Montag, 2. September 2024

Buchrezension: Coco Mellors - Blue Sisters

Inhalt:

Drei ungleiche Schwestern, wo zuvor vier waren: Ein Jahr nach Nickys Unfalltod treffen sich Avery, Bonnie und Lucky in New York wieder, um den Verkauf ihres Elternhauses zu verhindern. Doch Nicky hat eine solche Lücke hinterlassen, dass die übrigen drei nacheinander völlig aus der Bahn geraten. Gelingt es ihnen, aus dem existenziellen Scherbenhaufen gemeinsam etwas Neues entstehen zu lassen? 

Rezension: 

Avery, Bonnie und Lucky erhalten eine Nachricht von ihrer Mutter, dass sie die Wohnung in New York verkaufen möchte, in der die Schwestern aufgewachsen sind. Sie bekommen damit die Gelegenheit die Sachen durchzusehen, die noch von Nicky dort sind, ihrer vor einem Jahr verstorbenen Schwester.
Die drei jungen Frauen führen unterschiedliche Leben an unterschiedlichen Orten, trauern um die Schwester und versuchen den Schmerz auf ihre Weise zu überdecken. Alkohol, Drogen, Kleptomanie, exzessiver Sport und ein Ausbrechen aus dem Alltag sind bezeichnend. Jede von ihnen legt ein selbstzerstörerisches Verhalten an den Tag, sabotiert ihre Beziehungen oder macht sich körperlich kaputt. Schuld ist die Trauer um die verstorbene Schwester, aber auch die Auswirkungen des Aufwachsens innerhalb einer dysfunktionalen Familie. 

Der Roman ist abwechselnd aus der Sicht der drei Schwestern zwischen 27 und 33 Jahren geschrieben. Durch die langen Kapitel taucht man intensiv in die Leben jeder einzelnen ein und kann ihr Verhalten und ihr Denken anschaulich und schmerzhaft nachempfinden. Jede hat eine Rolle, die sie (widerwillig) einnimmt. Avery ist die Älteste, die zum Mutterersatz geworden ist, Bonnie ist die Starke, die ein sicherer Halt ist und Lucky das Nesthäkchen und Sorgenkind. Geprägt von einer schwierigen Kindheit, ist die Flucht in ein Suchtverhalten fast schon die natürliche Folge, waren die Eltern doch kein besseres Vorbild. 

"Aber ihre Familie war nicht normal. Sucht floss durch ihre Adern wie Elektrizität durch einen Stromkreis."

Die Auswirkungen des plötzlichen Verlusts sind eindringlich zu spüren. Die Schwestern sind aus dem Gleichgewicht gebracht, vermissen die vierte im Bunde und machen sich gar Vorwürfe, nicht genug für sie dagewesen zu sein. Avery flüchtet sich in die Arbeit und distanziert sich von ihrer Frau, Bonnie gibt ihre Leidenschaft, das Boxen, auf und Lucky hadert damit, nur auf ihr Äußeres reduziert zu werden und torpediert ihre Karriere als Model. 
Die Schwestern lieben und hassen sich gleichzeitig. Sie sind sich nicht egal und schaffen es deshalb, sich gegenseitig zu verletzen. 

"Blue Sisters" handelt neben der Trauer und der Flucht in einen anderen, leichter erträglichen Schmerz, von Schwesternschaft und dem festen Band, das verbindet. Es ist keine Wohlfühllektüre, denn im Vordergrund stehen die Gefühle der Trauer und der Wut. Dennoch hegt man die Hoffnung, dass die Schwestern, wenn sie in New York zusammenkommen, von Nicky Abschied nehmen und einen gemeinsamen Weg finden, um mit ihrer Trauer umzugehen und auf sich selbst zu achten. 
Die Geschichte ist über weite Teile nur schwer erträglich, endet jedoch versöhnlich und zeichnet eine realistische Entwicklung jeder einzelnen Figur und der Schwesternbeziehungen untereinander, auch wenn der Epilog ein wenig ins Kitschige driftet. 

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