Freitag, 4. März 2016

Buchrezension: Claire Winter - Die verbotene Zeit

Inhalt:

1975: Nach einem schweren Autounfall sind Carlas Erinnerungen wie ausgelöscht, und sie setzt alles daran, die verlorene Zeit zu rekonstruieren. Der Journalist David Grant behauptet, sie sei auf der Suche nach ihrer Schwester gewesen, die vor sechzehn Jahren spurlos an der Küste von Cornwall verschwand. Doch kann sie ihm vertrauen? Lügen ihre Eltern sie an? Die Wahrheit führt Carla weit zurück in die Vergangenheit, in das Berlin der Dreißigerjahre, zu einer ungewöhnlichen Freundschaft und einer verbotenen Liebe, aber auch einer schrecklichen Schuld ...

Berlin, 1922: Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft verbindet Edith und Dora von Kindheit an eine so enge und treue Freundschaft, als wären sie Schwestern. Dora ist die Tochter eines einfachen Hausmädchens, Edith die eines reichen Papierfabrikanten. Die beiden wachsen im schillernden Treiben der Großstadt heran, und ihre Verbundenheit bleibt ihnen auch als Erwachsene erhalten. Dora findet ihr Glück mit dem ehemaligen Sportler Paul Behringer, und Edith heiratet den Adeligen Maximilian von Stettenheim. Doch wahre Liebe begegnet Edith erst mit dem charismatischen Violinisten Jules Cohn. In den gefährlichen politischen Zeiten der Dreißigerjahre lässt Edith sich auf ein gewagtes Spiel ein, denn Jules ist Jude und im Widerstand aktiv. Dora bleibt der einzige Mensch, dem sie vertrauen kann. Und Edith wird schließlich gezwungen, die Freundin um etwas zu bitten, das ihrer aller Leben auf dramatische Weise für immer verändern wird...

Rezension:

Der Roman schildert eine Familiengeschichte auf zwei Zeitebenen.

Die Gegenwart ist im Jahr 1975 angesiedelt und handelt von Carla, einer jungen Frau um die 30 Jahre, die nach einem Autounfall unter einer partiellen Amnesie leidet und sich an die sechs Monate zuvor nicht erinnern kann. Sie ist mit Tom verheiratet, der erfolgreicher Rechtsanwalt ist und sie bei ihren Versuchen, sich an die Zeit vor ihrem Unfall zu erinnern nicht unterstützt. Carla verliert zunehmend das Vertrauen in ihren Ehemann und vermutet, dass er und auch ihr Vater etwas verheimlichen. Sie beginnt auf eigene Faust und zusammen mit einem Journalisten mit Nachforschungen, die sie noch weiter in die Vergangenheit zurückversetzen. Offensichtlich gibt es in ihrer Familie noch weitere Geheimnisse, die sowohl mit dem Verschwinden ihrer älteren Schwester Anastasia als auch mit der Vergangenheit ihrer Mutter Dora, die in einer psychiatrischen Einrichtung in Cornwall untergebracht ist, im Dritten Reich zusammenhängen.

Die Vergangenheit beschreibt die Jahre von 1922 bis nach dem Zweiten Weltkrieg und handelt von Dora und ihrer besten Freundin Edith - von ihrer Kindheit bis zur Heirat ihrer jeweiligen Ehemänner und der Judenverfolgung während des Naziregimes. Dieser Handlungsstrang, der immer wieder durch die Nachforschungen von Clara 1975 unterbrochen wird, machen den größeren Umfang des Romans aus. Dora nimmt dabei eher einen passiven Part ein. Sie stammt im Gegensatz zu Edith aus ärmeren Verhältnissen, ist gelernte Krankenschwester, wünscht sich aber nichts sehnlicher als mit ihrem Mann Paul eine Familie zu gründen. Edith ist die leidenschaftlichere Frau von beiden. Sie heiratet Maximilian, verliebt sich aber in den Juden Jules. Gemeinsam mit ihm verhilft sie mehreren jüdischen Familien zur Ausreise und bringen sich damit selbst in Gefahr. Als Edith von Jules schwanger wird und sie sich für eine Flucht aus Deutschland entschließen, ist es bereits zu spät. Jules gefälschter Pass wird enttarnt und er selbst ins KZ Sachsenhausen gebracht.

"Die verbotene Zeit" ist eine spannende Familiengeschichte, in der nach und nach einige Ungereimtheiten und Geheimnisse von Claras Vorfahren gelüftet werden. Es ist einerseits spannend zu erfahren, weshalb niemand aus ihrer Familie ihr behilflich ist, die Zeit vor ihrem Unfall zu erklären und zu versuchen, ihre Erinnerungslücken zu füllen. Zurecht ist Clara völlig verunsichert und beginnt auf eigene Faust mit Nachforschungen.

Die Vergangenheit und Historie ihrer Familie wird dabei noch eindringlicher und emotionaler geschildert, was aber auch dem Terrorregime unter Adolf Hitler geschuldet ist. Alle drei Frauen sind auf ihre Weise interessante und sympathische Charaktere, die den Roman zu einem vielschichtigen und flüssigen Leseerlebnis machen - tragisch und spannend zugleich.



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