Mittwoch, 23. Juni 2021

Buchrezension: Clara Maria Bagus - Die Farbe von Glück

Inhalt:

Eine falsche Entscheidung, die das Leben dreier Familien für immer verändert: Ein Richter zwingt die Krankenschwester Charlotte, sein sterbenskrankes Neugeborenes gegen ein gesundes zu tauschen. Folgt sie seiner Drohung nicht, entzieht er ihr den Pflegesohn. Die Welt aller Beteiligten gerät aus den Fugen, doch hinter allem wirkt der geheimnisvolle Plan des Lebens. 
Können wir im falschen Leben das richtige finden? Wie öffnet man sich einem neuen? Wie lässt man los? Mit großer sprachlicher Kraft und Anmut zeigt die Autorin, dass jeder seine Lebenskarte bereits in sich trägt und alles auf wundersame Weise miteinander verknüpft ist.
In diesem Roman findet jeder seine Farbe von Glück.

Rezension: 

Als die 30-jährige Ehefrau des Richters Jules nach mehreren Fehlgeburten ein Kind zur Welt bringt, ist die Freude darüber getrübt, denn das kleine Mädchen kann kaum atmen und scheint keine lange Lebenserwartung zu haben. Jules kann seine Frau nicht länger leiden sehen und zwingt deshalb in einer Kurzschlussreaktion die Krankenschwester Charlotte, das Neugeborene gegen ein gesundes, kräftiges Mädchen zu tauschen, das von Eltern stammt, die bereits zwei Kinder haben. Der Richter weiß, dass Charlotte ein Pflegekind hat, das sie liebt, aber nie offiziell adoptiert hat und erpresst sie, ihr den achtjährigen Antoine in seiner Funktion als Richter zu entziehen. 
Beide schweigen sie jahrelang über die Entscheidung, die sie getroffen haben, plagen sich mit einem schlechten Gewissen und haben Schuldgefühle gegenüber den Mädchen und was sie der anderen Familie angetan haben. Jules Ehe zerbricht daran, bis er beschließt, sein Gewissen zu erleichtern und zu handeln. Charlotte hatte nach dem Kindstausch das Land verlasen und in Asien ein neues Leben angefangen. Sie hat nie über den Vorfall gesprochen und auch Antoine gegenüber verschweigt sie Details aus seiner Vergangenheit, die ihm zu dem machen, was er ist. Seine Mutter hatte ihn als kleinen Jungen im Stich gelassen und er konnte sie nie erklären, wie sie ihm das antun konnte. 

Von dem Roman hatte ich mir aufgrund der verwerflichen Entscheidung, die aufgrund verschiedenster, verzweifelter Zwänge der Protagonisten getroffen wurde, ein spannendes Familiendrama erwartet. Weder die inhaltliche Darstellung der Geschichte noch die poetisch anmutende Erzählweise konnte mich jedoch überzeugen. 

Der Beginn des Buches mit dem Verlassenwerden Antoines und dem Säuglingstausch ist tragisch und bewegend und ließ auf eine emotionale Geschichte hoffen. Der Schreibstil ist allerdings alles andere als unterhaltend und lebendig. Als Leser hat man das Gefühl, nur am Rande zu stehen und auf die Protagonisten aus der Distanz zu blicken. Diese blieben blass und entwickeln sich nicht weiter. 
Man erfährt nur Fragmente aus deren Leben, ohne dass ihr Lebenslauf über die Jahre klar ersichtlich wird. Die Personen bleiben passiv und der Roman ohne packende Handlung. Stattdessen werden in den Dialogen, insbesondere zwischen Charlotte und Antoine, philosophisch anmutende Floskeln und Lebensweisheiten aneinandergereiht, die den Leser letztlich ermüden. Jules leidet und leidet und leidet bis er nach 20 Jahren endlich aufbricht, um zu handeln. Was ihn genau zu diesem Zeitpunkt bewegt hat, zu agieren, erschließt sich genauso wenig wie Charlottes jahrzehntelanges Schweigen über das Schicksal von Antoines Familie. 
Diese unklare Motivlage ließ die Geschichte für mich unglaubwürdig erscheinen, nachdem ich es bereits schon unrealistisch empfunden habe, dass Charlotte sich in keiner Weise gegen den Tausch der Babys wehrt, dem Richter nicht ins Gewissen redet oder nach der schicksalhaften Nacht noch ins Geschehen eingreift. 

Der Roman enthielt mir entschieden zu viele leere Worthülsen statt einer spannenden und vor allem tiefer gehenden Auseinandersetzung mit den Themen Schuld und Sühne. Die Vermittlung eines Strebens nach Glück ging komplett an mir vorbei und das kitschige Ende empfand ich geradezu haarsträubend und schon fast eine Beleidigung des Lesers, nach der Ankündigung des Verlags als "weisen, großartigen Roman". 

2 Kommentare:

  1. Hallo Lena, auf irgendeinem mir selbst nicht mehr ganz nachvollziehbaren Weg bin ich in Deinem Blog gelandet, das ich mir auf jeden Fall bookmarken werde. Kompliment! 👏 Doch nun zum Buch: Ich bekam es von Freunden geschenkt, die es wohl aufgrund des Klappentextes für mich ausgesucht haben. Sie sei schon gespannt, was ich dazu sagen werde, meinte meine Freundin. Und sie wolle es nach mir auch unbedingt lesen. Ich habe jetzt fünf Kapitel gelesen und bin wirklich erschüttert von so viel aufgesetztem Geschwurbel. Hinter der Sprache der Autorin empfinde ich eine Art Druck, der mir Verständnis für die Protagonisten entlocken soll. Die allerdings sind in meinen Augen völlig unreife Erwachsene, die dringend der Therapie bedürfen. Ein Richter, der zu einer Vertauschung von Kindern überredet. Eine Krankenschwester, die sich zu solch einer kriminellen Handlung überreden lässt, statt den Richter anzuzeigen. Wie kann man dafür Verständnis haben? Die Formulierungen ... sprachlich überwältigend? Herr Lanz, sind Sie in den Honigtopf gefallen und können Kitsch und völlig überzogene Metapher nicht mehr von guter Literatur unterscheiden? Nun habe ich für mich eine Entscheidung zu treffen: Weiterlesen oder abbrechen? Und wie vermittle ich meinen Freunden, die mir etwas Erbauliches schenken wollten, meinen Eindruck? Vielleicht ohne vorhergehenden Kommentar ausleihen und abwarten? Und dann ehrlich und offen die Meinungen austauschen. Immerhin können auch schlechte Beispiele einen das Schreiben lehren (leeren --> im Sinne von: so bestimmt nicht!). Ich wundere mich über den Verlag. Aber bei diesem Buch scheiden sich wohl die Geister. Herzlichen Gruß, Ulrike Nikolai, die hier möglicherweise noch öfter auftaucht

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    1. Liebe Ulrike, herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Ich habe auch das Gefühl, dass das Buch polarisiert.
      Freue mich, weiter von dir zu hören!
      Liebe Grüße
      Lena

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