

Buchrezension: Hannah Sloane - The Freedom Clause

Inhalt:

Daphne und Dominic sind seit drei Jahren verheiratet. Der Alltag hat sie bequem gemacht, und ihr Sexleben ist alles andere als aufregend. Im Rausch einer Silvesterparty macht Dominic Daphne den Vorschlag, die Ehe zu öffnen. Daphne stimmt zu, unter drei Bedingungen: nur eine Nacht im Jahr, nicht zweimal mit derselben Person und Stillschweigen gegenüber dem anderen. Es dauert nicht lange, da merken sie: Dies ist keine kleine Veränderung, sondern eine gewaltige... Daphne lernt endlich, zu sagen, was sie will, und teilt ihre Erlebnisse auf einem anonymen Blog. Bis die Zweifel kommen, an ihrer Liebe, an der Ehe... Werden sie einen Weg finden, ihre Beziehung zu retten? Und wollen sie das überhaupt? 

Rezension:

Daphne und Dominic haben jung geheiratet und, stellen nach drei Jahren Ehe fest, dass ihr Sexualleben nicht befriedigend ist. Dominic schlägt deshalb nach einer Silvesterfeier vor, ihre Ehe zu öffnen. Auch wenn Daphne von der Idee wenig angetan ist, stimmt sie unter der Einhaltung von Regeln zu. Sie dürfen nur eine Nacht im Jahr mit einer Person verbringen und nicht darüber sprechen. Die Freiheitsklausel soll zudem auf fünf Jahre befristet sein.
Daphne nutzt die Chance, ihre eigenen Wünsche in den Vordergrund zu stellen und baut zusehends mehr Selbstbewusstsein auf. Daphne und Dominic haben auch wieder zusammen mehr Spaß im Bett, aber das ist nicht die einzige Veränderung in ihrer Ehe.

Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht beider Ehepartner geschildert, so dass man Einblicke erhält, wie sie jeweils die Freiheitsklausel interpretieren und wie der emotionale Umgang damit ist. Die Erzählweise ist dynamisch, denn oft erfolgt der Wechsel schon nach einem kurzen Abschnitt.

Die Entwicklung beider Charaktere ist authentisch und nachvollziehbar dargestellt. Die Folgen der Abkehr von einer rein monogamen Ehe führen nicht nur zu einer Veränderung der Sexualität, sondern sind schon bald in allen Bereichen des Lebens zu spüren. Das eigene Freizeitverhalten ändert sich, neue Freundschaften werden geknüpft und berufliche Ziele überdacht. Sie probieren sich aus, gehen Risiken ein, ernten Erfolge, müssen aber auch mit Rückschlägen umgehen. 

Anders als das etwas frivole Cover vermuten lässt, stehen explizite Sexszenen in dem Roman nicht im Vordergrund. Er handelt vielmehr von den Folgen des Sexperiments für die Personen selbst und die Beziehung zueinander. 
Der Roman schildert die fünf Jahre, für die diese besondere Freiheit in der Ehe gelten soll. Nach einem ausgeglichenen Beginn, bei dem beide Charaktere gleichermaßen positive und negative Aspekte feststellen, entwickelt sich die Geschichte im weiteren Verlauf recht einseitig und zugunsten der weiblichen Sicht. Daphne, die anfangs skeptisch war, kann mit der gewonnen Freiheit viel besser umgehen und Vorteile daraus ziehen, während Dominic sich zunehmend als Verlierer entpuppt.  

Der Roman beschreibt ein mutiges Experiment mit weitreichenden und überraschenden Auswirkungen. Kann mehr Freiheit eine Ehe retten oder wird sie sie zerstören? Ist Exklusivität nicht der Sinn einer Ehe? Läutet der Gedanke eines Aufbrechens nicht schon das Ende ein?
"The Freedom Clause" ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt und zeigt, wie wichtig Vertrauen, Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung in einer Beziehung sind. Darüber hinaus handelt der Roman von einer persönlichen Weiterentwicklung und davon, seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu kennen und für sie einzustehen. 

Montag, 20. Oktober 2025

Buchrezension: Kira Mohn - Die Nacht der Bärin

Inhalt:

Die sechsundzwanzigjährige Jule flüchtet nach einem heftigen Streit mit ihrem Freund aus der gemeinsamen Wohnung. Niemals hätte geschehen dürfen, was geschehen ist. Bei ihren Eltern will sie in Ruhe entscheiden, wie es weitergehen soll. Dann trifft die Nachricht vom Tod ihrer Großmutter ein, und damit tun sich Abgründe auf. Warum hat Jules Mutter nie von ihr oder der eigenen Kindheit erzählt? Als sie gemeinsam den Nachlass der Großmutter in dem Haus am Waldrand ordnen, findet Jule Spuren lang zurückliegender Ereignisse, die bis in die Gegenwart hinein ihre zerstörerische Macht entfalten. 

Rezension: 

Jule findet nach einem gewalttätigen Streit mit ihrem Freund Jasper Zuflucht bei ihren Eltern. Sie möchte dort zur Ruhe kommen und nachdenken, wie und ob es mit der Beziehung weitergehen kann. Unmittelbar nach ihrer Ankunft erhält Jules Mutter einen Anruf, dass ihre Mutter gestorben ist. Jule kennt ihre Großmutter nur aus Karten zu Weihnachten und zum Geburtstag. Persönlich hat sie sie nie kennengelernt. Ihre Mutter reagiert sichtlich verstört über die Nachricht, was Jule neugierig macht. Sie möchte mehr über ihre Großmutter herausfinden und bittet ihre Mutter, ihr bei der Abwicklung des Nachlasses helfen zu dürfen. Gemeinsam fahren sie in das kleine Dorf, dass nur zwei Stunden entfernt liegt und wühlen im Elternhaus von Jules Mutter alte Erinnerungen auf. 

Der Roman handelt auf zwei Erzählebenen, beginnend mit der Ich-Perspektive von Jule. Ein weiterer Erzählstrang wird aus der Sicht der zwölfjährigen Maja geschildert, die eine enge Beziehung zu ihrer älteren Schwester Anna hat und die beide unter ihrem tyrannischen Vater leiden. Anfangs ist nur zu erahnen, wie beide Erzählungen zusammenhängen, bis sie sich allmählich ergänzen.

Es geht um Gewalt in der Familie, Machtmissbrauch, Kindesmisshandlung und Gewalt gegenüber Frauen. Während Jule ihre Familie mütterlicherseits nicht kennt und so viele Fragen an ihre Mutter hat, die diese nur zögerlich beantwortet, ist die Suche nach Erklärungen für Jule gleichzeitig eine Möglichkeit, ihre eigenen Probleme verdrängen und eine Lösung aufzuschieben.

Die Schilderungen sind bildhaft und direkt, erfolgen jedoch auch mit dem notwendigen Einfühlungsvermögen. Egal ob es sich um die beklemmenden und brutalen Szenen am sonntäglichen Frühstück der Siegburgs oder das Stromern der beiden Mädchen im Wald handelt, die sich dort in eine Fantasiewelt flüchten - man kann sich unmittelbar in die Situation hineinversetzen und Angst, Hilflosigkeit, Wut und Hass nachempfinden. Gebannt liest man weiter in der Erwartung, dass die Situation weiter eskaliert.
Während die Vergangenheit von einer alltäglichen Gefahr dominiert ist, sorgt auch Jules Suche in der Gegenwart und den Drang, das Schweigen zu brechen, für Spannung. Zwischen den Kapiteln sind typische Worte eines gewalttätigen Partners - von Entschuldigungen, über Schuldzuweisungen bis Beschimpfungen - abgedruckt, die eine verquere Täter-Opfer-Sicht aufweisen.

Es ist eine dramatische und schonungslose Geschichte, die aufwühlt und schockiert, weil sie die Realität häuslicher Gewalt und die Folgen für die Opfer so eindrücklich beschreibt. Nachvollziehbar ist der Wunsch zu verdrängen und zu vergessen, aber auch der Drang, zu verstehen und die Wahrheit herauszufinden. Dabei stellt sich auch die Frage nach vererbten Traumata, ob sich Geschichte wiederholt und bestimmte Muster unbewusst übernommen werden. Das Ende ist diesbezüglich etwas knapp gehalten und hätte auch in Bezug auf die Familienzusammenführung gerne noch ein paar Seiten länger sein können. 

Freitag, 17. Oktober 2025

Buchrezension: Sarah Bestgen - Happy End

Inhalt:

Gerade noch lag der kleine Ben fröhlich brabbelnd auf seiner Krabbeldecke, kurz darauf ist er nicht mehr da. Isa erlebt ihren dunkelsten Albtraum, als ihr vier Monate alter Sohn spurlos verschwindet. Nach mehr als einem halben Jahr taucht Ben plötzlich wieder auf, doch seine Rückkehr bleibt so rätselhaft wie sein Verschwinden. Während die Polizei nach Antworten sucht, setzt Isa alles daran, die verlorene Zeit mit ihrem Sohn nachzuholen. Dabei werden tief in ihr die Zweifel immer lauter. Hatte Ben schon immer diese klaren blauen Augen? Aufmerksam betrachtet Isa jede Abweichung - und stellt sich weitere Fragen. Fragen, die schon bald vermuten lassen, dass hinter der Fassade einer scheinbar heilen Welt dunkle Abgründe lauern.

Rezension:

Isa Winterberg lässt ihren vier Monate alten Sohn nur wenige Minuten aus den Augen, als sie in der Waschküche ist und als sie zurückkommt, ist Ben spurlos verschwunden. Es gibt weder Spuren eines Täters, noch Forderungen eines Entführers.
Acht Monate später wird Ben unversehrt an einer Tankstelle aufgefunden. Die Familie ist überglücklich, doch die Erfahrung war traumatisch. Während Isa versucht, sich für sich und ihren Sohn Hilfe bei einer Psychologin zu suchen, möchte ihr Ehemann Mark, der Kinderarzt ist, seinen Sohn keinen Erinnerungen aussetzen. Isa beginnt zu zweifeln, an sich selbst, an Mark und schließlich auch an Ben.

Ein Kind verschwindet, taucht Monate später wieder auf und Familie und Polizei stehen vor einem Rätsel.
Die Geschichte wird überwiegend aus der Sicht von Isa geschildert. Zunächst erhält man damit Einblick in eine junge Familie mit Eltern, die ihren Sohn abgöttisch lieben. Während seines Verschwindens beginnt die Fassade zu bröckeln. Während Isa alles tut, um zur Aufklärung des Verbrechens beizutragen, stürzt sich ihr Mann in die Arbeit und lässt Isa mit ihrem Schmerz allein. Nach Bens Rückkehr hält das Glück und die Freude darüber nicht lange an. Isa verspürt eine Distanz zu ihrem Sohn und beginnt an ihrer Wahrnehmung zu zweifeln bis sie zusammenbricht.

Daneben gibt es durch die Perspektive des Kriminalhauptkommissars Simons Einblicke in die polizeilichen Ermittlungen. Simons lebt für seinen Beruf und ermittelt auch weiter, als die Sonderkommission aufgelöst ist.

Der Psychothriller ist spannend geschildert, denn im Verlauf der Handlung kommen Zweifel an fast allen Protagonisten auf. Darüber hinaus kann nur spekuliert werden, was es mit dieser atypischen Entführung auf sich hat. Selbst als es vage Hinweise auf mögliche beteiligte Personen gibt, ist es nahezu unmöglich darauf zu schließen, welche kriminellen Machenschaften und dramatischen Hintergründe ursächlich sind. 

Auch wenn der Thriller im Mittelteil ein wenig straffer hätte erzählt werden können, regen die kurzen Kapitel zum steten Weiterlesen an. Der Roman fesselt bis zur Aufklärung des Szenarios, wobei der Showdown allzu kompakt alle offenen Fragen beantwortet. 
Die Einblicke in die Psyche der Mutter, die Dynamik der Familie und die Ermittlungen der Polizei sind zudem authentisch geschildert und ergänzen den Thriller vielschichtig um Aspekte eines Psychodramas und Kriminalromans.

Mittwoch, 15. Oktober 2025

Buchrezension: Julie Caplin - Das kleine Zuhause in Prag (Romantic Escapes, Band 12)

Inhalt:

Anna braucht dringend Abstand zu ihrer englischen Heimat und der familiengeführten Brauerei. Umso willkommener ist die Einladung zu einer Fortbildung in Prag: Endlich darf sie selbst Hand anlegen und ein eigenes Bier entwickeln. Sie freut sich auf inspirierende Wochen und bezieht ein Zimmer in einer gemütlichen Dachwohnung. Der Ausblick von der Terrasse ist spektakulär, und Anna fühlt sich auf Anhieb wohl. Wäre da nur nicht ihr Mitbewohner! Leo ist Annas Exmann und wurde ebenfalls zu der Fortbildung eingeladen. Und nun sollen sie unter einem Dach leben? Anna ist fest entschlossen, ganz professionell mit der Situation umzugehen und nicht nochmal Gefühle für Leo zu entwickeln. Doch schon bald beginnt der Zauber der romantischen Stadt auf sie zu wirken. 

Rezension: 

Anna und Leo treffen sich nach sechs Jahren zufällig in Prag wieder. Beide haben sich für einen Wettbewerb um das beste Bier qualifiziert. Sie sind tatsächlich die einzigen Kandidaten und müssen sich für die Dauer des Wettbewerbs eine Wohnung teilen. Während Anna in festen Händen ist, ihrem Freund Steve bisher jedoch nichts von ihrem Ex-Mann Leo erzählt hat und direkt wieder ausziehen möchte, sieht Leo die Situation ganz entspannt und scheint nach wie vor am liebsten seinen Charme bei den Frauen spielen zu lassen. Anna arrangiert sich, da sie auch bereits Kontakt zu den netten Nachbarn unter ihnen geschlossen haben und spürt schon bald, dass sie immer noch Gefühle für Leo hat. Leo, der unter der Trennung gelitten hat, schlägt eine freundschaftliche Beziehung vor. Doch je mehr Zeit sie miteinander verbringen und gemeinsam die Stadt mit all ihren Sehenswürdigkeiten und kulinarischen Köstlichkeiten erkunden, desto schwerer fällt es Leo, Anna auf Distanz zu halten.

"Das kleine Zuhause in Prag" ist der zwölfte Band der "Romantic Escapes"-Reihe. Auch wenn die Bücher unabhängig zu lesen sind, begegnet man Charakteren aus bisherigen Teilen wieder. So wurde Leo bereits in Band 11 "Die kleine Villa in Italien" als Bruder der männlichen Hauptfigur vorgestellt.

Der Roman weckt vor allem zu Beginn wenig romantische Gefühle. Es ist kaum vorstellbar, dass Anna und Leo verheiratet waren, denn sie wirken so, als würden sie sich kaum kennen. Anna ist unsicher, fühlt sich unzulänglich und hat ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Leo. Leo hingehen ist selbstbewusst, lebenslustig und spontan und zieht mit seinem sonnigen Gemüt die Menschen an. Der dritte im Bunde Steve ist plakativ negativ, einfältig und dümmlich dargestellt und damit so offensichtlich der Falsche für Anna. Die Liebesgeschichte entwickelt deshalb keine Spannung, denn der Weg ist uninspiriert vorgezeichnet. Genauso wenig spannend ist der Wettbewerb um das Bierbrauen, denn der spielt letztlich nur eine sehr untergeordnete Rolle. Stattdessen wird gegessen, getrunken, geflirtet, renoviert und die Stadt erkundet, wobei sehr schnell Kontakt zu Einheimischen geknüpft wird, die allesamt herzerwärmend nett sind und Anna und Leo mit offenen Armen aufnehmen.
Der Grund für die Scheidung erschließt sich nicht wirklich und eine Aufarbeitung der Vergangenheit findet auch nicht statt, weshalb die Geschichte sehr flach in einem erwartbaren Happy End mündet. 

Das Setting ist gelungen, denn das Buch liest sich wie ein kleiner Reiseführer, der die Wahrzeichen Prags, die Kulinarik und tschechische Lebensart näher bringt. Die Second-Chance-Romance ist hingegen langweilig und besonders enttäuschend ist, dass der Aufhänger des Romans um das Bierbrauen und den Wettbewerb darum völlig in den Hintergrund tritt. Das Cover des Buches hätte in jedem Fall stimmiger gewählt werden müssen. 

Montag, 13. Oktober 2025

Buchrezension: A.K. Turner - Was die Toten sehen (Raven & Flyte ermitteln, Band 4)

Inhalt:

Beinahe läuft Cassie Raven auf dem Weg zur Arbeit in eine Polizei-Absperrung. Die große Blutlache auf dem Weg vor dem Wohnblock und ein Polizist auf einem Balkon im 10. Stock sagen der erfahrenen Pathologie-Assistentin alles, was sie wissen muss. Cassie ist also nicht überrascht, dass in der Leichenhalle ein mutmaßlicher Suizid auf sie wartet.
Doch als sie die Tote sieht, ist sie fassungslos: Denn die ist niemand anderes als Bronte, eine extrem beliebte Sängerin, die kurz vor dem ganz großen Durchbruch stand – und eine ehemalige Klassenkameradin von Cassie.
Es gibt eine Abschieds-SMS, die nahelegt, dass Bronte mit dem Erfolgsdruck nicht umgehen konnte. In der Presse war mehrfach von Drogen- und Alkoholexzessen zu lesen. Aber ein paar kleine Ungereimtheiten bei der Sektion lassen Cassie nicht los. Als dann auch noch DS Phyllida Flyte in den Fall verwickelt wird, braucht Cassie gute Nerven und ihre besondere Gabe. 

Rezension: 

Die talentierte und sensible Singer-Songwriterin Bronte galt als der nächste große Star im Musikbusiness, bis sie sich aus dem zehnten Stock stürzte. Eine Drogenvergangenheit und eine Abschieds-SMS lassen die Polizei auf einen Suizid schließen. Ihre streng gläubige Mutter kann dies nicht glauben und auch die Assistentin der Pathologie Cassie Raven hat bei der Inaugenscheinnahme der Leiche ein anderes Gefühl. Sie kennt Bronte noch als ihre Klassenkameradin Sophia Angelopoulos, die nach einem unsäglichen Vorfall die Schule verließ, wofür sich Cassie bis heute Vorwürfe macht. Sie verspricht Bronte herauszufinden, was wirklich passiert ist. 
Parallel arbeitet die ehemalige Polizistin Phyllida Flyte an dem Fall, die seit Kurzem als Ermittlerin für die IOPC, einer unabhängigen Organisation, die die Polizeiarbeit überprüft, tätig ist.  

"Was die Toten sehen" ist der vierte Band um die Sektionsassistentin Cassie Raven, die über eine besondere Gabe verfügt, mit den Toten zu kommunizieren. Die Aufklärung des Todesfalls um die Sängerin Bronte, die kurz vor ihrem musikalischen Durchbruch stand, ist Cassie ein persönliches Anliegen, denn sie hatte ihre ehemalige Schulkameradin schon einmal im Stich gelassen. 

Nach einer eingehenden Untersuchung der Leiche ist klar, dass der Tod Brontes nur nach einem Selbstmord aussehen sollte. Während die Polizei den Fall, der beinahe schon zu den Akten gelegt werden sollte, neu aufrollt wird und die ehemalige Detective Sergeant Phyllida Flyte hinzugezogen wird, recherchiert Cassie auf eigene Faust im Umfeld von Bronte, um herauszufinden, wer ihr das angetan haben könnte.  

Auch dieser vierte Band ist im Hinblick auf die Aufklärung des mysteriösen Todesfalls des prominenten Opfers spannend und wendungsreich aufgebaut. Die beiden Hauptfiguren Cassie Raven und Phyllida Flyte sind originelle und Charaktere, die besonders sind, aber dennoch authentisch wirken und auf der Suche nach der Wahrheit akribisch, beharrlich und voller Empathie für die Opfer alles geben. Zudem haben sie beide weiterhin mit ihren Dämonen zu kämpfen. 
Das Zusammenspiel aus methodischer Polizeiarbeit sowie forensischen und medizinischen Erkenntnissen ist dabei wieder hervorragend gelungen. Cassie und Phyllida ergänzen sich perfekt und DI Bacon, der an Phyllidas Seite anfangs plump auftritt, ist mit seinem Instinkt und speziellem Charme nicht zu unterschätzen. 
Eine Reihe von zwielichtigen Verdächtigen sorgt für anhaltende Spannung bis zum Schluss.


Freitag, 10. Oktober 2025

Buchrezension: Heike Specht - Die Frau der Stunde

Inhalt:

Mit ihrer eingeschworenen Frauen-Clique, einigen Gin Tonics und noch mehr Zigaretten manövriert sich die Politikerin Catharina Cornelius im Bonn der späten 70er hinreißend klug durch den Sumpf der Altherren-Elite. Als die Liberale aber völlig überraschend zur Außenministerin und Vizekanzlerin wird, reiben sich überrumpelte Kollegen in höchsten Regierungskreisen fassungslos die Augen. Die konservative Opposition überschlägt sich mit hämischen Kommentaren. Die Herren Journalisten lächeln süffisant und spitzen die Feder. Frauen und Männer im ganzen Land blicken erstaunt auf die zierliche Frau mit den extravaganten Halstüchern, die langen Haare stets zu einem eleganten Chignon zusammengesteckt.
Schon bald fordern dramatische Umwälzungen neue Antworten. Von Bonn bis Teheran steht die Außenministerin im Sturm von Ereignissen, die so viel größer sind als sie selbst und sie muss erkennen, dass es immer einen Preis hat, sich die Freiheit zu nehmen. Ein Muss für Fans starker Frauenfiguren. 

Rezension: 

Im Herbst 1978 wird die Politikwissenschaftlerin und stellvertretende Vorsitzendes des Auswärtigen Ausschusses Catharina Cornelius überraschend Außenministerin und Vizekanzlerin, nachdem der bisherige Amtsinhaber seinen Posten nach einem politischen Skandal räumen musste. Es ist mehr als nur ein strategischer Schachzug, um die sozialliberale Koalition zu erhalten, denn Catharina ist eine unerschrockene, erfahrene Frau mit diplomatischem Geschick. 
Catharina muss sich sowohl national als auch international wiederholt in einer Männerdomäne beweisen und sich gegen Chauvinismus durchsetzen. Hinter ihr stehen jedoch ihre beiden besten Freundinnen aus Internatszeiten, Suzanne de Vries, Korrespondentin für die belgische Tageszeitung in Bonn, und Azadeh Nouri, eine iranische Regisseurin und Frauenrechtlerin, sowie ein festes Netzwerk aus Frauen in ihrem politischen Umfeld, denen sie Vertrauen kann. 
Doch schon wenige Monate nach ihrem Amtsantritt wird an ihrem Stuhl gesägt und Intrigen geschmiedet, um sie wieder in die zweite Reihe zu verdrängen. 

"Die Frau der Stunde" und titelgebende Hauptfigur ist Catharina Cornelius, deren erste Monate als frisch ernannte Außenministerin man begleitet. Daneben gibt es Einblicke in die Leben ihrer beiden besten Freundinnen Suzanne und Azadeh, die sich in Bezug auf den Erhalt ihrer Freiheit mit eigenen Problemen konfrontiert sehen. Suzanne steht trotz eines modernen Ehemanns an ihrer Seite als berufstätige Frau und Mutter im Spagat zwischen Beruf und Familie. Azadeh hat die politischen Ereignisse in ihrem Heimatland verfolgt und den Sturz des Schahs verfolgt. Der neue religiöse Machthaber ist jedoch alles andere als ein Befreiungsschlag. Trotz der gefährlichen Situation reist Azadeh wiederholt nach Teheran. 

Die drei Freundinnen sind wie die genannten Politiker fiktive Figuren, während die Schilderung des Umbruchs im Iran auf wahren Ereignissen beruht. Die Mischung aus Fiktion und historischen Ereignissen ist gelungen und der Schauplatz Iran fügt sich zudem gut in den Arbeitsplatz der Außenministerin ein. 
Durch die anschaulichen Beschreibungen wird die Bonner Republik Ende der 1970er-Jahre lebendig. Man erhält ein Gefühl für die damalige Zeit und in welchem Umfeld sich Catharina bewegt. Der fiktive Lebenslauf der bewundernswert unermüdlichen Frau wird dabei geschickt mit der Zeitgeschichte kombiniert. 

Nach einem anfänglich gemächlichen Start, in dem Catharina nahezu reibungslos ihren Weg geht, gibt es im weiteren Verlauf so einige Hindernisse, die die Handlung interessanter gestalten. Auch wenn die Geschichte einzelne Längen hat und die Perspektivwechsel nicht jeder Frau genügend Raum zur Entfaltung geben, besticht der Roman durch den Zeitgeist und einzelne sehr eindrückliche Szenen aus dem Deutschen Bundestag und den Dienstreisen der Außenministerin, die beweisen, wie wenig Frauen in der Politik zugetraut wird und wie schwer es ihnen gemacht wird, sich auf Sachthemen zu konzentrieren und mit ihrem Können zu überzeugen. 
Das Ende erfolgt abrupt und mitten im Geschehen. Ein Epilog mit einem Blick in die Zukunft wäre an dieser Stelle passend gewesen und hätte zu einem für mich befriedigenderen Abschluss geführt. 

Mittwoch, 8. Oktober 2025

Buchrezension: Andreas Schmidt - Hass ist meine Liebe (Kommissarin Mia Sommer ermittelt, Band 1)

Inhalt:

Kopfüber und ertrunken liegt die angesehene Psychologin Tessa Winkler in einem Brunnen am Toelleturm, Wuppertals teuerster Wohngegend. Würgemale an ihrem Hals zeigen, dass sie unter Wasser gehalten wurde. Die Kommissare Mia Sommer und Björn Lassner haben zuerst den Exmann im Visier, der seine Trauer nutzt, um die Ermittler zu manipulieren. Und den Vater eines Mädchens, das bei einem Unfall starb, den Tessa verschuldet hat. Doch dann liegt eine weitere Frau tot auf der berühmten bunten Holsteiner Treppe, genau zwischen den beiden Stufen, die mit "Schlechtes Gewissen" und "Ehre" beschriftet sind.
Zufall oder der Beginn einer Mordserie? Mia und Björn nehmen die Vergangenheit der beiden Opfer genauer unter die Lupe und entdecken unheimliche Ähnlichkeiten in deren Liebesleben. 

Rezension:

In einem Brunnen in Wuppertal wird die Psychologin Theresa Winkler nachts von einem Taxifahrer tot aufgefunden. Die Ermittlungen ergeben, dass die Frau, die Straftäter psychologisch betreute, ermordet wurde. Nachdem ihr Ex-Mann sich wenig kooperativ zeigt, aber ein sicheres Alibi hat, gerät ein trauernder Familienvater in Verdacht, der ein Rachemotiv hat. Nur Stunden später wird eine zweite Frauenleiche in Wuppertal gefunden. Mia Sommer und Björn Lassner, die in dem Fall Winkler ermitteln, erkennen Parallelen zwischen den beiden toten Frauen und können einen Serientäter nicht mehr ausschließen.

"Hass ist meine Liebe" ist der Auftakt einer Krimireihe aus dem Bergischen Land um die Kriminalkommissarin Mia Sommer. Letztlich wird aber im Team ermittelt, wobei ihr Partner Björn Lassner mindestens einen genauso großen Anteil hat, weshalb es zumindest im ersten Band eher die Geschichte eines Ermittler-Duos ist.

Wechselnde Perspektiven sorgen dafür, dass man nicht nur Einblick in die Ermittlungen und die Privatleben der beiden Hauptfiguren, sondern auch eine Täter- und Opfersicht erhält.
Der Täter scheint es auf mehrere Frauen abgesehen zu haben, die in seinen Augen den Tod verdient haben. Das Entführungsopfer weiß nicht, warum sie festgehalten wird und die Polizei ermittelt aufgrund zu offensichtlich Verdächtiger zunächst in die falsche Richtung, bis sie eine Verbindung zwischen den Toten erkennt. 

Obschon man als Leser einen Wissensvorsprung gegenüber den Kriminalkommissaren hat, ist der Fall spannend aufgebaut. Die schnellen Perspektivwechsel sorgen für Dynamik und laden zum Miträtseln über Motiv und Täter ein. Die zeitliche Abfolge erscheint dabei nicht immer realistisch, da sich in kürzester sehr viel ereignet und die beiden Hauptfiguren rund um die Uhr im Dienst zu stehen scheinen. 
Der Schreibstil ist mitunter blumig und in unwesentlichen Details zu ausführlich und neigt zu Wiederholungen. Routineabläufe wie Nahrungsaufnahme, Ankleiden oder Nachrichten lesen sowie Beschreibungen von Kollegen und Inneneinrichtung, die keine wesentliche Rolle spielen, wirken in einem Krimi deplatziert und unnötig. Auch die Eifersüchteleien von Lassners Ehefrau ohne konkrete Verdachtsmomente sind überflüssige Lückenfüller. 
Trotz der Kritik fesselt der wendungsreiche Fall mit Täter, der die Polizei mit seinem schnellen Handeln und seiner Skrupellosigkeit und unter Druck setzt. Für weitere Bände sollten die Hauptfiguren, die sich durch keine herausragenden Eigenschaften hervortun, noch einen Feinschliff erhalten. 

Montag, 6. Oktober 2025

Buchrezension: Jandy Nelson - Wenn unsere Welt kippt

Inhalt:

Willkommen in Paradise Springs – einer Kleinstadt voller Hitze, Staub und Magie inmitten des Wine Country Kaliforniens und Heimat der Fall-Familie. Die 12-jährige Dizzy Fall ist eine grandiose Kuchenbäckerin, sieht Geister und wäre am liebsten eine Romanheldin. Der 17-jährige Miles Fall ist zugleich hochbegabt und Sportskanone, Hundefanatiker und unfassbar schön. Aber auch verloren und auf der Suche nach dem Jungen seiner Träume. Wynton Fall brilliert als 19-jähriger Geigenvirtuose und fährt sein Leben dabei konsequent gegen die Wand.
Als Cassidy, ein geheimnisvolles Mädchen mit regenbogenfarbigem Haar in Paradise Springs auftaucht, wirbelt sie die Welt der drei Geschwister durcheinander. Doch bevor Dizzy, Miles und Wynton herausfinden, wer Cassidy wirklich ist, passiert die Katastrophe. Nur Cassidy kann die Fall-Familie wieder zusammenführen. 

Rezension: 

Die drei Geschwister Fall, Nachfahren eines sagenumwobenen Weinbauers, leben zusammen mit ihrer Mutter in Paradise Springs in Nordkalifornien, nachdem der Vater die Familie unter mysteriösen Umständen verlassen hatte.
Die jüngste Dizzy kann Geister sehen, glaubt an Engel und hat eine enge Bindung zu ihrem Bruder Wynton. Dieser ist ein brillanter Geigenspieler, der auf den großen Durchbruch als Musiker hofft, neigt jedoch zu selbstzerstörerischem Verhalten. Der mittlere Miles ist als wunderschöner, herausragender Schüler der "Vollkommene" und deshalb einsam. So unterschiedlich die drei sind, vereint sie die Sehnsucht nach ihrem Vater. Zudem begegnen alle drei unabhängig voneinander dem Regenbogenmädchen Cassidy und sind fasziniert von ihr. Bevor sie sie näher kennenlernen können, ereignet sich eine Katastrophe und Cassidy wird für sie zu einem rettenden Engel, den sie unbedingt finden müssen. 

"Wenn unsere Welt kippt" ist als Jugendroman deklariert und auch wenn er überwiegend aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen geschrieben ist, enthält er so viele universelle Themen und insbesondere so viel Emotionen, die auch einen erwachsenen Leser nicht kaltlassen. 

Aus wechselnden Perspektiven geschildert, taucht man tief in die Leben von Cassidy, Miles, Dizzy und Winton ein, die schwierige Verhältnisse zu ihren Eltern haben. Sie fühlen sich verloren, sind auf einer andauernden Suche nach Identität, von einer tiefen Sehnsucht geprägt und sehen sich gezwungen, ihre Probleme mit sich selbst auszumachen. Während Miles und seine Geschwister über den Verlust ihres Vaters nie hinweggekommen sind, aber zumindest mit einer liebevollen Mutter aufgewachsen sind, ist Cassidy allein mit ihrer Mutter, die ihre Mutterrolle nur unzutreffend erfüllt. 

Alle Charaktere des Romans sind besonders und vor allem die Jugendlichen sind liebenswert und nahbar. Ihre Schicksale gehen zu Herzen und der stetige Wechsel aus Enttäuschungen und Hoffnung, Liebe und Hass, ist kaum zu ertragen. Die Geschichte entwickelt sich überraschend, weckt Emotionen und ist spannend aufgebaut. Durch die Mischung aus gegenwärtiger Erzählung und Rückblenden in die Vergangenheit werden Geheimnisse offenbar, die erst allmählich gelüftet werden und den Kindern zeigen, was ihre Eltern verbergen. 

Der Erzählstil ist durch Einschübe von Briefen, E-Mails, Auszügen aus Tage- und Notizbüchern abwechslungsreich, zumal märchenhaft und durchgängig bildhaft. Die Personen und auch die Heimat der Falls wird damit leicht vorstellbar. Zudem hat man wie die Kinder selbst Farben vor Augen, Musik in den Ohren und verschiedene Gerüche in der Nase. Synästhesie unterstreicht die Besonderheit der Figuren und auch der magische Realismus passt perfekt zur Entwicklung ihrer Geschichte. 

"Wenn unsere Welt kippt" ist ein All-Age-Roman voller Liebe, Geheimnisse und Magie. Er handelt von Einsamkeit, Verlust, Depressionen und Ängsten, aber auch von Zusammenhalt und Freundschaft, erster Liebe, einem Traum von Freiheit, Hoffnung und dem Glaube an Wundern. Es geht um Trauma, die über Generationen weitergegeben werden, über Familienfluche und Geschwisterrivalitäten, die den Roman zu einem spannenden Mix aus komplizierter Vergangenheit und turbulenter Gegenwart machen. Die Geschichte ist wendungsreich und metaphorisch und wird trotz des Umgangs von knapp 650 Seiten niemals langweilig.   

Freitag, 3. Oktober 2025

Buchrezension: Peter Huth - Aufsteiger

Inhalt:

Felix Licht hat alles für die Karriere geopfert: Seine besten Jahre, lebenslange Freundschaften, die Zeit mit Frau und Kind. Jetzt fehlt nur noch der letzte Schritt, die Berufung zum Chefredakteur des wichtigsten Magazins des Landes. Doch dann eröffnet ihm Verleger Christian Berg, einst Modezar der neurechten Szene, jetzt geläutert und selbsternannter Retter der Pressefreiheit, dass nicht Licht den Job bekommt, sondern Zoe Rauch. Ausgerechnet Zoe – jung, schön, woke. Die Frau, an die Felix seit zwölf Jahren immerzu denken muss. Sein Leben zerbricht – und reißt alle um ihn herum in einen Mahlstrom aus gekränkten Eitelkeiten, brüchigen Lebenslügen, opportunistischer Lust an immer absurderen Fake News und Gutmenschen, die bereit sind, über Leichen zu gehen. 

Rezension:

Felix Licht ist Journalist und steht mit knapp 50 Jahren vor dem Höhepunkt seiner Karriere. Nach einem politisch unkorrekten Artikels des Chefredakteurs muss der Posten neu besetzt werden und Felix malt sich aufgrund seiner Erfahrung und dem guten Draht zum Verleger die größten Chancen aus. Der Champagner ist bereits kaltgestellt, als Felix erfährt, dass Zoe Rauch neue Chefredakteurin des Magazins wird. Zoe war vor zwölf Jahren seine Volontärin, die die Redaktion verlassen hatte, nachdem sie sich zu nahe gekommen waren. Zoe ist alles, was Felix nicht ist - weiblich, jung, dunkelhäutig - und soll dem Magazin damit neuen Aufwind geben. Felix ist in seinen Grundfesten erschüttert. Nachdem es in seiner Ehe bereits kriselte, steht er nun nicht mehr nur vor der Scheidung, sondern auch vor seinem Karriereende.

Ausgehend von dem tiefen Fall des Felix Licht, der sich so sicher wähnte, den Posten des Chefredakteurs zu erreichen, auf den er über Jahre hingearbeitet hatte, handelt der Roman im Umfeld der Medienbranche von zahlreichen politisch und gesellschaftlich strittigen Themen. Es geht um Cancel Culture, Genderfragen, Klimaaktivisten, Diskriminierung, Feminismus und einen Kampf um Gerechtigkeit. Mit Konflikten zwischen den Generationen, zwischen Männern und Frauen, zwischen Rechts und Links ist der Roman brandaktuell und am Puls der Zeit. 

Die Figuren sind mitunter stereotyp dargestellt, was jedoch weniger störend ist, sondern zur ironischen Sichtweise und den zum Teil aberwitzigen Diskussionen passt, die nicht nur im Buch, sondern auch im wirklichen Leben geführt werden. 
Die Themen werden dadurch aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, so dass keine vorgefertigte Meinung aufgezwungen wird. Es bleibt allein der Leserin/ dem Leser überlassen, sich eine eigene Meinung zu bilden. 

Der Einblick in die Medienbranche, in die Arbeit in einem Wochenmagazin sowie der Einfluss von Bloggern und Social Media wirken authentisch. Es ist ein schnelllebiges Metier, in welchem Fehler und falsche Prognosen zu ungeahnten Folgen führen können. Erfolg und Scheitern liegen oftmals dicht daneben, Macht und Manipulation werden rigoros ausgenutzt. Wer den Anschluss verpasst, gerät ins Aus, aber auch wer zu progressiv vorgeht, kann sich unmittelbar ins Abseits manövrieren. 

Auch wenn kein Charakter wirklich sympathisch ist und die einzelnen Schicksale trotz ihrer dramatischen Entwicklung nur bedingt berühren können, unterhält "Aufsteiger” durch eine mitunter überspitzte Darstellung und die Gesellschaftskritik, die so pointiert in Romanform wiedergegeben wird. 
Leider verliert sich die Geschichte am Ende mit einer Offenbarung und driftet anschließend kitschig und dramatisch ab. 

Mittwoch, 1. Oktober 2025

Buchrezension: Lisa Sarah Brandstäter - Mord in eiskalter Nacht (Leena Victor ermittelt, Band 1)

Inhalt:

Es war eine rauschende Feier. Am nächsten Tag liegt Kira Westerlund ermordet im Ehebett, geknebelt und mit einer Plastiktüte erstickt. Der Mord an der beliebten Moderatorin versetzt das friedliche Finnland in einen Schockzustand. Kriminalkommissarin Leena Victor hat bei Gewaltdelikten gegen Frauen landesweit die beste Aufklärungsquote, die eingerichtete Sonderkommission braucht sie eigentlich. Doch sie war Gast auf der Party und hat außerdem Urlaub. Leena weiß, dass Sauna, Eisbaden und ihr geliebtes Boxtraining warten müssen. Sie beginnt zu ermitteln, in alle Richtungen. Bis sie in einem der unendlichen nordischen Fichtenwälder vor einem beschaulichen Haus steht, das ihr seltsam bekannt vorkommt. 

Rezension:

Am Morgen von Heiligabend wird die bekannte Fernsehmoderatorin Kira Westerlund von ihrem Ehemann tot im Schlafzimmer aufgefunden. Während Sören als Arzt im Dienst war, hatte seine Ehefrau zusammen mit Freunden aus der Film- und Fernsehbranche die alljährliche Weihnachtsparty in ihrem Haus gefeiert. Auch Kriminaloberkommissarin Leena Victor war ihrer Schwester zuliebe anwesend. Nun befindet sie sich im wohlverdienten Urlaub und wollte die Zeit nutzen, um sich mit den ungeklärten Umständen des Tods ihres Vaters zu beschäftigen, der vor über zwanzig Jahren Selbstmord begangen haben soll. Leena kann sich aber nicht bremsen, im Hintergrund im Mordfall Westerlund zu ermitteln und kommt zufällig dem mutmaßlichen Täter auf die Spur und kann ihre Kollegen der Mordkommission damit unterstützen.

"Mord in eiskalter Nacht" ist der erste Band einer neuen Scandi-Crime-Reihe um Kriminaloberkommissarin Leena Victor der Mordkommission Helsinki, die auf Sexualdelikte spezialisiert ist. Aufgrund persönlicher Erfahrungen sind ihr Gewaltdelikte gegen Frauen ein besonderes Anliegen.

Die Geschichte wird in kurzen Kapiteln aus vielen wechselnden Perspektiven erzählt. Hierbei gibt es Einblicke in die Sicht der Opfer, Täter sowie der polizeilichen Ermittler. Durch Rückblenden wird offenbar, was Leena und ihre ältere Schwester in ihrer Kindheit erlebt haben und was ihr Handeln nach wie vor beeinflusst.

Trotz des frühen Leichenfunds und dem Fokus auf den Ermittlungen zur Aufklärung der Tat, schildert die Geschichte mehr als nur einen Kriminalfall. Durch sie Involvierung des Privatlebens verschiedenster Personen, die am Rande oder unmittelbar in den Fall involviert sind, ist es ein vielschichtiger Roman, der eine große Bandbreite an Themen beinhaltet. Er handelt von Machtmissbrauch, sexuellen Übergriffen, Gewalt gegen Frauen, #metoo, erlebte Traumata, Bulimie sowie Karriere, Selbstverwirklichung, Selbstvertrauen, Kampf um Gerechtigkeit, Solidarität und einem engen Band der Schwesternschaft.

Die Erzählung ist lebendig und dynamisch und bindet den finnischen Lebensstil mit Naturverbundenheit, (problematischem) Alkoholkonsum und klirrender Kälte bildhaft ein.
Trotz der Vielzahl der Themen wirkt der Roman nicht überladen, denn sie überschneiden sich und fügen sich rund zusammen.
Leena ist eine sympathische Heldin, die empathisch und instinktgesteuert handelt, aber auch die Nebencharaktere sind lebensecht und können mit Ecken und Kanten überzeugen.

Unterhaltsam, spannend, emotional und gesellschaftskritisch fesselt der Krimi bis zum Schluss.
Die Vergangenheit von Leena respektive ihres Vater macht neugierig und bietet neben neuen Kriminalfällen viel Potenzial für weitere Bände und die persönliche Entwicklung der Hauptfigur. Ich freue mich schon jetzt auf Band 2 "Tod in heller Sommernacht", der voraussichtlich im Juli 2026 erscheinen wird.