Mittwoch, 30. Oktober 2024

Buchrezension: Hanna Aden - Lass uns tanzen, Fräulein Lena

Inhalt:

Nordfriesland 1946: Wie zahlreiche Vertriebene wird auch die junge Lena Buth, die nach ihrer Flucht aus Pommern in Niebüll eine neue Heimat gefunden hat, von den Einheimischen immer noch als "Rucksackdeutsche" argwöhnisch betrachtet. Einzig die Spaziergänge mit ihrem Freund Rainer sind Lenas Lichtblick. Sehnsüchtig wartet sie auf ein deutlicheres Zeichen seiner Zuneigung. Hat seine Zurückhaltung mit den Gerüchten zu tun, die jemand böswillig über Lena streut? Ablenkung erfährt sie durch ihre neue Kollegin Doro, eine lebenslustige Berlinerin, die Lena nach Feierabend die ersten Tanzschritte beibringt und sie mitnimmt in die Jazzkeller der britischen Besatzungssoldaten. Hier genießt Lena, dass es noch mehr im Leben gibt als Entbehrung und harte Arbeit. 
Rainer hingegen kommt nicht darüber hinweg, dass sein Schwager während des Krieges als Aufseher in einem Vernichtungslager gearbeitet hat – und dass er damit ungestraft davonzukommen scheint. Als ein Freund von früher nach Niebüll zurückkehrt, wird Rainer vor eine schwere Entscheidung gestellt, die auch seine Beziehung zu Lena aufs Spiel setzt. 

Rezension: 

Lena lebt nun schon eine Weile in ihrer neuen Heimat Niebüll, wird als Flüchtling jedoch argwöhnisch betrachtet. Um sich den Traum eines Medizinstudiums finanzieren zu können, arbeitet sie nicht nur als Übersetzerin für die britischen Besatzer, sondern auch als Wäscherin in verschiedenen Haushalten. Mit ihrem Freund Rainer, der als Versehrter aus Russland zurückkehrt ist und die Lasten des Krieges auf sich trägt, genießt sie die regelmäßigen Spaziergänge. Durch seine Zurückhaltung verunsichert er sie und dann sind da auch noch die bösen Gerüchte, die seine ehemalige Verlobte Gisela über Lena streut.
Treue Ratgeberin und Freundin wird ihr die neue Kollegin Doro aus Berlin, die Lena zum Tanzen verführt. Doch wirklich frei kann sich Lena trotz manch ausgelassener Stunden nicht fühlen, nachdem Rainer einem traumatisierten Kriegsheimkehrer ihr Geheimnis verraten hat. 

"Lass uns tanzen, Fräulein Lena" ist die Fortsetzung des Romans "I love you, Fräulein Lena", in welchem die Flucht der neunzehnjährigen Lena aus Pommern und ihre Ankunft im nordfriesischen Pommern erzählt wird. 
Zum Verständnis ist es empfehlenswert, den Vorgängerroman gelesen zu haben, auch wenn wichtige Details des ersten Romans wiederholt und erklärt werden. Da jedoch ein Schlüsselerlebnis eine zentrale oder sogar DIE entscheidende Rolle in "Lass uns tanzen, Fräulein Lena" spielt, ist es von Vorteil mit den Hintergründen und den Hauptfiguren vertraut zu sein. 

Der Roman handelt von Schuld, Verrat und den seelischen und körperlichen Folgen des Krieges. Auch wenn der Roman mit dem unbeschwerten Titel "Lass uns tanzen, Fräulein Lena" fröhlich und hoffnungsvoll anmutet, ist die Geschichte über weite Teile schwermütig und von den Problemen der Charaktere beschwert. 
Lena wird als "Rucksackdeutsche" ausgegrenzt und muss sich gegen gemeine Gerüchte wehren. Zudem ist sie unsicher darüber, was Rainer für sie fühlt. Rainer möchte nicht nur als "Krüppel" betrachtet werden und kommt nicht darüber hinweg, was Lena ihm im Vertrauen über seinen Schwager erzählt hat. Erwin hat Treblinka überlebt und ist schwer traumatisiert. Er hat Rache geschworen und möchte Nazis wie Rainers Schwager unschädlich machen. Gisela leidet unter den bösen Worten ihrer Mutter und befürchtet nach Rainers Entlobung als alte Jungfer zu enden und ewig für ihre Mutter da sein zu müssen. Die Schuld dafür gibt sie Lena, die Rainer schöne Augen macht. 

Die Geschichte wird wechselnd aus verschiedenen Perspektiven erzählt, so dass man die Gefühle der Hauptfiguren und das, was sie antreibt, gut nachempfinden kann. Allerdings drehen sich viele Gedanken im Kreis, so dass die Geschichte lange Zeit auf der Stelle tritt. Selbst einzelne Tanzepisoden oder die eigentlich freudige Rückkehr von Lenas Mutter und Schwester aus dem dänischen Flüchtlingslager sorgen dabei kaum für Abwechslung. Trotz der Aussicht auf demokratische Wahlen erfährt man nur wenige Details über das Leben in einer von fremden Mächten besetzten Stadt und das obwohl Lena für die Briten arbeitet. Der Rahmen der Handlung ist zugunsten der ewigen Grübeleien der Figuren wenig ausgeschmückt. 

Auch die Liebesgeschichte von Lena und Rainer hätte etwas euphorischer sein dürfen. Die Gefühle der beiden sind eher auf Sparflamme und ihre Liebe sehr kameradschaftlich. 

Am Ende wird es nach einem gleichförmig ruhigen Verlauf dramatisch, aber sehr abenteuerlich und da konnte ich auch manches Verhalten der Charaktere nicht mehr ganz nachvollziehen, die plötzlich eine Wendung in eine andere Richtung machten. Auch ist schade, dass die quirlige Doro als neue Freundin von Lena nur eine Randfigur blieb. 

Anders als gedacht, ist die Fortsetzung von "I love you, Fräulein Lena" stark von Altlasten geprägt und weniger schwungvoll und von einem Antrieb des Wiederaufbaus und Neuanfangs geprägt. Die Geschichte liest sich leicht, hat aber weitaus weniger Charme als der erste Teil und bis auf die Bloßstellung eines Charakters für mich keinen entscheidenden Mehrwert. 


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