Montag, 15. Januar 2024

Buchrezension: Arne Jensen - Etwas verborgen Schönes

Inhalt:

Uckermark, 2022: Ein altes Gutshaus nicht weit vom Nirgendwo entfernt, mitten im Juli. Die Neunzigjährige Ottilie Rabe versammelt ihre weit verzweigte Verwandtschaft, um ihren Nachlass zu regeln. Doch das Treffen reißt alte Wunden auf. Vor allem will sie einem blinden Fleck in ihrer Erinnerung nachgehen. Denn Ottilie hat über Jahrzehnte etwas verheimlicht, und das ist so ungeheuerlich, dass es ihrer aller Leben für immer verändern wird. 
Berlin, 1944: Ein hochrangiger Gestapo-Offizier wird tot in seiner Wohnung aufgefunden, er wurde mit einem Hammer erschlagen. Der ermittelnde Kriminalrat Werner Beltheim steht unter großem Druck, den Fall rasch aufzuklären. Dringend tatverdächtig ist die Tochter des Toten, die neben ihm auf einem Hocker sitzt. Ihr Name ist Ottilie Rabe. 

Rezension: 

Ottilie Rabe ist 94 Jahre alt, als sie beschließt, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und ein gut gehütetes Geheimnis ans Licht zu bringen. Gleichzeitig möchte sie die Aufklärung der ungeklärten Todesumstände ihres Vaters vorantreiben und ihr Erbe regeln. Dazu versammelt sie im Sommer 2022 ihre Familie um sich, zu der sie zu einem Großteil seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte. 

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen - im Jahr 1944, als Lilis Vater, ein hochrangiger Gestapo-Offizier tot aufgefunden wird und sie unter Verdacht gerät und im Jahr 2022, als die weit verzweigte Familie Rabe sich auf Gut Torchau versammelt und gebannt auf Lilis Enthüllungen ist. 

Der Schwerpunkt der Handlung liegt zunächst auf der Gegenwart, die aus der Ich-Perspektive von Lilis Enkelin, Naira, geschildert ist. Sie hat ein enges Verhältnis zu ihrer Oma, macht sich einerseits Sorgen, dass die Konfrontation mit der Vergangenheit zu belastend für die alte Frau sein könnte, ist aber auch neugierig auf ihre Geschichte und den Familienclan, der sich - mutmaßlich auch aufgrund eines zu erwartenden reichen Erbes - bereitwillig in der Uckermark und Berlin einfindet. 
Die Treffen stehen unter Spannungen, hat doch jeder andere Erwartungen und nicht mit den Erkenntnissen gerechnet, die ein Kriminalkommissar aD, der alte Unterlagen zu den Ermittlungen im Fall Rabe ausgewertet hat und in diesem Zusammenhang Lilis Geheimnis enthüllen muss, darlegt. 

Die Vergangenheit nimmt erst nach den ersten Begegnungen der Familie mehr Raum ein und wird überwiegend aus der Perspektive des Kriminalrats Werner Beltheim geschildert, der auf sympathische Weise nicht systemtreu ist und nicht daran glaubt, dass die offensichtlich tatverdächtige 16-jährige Ottilie ihren Vater auf dem Gewissen hat. 

"Etwas verborgen Schönes" ist eine spannende Mischung aus Familiengeschichte, Kriminalroman und Historienschmöker. Die Charaktere sind vielfältig und authentisch gezeichnet und der Plot bietet überraschend Neues. Er handelt nicht nur von der Aufklärung einer fast 80 Jahre ungesühnten Tat und der Zusammenführung einer vielschichtigen Familie, sondern insbesondere auch von Fragen der Herkunft, Identität, von Toleranz, Menschlichkeit, Freiheit und dem Recht auf Selbstbestimmung. Ideologische Fragen, Fragen zu Rassenhygiene und Moral geben insbesondere dem Erzählstrang der Vergangenheit Tiefe, die die düstere deutsche Geschichte in den Fokus nimmt und viel mehr ist als nur Ermittlungen zu einem Tötungsdelikt. 
Der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit sorgt für Spannung, denn das Finden der Wahrheit erfolgt damit nur etappenweise. 
Auch wenn es in der Gegenwart während der Diskussionen der Familienmitglieder einzelne Längen gibt und die Vielzahl der Personen, die das Geflecht etwas undurchschaubar und nicht unbedingt notwendigerweise kompliziert machen, ist es eine berührende und fesselnde Geschichte über die Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Akzeptanz. 

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